Spezielle Anschaffungskosten in Form von Anschlusskosten bei Windkraftanlagen
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch KPMG Alpen-Treuhand GmbH, Steuerberatungs- und Wirtschaftsprüfungskanzlei, 4020 Linz, vom 25. April 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Linz vom 28. April 2005 betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 2003 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben.
Die Bemessungsgrundlage und die Investitionszuwachsprämie 2003 betragen:
Investitionszuwachs 2003: 24.397.010,00 € Investitionszuwachsprämie 2003: 2.439.701,00 €
Entscheidungsgründe
Die Bw. schaffte 2003 zwei Windenergieanlagen an.
In den Anschaffungskosten aktivierte sie ua. 360.000,00 € unter dem Titel "Netzzutritt".
Dem liegt eine Vereinbarung aus 6/2003 zwischen dem Energieversorger E (idF E) und der Firma W (idF W) zu Grunde. Gegenstand dieser Vereinbarung ist ein projektierter Windpark mit einer Gesamtleistung von 25,2 Megawatt. In Ziffer 4.2. dieser Vereinbarung werden die für die Realisierung des Windparks seitens E durchzuführenden Baumaßnahmen mit weiterverrechneten anteiligen Kosten iHv. 2.520.000,00 € beziffert. Der Leistungsumfang der von E durchgeführten Baumaßnahmen wird unter Verweis auf die Ziffern 4.1.1. und 4.1.2. beschrieben:
4.1.1.: 110 KV-Netz Verstärkung des 110 KV-Netzes zwischen dem Umspannwerk B (idF B) und dem Umspannwerk Z (idF Z).
4.1.2.: Umspannwerk Erweiterung des bestehenden Umspannwerks EB (idF EB).
4.2.: "Mit Bezahlung dieses Betrages haben sie das Recht erworben, bis zu einer Leistung von 25,2 MW aus Windkraftanlagen auf der 20-KV-Sammelschiene des unter 4.1.2. genannten Umspannwerkes andauernd in unser Verteilernetz einzuliefern. Sämtliche zukünftig im Netz nötigen Aufwendungen, um diese Leistung andauernd aufnehmen zu können, werden von uns" (E) "getragen".
Im Zuge einer bei der nunmehrigen Bw. durchgeführten Nachschau gem. § 144 BAO wurde mit Bescheid die Versagung der Investitionszuwachsprämie 2003 hinsichtlich 10 % von 360.000,00 € (dies entspricht dem in den Anschaffungskosten der Windenergieanlagen enthaltenen Betrag für Netzzutritt "lt. oa. Vereinbarung"), also 36.000,00 €, ausgesprochen.
In einer rechtzeitig dagegen eingebrachten Berufung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die von der Bw. verwendete Bezeichnung "Netzzutrittsentgelt" irreführend sei, da man auf den ersten Blick annehmen könne, dass es sich um ein Entgelt für das Recht zur Netzeinspeisung in ein Stromverteilernetz handeln könne. Der Textbaustein in 4.2. der Vereinbarung sei also missverständlich verwendet worden. Der Netzzutritt (Einspeisung oder Verbrauch) müsse lt. Elektrizitätswirtschafts- und Organisationsgesetz (ElWOG) und NÖ Elektrizitätswesengesetz 2001 (NÖ ElWG 2001) ohne besonderes Entgelt zur Verfügung gestellt werden. Sei dies aber aus Leitungs- oder Engpassgründen ohne zusätzliche bauliche Maßnahmen des Verteilernetzbetreibers nicht möglich, so sei dieser ermächtigt, seine konkreten Kosten für solche baulichen Maßnahmen mit Einspeisungsvertrag in Rechnung zu stellen (§§ 30 und 35 NÖ ElWG 2001). Die in Rechnung gestellten baulichen Maßnahmen wurden kalkulatorisch auf die Megawattleistung des Betreibers der Windkraftanlage umgelegt. Daraus folge, dass E keinerlei Rechte im Sinne eines immateriellen Wirtschaftsguts vergeben könne und bloß ermächtigt sei, seine baulichen Kosten weiter zu verrechnen. Nach dem wahren wirtschaftlichen Gehalt müsste der Passus in der vertraglichen Vereinbarung daher lauten: "... ... und haben Sie die Kosten unserer Baumaßnahmen ... ... bezahlt und können - weil nun technisch ermöglicht - den gesetzlich freien Zugang in unser Netz beanspruchen". In Deutschland würden diese Kosten eindeutig als "Baukostenzuschüsse" genannt. Unter Zitierung einschlägiger VwGH-Judikatur und der herrschenden Literatur wird im Wesentlichen ausgeführt, dass Beiträge, Erschließungskosten, Anschlussgebühren, die für die Versetzung einer Anlage in einen betriebsbereiten Zustand zu leisten sind, als Anschaffungsnebenkosten auf dieses Wirtschaftsgut zu aktivieren und auf die Nutzungsdauer abzuschreiben sind. Ganz eindeutig sei, dass der wahre wirtschaftliche Gehalt in der Überrechnung von tatsächlich beim Energieversorgungsunternehmen angefallenen Kosten für die technische Möglichkeit der Inbetriebnahme der Windkraftanlagen bestehe. Die Baukostenbeiträge an das Energieversorgungsunternehmen seien Aufwendungen, die geleistet werden mussten, um die Windkraftanlagen als Stromerzeuger überhaupt in Betrieb nehmen zu können, da erst dadurch der Zweck der Anlage, nämlich die Erzeugung und Lieferung von Strom in das allgemeine Stromnetz, ermöglicht wurde. Außerdem habe das Energieversorgungsunternehmen im Ausmaß der ersetzten Kosten keine Investitionszuwachsprämie geltend gemacht und hätte sie dies auch nicht können, da Baukostenzuschüsse richtig als Minderung der eigenen Herstellungskosten passiviert wurden.
Die Großbetriebsprüfung stellte der Meinung der Bw. entgegen, dass bei Abbau der Windkraftanlage und Aufbau an einem anderen Standort (eventuell in einem anderen Bundesland) dort wieder entsprechende Aufwendungen zu tätigen sein würden, während andererseits nach Abbau die gegebene Möglichkeit der Einspeisung am aktuellen Standort genutzt werden könnte, erzeugte elektrische Energie aus einer alternativen Energiegewinnungsquelle in das öffentliche Netz einzuspeisen. Dies würde für einen fremden Dritten ein interessantes, in Geld zu bewertendes Wirtschaftsgut darstellen.
Die Abgabenbehörde zweiter Instanz stellte fest, dass die Bw. mit Netzzutrittsvertrag vom 2.6.2003 die Netzzutrittsberechtigung erwarb: § 30 Abs. 1 NÖ ElWG 2001 sehe vor, dass der Netzzutritt durch privatrechtliche Verträge gewährt werde - es geschehe nicht durch hoheitlichen Akt. Die in diesem Vertrag übernommene Kostentragung (gemäß §§ 30, 33 und 35 leg.cit .) entspreche dem usus in privatrechtlichen Vereinbarungen. Es ist bei Beachtung des wirtschaftlichen Gehalts der Vereinbarung davon auszugehen, dass die beiden Vertragspartner ihre Interessen abwogen und so das Ergebnis lt. Vertrag vom 2.6.2003 zu Stande kam: Der Netzbetreiberin erwuchsen durch die Netzerweiterung Kosten, die sie auf die Bw. übertragen wollte; - die Bw. wollte ihre Energie in das Netz der Netzbetreiberin einspeisen und fand sie den von der Netzbetreiberin als Verhandlerin geforderten Betrag offenkundig Wert zu übernehmen, um so den Netzzugang gem. § 30 Abs. 1 leg.cit. gewährt zu bekommen. Es wurde in der Folge durch Bezahlung dieses Betrages eine Berechtigung zum Netzzutritt erworben: Dass diese Berechtigung kein körperliches Wirtschaftsgut darstellt, ist offenkundig, da aus dem gesamten Sachverhalt nicht hervorgeht, dass durch den Vertrag Eigentum an körperlichen Gegenständen erworben wurde, sondern eben nur das Recht zum Netzzutritt. Da jedoch für die Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie die Anschaffung oder Herstellung