Da die Übernahme der Pflegeheimkosten für die Mutter mit der Übertragung eines Liegenschaftsanteiles zusammenhängt, liegt eine außergewöhnliche Belastung erst vor, wenn die Aufwendungen den Verkehrswert der übernommenen Liegenschaft übersteigen.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen des X, vertreten durch Y, vom 23. Juni 2008 gegen die Bescheide des Finanzamtes Z vom 6. Juni 2008 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2003 bis 2006 entschieden:
Die Berufungen betreffend die Einkommensteuer für die Jahre 2003 und 2004 werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide betreffend die Einkommnesteuer für die Jahre 2003 und 2004 bleiben unverändert.
Der Berufung betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2005 wird teilweise Folge gegeben.
Der Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2005 wird abgeändert.
Der Berufung betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2006 wird Folge gegeben.
Der angefochtene Bescheid betreffend die Einkommensteuer für das Jahr 2006 wird abgeändert.
Die getroffenen Feststellungen sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe und den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) bezieht Einkünfte aus nicht selbständiger Arbeit. Für die Jahre 2003 bis 2006 hat der Bw. im Rahmen seiner Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung als außergewöhnliche Belastungen gemäß § 34 EStG 1988 folgende Beträge, welche er für den Aufenthalt seiner Mutter im Pflegeheim bezahlt hat, geltend gemacht und die diesbezüglichen Belege vorgelegt:
Jahr | Pflegeheimkosten |
2003 | 6.180,00 |
2004 | 6.763,63 |
2005 | 7.439,45 |
2006 | 6.894,90 |
Summe | 27.777,98 |
Das Finanzamt erließ am 6. Juni 2008 die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2003 bis 2006 ohne Anerkennung der beantragten außergewöhnlichen Belastungen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die vom Bw. geltend gemachten Aufwendungen weder aus tatsächlichen, rechtlichen noch sittlichen Gründen zwangsläufig erwachsen sind und daher keine außergewöhnliche Belastung im Sinn des Einkommensteuergesetzes darstellen.
Der Bw. erhob Berufung und führte aus, dass er sich im Schenkungsvertrag vom 29. April 1999 zur Übernahme der Pflegekosten verpflichtet habe. Der Bw. legte eine Kopie des Schenkungsvertrages in Form eines Notariatsaktes vom 29. April 1999 vor, aus welchem hervorgeht, dass die Eltern des Bw. als Hälfteeigentümer der Liegenschaft EZ X in M. dem Bw. je ein Viertel dieser Liegenschaft schenken und somit die Hälfte der Liegenschaft in sein Eigentum übergeben. In Punkt 10 dieses Vertrages wird geregelt, dass die Schenkung unter der Auflage erfolgt, dass der Bw. als Geschenknehmer Leistungen erbringt. Die zu erbringenden Leistungen sind für den Fall der Krankheit oder Altersschwäche die Pflege der Geschenkgeber (Eltern). Weiters ist geregelt, dass es den Geschenkgebern frei steht sich auf Kosten des Bw. eine Pflegeperson anzustellen, sofern derartige Kosten nicht durch Leistungen aus dem Bundespflegegesetz übernommen werden.
Das Finanzamt erließ am 4. September 2008 abweisende Berufungsvorentscheidungen bezüglich der Einkommensteuer für die Jahre 2003 bis 2006. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, dass bei Bezahlung der Pflegeheimkosten durch einen Unterhaltsverpflichteten und Bestehen eines konkreten vertraglichen Zusammenhanges zwischen der Belastung mit den Pflegekosten und einer Vermögensübertragung (z.B. Übertragung eines Hauses) insoweit keine außergewöhnliche Belastung vorliege.
Der BW. stellte den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Der unabhängige Finanzsenat ersuchte den Bw. Unterlagen über den Verkehrswert der mit Schenkungsvertrag übertragenen Liegenschaft vorzulegen.
Der Bw. legte ein Schätzungsgutachten eines Baumeisters über die Liegenschaft zum Zeitpunkt 1999, also zum Zeitpunkt vor den durch den Bw. getätigten Umbauarbeiten, vor, aus welchem hervorgeht, dass der Verkehrswert des 1937 errichteten Objektes vor Umbau und Sanierung zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung im Jahr 1999 € 30.000,- betrug.
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall ob und wenn ja in welcher Höhe die vom Bw. in den Streitjahren 2003 bis 2006 geltend gemachten Aufwendungen für Pflegeheimkosten betreffend seine Mutter als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden.
Der Unabhängige Finanzsenat geht im vorliegenden Fall von folgendem Sachverhalt aus:
Der Bw. hat im Jahr 1999 im Rahmen einer Schenkung von seinen Eltern den Hälfteanteil einer Liegenschaft in M. ins Eigentum übertragen erhalten. Mit dem Schenkungsvertrag war die Auflage verbunden, dass der Bw. bei Krankheit oder Pflegebedürftigkeit für die Eltern sorgen muss oder die hiefür erwachsenden Kosten, welche das Pflegegeld übersteigen, tragen muss.
Die Mutter des Bw. hält sich in einem Pflegeheim auf und der Bw. trug in den Jahren 2003 bis 2006 die Kosten, welche das Pflegegeld überstiegen haben. Die Höhe der vom Bw. übernommenen Aufwendungen für die Pflege seiner Mutter betrug: € 6.160,00 im Jahr 2003, € 6.763,63 im Jahr 2004, € 7.439,45 im Jahr 2005 und € 6.894,90 im Jahr 2006.
