UFS RV/0686-L/10

UFSRV/0686-L/1018.2.2011

Kein Anrechnungsvortrag für Quellensteuern aus Dividenden, Zinsen und Lizenzen

 

Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 442/11 eingebracht. Mit Beschluss vom 29.11.2011 abgelehnt und dem VwGH zur Entscheidung abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2012/15/0002 eingebracht. Mit Erk. vom 27.11.2014 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der ROG, vertreten durch KAT, vom 26. Mai 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes L vom 6. Mai 2010 betreffend Körperschaftsteuer Gruppe 2005 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

1. Am 6. Mai 2010 erging der Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005, mit einer Körperschaftsteuerschuld von 2.629.616,19 €. Dabei erfolgte keine Anrechnung ausländischer Quellensteuern im Jahre 2005.

2. Mit Schreiben vom 26. Mai 2010 wurde gegen den Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005 vom 6. Mai 2010 Berufung eingelegt.

a. Es werde der Berufungsantrag gestellt, den Körperschaftsteuerbescheid Gruppe 2005 wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben und die Anrechnung von noch nicht angerechneten ausländischen Quellensteuern aus den Jahren 1998 bis 2003 iHv 189.270,56 € zu gewähren (Anrechnungsvortrag iHv insgesamt 210.373,62 €, unter Berücksichtigung der Anrechnung iHv 21.103, 06 € bei positiver Erledigung der Berufung vom 8. April 2009 gegen den Körperschaftsteuerbescheid 2004 vom 17. März 2009).

b. Die festzusetzende Körperschaftsteuer ergibt sich demnach wie folgt:

Gesamtbetrag der Einkünfte der Gruppe

47.488.772,43 €

abzüglich Verlustabzug Gruppe

-31.302.698,47 €

Einkommen Gruppe

16.186.073,96 €

  

davon sind 11.305.210,42 mit 34% KÖSt zu versteuern

2.826.302,60 €

davon sind 4.880.863,54 mit 25% KÖSt zu versteuern

1.659.493,60 €

abzüglich anrechenbare Mindest-KÖSt

-19.754,33 €

Anrechnung Quellensteuern 2005 (unverändert)

-2.702,75 €

Anrechnungsvortrag ausländische Quellensteuern (Berufung)

-189.270,56 €

Körperschaftsteuer

4.274.068,56 €

einbehaltene Steuerbeträge (unverändert)

-7.092.955,32 €

Festzusetzende Körperschaftsteuer

-2.818.886,76 €

statt bisher

-2.629.616,19 €

c. Als Begründung führe man folgendes aus:

1998 bis 2003 habe die RHG ausländische Einkünfte erzielt, für die Österreich das Besteuerungsrecht habe, aber auch dem jeweiligen Quellenstaat ein Besteuerungsrecht zustehe.

Bei den Einkünften handle es sich um Kreditzinsen, Wertpapierzinsen, Lizenzzahlungen und Dividenden für Beteiligungen unter 10%. Die genannten Einkünfte habe man in Österreich der Besteuerung zur Gänze unterworfen. Aufgrund des negativen Einkommens der RHG (deren Rechtsnachfolger die Bw. ist) in den Jahren 1998 bis 2003, seien die im Quellenstaat einbehaltenen Quellensteuern iHv 210.373,62 € nicht auf die österreichische KÖSt anrechenbar gewesen. Man beantrage daher die bisher noch nicht anrechenbaren Quellensteuern aus 1998 bis 2003 mit 189.270,56 € auf die KÖSt 2005 anzurechnen.

Dass für die Anrechnung von noch nicht angerechneten ausländischen Quellensteuern aus Vorjahren eine konkrete inländische Rechtsnorm fehle, sei nicht schädlich. Die Anrechnung ausländischer Quellensteuern erfolge aufgrund des zwischenstaatlichen Rechts bzw aufgrund des § 48 BAO. Sie ergebe sich primär aus dem Abkommensrecht. Ein Anrechnungsvortrag ergebe sich auch aus verfassungs- und gemeinschaftsrechtlichen Überlegungen.