eines abnutzbaren, körperlichen Wirtschaftsgutes Voraussetzung ist, steht eine Investitionszuwachsprämie nicht zu. Die Berufungsausführungen hinsichtlich Baukostenzuschuss brachten nichts für das Berufungsbegehren, da Baukostenzuschüsse vom Mieter an den Vermieter gegeben werden, um es dem Vermieter zu ermöglichen, Investitionen an der Bestandsache im Interesse des Mieters vorzunehmen (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 28 Tz 13). - Im berufungsgegenständlichen Fall ist ein Vergleich mit Baukostenzuschüssen nicht möglich, da ein beiderseitiges Interesse der Vertragsparteien Bw. und E bestand am Netzausbau und man sich privatrechtlich in der Folge einigte, die der E durch den Netzausbau entstandenen Kosten bei Netzzutritt durch die Bw. zu übernehmen, während sich im Gegenzug E verpflichtete, die zukünftig im Netz nötigen Aufwendungen zur andauernden Leistungsaufnahme zu übernehmen.
Gegen die Berufungsentscheidung wurde Beschwerde beim VwGH erhoben, der die Berufungsentscheidung wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufhob (2007/15/0153 vom 20.5.2010): Er konnte nicht erkennen, aus welchem Titel die Bf. oder ihre Organtochter eine Zahlung von 360.000,00 € leistete. Weder die Bf. noch ihre Organtochter waren Partei des Vertrags vom 2.6.2003 zwischen dem Energieversorgungsunternehmen und der Windparkbetreiberin. Inhaltlich führte der VwGH aus, dass mit Erkenntnis vom 29.4.2010, 2006/15/0153 ausgesprochen wurde, dass ein Baukostenzuschuss nicht in die Bemessungsgrundlage für die IZP nach § 108e EStG 1988 Eingang finde. Unter Hinweis auf das Erkenntnis vom 25.11.1999, 99/15/0169 führte er weiters aus, dass als Anschaffungskosten die Aufwendungen gelten, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zweckentsprechend nutzen zu können. Sie umfassen also nicht nur den Kaufpreis, sondern alle sonstigen, durch den Erwerb entstandenen Ausgaben, zu denen auch die gehören, die nach Anschaffung aufgewendet wurden, um das angeschaffte Wirtschaftsgut für den Erwerb nutzbar zu machen. Ist die betriebliche Verwendung eines Wirtschaftsguts vom Vorhandensein eines auf das Wirtschaftsgut bezogenen Anschlusses an ein Versorgungsnetz mit zuordenbaren Anschlusskosten abhängig, werden diese Anschlusskosten zu den Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts gehören, fallen sie doch durch die Herbeiführung der Betriebsbereitschaft des Wirtschaftsguts an (sinngemäß 99/15/016925 vom 11.1999). Stellen sich spezielle Anschlusskosten als für den Betrieb einer Anlage zur Gewinnung von Windenergie erforderlich heraus, zählen sie somit nach Ansicht des VwGH zu den Anschaffungskosten dieser Anlage.
Aus dem Akteninhalt ist ersichtlich, dass die Bw. (eine Holding reg. Gen.m.b.H.) eine Mobilienleasing GmbH als Tochter hatte (ua. auch behandelt im BP-Bericht). Weiters ist ein 11-seitiger Aktenvermerk über den mündlichen Leasingvertragsabschluss vom 9.4.2003 zwischen der Betreiberfirma W (als Leasingnehmerin) und der Mobilienleasing GmbH als Leasinggeberin im Akteninhalt, ebenso wie die Netzzutrittsvereinbarung zwischen W und E, in der auch die Zahlungsmodalitäten geklärt werden. Dem entspricht die Bestätigung des Energieunternehmens vom 30.6.2003, gerichtet an die Betreiberfirma, in der mitgeteilt wird, dass das Netzzutrittsentgelt von 360.000,00 € der Mobilienleasing GmbH in Rechnung gestellt wird. Die Bw. legte der Abgabenbehörde zweiter Instanz im fortgesetzten Verfahren diese Rechnung in Kopie vor.
Über die Berufung wurde erwogen:
Da - wie angeführt - bereits in dem VwGH vorgelegten Akt Material vorhanden war, aus dem ersichtlich ist, dass die Bf. (nunmehr Bw.) als Holding reg. Gen.m.b.H. eine Organtochter hat, die als Mobilienleasing GmbH einen Leasingvertrag mit der Betreiberfirma W abgeschlossen hatte und E der Organtochter der Bw. das Netzzutrittsentgelt vorgeschrieben hatte, ist weiterhin davon auszugehen, dass die Bw. auch Leistende des Netzzutrittsentgelts ist und dem gültige zivilrechtliche Verträge und die faktische Leistung des Betrags durch die Bw. als Organmutter zu Grunde liegen.
Gem. § 108e EStG 1988 kann für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine Investitionszuwachsprämie von 10 % geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden (Abs. 1).
Prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter sind ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens ... (Abs. 2).
Es ist nun wesentlich zu klären, ob der von der Bw. an das Energieversorgungsunternehmen bezahlte Betrag zu qualifizieren ist als (Teil der) körperlichen Wirtschaftsgüter Windkraftanlagen oder als eigenes (unkörperliches) Wirtschaftsgut.
Wenn der VwGH unter Verweis auf das Erkenntnis vom 29.4.2010, 2006/15/0153 ausführt, dass ein Baukostenzuschuss nicht in die Bemessungsgrundlage für die IZP nach § 108e leg.cit. Eingang findet, so bestätigt er die Meinung der entscheidenden Behörde, die sie in der in Beschwerde gezogenen Berufungsentscheidung vertrat. In seinen weiteren Ausführungen teilte der VwGH jedoch nicht die Meinung der entscheidenden Behörde, wonach mit Bezahlung des Netzzutrittsentgelts eine Berechtigung zum Netzzutritt erworben wurde; da die Berechtigung aber kein abnutzbares körperliches Wirtschaftsgut darstelle, stehe die IZP nicht zu: Der VwGH vertritt vielmehr die Ansicht, dass "spezielle Anschlusskosten" zu den Anschaffungskosten der Anlage zählen (also in die Bemessungsgrundlage für die IZP gerechnet werden), wenn sie sich "als für den Betrieb einer Anlage zur Gewinnung von Windenergie erforderlich herausstellen", mit Hinweis auf 99/15/0169 vom 25.11.1999, wonach als Anschaffungskosten die Aufwendungen gelten, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu erwerben und es in betriebsbereiten Zustand zu versetzen, um es also zweckentsprechend nutzen zu können. - Im berufungsgegenständlichen Fall ist es offenkundig, dass ohne Erweiterung des Netzes durch E auch die Einspeisung der von W produzierten Energie ins Netz technisch nicht möglich gewesen wäre (da das Netz ursprünglich kapazitätsmäßig nicht darauf ausgerichtet war). Da es E freistand, ihm dadurch entstandene Kosten wettzumachen in Form der Vorschreibung eines "Netzzutrittsentgelts", sind diese als Netzzutrittsentgelt bezahlten Beträge durchaus als "spezielle Anschlusskosten" zu definieren, zumal die zweckentsprechende Nutzung eines Windparks ja nicht bloß in der Erzeugung von Energie aus Windkraft besteht, sondern der ökonomische Zweck erst erfüllt ist, wenn die so erzeugte Energie auch in ein E-Netz gespeist werden kann, um so Abnehmer zu finden. Es war in der Folge spruchgemäß zu entscheiden.
Linz, am 10. September 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 108e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |