UFS RV/1403-W/10

UFSRV/1403-W/1022.7.2010

freiwillige Weiterversicherung

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom 18. Februar 2010 gegen den Bescheid des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln vom 9. Februar 2010 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2008 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

A) Am 16. September 2009 erstellte die Berufungswerberin (= Bw.) die Einkommensteuererklärung für das Jahr 2008 (OZ 5 ff./2008) und gab darin eine bezugsauszahlende Stelle an. Die Anzahl der Kinder, für die sie für mindestens sieben Monate im Jahr 2008 die Familienbeihilfe bezogen hat, gab sie mit einem an. Als sonstige Beiträge zu Berufsverbänden (KZ 717) erklärte sie € 2.944,00. Für Arbeitsmittel (PC, August 2008) machte sie € 599,00 geltend, für Fachliteratur € 45,00, als Kosten für die doppelte Haushaltsführung € 10.860,00, als sonstige Werbungskosten € 173,00. An Kapitalerträgen aus ausländischen Kapitalanlagen, die mit dem besonderen Steuersatz von 25% zu besteuern sind, erklärte die Bw. € 1.909,72, als die darauf anzurechnende ausländische Quellensteuer € 8,01. Bei den Sonderausgaben machte sie unter der KZ 450 (freiwillige Weiterversicherungen und Nachkauf von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung) € 2.826,00 geltend.

B) Am 9. Februar 2010 wurde der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2008 (OZ 14 ff./2008) erstellt. Dabei wurde von der Einkommensteuererklärung insofern abgewichen, als bei den Werbungskosten, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, € 7.075,40 anerkannt wurden. Dieser Betrag setzt wie folgt zusammen: € 359,40 für den PC (60%), € 6.498,00 für die doppelte Haushaltsführung, € 45,00 für die Fachliteratur, € 173,00 für sonstige Werbungskosten. Die Beiträge zu Berufsverbänden wurden als sonstige Werbungskosten ohne Anrechnung auf den Pauschbetrag erklärungsgemäß berücksichtigt. Die geltend gemachten Sonderausgaben wurden nicht anerkannt, weil der Gesamtbetrag der Einkünfte € 50.900,00 übersteigt. Das zu besteuernde Einkommen belief sich somit auf € 78.793,51, die Einkommensteuer auf € 31.614,41 Von diesem Betrag wurde die anrechenbare Lohnsteuer in Höhe von € 35.330,67 und die Kapitalertragsteuer in Höhe von € 8,01 subtrahiert. Die festgesetzte Einkommensteuer = Abgabengutschrift machte somit € 3.724,27 aus. Zur Begründung dieses Bescheides wurde Folgendes ausgeführt:

- Kosten der beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sowie Aufwendungen für Familienheimfahrten seien nur für einen Zeitraum von zwei Jahren als Werbungskosten abzugsfähig. Dieser Zweijahreszeitraum ende mit Ende September 2008. Ab Oktober 2008 stellten die Aufwendungen der Bw. für Miete und Betriebskosten für den Wohnsitz in Hollabrunn keine abzugsfähigen Werbungskosten mehr dar.

- Die Anschaffungskosten des Computers seien um einen Privatanteil von 40% gekürzt worden. Es verblieben somit abzugsfähige Kosten für Arbeitsmittel in Höhe von € 359,40.

- Der Beitrag zur Ärztekammer Hamburg in Höhe von € 2.826,00 stellten keine steuerbegünstigte freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung dar und seien somit vom Sonderausgabenabzug gemäß § 18 EStG 1988 ausgeschlossen.

C) Mit Schreiben vom 18. Februar 2010 (OZ 29/2008) erhob die Bw. gegen den Einkommensteuerbescheid für 2008 Berufung und führte Folgendes aus: Der Rentenbeitrag zur Ärztekammer Hamburg stelle eine Pflichtversicherung dar, somit werde die steuerliche Berücksichtigung im Rahmen der Sonderausgaben beantragt. Der Beitrag in Höhe von € 2.826,00 decke den Zeitraum vom 1. Oktober 2006 bis 31. Dezember 2008, dies sei die Voraussetzung zur lückenlosen Rentenversicherung im Ärzteversorgungswerk.

