Kein Vorsteuerabzug bei Rechnungen typischer Scheinunternehmer (Briefkasten-GmbH) im Baugewerbe
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2011/15/0048 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 19.9.2013 abgelehnt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der A-GmbH, B_etabl., vertreten durch C., Steuerberatungskanzlei, D_etabl., vom 8. Jänner 2010 gegen den Umsatzsteuerbescheid für das Kalenderjahr 2002 des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart vom 21. Dezember 2009 entschieden:
Spruch
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Firma A betreibt in B. ein Baumeistergewerbe. Nach der Liquidation der a-GmbH (FN2) in Folge Konkurses wurde diese Erwerbstätigkeit durch die A-GmbH (FN1) weiter ausgeübt. Maßgebliche Funktionen in diesen Unternehmen trugen Hr_A, XX.X..1958 geb. und Fr_A, XX.XX..1966 geb..
Im Zusammenwirken mit der "BP-Sondereinsatzgruppe Bau" wurde vom zuständigen Finanzamt eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuervoranmeldungen 1-10 des Jahres 2002 durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass von der Bw. Bauaufträge an Subunternehmer vergeben wurden, die, an den in den Rechnungen angeführten Adressen, nicht existent waren. Vom Finanzamt wurden dazu zeitnahe Erhebungen durchgeführt. Es erfolgten Besichtigungen an den Fakturenadressen und eine Befragung der für die Gebäude zuständigen Hausverwaltungen. Diese Ermittlungen führten zu dem Ergebnis, dass die nachfolgend bezeichneten Baugesellschaften im Leistungs- und Abrechnungszeitraum an den in den Rechnungen angegebenen Adressen keinen Sitz hatten und dort keine - wie immer geartete - Geschäftstätigkeit entfaltet worden ist.
Diese Subunternehmen hatten das typische Erscheinungsbild von "Briefkasten-GmbH,s" und sind zum Teil schon bei Kontrollen der BP-SEG Bau bekannt geworden.
Es handelte sich um die im Baugewerbe verbreiteten und in der Branche bekannten substanzlosen, kurzlebigen Einmann-GmbH`s mit ausländischen Gesellschaftsorganen. Die "Briefkasten-GmbH`s" werden nur für eine mehrmonatige Geschäftstätigkeit errichtet und haben den ausschließlichen Zweck, dass die - nach der formalrechtlich gestalteten Vertrags- und Leistungsbeziehung - zu erbringenden Bauleistungen, einer beschränkt haftenden juristischen Personen zugerechnet werden können. Von diesen Subunternehmern werden dann planmäßig, die bei der Geschäftstätigkeit anfallenden, SV-Beiträge und Abgaben nicht entrichtet sowie die meisten anderen Arbeitgeberpflichten, die Kosten verursachen, nicht erfüllt. Während die "Briefkasten-GmbH`s" dann ihre Geschäftstätigkeit entfalten, tauchen die ausländischen Gesellschafter und Geschäftsführer unter und sind für die Behörden nicht mehr greifbar. Die Gesellschaftsorgane sind nicht oder nicht mehr zutreffend polizeilich gemeldet. Wenn sie in Österreich überhaupt (noch) aufhältig sind, ist ihr Aufenthaltsort den Behörden unbekannt (U-Boot). Zum Teil werden auch gefälschte Identitäten verwendet.
Mietverträge oder vielfach nur Untermietverträge werden bloß zum Zwecke der Gesellschaftsgründung abgeschlossen. Regelmäßig werden die Geschäftsadressen dann gewechselt und die Gesellschaft ist im weiteren Verlauf an keiner Örtlichkeit mehr auszumachen. Die fingierten Adressen werden manchmal auch von mehreren "Briefkasten-GmbH`s" benutzt. Um auch ein Aufspüren der Gesellschaftsorgane über in Rechnungen und behördlichen Eingaben genannten Telefonnummern zu unterbinden, werden diese Handys bzw. die Rufnummern gewechselt. Mangels Auffindbarkeit der Gesellschaftsorgane kann für die massiven Rechtsbrüche niemand zur persönlichen Verantwortung gezogen werden. Sobald sich das Insolvenzverfahren der Gesellschaft abzeichnet, werden die weiteren Bauleistungen schon über die nächste vorrätige gehaltene Briefkasten-GmbH als Subunternehmer abgewickelt. Der wirtschaftliche Vorteil des Auftraggebers besteht in niedrigen Baukosten bzw. Werklöhnen, die anders, z.B. mit eigenem Personal, nicht erzielt werden könnten. In diesem Vermögensvorteil steckt indirekt die Beuteteilung des wissentlich an dem organisierten Abgabenbetrug teilnehmenden Auftraggebers.
Der Bw. wurden vom Finanzamt die detaillierten Sachverhaltsfeststellungen zu den unrichtigen Fakturenadressen bekannt gegeben und dagegen wurde von der Bw. auf Tatsachenebene nichts vorgebracht. In der Folge versagte das Finanzamt im Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 21.12.2009 den Vorsteuerabzug bei den nachstehend aufgelisteten Subunternehmen, weil in deren Rechnungen nicht die richtige Anschrift des leistenden Unternehmers auswiesen sei. Die materiellrechtlichen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug (gemäß § 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 UStG ) seien damit nicht erfüllt:
Name des Unternehmen | Anschrift des Unternehmens | Gesamtbetrag Entgelte in € | Gesamtbetrag Vorsteuern in € |
U. Bau GmbH | Wien, 2. U-Gasse | 32.335,96 | 6.467,21 |
V. Bau GmbH | Wien, 9. V-Gasse Wien, 9. VV-Gasse | 100.130,88 | 20.026,11 |
W Bau GmbH | Wien, W-Gasse | 45.242,83 | 9.048,55 |
X. Bau GmbH | Wien, 3. X-Gasse Wien, 15. XX-Gasse | 74.233,58 | 14.846,74 |
Y. Bau GmbH | Wien, 10. Y-Gasse | 10.992,48 | 2.198,49 |
Vorsteuern gesamt lt. Erklärung | 325.114,61 | ||
Vorsteuerkürzung lt. Finanzamt | 52.587,10 | ||
Vorsteuern gesamt lt. Finanzamt | 272.527,51 |
Eine Rechnungsberichtigung durch die Subunternehmer-GmbH`s erfolgte nicht.