Diese Aufwendungen für die Pflege seiner Mutter machte der Bw. als außergewöhnliche Belastung im Rahmen seiner Arbeitnehmerveranlagungen für die Jahre 2003 bis 2006 geltend. Seitens des Finanzamtes wurden seine Anträge mit Erstbescheiden und mit Berufungsvorentscheidungen abgewiesen.
Der Bw. legte ein Schätzungsgutachten eines Baumeisters über den Wert der Liegenschaft zum Zeitpunkt der schenkungsweisen Übertragung im Jahr 1999 vor, aus welchem hervorgeht, dass der damalige Verkehrswert der Liegenschaft € 30.000,- betrug.
Gemäß § 34 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 1) nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen, wenn die Belastung folgende im Gesetz aufgezählte Voraussetzungen gleichzeitig erfüllt:
Sie muss außergewöhnlich sein (§ 34 Abs.2)
Sie muss zwangsläufig erwachsen (§ 34 Abs. 3)
Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (§ 34 Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben darstellen.
Abs. 2 bestimmt, dass die Belastung außergewöhnlich ist, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse erwächst.
Abs. 3 regelt, dass die Belastung dem Steuerpflichtigen zwangsläufig erwächst, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Im Abs. 4 wird ausgeführt, dass die Belastung die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt, soweit sie den zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt, das bedeutet, dass eine außergewöhnliche Belastung nur dann zu steuerlichen Auswirkungen führt, wenn bei grundsätzlichem Anspruch auf die Berücksichtigung von Aufwendungen der Selbstbehalt überschritten wird.
Die Übernahme der Kosten für die Unterbringung eines über kein ausreichendes Einkommen verfügenden Elternteiles in einem Pflegeheim stellt auf Grund der rechtlichen Unterhaltsverpflichtung eine außergewöhnliche Belastung dar. Die übernommenen Kosten sind jedoch um die Eigenleistung der unterhaltsberechtigten Person aus ihren eigenen Bezügen, sowie um öffentliche Zuschüsse, wie das Pflegegeld, zu kürzen (vgl. Wiesner/Grabner/Wanke, EStG, Anm. 52 zu § 34 EStG 1988).
Im vorliegenden Fall ist allerdings auch zu berücksichtigen, dass die Pflegekosten - wie sich aus dem Schenkungsvertrag vom 29. April 1999 ergibt - als Gegenleistung für die Übertragung eines Wirtschaftsgutes, nämlich des Hälfteanteiles der Liegenschaft in M. übernommen wurden.
Es liegt hier bis zur Überschreitung des Vermögenswertes durch die Summe der Zahlungen keine außergewöhnliche Belastung vor. Dies ergibt sich aus dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.10.1999, 98/15/0201. In diesem Erkenntnis wird ausgeführt, dass eine Auswirkung auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen ist, wenn dem Steuerpflichtigen die zwangsläufigen Aufwendungen nur deshalb erwachsen, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist.
Von einer Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dem Grunde nach kann erst dann gesprochen werden, wenn der Aufwand das erworbene Vermögen übersteigt. (VwGH 9.6.1982, 3814/13/80; 25.9.1984, 84/14/0040).
Nach der Rechtsprechung sind für Zwecke der Beurteilung einer außergewöhnlichen Belastung Grundstücke mit dem Verkehrswert anzusetzen (VwGH 25.9.1994, 84/14/0040).
Die vom Bw. für die Pflege seiner Mutter getragenen Aufwendungen sind außergewöhnlich und ihm zwangsläufig erwachsen.
Auf den vorliegenden Fall bezogen bedeutet das betreffend den Punkt Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit, dass die Zahlungen des Bw. für die Pflege seiner Mutter erst insoweit zu einer Beeinträchtigung seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit dem Grunde nach führen, als sie den mit dem Verkehrswert zu bewertenden Wert des von ihm schenkungsweise im Jahr 1999 erhaltenen Hälfteliegenschaftsanteiles übersteigen.
Der Unabhängige Finanzsenat geht hinsichtlich des Verkehrswertes der übertragenen Liegenschaft von dem im vorgelegten Schätzungsgutachten enthaltenen Gesamtverkehrswert der Liegenschaft im Jahr 1999 von € 30.000,- aus. Der Wert des dem Bw. übertragenen Anteiles betrug daher € 15.000,-.
Aus den Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21.10.1999, 98/15/0201 ergibt sich, dass dem Bw. bis zum Wert der ihm übertragenen Liegenschaft keine außergewöhnliche Belastung erwächst, diese jedoch zu berücksichtigen ist, sobald dieser Wert überschritten wird.
Bis zum Betrag von € 15.000,- (Verkehrswert der mit der Auflage die Pflegekosten zu übernehmen übertragenen Liegenschaft) liegt daher keine außergewöhnliche Belastung vor. Ab dem Wert von € 15.000,- sind die vom Bw. getätigten Zahlungen als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.
Die Berechnung ergibt daher, dass die für die Jahre 2003 und 2004 als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen beantragten Aufwendungen in Höhe von € 6.180,00 (2003) und € 6.763,63 (2004) zur Gänze nicht als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Im Jahr 2005 kann ein Anteil von € 5.383,08 als außergewöhnliche Belastung anerkannt werden. Betreffend das Jahr 2006 wird der beantragte Betrag von € 6.894,90 als außergewöhnliche Belastung anerkannt.
Den Berufungen des Bw. wird daher für die Jahre 2003 und 2004 keine Folge gegeben, betreffend des Jahres 2005 wird ihr teilweise Folge gegeben und betreffend das Jahr 2006 wird ihr Folge gegeben.
Beilage: 2 Berechnungsblätter für die Jahre 2005 und 2006
Ergeht auch an das Finanzamt
Wien, am 15. Juli 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Pflegeheimkosten |