(1) Es entspreche der herrschenden Ansicht, dass DBA abkommensautonom auszulegen seien. Das Ziel der DBA bestehe darin, eine doppelte bzw überhöhte Besteuerung aufgrund der mehrfachen Erfassung der Einkünfte zu vermeiden. Die Anrechnung "auf die vom Einkommen zu erhebende Steuer" könne nach Sinn und Zweck der DBA nur in Richtung der Anerkennung eines Anrechnungsvortrages ausgelegt werden. Jede anderweitige Auslegung hätte ein sinnwidriges Ergebnis zur Folge. Es würde sonst die gegenteilige Wirkung eintreten, nämlich eine Doppelbesteuerung. Der Abkommensschutz würde nicht zur Anwendung kommen. Das Totalergebnis im Sinne der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und im Sinne der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit dürfe nicht mehr und nicht weniger als einfach erfasst werden. Darüberhinaus habe der VwGH im Erkenntnis vom 25.9.2001, 99/14/0217, festgehalten, dass die Anrechnungsmethode im Ergebnis eine periodenübergreifende Wirkung habe. Dieses Ergebnis werde auch durch die jüngste Entwicklung auf Ebene der OECD als "DBA-Rechtssatz" unterstützt, wonach Vorschriften zur Beseitigung der Doppelbesteuerung periodenübergreifend anzuwenden seien und diesbezüglich keine zeitlichen Beschränkungen bestünden.

Zum gleichen Ergebnis komme man durch VwGH 25.11.2002, 99/14/0099 und der darin enthaltenen "gleichheitskonformen Auslegung im DBA-Recht": Bezögen zwei in Österreich ansässige Personen A und B (mit Unternehmen in Österreich) Zinseinkünfte aus dem Staat C, mit dem ein DBA mit Anrechnungsmethode bestehe und erwirtschafte A im Jahr 1 einen Gewinn und im Jahr 2 einen Verlust, während das bei B umgekehrt sei, würde nur bei A die Quellensteuer angerechnet werden (trotz gleichem Ergebnis bei beiden). Das würde zu einer Ungleichbehandlung von zwei in ihrem wirtschaftlichen Gehalt vergleichbaren Sachverhalten führen. Aus Art 23 B Abs 1 OECD-Musterabkommen sei daher im Sinne einer gleichheitskonformen Interpretation ein Anrechnungsvortrag abzuleiten. Auch Art 23 behandle den zeitlichen Aspekt der Anrechnung nicht. Ziel und Zweck der DBA sei die Beseitigung der Doppelbesteuerung, da andernfalls der Abkommensschutz ins Leere laufe.

(2) Auch das Gemeinschaftsrecht gebiete einen Anrechnungsvortrag. Dabei sei ein Vergleich des grenzüberschreitenden Sachverhalts mit dem Inlandsfall anzustellen. Bei inländischen Fällen komme es - anders als bei grenzüberschreitenden Sachverhalten - zu keiner Doppelbesteuerung. Der Vergleich mit dem grenzüberschreitenden Sachverhalt führe zu einer Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit bzw der Niederlassungsfreiheit. Verwiesen sei dazu auch auf das Urteil vom 14.12.2000, "AMID", wonach eine periodenübergreifende Sichtweise der Anrechnungsmethode im Hinblick auf einen Anrechnungsvortrag geboten sei. Auch der UFS (vgl RV/0436-L/08) hege Zweifel, ob die Nichtanrechnung ausländischer Quellensteuern in Verlustjahren ohne Anrechnungsvortrag den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben entspreche.

d. Im gegenständlichen Fall sei die Verlustsituation der Jahre 1998 bis 2003 der entscheidende Faktor. Die ausländischen Erträge seien in diesen Jahren in die steuerliche Bemessungsgrundlage einbezogen worden und hätten den Verlust bzw den Verlustvortrag gekürzt. In den Folgejahren ergebe sich bei positivem Einkommen eine höhere Bemessungsgrundlage und eine höhere Körperschaftsteuer, während die ausländischen Quellensteuern nachträglich nicht mehr anrechenbar seien. Damit komme es zu einer nicht gewünschten Doppelbesteuerung, die mit der Anrechnungsmethode vermieden werden solle. Diese Nachteile könnten nur mit einem Anrechnungsvortrag ausgeglichen werden.