Die U. Bau GmbH wurde als "Einmann-Gesellschafter-Geschäftsführer-GmbH" mit Erklärung vom April 2000 errichtet. Im Juli 2001 erfolgte eine Änderung der Geschäftsanschrift sowie ein Wechsel des Gesellschafter-Geschäftsführers. Über diesen letzten Gesellschafter-Geschäftsführer sind im zentralen Melderegister keine Meldedaten vorhanden. Im Juli 2002 wurde der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet und die Firma in der Folge wegen Vermögenslosigkeit vom Amts wegen gelöscht.
Die V. Bau GmbH wurde als "Zweimann-GmbH" mit Gesellschaftsvertrag von Februar 2000 gegründet und im Juli 2000 ins Firmenbuch eingetragen. Im Juni 2001 schied der bisherige Gesellschafter-Geschäftsführer aus und die Gesellschaft wurde als Einmann-GmbH fortgeführt. Gleichzeitig wurde die Geschäftsanschrift verlegt. Der nunmehrige Alleingesellschafter-Geschäftsführer war von September 2000 bis August 2002 in Österreich gemeldet (Mitbewohner bei einer osteuropäischen Unterkunftgeberin). Im Dezember 2002 wurde der Konkurs über die Gesellschaft eröffnet und die Firma in der Folge wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
Die W Bau GmbH wurde als "Einmann-Gesellschafter-Geschäftsführer-GmbH" mit Erklärung vom Februar 2001 errichtet. Im April 2001 erfolgte eine Änderung der Geschäftsanschrift sowie ein Wechsel des Gesellschafter-Geschäftsführers. Der nachfolgende Alleingesellschafter-Geschäftsführer war von April 2001 bis Jänner 2002 an einem Nebenwohnsitz in Österreich gemeldet (Mitbewohner bei einer osteuropäischen Unterkunftgeberin). Im Mai 2003 wurde der Konkurs der Gesellschaft mangels Masse abgewiesen und die Firma schließlich wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
Die Y. Bau GmbH wurde als "Einmann-Gesellschafter-Geschäftsführer-GmbH" mit Erklärung vom Mai 2000 errichtet. Noch im selben Monat erfolgte die erste Änderung der Geschäftsanschrift und im März 2001 eine weitere Änderung der Geschäftsanschrift. Im September 2002 wechselte der Alleingesellschafter-Geschäftsführer. Beide Gesellschafter-Geschäftsführer waren in der Zeit von Jänner 2002 bis Juni 2003 bzw. August 2005 in Österreich gemeldet. Sie stammen - wie alle anderen Akteure im Zusammenhang mit diesen Gesellschaften - aus Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien und sind seither in Österreich nicht mehr auffindbar. Im Februar 2003 wurde der Konkurs der Gesellschaft eröffnet und die Firma schließlich wegen Vermögenslosigkeit von Amts wegen gelöscht.
Völlig identisch stellt sich auch der Ablauf bei der X. BAU GmbH dar. Dieses Geschehen wird später noch detaillierter beschrieben.
Die Bw. erhob durch ihren steuerlichen Vertreter gegen den Umsatzsteuerbescheid 2002 form- und fristgerecht mit Schriftsatz vom 8.1.2010 Berufung. Darin beantragte sie den erklärungsgemäßen Abzug der Vorsteuern und verwies zur Begründung auf die Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters vom 15.5.2003. Vom diesem wird Folgendes vorgebracht:
"Die Unternehmen V. Bau GmbH, U. Bau GMbH, W Bau GmbH, X. Bau GmbH und Y. Bau GmbH sind an die Berufungswerberin herangetreten. Und schließlich ist die Berufungswerberin mit diesen Unternehmen in Geschäftsverbindung getreten, nachdem sie sämtliche ihr zumutbaren Erkundigungen über diese Unternehmen eingeholt hat. Insbesondere ist auszuführen dass alle Unternehmen im Firmenbuch eingetragen sind bzw. waren, wovon sich die Bw. auch überzeugt hat.
Die strengen gesetzlichen Bestimmungen §§ 13, 14 FBG i.V.m. § 15 HGB) begründen die positive Publizität des Firmenbuches, wonach als bekannt und richtig gilt, was im Firmenbuch eingetragen wurde. Diese Bestimmungen dienen dem Schutz des Geschäftsverkehrs und die geschäftsausübenden Unternehmen dürfen darauf vertrauen, dass die im Firmenbuch verzeichneten, für den geschäftlichen Verkehr bedeutsamen Rechtsverhältnisse und Tatsachen aller eingetragenen Rechtsträger richtig sind.
In diesem Sinne hat die Bw. im Gegenstand auch darauf vertraut, dass es sich bei den betreffenden Unternehmen um keine so genannten Scheinunternehmen handelt. Denn es hat ja eine strenge gerichtliche bzw. behördliche Prüfung bei diesen Unternehmen bestanden. Die Unternehmen verfügten über Steuernummern, und die Finanzbehörde führt bekanntlich eine Nachschau über die tatsächliche Betriebstätigkeit durch.
Es ist nun mit den rechtstaatlichen Grundsätzen in keiner Weise in Einklang zu bringen, wenn ein allfälliges behördliches bzw. staatliches Versagen bei der Prüfung und Zulassung neuer Unternehmen zum Geschäftsverkehr - wie im vorliegenden Fall - in völlig willkürlicher Weise auf die Bw. überwälzt wird. Sollten sämtliche Behörden und Institutionen von den Unternehmen getäuscht worden sein, wird man eine derartige Täuschung gegenüber der Bw. dieser wohl nicht anlasten können. Im Gegensatz zu den staatlichen Einrichtungen verfügt die Bw. über keine autoritären Befugnisse. Trotzdem wird nach der Rechtsauffassung des bekämpften Bescheides von der Bw. in unzumutbarer Weise eine geradezu detektivische Tätigkeit bei der Überprüfung ihrer Geschäftspartner verlangt. Tatsächlich sind solche Recherchen in der Praxis nahezu unmöglich und würden einen Großteil der betrieblichen Tätigkeit vereiteln. Dies würde sogar der verfassungsrechtlich gewährleisteten Erwerbsausübungsfreiheit zuwiderlaufen.