Als Beilagen wurden angeschlossen: a) Bescheid über die Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds NÖ. b) Bescheinigung der Ärztekammer Hamburg über Versorgungsbeiträge.

ad a): Bescheid vom 16. April 2009 betreffend den Antrag der Bw. vom 25. Februar 2009 auf Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich. Die Befreiung von der Beitragspflicht zum genannten Wohlfahrtsfonds erfolge von 1. Jänner 2009 bis 31. Dezember 2011. Durch die Befreiung von den zu entrichtenden Beiträgen bestehe gemäß § 17 der Satzung des genannten Wohlfahrtsfonds kein Leistungsanspruch. Begründend wird ausgeführt: Mit dem Antrag habe die Bw. die Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds begehrt, da sie seit dem 1. Oktober 2006 dem Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg angehöre und dort Beiträge leiste. Gemäß § 112 Abs. 2 Ärztegesetz seien Angehörige einer anderen Ärztekammer des Bundesgebietes über Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 109 Ärztegesetz zu befreien, wenn aufgrund anderen Kammerangehörigkeit ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe- bzw. Versorgungsgenuss bestehe. Diese Voraussetzung sei im vorliegenden Fall erfüllt.

ad b): Schreiben des Versorgungswerkes der Ärztekammer Hamburg vom 7. Jänner 2009: Die Bw. habe zum 1. Oktober 2006 die freiwillige Mitgliedschaft erklärt und entrichte einen Versorgungsbeitrag in Höhe von 1/10 des allgemeinen Versorgungsbeitrages (zur Zeit monatlich € 107,46). Die Zahlung der Bw. in Höhe von € 2.826,54 sei beim Versorgungswerk eingegangen und sei bis einschließlich Dezember 2008 verbucht worden. Diesem Schreiben war eine Kopie des Kontoauszuges vom 31. Dezember 2008 beigelegt, auf dem ersichtlich ist, dass am 30. Dezember 2008 € 2.826,54 an das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg überwiesen wurden.

D) Mit Berufungsvorentscheidung vom 25. März 2010 (OZ 33 ff./2008) wurde der angefochtene Bescheid geändert und zwar hinsichtlich der sonstigen Werbungskosten, bei denen nur mehr € 1.960,76 anerkannt wurden. Das zu versteuernde Einkommen stieg damit auf € 79.776,75, die Einkommensteuer auf € 32.106,03. Unter Abzug der anrechenbaren Lohnsteuer und der Kapitalertragsteuer ergab sich eine festgesetzte Einkommensteuer von € 3.232,65. In Gegenüberstellung zur festgesetzten Einkommensteuer des Erstbescheides ergab sich eine Abgabennachforderung von € 491,62. Zur Begründung der Berufungsvorentscheidung wurde ausgeführt:

Gemäß § 276 Abs. 1 BAO könne die Abgabenbehörde erster Instanz die Berufung nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen durch Berufungsvorentscheidung erledigen und hiebei den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abändern, aufheben oder die Berufung als unbegründet abweisen.

Von den bereits bisher berücksichtigten Werbungskosten unter dem Titel "Beiträge zu Berufsverbänden und Interessenvertretungen" in Höhe von € 2.944,00 seien nach Prüfung nur mehr € 1.960,76 angesetzt worden, da einerseits der Beitrag zur Bestattungshilfe an die NÖ. Ärztekammer in Höhe von € 576,75 bereits bei der laufenden Lohnverrechnung durch den Arbeitgeber steuermindernd berücksichtigt worden sei, andererseits die Beiträge für "WFF und ÄK-Beiträge 2008" im Betrag von € 396,60 erst im Jahr 2009 bezahlt worden seien.

Hinsichtlich der Nichtanerkennung der Beiträge an die Ärztekammer Hamburg werde auf die gesondert zugehende Begründung verwiesen.

In der zusätzlichen Bescheidbegründung vom 26. März 2010 (OZ 31 f./2008) wird Folgendes ausgeführt:

Pflichtbeiträge stellten in Österreich grundsätzlich Werbungskosten oder Betriebsausgaben dar. Nur freiwillige Beiträge könnten zu Sonderausgaben nach § 18 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 führen. Allein die Auswirkung des Versicherungsstatus, nämlich der gleichartige Versorgungsanspruch, bedinge nicht, dass die freiwilligen Beitragsleistungen an die Ärzteversorgung des deutschen Bundeslandes als Pflichtbeiträge im Sinn des § 16 Abs. 1 Z 4 lit.e EStG 1988 qualifiziert würden. Eine Subsumtion unter den Werbungskostenbegriff könne aufgrund der allgemeinen Regel des § 16 Abs. 1 erster Satz leg. cit. ebenfalls nicht erfolgen (vgl. dazu die Rechtsprechung des unabhängigen Finanzsenates vom 26. Februar 2004, GZ: RV/0556-L/03, und vom 21. Oktober 2009, GZ: RV/0149-I/09).

Die strittigen Beiträge seien im konkreten Fall ohnedies als Sonderausgaben beantragt worden, was die Freiwilligkeit der Leistungen impliziere. Es handle sich hier um eine freiwillige Weiterversicherung, deren Beiträge tatsächlich Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 EStG (1988) darstellten, jedoch unter der Einschränkung des Abs. 3 leg. cit., was die Einreihung unter die Topf-Sonderausgaben und damit verbundener Anwendung des Sonderausgabenviertels und - bei Überschreitung bestimmter Einkunftsbeträge - eine Einschleifung bedeute (UFS vom 8. Februar 2008, RV/1560-W/04). Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung bei einer ausländischen Pensionsversicherungsanstalt seien jedenfalls nicht in unbegrenzter Höhe abzugsfähig (VwGH vom 20. Februar 1992, 90/13/0154).

Betrage der Gesamtbetrag der Einkünfte mehr als € 36.400,00, sso vermindere sich gemäß § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 das Sonderausgabenviertel gleichmäßig in einem solchen Ausmaß, dass sich bei einem Gesamtbetrag der Einkünfte von € 50.900,00 kein absetzbarer Betrag mehr ergebe. Im gegenständlichen Fall werde die Grenze von € 50.900,00 überschritten, sodass der Berufung auch teilweise kein Erfolg beschieden sein könne.

E) Mit Schreiben vom 7. April 2010 (OZ 37/2008) stellte die Bw. den als Einspruch bezeichneten Vorlageantrag. Aus der Sicht der Ärztekammer für Niederösterreich habe sie die gesetzliche Wahlpflicht die Rentenbeiträge entweder an die Ärztekammer für Niederösterreich oder an die Ärztekammer Hamburg (wo sie bis Oktober 2006 berufstätig gewesen sei) zu leisten. Ab Jänner 2009 entfalle durch die Beitragsbefreiung der Ärztekammer für Niederösterreich die Zahlung in den Wohlfahrtsfonds Niederösterreich, somit auch der steuerliche Abzug. Diese Zahlung sei gesetzeskonform ersetzt worden durch die gleichwertige Rentenbeitragszahlung an die Ärztekammer Hamburg. Dieser Beitrag sei niedriger als der bisherige NÖ Wohlfahrtsfondsbeitrag und wirke sich nach langjähriger Berufstätigkeit in Hamburg günstiger auf ihre zukünftige Rentenhöhe aus. Der Nachkauf der deutschen Versicherungszeiten für 2006 bis 2008 sei unabdingbar für die lückenlose Fortsetzung der Rentenversicherung bei der Ärztekammer Hamburg. Sie beantrage aus den oben genannten Gründen die Anerkennung des Nachkaufes der deutschen Ärzteversorgungszeiten für 2006 bis 2008 als Pflichtbeitrag.

F) Mit Ergänzungsersuchen vom 8. Juni 2010 wurde die Bw. ersucht, folgende Fragen zu beantworten und die angesprochenen Unterlagen vorzulegen:

a) Laut dem von der Bw. dem Berufungsschreiben beigelegten Bescheid des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich vom 16. April 2009 sei sie von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds gemäß § 109 Ärztegesetz für die Dauer vom 1. Jänner 2009 bis 31. Dezember 2011 befreit worden. Das bedeute, dass sie für das Kalenderjahr 2008 laut der vorgenannten Gesetzesbestimmung noch zu diesem Wohlfahrtsfonds beitragspflichtig gewesen sei. Um Übermittlung der diesbezüglichen Vorschreibungsbelege werde ersucht. Außerdem werde die Bw. ersucht, mitzuteilen, ob sie beabsichtige, die Beitragszahlung zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich nach dem 31. Dezember 2011 wieder aufzunehmen.

b) Laut Schreiben des Versorgungswerkes der Ärztekammer Hamburg habe sie bereits im Jahr 2006 die freiwillige Mitgliedschaft zum genannten Versorgungswerk erklärt. Während welcher Zeit sei die Bw. selbstständig oder nichtselbstständig als Frauenärztin erwerbstätig gewesen? Auf welcher gesetzlichen Bestimmung beruhe ihre (freiwillige) Mitgliedschaft beim Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg? Um diesbezügliche Auskünfte werde ersucht. Werde die Altersversorgungsleistung des Versorgungswerkes der Ärztekammer Hamburg die zu erwarten gewesene Versorgungsleistung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich ausschließen oder werde die Bw. sozialversicherungsgesetzliche Pensionsbezüge, Pensionsbezüge vom Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich und solche vom Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg erhalten? Außerdem werde um Nachreichung einer Kopie des Beitrittsformulares zum Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg ersucht.

c) Laut dem vom Amt der NÖ. Landesregierung an das Finanzamt übermittelten Lohnzettel habe die Bw. für das Jahr 2008 € 11.174,19 an Sozialversicherungsbeiträgen geleistet. An welche gesetzliche Sozialversicherung habe die Bw. ihre Pensionsversicherungsbeiträge bezahlt?.

G) Mit Antwortschreiben vom 24. Juni 2010 teilte die Bw. Folgendes mit:

1) Sie werde im Dezember 2011 die Verlängerung der Beitragsfreistellung bei der Ärztekammer für Niederösterreich beantragen.

2) Sie sei vom Juli 1999 bis September 2006 in Hamburg als Frauenärztin tätig gewesen.

3) Ihre Pensionsversicherungsbeiträge zahle sie in die Niederösterreichische Vorsorgekasse ein.

Diesem Schreiben sind folgende kopierte Unterlagen beigeschlossen worden:

a) Urkunde des Versorgungswerkes Hamburg vom 6. März 2000, wonach die Bw. seit 10. August 1992 Mitglied dieser Versorgungseinrichtung sei.

b) Durchschrift des Bescheides der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte in Berlin vom 25. April 2000, wonach die Befreiung zur Rentenversicherung mit 1. Februar 2000 beginne und die Versorgungseinrichtung die Ärztekammer Hamburg sei.

c) Schreiben der Niederösterreichische Vorsorgekasse AG. vom 5. Mai 2009, wonach die Anwartschaft der Bw. zum 31. Dezember 2008 € 2.162,59 betrage.

d) Kontoinformation der Ärztekammer für Niederösterreich für 2008 mit einer Auflistung der Zahlungen zum Wohlfahrtsfonds und der Kammerumlagen.

e) Aufstellung der Ärztekammer für Niederösterreich über Beiträge für das erste Quartal 2008.

f) Aufstellung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich über Beiträge für das erste Quartal 2008.

g) Kopie des Gehaltszettels vom 15. Jänner 2008.

H) Mit Schreiben vom 16. Juli 2010 wurde seitens des Finanzamtes zur Vorhaltsantwort der Bw. laut Abschnitt G) wie folgt geantwortet:

Nach Ansicht des Finanzamtes sei der vorliegende Fall gleich gelagert wie jener, der in der UFS-Entscheidung vom 21. Oktober 2009, RV/0149-I/09, behandelt worden sei. Die Vorhaltsbeantwortung vom 24. Juni 2010 habe keine Änderung hinsichtlich des für die Berufungsvorentscheidung herangezogenen Sachverhaltes. Wenn in der Aufforderung zur Stellungnahme auf Bestimmungen des Ärztegesetzes verwiesen werde, so möge bedacht werden, dass für die Beurteilung als Sonderausgaben einzig das EStG 1988 maßgeblich sei.

Der UFS habe unter Anführung von VwGH-Judikatur die freiwillige Weiterversicherung bei einer ausländischen Pensionsversicherungsanstalt als sogenannte "Topf-Sonderausgaben" anerkannt. Dieser Ansicht schließe sich das Finanzamt an.

Über die Berufung wurde erwogen:

Strittig ist die Anerkennung von Zahlungen in der Höhe von € 2.826,00 an das Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg als Sonderausgaben hinsichtlich freiwilliger Weiterversicherung und Nachkauf von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung.

I) Der Sachverhalt ist durch folgende Umstände bestimmt:

a) Die Bw. war vom Juli 1999 bis September 2006 in Hamburg als Frauenärztin erwerbstätig.

b) Die Bw. hat zum 1. Oktober 2006 ihre freiwillige Mitgliedschaft zum Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg erklärt.

c) Die Bw. hat am 25. Februar 2009 einen Antrag auf Befreiung von der Beitragspflicht zum Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Niederösterreich gestellt, dem mit Bescheid vom 16. April 2009 für den Zeitraum 1. Jänner 2009 bis 31. Dezember 2011 stattgegeben wurde. Für die ersten drei Quartale des Jahres 2008 hat die Bw. € 801,00 als Grundrente und € 444,69 als Zusatzleistung vom Wohlfahrtsfonds der NÖ. Ärztekammer vorgeschrieben bekommen.

d) Die Bw. war im Streitjahr am Lak. als Fachärztin für Gynäkologie und Geburtenhilfe nichtselbstständig erwerbstätig. Ihre gesetzlichen Pensionsversicherungsbeiträge zahlte sie in die Niederösterreichische Vorsorgekasse ein.

e) Gemäß § 109 Abs. 1 erster Satz Ärztegesetz 1998 sind die Kammerangehörigen nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist.

f) Gemäß § 112 Abs. 2 Ärztegesetz 1998 wird ein ordentlicher Kammerangehöriger auf Antrag zur Gänze von der Beitragspflicht nach § 109 leg.cit. befreit, wenn er den Nachweis darüber erbringt, dass ihm und seinen Hinterbliebenen ein gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)Genuss aufgrund der Zugehörigkeit zum Wohlfahrtsfonds einer anderen Ärztekammer des Bundesgebietes oder ein zumindest annähernd gleichwertiger Anspruch auf Ruhe(Versorgungs)Genuss aufgrund der Zugehörigkeit zu einem berufsständischen Versorgungswerk im Gebiet einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum zusteht. Eine diesbezügliche, längstens bis zum 1. Jänner 2005 rückwirkende Befreiung ist zulässig.

II) einkommensteuerliche Beurteilung:

§ 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 normiert: Für Ausgaben im Sinne des Abs. 1 Z 2 bis 4 mit Ausnahme der Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufes von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbarer Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen besteht ein einheitlicher Höchstbetrag von € 2.920,00 jährlich.

Betraglich unbegrenzt und ohne Anrechnung auf das Sonderausgabenpauschale abzugsfähig sind daher neben Renten und dauernden Lasten gemäß § 18 Abs. 1 Z 1 EStG 1988 und Steuerberatungskosten gemäß § 18 Abs.1 Z 6 leg.cit. lediglich Beiträge für eine freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbare Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen.

Freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH vom 20. Februar 1992, 90/13/0154) nur eine solche im Sinne der inländischen Sozialversicherungsgesetze. Beiträge an ausländische Sozialversicherungen sind insoweit gleichzustellen, als die entsprechenden Beiträge zu einer höheren Versicherungsleistung der inländischen gesetzlichen Sozialversicherung führen (vgl. Jakom, EStG, Kommentar, 1. Aufl., 2008, Tz 137 zu § 18). Dasselbe gilt nach VwGH vom 20. April 2006, 2004/15/0038, für Pflichtbeiträge an die Versorgungs- und Unterstützungseinrichtung der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen, soweit sie in der Folge zu pensionsartigen Bezügen führen. Auch der VwGH judizierte, dass, da die den Pensionen vergleichbaren Bezüge aus den Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen zu den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit zählen, die steuerliche Berücksichtigung der Beitragszahlungen von Verfassungs wegen geboten ist, weil die fehlende steuerliche Berücksichtigung von zu steuerpflichtigen Einnahmen führenden Ausgaben sich als dem Sachlichkeitsgebot widerstreitend erweist (vgl. VwGH vom 20. April 2006, 2004/15/0038).

Im Fall der Bw. ist davon auszugehen, dass sie aufgrund der Bestimmungen des Ärztegesetzes zum Wohlfahrtsfonds verpflichtet ist, in diesen oder in eine gleichwertige Versorgungseinrichtung in einem Land des Europäischen Wirtschaftsraumes einzuzahlen. Die Bw. hat sich ab 1. Jänner 2009 von der Beitragspflicht an den Wohlfahrtsfonds der NÖ. Ärztekammer per Bescheid vom 16. April 2009 befreien lassen. Gleichzeitig ist zu beachten, dass sie mit 1. Oktober 2006 ihre freiwillige Mitgliedschaft zum Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg erklärt hat und dort Beiträge geleistet hat, im Streitjahr € 2.826,00. Da laut der eingangs erwähnten Bestimmung des § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1998 eine der freiwilligen Weiterversicherung vergleichbare Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbstständig Erwerbstätigen die nicht begrenzte Abzugsfähigkeit dieser Beiträge als Sonderausgaben normiert, ist im Fall der Bw. dieser Tatbestand erfüllt. Dies auch deshalb, weil die Pflichtbeiträge der Bw. zum Versorgungswerk der Ärztekammer Hamburg in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Pension, die sie aufgrund dieser geleisteten Beiträge voraussichtlich in Zukunft erhalten wird.

Soweit sich das Finanzamt in seiner Stellungnahme zur Vorhaltsantwort auf die UFS-Entscheidung vom 21. Oktober 2009, RV/0149-I/09, beruft, ist zu erwidern, dass auch in dieser Entscheidung ausgeführt wird, dass Beiträge zu einer freiwilligen Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung unbegrenzt abzugsfähig sind. Unter gesetzlicher Pensionsversicherung sei eine inländische gesetzliche Versicherung zu verstehen. Der unabhängige Finanzsenat ist jedoch im vorliegenden Fall der Ansicht, dass der Bw. gemäß § 112 Abs. 2 Ärztegesetz die Wahlmöglichkeit einer freiwilligen Mitgliedschaft in einem Versorgungswerk eines Landes des Europäischen Wirtschaftsraumes eröffnet wird.

Damit war spruchgemäß zu entscheiden.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am 22. Juli 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

freiwillige Weiterversicherung, Sonderausgaben

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