3. Am 31. Mai 2010 wurde die Berufung betreffend Körperschaftsteuer Gruppe 2005 dem Unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Strittig ist im gegenständlichen Fall ausschließlich die Frage, ob Quellensteuern aus 1998 bis 2003, die aus dem Bezug von Kreditzinsen, Wertpapierzinsen, Lizenzzahlungen und Dividenden stammen, im Jahre 2005 auf die Körperschaftsteuer anrechenbar sind.

Eine innerstaatliche Rechtsvorschrift liegt nicht vor, der zwingend eine Anrechnung ausländischer Quellensteuern im Gefolge von Verlustjahren zu entnehmen wäre. Nach den Gewinnermittlungsvorschriften sind Anrechnungen in jenen Zeiträumen vorzunehmen, in denen die ausländischen Einkünfte erzielt wurden (s mit weiteren Nachweisen auch UFS 14.12.2005, RV/4438-W/02).

2. Nach bisheriger Rspr des VwGH und Verwaltungspraxis des BMF wird ein Anrechnungsvortrag in Bezug auf Quellensteuern abgelehnt.

Der VwGH stellt in ständiger Rspr fest, dass zwar der Zweck von DBA die Vermeidung der Doppelbesteuerung ist, es aber in der Hand der Abkommensparteien liegt, bis zu welchem Ausmaß sie das Ziel verwirklichen wollen (VwGH 20.4.1999, 99/14/0012 zu Lizenzeinkünften; ebenso VwGH 28.2.2007, 2003/13/0064). Eine Anrechnung hat bei der Veranlagung zur Körperschaftsteuer desjenigen Jahres zu erfolgen, in welchem das Wirtschaftsjahr endet, in dem die Zinseinkünfte steuerlich erfasst worden sind (VwGH 21.10.2004, 2001/13/0017 zu Zinseinkünften). Der VwGH hat sich in dieser Rspr dabei nicht nur auf bestimmte Wortfolgen einzelner DBA bezogen, sondern ganz allgemein den Anrechnungsvortrag verneint, weil ein solcher aus Art 23 OECD-MA nicht ableitbar ist (UFS 14.12.2005, RV/4438-W/02).

In EAS 2021 vom 26. März 2002 wird (zu kanadischen Lizenzgebühren) ausgeführt, ein Anrechnungsvortrag könne nicht von der Abgabenverwaltung durch Nichtbeachtung eines klaren und eindeutigen Wortlautes der auf Gesetzesstufe stehenden DBA herbeigeführt werden (ebenso EAS 2591 vom 24. März 2005 zu Zinsquellensteuern nach dem DBA Kroatien). Nach Loukota muss in Verlustfällen kein Anrechnungsvortrag gewährt werden, dies ergibt sich aus Art 23 OECD-MA, wonach der anzurechnende Betrag den Teil der vor der Anrechnung zu ermittelnden Steuer nicht übersteigen darf, der auf die aus dem anderen Staat bezogenen Einkünfte entfällt. Das hat zur Folge, dass dem Abkommensrecht keine Pflicht für einen Anrechnungsvortrag betreffend die Quellensteuer zu entnehmen ist. Auch die übrigen EU-Staaten leiten aus den DBA keine Verpflichtung zum Anrechnungsvortrag ab (SWI 2006, 250).

3. Gegenteilige Auffassungen der Lehre stützen sich auf (1) die Zielsetzung der DBA, bei grenzüberschreitenden Konstellationen dieselbe Besteuerung anzustreben, wie bei innerstaatlichen Sachverhalten und (2) das Erfordernis einer abkommensautonomen Auslegung (zB Gassner, SWI 1999, 59; Kühbacher, SWI 9/2008, 387).

Die unterschiedlichen Rechtsauffassungen ergeben sich offenkundig daraus, dass Teile der Lehre die DBA autonom (aus sich heraus) auslegen (s zB Schuch, Verluste im Recht der Doppelbesteuerungsabkommen, 163 ff.; Gassner, SWI 1999, 59), während dagegen andere Teile der Lehre und die Finanzverwaltung (abgeleitet aus Art 3 Abs 2 OECD-MA) die Maßgeblichkeit des innerstaatlichen Rechts (soweit sich das DBA verschweigt) bei der Auslegung betonen (so zB Loukota, SWI 2001, 203; landesrechtliche Theorie). Die Lehre vertritt im ersten Fall die Aufassung, dass der Ausdruck "auf die vom Einkommen zu erhebende Steuer" in einer Weise verstanden werden muss, dass "der Abkommensschutz nicht ins Leere läuft" (Gassner, SWI 1999, 59; Schuch SWI 1999, 469) und die Steuer erst in jenem Zeitraum zu erheben ist, in welchem kein Verlustvortrag mehr zur Verfügung steht, weil Art 23 OECD-MA keine zeitliche Schranke enthält (Nowotny, SWI 1999, 388). Sie kommt auf diese Weise zum Anrechnungsvortrag bei Quellensteuern.

Der BFH nimmt bezüglich der strittigen Frage der Auslegung von Art 23 OECD-MA an, dass innerstaatliches Recht und Recht der DBA zwei Rechtskreise bilden und diese dabei jeweils ihre eigenen Begriffsbestimmungen haben. Allgemeine Begriffsbestimmungen des innerstaatlichen Rechts können nur herangezogen werden, wenn sie im DBA erwähnt sind. Nach dem BFH ist eine bestimmte Reihenfolge bei der Auslegung einzuhalten, nämlich zuerst Auslegung nach "Wortlaut und Definition des Abkommens", "Sinnzusammenhang und Vorschriftenzusammenhang innerhalb des Abkommens" sowie "Begriffsbestimmung des innerstaatlichen Rechts".

Ungeachtet der Frage nach der Art der Auslegung der DBA ist auch auf das innerstaatliche Recht Bezug zu nehmen, dieses bildet eine Schranke in bestimmten Bereichen (Sinzger, Die Anwendung des Art 23 OECD Musterabkommen, 2006, Pkt 2.1.1.). Gelingt zudem die autonome Auslegung nicht, besteht ein "non liquet" und der Mitgliedstaat kann gemäß Art 3 Abs 2 OECD-MA die Bestimmung nach seinem nationalen Recht auslegen, "wenn der Zusammenhang nichts anderes erfordert". Damit wird auch eine unterschiedliche Auslegung der Vertragsstaaten in Kauf genommen (Sinzger, aaO, Pkt 2.1.2).

Letztlich ist die Interpretation von Art 23 OECD-MA aus dem Kontext heraus vorzunehmen, unter Berücksichtigung von Ziel und Zweck des Abkommens. Ziel ist die Vermeidung der Doppelbesteuerung durch einheitliche Abkommensinterpretation (Sinzger, aaO, Pkt 2.1.2. mit Verweis auf Art 31 ff WÜRF). Damit reduziert sich die Frage nach dem Anrechnungsvortrag auf die Untersuchung, ob ein solcher Anrechnungsvortrag von den Vertragsstaaten gewollt und in den DBA geregelt ist. Die Lehre leitet ihre Schlüsse, wonach der Anrechnungsvortrag bereits dem Ziel der DBA entnehmbar ist, daraus ab, dass der Abkommensschutz in der Vermeidung der Doppelbesteuerung liegt, die der Nichtanwendung des Anrechnungsvortrages entspringt. Sie setzt damit das in den DBA schon voraus, was sie erst dort zu finden hofft (und gerät damit in einen selbstverschuldeten Zirkelschluss). Es liegt nämlich in der Privatautonomie der Mitgliedstaaten, welche Sachverhalte in den DBA geregelt werden und in welchem Ausmaß Doppelbesteuerungen, die sich aus den verschiedensten Gestaltungen ergeben können, tatsächlich ausgeschlossen werden sollen. Den vertragschließenden Staaten kann nicht von vorneherein unterstellt werden, dass alle Doppelbesteuerungen im jeweiligen DBA definitiv ausgeschlossen werden. Der überwiegende Teil der Mitgliedstaaten wendet daher das Instrument des Anrechnungsvortrages bei Quellensteuern auch nicht an. Diejenigen Staaten, die einen Anrechnungsvortrag zulassen, tun dies ohne Bezug auf die DBA hilfweise mit innerstaatlichen (verfahrensrechtlichen) Mitteln. So hat auch Österreich - allerdings nur kurzfristig gestützt auf § 48 BAO - einen Anrechnungsvortrag zugelassen. Gerade die Tatsache, dass sich die Mitgliedstaaten in diesen Fällen nicht auf die DBA (und deren Auslegung) stützen, legt nahe, dass ein Anrechnungsvortrag den Abkommen nicht inhärent ist.

Aus der allgemein den DBA zugrundeliegenden Absicht der Vermeidung von Doppelbesteuerungen kann für die Auslegung im speziellen Fall gerade nichts gewonnen werden.

Das ergibt sich auch aus jenen Zweifelsregelungen, die im Musterkommentar (OECD-MK) dezidiert aufgezählt werden und deren Anführung sinnlos wäre, wenn Doppelbesteuerungen durch bloße Auslegung der DBA vermieden werden könnten. In der Kommentierung der OECD zu Art. 23 B findet sich in Rz 66 (Grundwerk/September 2004, Seite 18, Schmidt, Chr. Blöchle) folgender Passus: " Die erwähnten Probleme werden weitgehend vom innerstaatlichen Recht und der innerstaatlichen Verwaltungspraxis bestimmt und daher ist die Lösung jedem Staat überlassen. Bemerkt sei in diesem Zusammenhang, dass einige Staaten bei der Anwendung der Anrechnungsmethode sehr großzügig verfahren. Manche Staaten erwägen auch die Möglichkeit des Übertrags nicht in Anspruch genommener Anrechnungsbeträge oder haben diesen Übertrag bereits zugelassen. Die Vertragsstaaten können selbstverständlich den Artikel in bilateralen Verhandlungen ändern, um jeglichen der erwähnten Probleme zu begegnen." Diesen (und den vorangehenden) Passagen der OECD-MK kann entnommen werden, dass sich der Übertrag von Anrechnungsbeträgen (dh ein Anrechnungsvortrag) eben nicht aus den DBA selbst ergibt, weil es andernfalls gesonderter Begünstigungsregelungen der einzelnen Staaten auf freiwilliger Basis (in Österreich zB gemäß § 48 BAO) nicht bedarf.

4. Eine gemeinschaftsrechtliche Anrechnungsverpflichtung von Quellensteuern aus Dividenden hat der EuGH im Urteil vom 10.2.2011, verbundene Rs Haribo/Saline, C-436/08 und C-437/08 verneint. Ausgeschüttete Dividenden können Gegenstand einer rechtlichen Doppelbesteuerung sein, wenn sich beide Mitgliedstaaten dafür entscheiden, ihre Besteuerungsbefugnis auszuüben (Rn 168). Im Unionsrecht gibt es beim gegenwärtigen Stand keine allgemeinen Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung innerhalb der Union (Rn 170). Art 63 AEUV kann nicht dahin ausgelegt werden, dass er einen Mitgliedstaat verpflichtet, in seinem Steuerrecht die Anrechnung der in einem anderen Mitgliedstaat erhobenen Quellensteuer vorzusehen, um zu verhindern, dass eine rechtliche Doppelbesteuerung eintritt (Rn 170).

Damit ist ein Anrechnungsvortrag für Quellensteuern aus Dividenden gemeinschaftsrechtlich nicht geboten. Der UFS kann auch nicht erkennen, dass für Quellensteuern aus anderen Quellen - also Zinsen oder Lizenzgebühren - etwas anderes gelten soll.

5. Zusammengefasst ist daher festzuhalten:

a. Auf eine innerstaatliche Norm die verpflichtend eine Anrechnung in Folgejahren regeln würde, kann sich die Bw. nicht stützen. Nach innerstaatlichem Recht ist die Anrechnung im (Wirtschafts)Jahr der Einkünfteerzielung vorzunehmen. Vereinzelte freiwillige Maßnahmen der Finanzverwaltung nach § 48 BAO (die im übrigen nach derzeitigem Rechtsstand bezüglich des Anrechnungsvortrages ausgesetzt sind) ändern daran nichts.

b. Nach den vorangehenden Ausführungen kann den DBA im Auslegungsweg kein Ansatz für einen Anrechnungsvortrag bei Quellensteuern entnommen werden. Zwar dienen DBA unbestritten der Vermeidung von Doppelbesteuerungen, das bedeutet aber nicht im Umkehrschluss, dass der Text eines DBA jede Doppelbesteuerung generell unmöglich macht.Tatsächlich dienen DBA nicht generell der Vermeidung jeder Doppelbesteuerung, sondern nur jener, die vereinbart ist.

c. Mit EuGH 10.2.2011, C-436/08 und 437/08, Rs Haribo/Saline ist klargestellt, dass für Quellensteuern von Dividenden ein Anrechnungsvortrag unionsrechtlich nicht notwendig ist. Das gilt nach Ansicht des UFS auch für Quellensteuern anderer Einkunftsquellen (zB aus Lizenzen), zumal es in der Hand der Mitgliedstaaten liegt, Regelungen zur Vermeidung solcher Doppelbesteuerungen zu entwickeln. Das Unionsrecht kennt bei seinem gegenwärtigen Stand keine allgemeinen Kriterien für die Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten in Bezug auf die Beseitigung der Doppelbesteuerung (C-436/08 , Rn 170). Aus dem Verweis im bezeichneten Urteil in Rn 169, die parallele Ausübung der Besteuerungsbefugnis dürfe nicht diskriminierend sein (mit Querverweis auf EuGH 3.6.2010, C-487/08 ), kann die Bw. für ihre Argumentation nichts gewinnen: In der genannten Entscheidung geht es um die Ungleichbehandlung gebietsfremder zu gebietsansässigen Anteilseignern, die Dividenden einer gebietsansässigen Gesellschaft beziehen, wobei das Investment Ersterer benachteiligt wird, was auch durch Verweis auf DBA-Regelungen nicht saniert werden kann. Diese Konstellation ist schon deshalb in keiner Weise mit dem gegenständlich zu beurteilenden Fall vergleichbar, weil bezüglich des Anrechnungsvortrages im gegenständlich zu entscheidenden Fall Gleichstand herrscht, dh jene Staaten die DBA abschließen, lassen jeder für sich einen Anrechnungsvortrag nicht zu. Es wird daher nicht ein Bürger eines Mitgliedstaates gegenüber dem Bürger eines anderen Mitgliedstaates diskriminiert. Vielmehr bleibt der Anrechnungsvortrag auch in den anderen Mitgliedstaaten verwehrt. Es liegt daher keine diskriminierende Ausübung von Besteuerungsbefugnissen im Sinne der Rspr EuGH C-487/08 vor.

d. Die Bw. kann sich daher mit ihrer Forderung auf Anerkennung eines Anrechnungsvortrages weder auf unionsrechtliche Normen stützen, noch auf innerstaatliche Rspr (VwGH, UFS) oder die Auslegung der DBA. Spezifisch verfassungsrechtliche Fragen (dort wären Gleichmäßigkeit der Besteuerung und Leistungsfähigkeit zu prüfen) waren vom UFS nicht zu beantworten.

e. Die von Teilen der Lehre vorgebrachten Argumente konnten den Unabhängigen Finanzsenat nicht überzeugen; dieser geht vielmehr davon aus, dass ein Anrechnungsvortrag für Quellensteuern gesetzlich (innerstaatlich) geregelt werden müsste, damit er umsetzbar ist. Die von der Bw angeführten VwGH-Entscheidungen vom 25.11.2002, 99/14/0099 und vom 25.9.2001, 99/14/0217 betreffen völlig andere Sachverhalte (ausländische Anleihen und Kredite bzw Auslandsverluste) und tragen zum gegenständlich zu entscheidenden Berufungsvorbringen nichts bei.

f. Dass in den die Bw betreffenden DBA ein Anrechnungsvortrag ausdrücklich geregelt ist, hat die Bw nicht vorgebracht.

Die Berufung war aus den bezeichneten Gründen abzuweisen.

Beilage: 1 Anonymisierungsblatt

Linz, am 18. Februar 2011

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