Die staatliche Schutz- und Ordnungsfunktion im Wirtschaftsleben besteht gerade darin, die Rechtssicherheit für die Wirtschaftstreibenden sicherzustellen, indem die sich nicht an die allgemeinen Normen handelnden Personen oder Gesellschaften möglichst von vornherein jedenfalls aber rechtzeitig aus dem Wirtschaftsverkehr ausgeschlossen werden. Mit den Kosten der Institutionen und Behörden, die mit diesen Funktionen betraut sind, werden schließlich nicht unbeträchtliche Steuern- und Abgabenlasten gerechtfertigt. Diese staatlichen Aufgaben würde geradezu pervertiert, wenn es letztlich an den Wirtschaftstreibenden - wie der Bw. - liegen sollte, zu prüfen, ob sie mit ordnungsgemäß registrierten Unternehmen kontrahieren dürfen. Bei dieser Rechtsauffassung würde sich die Frage der Sinnhaftigkeit diverser staatlicher Institutionen und Einrichtungen, wie etwa des Firmenbuches, Steuernummern und sonstiger behördlicher Zulassungs- und Kontrollmechanismen stellen.
Die Bw. hat im Zuge der Geschäftstätigkeit mit den betreffenden Unternehmen umfangreiche und detaillierte Ordner angelegt und sogar weit über das gewöhnliche Maß hinausgehend Urkunden bzw. Nachweise über die ordentliche Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen abverlangt. Die Bw. hat somit sämtliche ihr zumutbaren Vorkehrungen getroffen. Zum Beweis werden Auszüge aus dem Firmenbuch und Gewerbebescheide der betreffenden Unternehmen sowie eine Bescheinigung des Finanzamtes über den Stand des Abgabenkontos eines Unternehmens angeschlossen und die Aussagen von Maria und Josef K angeboten."
Von der BP-SEG-Bau wurde exemplarisch ein Arbeitnehmer der X. Bau GmbH zu den Vorkommnissen niederschriftlich befragt und dieser schilderte folgenden Sachverhalt:
"Seit 2-3 Jahren arbeite ich mit drei anderen kroatischen Staatsbürgern als Maschinenputzpartie. Im Frühjahr 2002 hat uns der vorige Dienstgeber, die Firma Stillelemente Bau GmbH, mitgeteilt, dass sie keine Arbeit mehr habe. Darauf sind wir an die Bw. herangetreten, für die wir bereits als Arbeiter der Z. Bau GmbH gearbeitet haben. Wir haben uns erkundigt, ob sie uns als Arbeitnehmer anmelden könnte. Daraufhin hat uns die Bw. mitgeteilt, dass sie uns nicht als Eigenpersonal anmelden könne. Sie kenne jedoch jemanden, der uns als Arbeiter anmelden könne. Wir wurden von der Bw. an einen gewissen "Sascha" (nähere Angaben sind mir nicht bekannt) verwiesen. Dieser hat uns eine Telefonnummer gegeben, bei welcher wir uns melden sollten. Unter dieser Telefonnummer hat sich ein Hr. K. gemeldet, der sich als Geschäftsführer der X. Bau GmbH, bei der wir letztendlich gelandet sind, zu erkennen gab. Wir, unsere 4-Mann Putzpartie, haben uns mit ihm in einem Wiener Cafehaus getroffen. Wir haben ihm erklärt, dass wir über Sascha und die Bw. zu ihm gekommen sind. Er hat uns zugesichert uns anzumelden und das wir alle nötigen Unterlagen darüber erhalten werden. Wir haben ihm Kopien unserer Personaldokumente gegeben und es kam für unsere Partie zu einer Krankenkassenanmeldung.
Bereits zum Zeitpunkt der ersten Kontaktaufnahme bei der Bw., hatte uns diese mitgeteilt, dass sie sehr wohl Arbeit für uns habe, aber eben nicht als Eigenpersonal, und dass wir eine Anmeldung bei der Krankenkasse benötigen.
Mit der Krankenkassenanmeldung sind wir dann zur Bw. gegangen und Hr.-A hatte gesagt, ich solle mir von der Fa. X. Bau GmbH eine Vollmacht ausstellen lassen, sodass ich alle Verträge unterschreiben darf. Hr. K. hat mir daraufhin die verlangte Vollmacht ausgestellt und mit dieser bin ich wieder zur Bw. gegangen. Diese hat mir einen Rahmenvertrag für Innenputzarbeiten zwischen der Fa. X. BAU GmbH und Bw. vorgelegt, den ich unterschrieben habe. Hr-A. sagte mir wo ich mit meiner Partie arbeiten sollte. Mit ist nicht bekannt, ob dieser mit Hr. K. Kontakt hatte. Baustellenbesprechungen erfolgten nur zwischen mir und A. Hr. K. war nie dabei.
Ich habe Hr. K. immer wieder telefonisch mitgeteilt wie viele Quadratmeter Innenverputz wir auf welcher Baustelle gemacht haben. Die Rechnungen selbst habe ich nicht erhalten. Diese wurden direkt an Hr.-A geschickt. Hr K. hat mir aber mitgeteilt, dass er nicht möchte, dass A das Geld auf das angegebene Bankkonto überweist, sondern bar an mich ausbezahlen soll. Deshalb hatte ich auch die Vollmacht. In weiterer Folge habe ich das Geld bei A kassiert und habe dafür auch eine Kassaquittung unterschrieben. Ich habe mich daraufhin mit Hr. K. in dem Wr. Cafehaus getroffen und mit ihm abgerechnet.
K. verlangte dass ich ihm pro Rechnung die 20% Umsatzsteuer und zusätzlich ATS 6.000 pro Mann und pro Monat zu bezahle habe. Den Rest des Geldes habe ich in meiner Partie gleichmäßig auf uns vier aufgeteilt.
Ich und meine Partie haben heuer ausschließlich für die Bw. gearbeitet. Ob noch weitere Partien unter der Fa. X. Bau GmbH zu den gleichen Bedingungen liefen, weiß ich nicht. In einem Büro der Fa. X. Bau GmbH war ich nie. Ich kenne die Adresse nur vom Firmenstempel.
Die weiteren amtlichen Erhebungen des Finanzamtes betreffend die X. Bau GmbH ergaben Folgendes: Die Fa. X. Bau GmbH wurde mit Erklärung vom 28.1.2001 als Einmann-GmbH gegründet und am 15.1.2002 ins Firmenbuch eingetragen. Der Firmensitz wurde dann mit Eintragung vom 15.3.2002 von Wien, 12. L-Gasse nach Wien, 3. X-Gasse verlegt und mit gleicher Wirksamkeit als neuer 100%-Gesellschafter-Geschäftsführer Ivan K., XX.XXXX geb. bestellt. Dieser ist lt. amtlichen Melderegister am 24.4.2002 aus Kroatien zugezogen und hatte einen Nebenwohnsitz in Wien, 15. H-Gasse bei I. begründet.
Die Unterkunftgeberin gab telefonisch befragt an, dass ihr ein Ivan K. unbekannt sei. Sie konnte an ihrer Wohnadresse nicht angetroffen werden und sie ist seit Nov. 2002 ebenfalls nicht mehr in Österreich gemeldet.
Die Gesellschaft hat weder in der X-Gasse noch in der XX-Gasse - wohin der Unternehmensstandort (nach Meldung im Firmenbuch) im Juni 2002 verlegt wurde - tatsächlich einen Firmensitz begründet und hat an diesen Adressen keinerlei Geschäftstätigkeit entfaltet. Nach Angaben der zuständigen Hausverwaltungen wurde nie ein Mietvertrag mit der Gesellschaft oder deren Gesellschaftern oder Geschäftsführern abgeschlossen und ist ihnen und den Hausbewohnern das Unternehmen unbekannt.
Die Fa. X. Bau GmbH wurde in der Folge im Oktober 2003 wegen Vermögenslosigkeit im Firmenbuch von Amts wegen gelöscht. Die von ihr planmäßig nicht entrichteten öffentlichen Beiträge und Abgaben mussten abgeschrieben werden. Die Geschäftstätigkeit der X. Bau GmbH wurde längstens im September 2003 eingestellt. Den Dienstnehmern wurde keine Arbeit mehr zugeteilt. Sie wurden in der Folge wieder bei anderen Firmen z.B. der L. Bau GmbH, die nach dem gleichen System errichtet, geführt und mittlerweile ebenso liquidiert wurde, beschäftigt.
Der Geschäftsführer, Ivan K. , war nicht mehr auffindbar, er änderte seine Handynummer und konnte zum Sachhergang auch nicht telefonisch befragt werden.
Die Niederschrift vom 4. Juli 2002 über die Aussagen des ehemaligen Arbeitnehmers der X. Bau GmbH wurde der Bw., im Berufungsverfahren vom UFS mit Schriftsatz vom 17.11.2010 zur Kenntnis gebracht und Gelegenheit gegeben sich zu diesem Beweisergebnis zu äußern.
Die Bw. gab hierzu folgende Stellungnahme ab:
"Vorweg ist anzuführen, dass diese Niederschrift im Zuge der Betriebsprüfung (erstinstanzlichen Abgabenverfahren) uns oder unserem steuerlichen Vertreter nicht vorgelegt worden ist.
Wir hatten damals dringend Mitarbeiter gesucht. Da österreichische Dienstnehmer am Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung standen, hatte die Firma bereits ausländische Arbeitskräfte, für die eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich war, eingestellt. Das burgenländische Kontingent für Beschäftigungsbewilligungen war jedes Jahr schnell ausgeschöpft. Weitere Bewilligungen wurden nicht erteilt, obwohl die Wirtschaft Arbeitskräfte gebraucht hätte. Es ist anzunehmen, dass Herr E. (Auskunftsperson und Arbeitnehmer der X. BAU GmbH) an einen unserer Geschäftspartner - in diesem Fall die H BAU GmbH - aus einem anderen Bundesland, welches noch Kontingente frei hatte, verwiesen wurde.
Wie bereits in der Berufung erwähnt, hatten wir im Zuge der Geschäftstätigkeit mit den betreffenden Unternehmen umfangreiche und detaillierte Ordner angelegt und sogar weit über das gewöhnliche Maß hinaus Urkunden bzw. Nachweise über die ordentliche Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen abverlangt. Im konkreten Fall sagt E. aus, dass eine Krankenkassenanmeldung abverlangt wurde. Dass die Geschäftsführung der H Bau GmbH diesem Arbeitnehmer eine Handlungsvollmacht ausgestellt hat, wurde von uns zur Kenntnis genommen. Weitere Nachforschungen waren uns nicht zumutbar und auch aus datenschutzrechtlichen Gründen nicht möglich."
Die nachstehenden Posten des Jahresabschlusses zum 31.12.2002 vermitteln einen groben Überblick über die Größenordnung der Betriebstätigkeit der Bw.:
Gesamterlöse | 2.987 TEuro |
Personalaufwand | 910 TEuro |
Fremdarbeiten und Fremdleistungen | 849 TEuro |
Jahresgewinn | 9 TEuro |
Außer den streitgegenständlichen Fällen wurden von der Bw. im Jahr 2002 noch andere Subunternehmer beauftragt, bei denen sich ebenfalls der begründete Verdacht des Einschaltens von "Briefkasten-GmbH`s" stellt: insb. bei der M-Bau_GmbH, J.. Bau- u. Immobilienmanagement-GmbH, Z. Bau und Handels GmbH, R. Bau-Schwarzdeckerei-Spenglerei GmbH, O. Handels GmbH.
Auch bei diesen Unternehmen handelt es sich um die typischen substanzlosen, kurzlebigen Einmann-GmbH`s mit ausländischen Gesellschaftsorganen, die temporär, amtlich gemeldet in Österreich aufhältig sind und nach mehrmonatiger Geschäftstätigkeit der Gesellschaft - so wie die Gesellschaft selbst - spurlos verschwinden. Bezeichnender Weise wurden von diesen auch Rechnungen ohne Angabe der Währung ausgestellt. Im Jahr 2002 erfolgte noch die Umstellung von Schilling auf Euro.
Vom Finanzamt wurde bei den Rechnungen dieser Subunternehmer der Vorsteuerabzug anerkannt, weil nach ihren Erhebungen keine hinreichenden Hinweise auf unrichtige Fakturenadressen vorgelegen sind. Im erstinstanzlichen Verfahren wurde nur auf dieses Faktum abgestellt.
Mit Vorlagebericht vom Juni 2010 wurde die Berufung dem UFS zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
In Streit stehen Tat- und Rechtsfragen im Zusammenhang mit dem von der Bw. begehrten Vorsteuerabzug für von den Firmen V. Bau GmbH, U. Bau GMbH, W Bau GmbH, X. Bau GmbH und Y. Bau GmbH ausgestellten Rechnungen über an die Bw. erbrachte Bauleistungen.
Gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 idF BGBl. Nr. 663/1994 kann ein Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11 UStG 1994) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
§ 11 Abs. 1 UStG 1994 zählt all jene Merkmale einer Rechnung auf, die vorliegen müssen, um beim Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug zu gewährleisten. Führt ein Unternehmer Umsätze im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 aus, so ist er berechtigt, und soweit er die Umsätze an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen ausführt, auf Verlangen des anderen verpflichtet, Rechnungen auszustellen.
Nach § 11 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl. 663/1994 müssen Rechnungen grundsätzlich folgende Angaben enthalten:
1. den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;
2. den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung;
3. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art und den Umfang der sonstigen Leistung;
4. den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die sonstige Leistung erstreckt.
5. das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung (§ 4 UStG 1994) und den anzuwendenden Steuersatz;
6. den auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag.
Gemäß § 11 Abs. 3 UStG 1994 ist für die unter § 11 Abs. 1 Z 1 und 2 UStG 1994 geforderten Angaben jede Bezeichnung ausreichend, die eine eindeutige Feststellung des Namens und der Anschrift des Unternehmens sowie des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der sonstigen Leistung ermöglicht.
1. Richtige Unternehmensanschrift als materiellrechtliches Tatbestandsmerkmal des Vorsteuerabzugs
Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes - bereits zum inhaltsgleichen § 11 UStG 1972 - ist ohne Vorliegen der in § 11 Abs. 1 UStG 1994 geforderten Rechnungsmerkmale ein Vorsteuerabzug ausgeschlossen (vgl. u.a. VwGH 14.1.1991, 90/15/0042), selbst wenn die der Rechnung zugrunde liegende Leistung tatsächlich und von einem Unternehmer erbracht worden ist (VwGH 14.1.1991, 90/15/0042) und die Umsatzsteuer unstrittig an das Finanzamt abgeführt worden ist (VwGH 20.11.1996, 96/15/0027) bzw. unabhängig von der Gut- oder Schlechtgläubigkeit des Leistungsempfängers und auch wenn der Leistungsempfänger die Umsatzsteuer bezahlt hat (VwGH 3.7.2003, 2002/15/0155). Ob das Finanzamt den leistenden Unternehmer steuerlich erfasst hat, ist für die Frage des Vorsteuerabzuges des Leistungsempfängers nicht ausschlaggebend (VwGH 20.11.1996, 95/15/0179.
Eine dem § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 entsprechende Rechnung muss deshalb den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers enthalten. Darunter ist der richtige Name und die richtige Adresse zu verstehen. Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung ist die Vorsteuerabzugsberechtigung aus einer Rechnung, auf der als leistender Unternehmer eine Firma aufscheint, die an der angegebenen Adresse nicht existiert, zu versagen. Die Angabe einer falschen Anschrift des leistenden Unternehmers schließt für sich allein schon die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 aus (vgl. u.a. VwGH 26.9.2000, 99/13/0020; 30.5.2001, 95/13/0226; 20.11.1996, 96/15/0027; 20.11.1996, 95/15/0179; 28.5.1997, 94/13/0230; 24.4.1996, 94/13/0133; 24.4.1996, 94/13/0134; 20.11.1996, 95/15/0179, 96/15/0027, 1.6.2006, 2004/15/0069, 28.2.2007, 2004/13/0039, 4.3.2009, 2004/15/0174 sowie jüngst 29.7.2010, 2010/15/0072).
Auch die Anführung des richtigen Namens aber der unrichtigen Adresse ist nicht ausreichend (Kolacny / Mayer, UStG 1994, 2. Auflage, Wien 1997, § 11 Anmerkung 5). Die Angabe "nur" einer falschen Adresse kann nicht als "kleiner", dem Vorsteuerabzug nicht hinderlicher Formalfehler angesehen werden (VwGH 25.4.2001, 98/13/0081; 26.9.2000, 99/13/0020). Unsicherheiten wirken sich zum Nachteil des den Vorsteuerabzug begehrenden Unternehmers aus (Scheiner / Kolacny / Caganek, Kommentar zur Mehrwertsteuer - UStG 1994, Loseblatt, Wien, Band IV, Lieferung Jänner 1998, § 12 Anmerkung 129).
Wenn Rechnungen Namen und Anschrift eines Leistenden enthalten, der unter dem angegebenen Namen oder unter der angegebenen Anschrift nicht existiert, dann fehlt es am Rechnungserfordernis des Namens und der Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers (vgl. u.a. VwGH 14.1.1991, 90/15/0042; 29.11.2000, 95/13/0029 und 95/13/0072). Unter Anschrift im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 ist demnach nicht eine bloße Zustelladresse zu verstehen, sondern eine Geschäftsanschrift, an der das leistende Unternehmen eine Geschäftstätigkeit entwickelt.
In diesem Punkt stimmt das österreichische Umsatzsteuerrecht mit der deutschen Rechtslage überein. Auch in Deutschland wird die Ansicht vertreten, dass die Angabe beispielsweise eines bloßen Repräsentanten des Leistenden keine Anschrift im Sinne des Gesetzes darstellt. Es ist erforderlich, dass an der angegebenen Anschrift das Unternehmen betrieben wird (vgl. Stadie in Rau / Dürrwächter / Flick / Geist, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Verlag Dr. Otto Schmidt KG, Köln, Loseblatt, 113. Lieferung, § 14 Anm. 222). Ebenso wie der VwGH verwehrt der BFH in ständiger Rechtsprechung ungeachtet der Gutgläubigkeit des Leistungsempfängers den Vorsteuerabzug, wenn die Rechnung nicht die zutreffende Anschrift des leistenden Unternehmers enthält (z.B. BFH 30.4.2009, V R 15/07).
Nach den vorliegenden Ermittlungsergebnissen ist es als erwiesen anzusehen, dass die genannten Unternehmen an den in den Rechnungen angeführten Adressen, die im Firmenbuch als Geschäftsanschrift genannt waren, keine Geschäftstätigkeit entfaltet haben. Die Bw. ist dieser Sachverhaltsfeststellung auch mit keinem Einwand entgegengetreten.
Bei den zeitnahen Erhebungen des Finanzamtes, deren Ergebnis der UFS als glaubhaft erachtet, konnten an den Fakturenadressen keine Betriebsräumlichkeiten der Unternehmen festgestellt werden. Den zuständigen Hausverwaltungen und den dortigen Bewohnern waren die Unternehmen unbekannt und es bestanden keine Mietverträge mit diesen Gesellschaften oder deren Organen.
Aus den Ermittlungsergebnissen ergibt sich damit eindeutig, dass weder der Ort der Geschäftsleitung noch der Geschäftstätigkeit im Sinne des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 sich im Leistungs- und Abrechungszeitpunkt an den angegebenen Rechnungsadressen befunden hat. Wie die Auskunft des Arbeitnehmers beweist und die Berufserfahrungen bestätigten, wird ein wesentlicher Teil der Geschäftstätigkeit solcher "Briefkasten-GmbH`s" - entsprechend ihrem kriminellen Zweck - vorzugsweise im Verborgenen über Mobiltelefone und bei Treffen in Gastlokalen abgewickelt. Die im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid bezeichneten Rechnungen der genannten leistenden Subunternehmer entsprechen somit nicht den Formalerfordernissen des § 11 Abs. 1 Z 1 UStG.
Daran vermag auch der Umstand, dass es sich bei den Rechnungsadressen um die Geschäftsanschriften laut Firmenbuch gehandelt hat, nichts zu ändern. Es gibt keinen wie auch immer gearteten, sich auf steuerliche Belange ausdehnenden Vertrauensschutz hinsichtlich einer im Firmenbuch eingetragenen Geschäftsadresse (welche eine bloße Zustelladresse sein kann), die nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht. § 15 HGB gilt lediglich für den Geschäftsverkehr und schützt den guten Glauben Dritter im Geschäftsverkehr an wichtige Tatsachen und Rechtslagen. Im Bereich des öffentlichen Rechts greift § 15 HGB nicht (vgl. Krejci, Handelsrecht, 2.Auflage, Wien 2001, 57 und beispielsweise die Entscheidung des OLG Wien, 28R57/98b vom 29.05.1998, wonach die im Firmenbuch eingetragene Geschäftsanschrift einer GmbH trotz Eintragungspflichten bzw. der Publizität des § 15 HGB keine taugliche Abgabestelle für die Zustellung eines Konkurseröffnungsantrages ist, wenn der Empfänger dort nie irgendeine Tätigkeit ausgeübt hat).
Der gemäß § 4 GmbHG im Gesellschaftsvertrag einer GmbH zwingend zu nennende Sitz soll prozessuale Zuständigkeiten örtlich festlegen und den Ort determinieren, an dem die Generalversammlung statt zu finden hat (§ 36 GmbHG). Der Sitz der Gesellschaft muss aber keinesfalls mit dem Ort, von dem aus die Verwaltung der Gesellschaft geführt wird oder die Gesellschaft ihre laufende Geschäftstätigkeit entfaltet, identisch sein. Aus diesem Grund erfolgen diesbezüglich durch das Firmenbuchgericht weder Überprüfungen bei der Ersteintragung noch bei späteren Verlegungen (vgl. Koppensteiner, GmbHG-Komm. § 4 Rz. 4f).
Die Angaben im Firmenbuch zum Sitz bzw. zur Geschäftsanschrift lassen daher keine Aussagen über den Ort der Geschäftstätigkeit eines Unternehmens zu. Aus diesen rechtlichen und faktischen Gründen kann daher im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug kein Vertrauensschutz in Bezug auf eine im Firmenbuch eingetragene Geschäftsadresse als "richtige" Rechnungsadresse bestehen.
Gleiches gilt für die in den vorgelegten Bescheiden und Bescheinigungen der Gewerbe- oder Finanzbehörden angeführten (Zustell-)Adressen der Unternehmen.
Auch das Argument der Unvereinbarkeit mit der Erwerbsfreiheit und dem Gleichheitssatz sowie der Einwand der Europarechtswidrigkeit einer solchermaßen vorgenommenen Vorsteuerversagung geht ins Leere. Art. 22 Abs. 3 lit. b fünfter Gedankenstrich der Sechsten Richtlinie [77/388/EWG des Rates vom 17.05.1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern, Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, ABl. Nr. L 145 vom 13.06.1977, CELEX-Nr. 31977L0388 idF der Richtlinie 2001/115/EG des Rates vom 20.12.2001 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG mit dem Ziel der Vereinfachung, Modernisierung und Harmonisierung der mehrwertsteuerlichen Anforderungen an die Rechnungstellung, ABl. Nr. L 015 vom 17.01.2002, CELEX-Nr. 32001L0115 ] sieht vor, dass Rechnungen den vollständigen Namen und die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen und seines Kunden enthalten müssen. Daraus folgt, dass sich schon aus dem EU-Recht ergibt, dass eine Rechnung die vollständige Anschrift des Steuerpflichtigen (= des Rechnungsausstellers) und seines Kunden enthalten muss. Dass damit nur die richtige Adresse und nicht nur irgendeine Anschrift gefordert sein kann, ergibt sich aus dem Wortlaut.
Der EuGH hat in seinem Urteil vom 14.07.1988, Rs 123/87 Slg 1988, 4517, CELEX-Nr. 61987J0123, festgehalten, dass es den Mitgliedstaaten gestattet ist, die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug vom Besitz einer Rechnung abhängig zu machen, die über das von der Sechsten Richtlinie (noch idF vor der Richtlinie 2001/115/EG ) verlangte Mindestmaß hinaus bestimmte Angaben enthalten muss, die erforderlich sind, um die Erhebung der Mehrwertsteuer und ihre Überprüfung durch die Finanzverwaltung zu sichern. Solche Angaben dürfen jedoch nicht durch ihre Zahl oder technische Kompliziertheit die Ausübung des Rechts zum Vorsteuerabzug unmöglich machen oder übermäßig erschweren.
Das Erfordernis der richtigen Adresse des Leistenden ist als Sicherungsmaßnahme zur Erhebung der Mehrwertsteuer zu sehen und ist nicht als technisch kompliziertes Rechnungsmerkmal zu werten, das den Vorsteuerabzug übermäßig erschwert. § 11 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 und die von der Rechtsprechung klarstellende Interpretation im Sinne der Angabe der richtigen Anschrift ist damit jedenfalls europarechtskonform.
Das Abstellen auf eine ordnungsgemäße Rechnung iSd § 11 UStG 1994 soll eine verwaltungsökonomische und praktikable Kontrolle der Voraussetzungen des Vorsteuerabzuges beim Leistungsempfänger einerseits und der steuerlichen Erfassung beim Leistungserbringer andererseits sicherstellen (vgl. Ruppe, UStG 1994, 2. Auflage, Wien 1999, § 11 Tz. 59). Name und Anschrift des Leistenden soll zu dessen Identifizierung und zur Sicherung des Steueranspruches dienen, d.h. die Anschrift muss auch nach außen hin mit dem Unternehmen in Verbindung gebracht werden können.
Die Bindung des Vorsteuerabzuges an eine ordnungsgemäße Rechnung ist weder ein inadäquates Mittel noch unsachlich, denn der Leistungsempfänger kann eine Berichtigung solcher Rechnungen verlangen. Die "Ungreifbarkeit eines Leistungserbringers" ist das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat (VwGH 25.4.2001, 98/13/0081).
Selbst wenn für den Rechnungsempfänger der Umstand der falschen Anschrift nicht erkennbar war, und er auf deren Richtigkeit vertraut haben sollte, ändert dies nichts an der objektiv vorliegenden Tatsache, dass das Rechnungsmerkmal Anschrift (= richtige Anschrift) fehlt und die Rechnung daher nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Diese Rechtsauffassung steht die Rechtsprechung des EuGH in den Rs. Kittel und Recolta Recycling nicht entgegen. Diese betreffen nämlich nicht den Fall, dass die objektiven Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug fehlen und dieser unter Hinweis auf den Grundsatz von Treu und Glauben beansprucht wird. Der Vorsteuerabzug ist nach dieser Rechtsprechung nämlich sogar dann zu verweigern, wenn die objektiven Voraussetzungen vorliegen, aber der Steuerpflichtige von der Hinterziehung der in der Rechnung ausgewiesenen Umsatzsteuer wusste oder wissen musste. Diese Rechtsprechung des EuGH erweitert nicht das Recht auf Vorsteuerabzug, sondern begrenzt es, weil eine betrügerische oder missbräuchliche Berufung auf das Gemeinschaftsrecht nicht erlaubt ist (Laudacher, SWK, 22/2009, S. 662).
2. Gutgläubigkeit oder Bösgläubigkeit der Bw.
Im Hinblick auf die Rechtsprechung des EuGH zur Versagung des Vorsteuerabzugs bei bösgläubiger Teilnahme an einem Leistungsaustausch, der dem Umsatzsteuerbetrug dient, ist die von der Bw. ins Treffen geführte Gutgläubigkeit zu prüfen. Es stellt sich die Frage, ob die Bw. wusste oder hätte wissen müssen, dass die von ihr beauftragten "Briefkasten-GmbH`s plangemäß die in den Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer nicht abführen werden und ob dieses Wissen (oder gesollte Wissen) des Leistungsempfängers selbst bei Vorliegen formell korrekter Rechnungen den Vorsteuerabzug ausschließt, weil mit dem bewussten Herbeiführen (in Kauf nehmen) eines inkriminierten Leistungsaustausches am USt-Betrug mitgewirkt wird.
Die Bw. hat langjährige Erfahrung im Baugewerbe. Die "Schwarzarbeit am Bau" ist immer wieder Gegenstand von Medienberichten und in der breiten Öffentlich bekannt. Umso mehr kann bei der Bw. vorausgesetzt werden, dass auch sie über das Auftreten von Scheinfirmen am Bau und den damit verfolgten Zweck Kenntnis hat. Für jedermann ist erkennbar, dass die - meist kurz zuvor aus dem Ausland eingereisten - Personen, die als Gesellschafter und Geschäftsführer der "Briefkasten-GmbH`s eingesetzt werden, weder die finanziellen Mittel noch die Sachkenntnis haben, um solche Unternehmen zu gründen und zu führen. Sie sind im System lediglich "Frontleute" (ähnlich den Dealern) die ihren "Kopf hinhalten" und lediglich einfache Tätigkeiten ausführen (beispielhaft in der Aussage des Arbeitnehmers, der Geschäftsführer Ivan K.). Ob es sich tatsächlich um den Gesellschafter-Geschäftsführer der jeweiligen Briefkasten-GmbH handelt oder dieser nur seinen Namen für die Unternehmensgründung (gegen einen Vorteil) hergegeben hat und ein anderer - für viele solcher Scheinfirmen - in dessen Namen handelt (z.B. Abrechnungen erstellt, Geld kassiert und weiterleitet usw.) bleibt im Dunkeln. Die Drahtzieher, die tatsächlich hinter der Errichtung und Geschäftsentfaltung der "Briefkasten-GmbH`s" stehen, sind jedenfalls andere Personen, die im Hintergrund agieren. Offenkundig ist, dass diese Hintermänner für eine Vielzahl von Scheinfirmengründung stehen und für den laufenden Nachschub sorgen. Ein solcher Täter, der offensichtich in der Hierarchie über den Gesellschafter-Geschäftsführern steht, dürfte nach Ansicht des UFS, der von der Auskunftsperson bezeichnete "Sascha" sein. Dieser hat entschieden und veranlasst, dass die vier Leute der "Verputzpartie", für die die Bw. einen Arbeitsbedarf hatte und die in der Folge dann auch ausschließlich für die Bw. gearbeitet haben, formell über die X. Bau GmbH zum Einsatz kamen. Offenbar hat dieser "Sascha" unter Berücksichtigung sämtlicher relevanter Umstände entschieden, dass zu diesem Zeitpunkt die Anmeldung der "Verputzpartie" als Arbeitnehmer der X. Bau GmbH am geeignetsten ist.
Der UFS erachtet daher die Behauptung der Bw. in ihrer Berufung, dass die betreffenden fünf Unternehmen an sie herangetreten seien und man schließlich nach Einholung sämtlicher zumutbarer Erkundigungen mit diesen Unternehmen in Geschäftsverbindung getreten sei, für unglaubwürdig. In Wahrheit standen nämlich hinter den fünf "Briefkasten-GmbH`s" der oder die gleichen Hintermänner (z.B. "Sascha") und mit diesen ist die Bw. in Geschäftsverbindung getreten.
Für jedermann und erst recht für die Bw. als Branchenkenner, sind die Scheinfirmen am Bau an ihren typischen Merkmalen eindeutig zur erkennen (junge GmbH ohne Vermögenssubstanz, mit ausländischen Gesellschaftsorganen, die erst kürzere Zeit in Österreich gemeldet sind und unstabile Wohnverhältnisse aufweisen, z.B. Mitbewohner und Nebenwohnsitz).
Wer daher mit einer typischen "Briefkasten-GmbH" in einen Leistungsaustausch tritt, hätte wissen müssen, dass die von diesem Unternehmen in Rechnung gestellte Umsatzsteuer plangemäß nicht abgeführt werden soll. Dem bösgläubigen Leistungsempfänger steht aber der Vorsteuerabzug in keinem Fall zu, weil er vorweg die Gewissheit hat, dass bei diesem Leistungsaustausch das - im UStG leitende -Grundprinzip der Kosten- bzw. Wettbewerbsneutralität der Umsatzsteuer nicht verwirklicht werden soll.
Der UFS erachtet die Aussagen der Auskunftsperson für glaubhaft. In der Niederschrift vom 4. Juli 2002 werden erwiesene Einzelheiten richtig wiedergegeben und die Schilderung deckt sich mit den behördlichen Erfahrungen in diesem Bereich. Aus diesem Beweismittel geht eindeutig hervor, dass die Bw. über die Scheinfirmen Bescheid gewusst hat und aktiv am Zustandekommen von Umsätzen mit diesen "Briefkasten-GmbH`s" teilnahm: Die Bw. stellte in einem erwiesenen Fall den Kontakt zu einem offensichtlichen Drahtzieher namens "Sascha" her und veranlasste damit, dass ein "4-Mann-Verputztrupp" über eine Scheinfirma, die X. Bau GmbH, für ihr Unternehmen rund ein halbes Jahr arbeitete. Der Geschäftsablauf wies nicht die Usancen eines üblichen Geschäftsverkehrs auf, sondern entsprach den Gepflogenheiten des Schwarzarbeitsmilieu. Es wurden nicht mit einem Unternehmensvertreter einzelne Werkleistungen ausgehandelt und vereinbart, sondern faktisch wurden Arbeitskräfte der Scheinfirma der Bw. zum Arbeitseinsatz überlassen. Zu diesem Zwecke wurde dem neu eingestellten Arbeitnehmer eine Art Generalvollmacht (Handlungsvollmacht) ausgestellt und von diesem ein Rahmenvertrag über Innenputzarbeiten abgeschlossen. Die Aufträge zu den einzelnen Werkleistungen und deren Abnahme erfolgte im Hinblick auf das tatsächlich Gewollte nur zwischen dem Partieführer und der Bw.
So wie sich in der Leistungsbeziehung die nach außen tretende vertragliche Gestaltung (Werkvertrag mit Subunternehmer) mit dem tatsächlich Gewollten und Geleisteten nicht deckt, entsprechen die in den Rechnungen ausgewiesenen Leistungen - und mit höchster Wahrscheinlichkeit auch die Entgelte - nicht den tatsächlichen Leistungen und Entgelten. Ein höheres Entgelt in der Rechnung verschafft dem Auftraggeber einen höheren Vorsteuerabzug und niedrigeren Jahresgewinn und ist daher eine logische Konsequenz in diesem Betrugssystem. Genau aus diesem Grunde, wurde die Übermittlung der Rechnung und der Zahlungsvorgang auch getrennt und erfolgten keine nachweisbaren Banküberweisungen sondern dubiose Barzahlungen.
Für das wissentliche Mitwirken der Bw. an Leistungsbeziehungen mit Scheinfirmen (Briefkasten-GmbH`s) spricht aber nicht nur die Aussage der Auskunftsperson, sondern auch die Häufigkeit der Geschäftsverbindungen mit derartigen Unternehmen. Ein Fehler kann passieren, eine Kontrolle einmal versagen; die wiederholte Geschäftstätigkeit mit einer beträchtlichen Zahl von typischen "Briefkasten-GmbH`s" beweist die Absicht der Bw.
Die Ausführungen in der Stellungnahme vom 26.11.2010 sind erkennbare Schutzbehauptungen, denen kein Glaube zu schenken war. Der UFS geht davon aus, dass nicht nur die gesellschaftsrechtlichen Vorgänge und Verhältnisse der "Briefkasten-GmbH`s, mit denen die Bw. Geschäftsbeziehungen unterhielt, die gleichen waren, sondern dass auch die Geschäftsabläufe - so wie bei der X. Bau GmbH erwiesen werden konnte - im Wesentlichen identisch waren.
3. Prüfung der Abänderung des angefochtenen Bescheides
Die angesprochene Möglichkeit weiterer Vorsteuerkürzungen, weil die Bw. auch noch mit anderen typischen Scheinfirmen oder "Briefkasten-GmbH`s" im Jahr 2002 Geschäftsbeziehungen unterhielt, erfordert zunächst die Durchführung ergänzender Ermittlungen und die Anhörung der Parteien. Nach Abwägung aller maßgeblichen Aspekte (insb. Recht der Bw. auf Zurücknahme der Berufung, der Einbringlichkeit und Höhe einer möglichen Abgabennachforderung, Zweckmäßigkeit und Verwaltungsökonomie im Rechtsmittelverfahrens) war von Verfahrensschritten zu einer eventuellen Verböserung des angefochtenen Bescheides Abstand zu nehmen.
4. Zu den von der Partei vorgebrachten Beweisanträgen
Da die Vorsteuer schon aufgrund der vorliegenden Beweise aus den oben angeführten Gründen nicht zu gewähren war, konnte die Aufnahme weiterer Beweise unterbleiben.
Die von der Bw. im Schriftsatz vom 15.5.2003 angeführten Punkte ließen nicht erkennen, zu welchem Beweisthema konkret die einzelnen Beweise aufgenommen hätten werden sollen. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (vgl. z.B. VwGH 28.5.2002, 99/14/0332; 19.6.2002, 2000/15/0164; 19.11.1998, 97/15/0010) setzt die Beachtlichkeit eines Beweisantrages die ordnungsgemäße (konkrete und präzise Angabe des Beweisthemas, das mit dem Beweismittel unter Beweis gestellt werden soll, voraus. Eine derartig qualifizierte Beantragung einer Zeugeneinvernahmen erfolgte nicht, sodass der UFS im Sinne des § 183 Abs. 3 BAO nicht zur Beweisaufnahme verpflichtet war.
Es war daher in Anbetracht der Sach- und Rechtslage spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 1. Dezember 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 11 Abs. 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |