Zeitpunkt des Abflusses von Sozialversicherungsbeiträgen
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Dr. Bw., W., vertreten durch A & T Wirtschaftstreuhand GmbH, 1230 Wien, Kabastagasse 43, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vertreten durch Dr. Gabriele Plaschka, vom 31. Juli 2009 betreffend Einkommensteuer 2008, die nach Aufhebung dieses Bescheides gemäß § 299 BAO als auch gegen den zugleich erlassenen neuen Sachbescheid vom 22. Dezember 2009 gerichtet gilt, im Beisein der Schriftführerin Ingrid Pavlik nach der am 24. Juni 2010 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw.) ist Arzt und ermittelt seinen Gewinn durch Einnahmen-Ausgaben-Rechnung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988.
Seine steuerliche Vertretung richtete an das Finanzamt eine als "Auskunftsersuchen gemäß § 90 EStG" bezeichnete Eingabe. Ihr Klient habe am 18.12.2008 seine Bank im Zuge einer persönlichen Vorsprache angewiesen, am 30.12.2008 für eine Sondervorauszahlung in der gesetzlichen Pensionsversicherung einen Betrag von € 17.000 an die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft zu überweisen. Die Bank habe nun diese Überweisung am 8.1.2009 mit Valutadatum 31.12.2009 (Anm.: richtig offenbar 31.12.2008) durchgeführt.
Es werde ersucht, die Frage der steuerlichen Würdigung dieser Überweisung für die Steuererklärung 2008 zu bewerten.
Über Ergänzungsersuchen des Finanzamtes teilte die steuerliche Vertretung mit, ihr Klient habe zu Jahresende (2008) noch Geld zur Verfügung gehabt und wollte damit noch eine sinnvolle Zahlung leisten. Der Vorschlag der steuerlichen Vertretung sei es gewesen, es an die Sozialversicherung zu leisten, da der Bw. diesen Aufwand sowieso habe.
Dass sich eine Vorauszahlung - egal an wen - günstig für sein steuerliches Aufkommen auswirke, sei natürlich klar, wäre aber absolut zulässig und stelle keinen Missbrauch dar. Die SV habe die Überweisung als Einzahlung verbucht. Die Vorauszahlung entspreche in etwa dem Betrag, den die SV für das Jahr 2008 nachbelasten bzw. für 2009 noch vorschreiben werde. In den Einkommensteuerrichtlinien stehe unter 13.2.3 (Anm.: Rz 4625), es bestünden keine Bedenken, auf den Valutatag abzustellen. Es werde daher ersucht, die steuerliche Würdigung dieser Überweisung für die Steuererklärung 2008 positiv zu bewerten.
Dem Schreiben war ein Kontoauszug der SVA vom 17.1.2009 für das 1. Quartal 2009 beigelegt; der in Rede stehende Betrag war als "Guthaben aus Vorquartalen" ausgewiesen und wurde mit 8.1.2009 als Einzahlung verbucht. Abzüglich verschiedener Belastungen ergab sich ein für den Bw. positiver Gesamtsaldo von 12.164,60 €. Darunter findet sich der Vermerk: "Das Guthaben ist über schriftlichen Antrag rückzahlbar".
In der Beantwortung des Auskunftsersuchens gab das Finanzamt zunächst den obigen Sachverhalt wieder und führte sodann aus:
"Sollte es in wirtschaftlicher Betrachtungsweise ( § 21 BAO ) zu einer Zahlung mit Valuta noch im Jahr 2008 gekommen sein, beurteilt sich die Betriebsausgabeneigenschaft der gegenständlichen Zahlung nach Maßgabe folgender Aussagen in Rz 4623 EStR 2000:
,Die Vorauszahlung einer zu erwartenden Nachzahlung an GSVG-Pflichtbeiträgen ist unter der Voraussetzung im Abflusszeitpunkt als Betriebsausgabe absetzbar, dass sie sorgfältig geschätzt wird. Durch willkürliche Zahlungen, für die nach Grund und Höhe keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe vorliegen, kann die Höhe der Einkünfte nicht beeinflusst werden.' Durch solcherart willkürliche Zahlungen kommt es also auf den gegenständlichen Sachverhalt bezogen noch zu keiner Betriebsausgabe schon im Jahr 2008.
Für künftige Beitragszahlungen, somit solche, die über eine zu erwartende Nachzahlung für das Beitragsjahr 2008 hinausgehen und somit erst das Beitragsjahr 2009 betreffen, kann eine ggf. noch im Jahr 2008 getätigte Zahlung nicht als Betriebsausgabe schon im Jahr 2008 geltend gemacht werden (vg. VwGH 22.1.1992, 91/13/0160 )."
Nach Einreichung der Einkommensteuererklärung 2008 übermittelte der Bw. über Aufforderung des Finanzamtes eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung und eine Aufgliederung der abgesetzten Sozialversicherungsbeiträge von insgesamt 25.995,72 €. Das Finanzamt kürzte im Einkommensteuerbescheid 2008 diesen Betrag um die Vorauszahlung von 17.000 € und begründete dies unter Hinweis auf VwGH 22.1.1992, 91/13/0160, damit, diese Beitragszahlung stelle eine willkürliche Zahlungen dar, für die nach Grund und Höhe keine vernünftigen wirtschaftlichen Gründe vorliegen.
In seiner über Finanzonline eingebrachten Berufung führte der Bw. aus, es handle sich bei der Vorauszahlung von 17.000 € um 2009 fällige Pflichtbeiträge gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. a EStG.
Das Finanzamt legte die Berufung ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung der Abgabenbehörde zweiter Instanz zur Entscheidung vor.
Die Berufungsbehörde ersuchte den Bw. um Vorlage der übrigen das Jahr 2009 betreffenden Quartalsabrechnungen des SVA. Hieraus ist ersichtlich, dass das Guthaben laut Kontoauszug für das vierte Quartal vom 17.10.2009 bis auf einen Teilbetrag von 1.937 € aufgebraucht ist. Auch dieser Kontoauszug enthält den Hinweis, dass das Guthaben über schriftlichen Antrag rückzahlbar ist.
Der angefochtene Einkommensteuerbescheid wurde vom Finanzamt aus hier nicht interessierenden Gründen gemäß § 299 BAO am 22.12.2009 aufgehoben und am gleichen Tag ein neuer Sachbescheid erlassen. Die Berufung gilt gemäß § 274 BAO als auch gegen diesen neuen Sachbescheid gerichtet.
In der am 26. April 2010 abgehaltenen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:
"Steuerlicher Vertreter:
Die Argumentation des Finanzamtes, es läge eine willkürliche Vorauszahlung vor, ist mE unzutreffend. Es ist der Sinn einer Vorauszahlung, einen Betrag zu leisten, der erst im nächsten Kalenderjahr fällig wird. Hinzuweisen ist darauf, dass auch die Berechnung des Vorauszahlungsbetrages ziemlich präzise erfolgt ist. Für 2009 wurden nämlich rund 11.000 EUR an Sozialversicherungsbeiträgen vorgeschrieben, hierzu kam noch eine Nachbelastung für das Jahr 2008, die rund 5.000 EUR ausgemacht hat. Somit entspricht die geleistete Vorauszahlung in Höhe von 17.000 EUR ziemlich genau der Summe aus beiden Belastungen.
Dr. Plaschka:
Nach Rücksprache mit der Sozialversicherungsanstalt ist der in Rede stehende Betrag ohne Verwendungszweck eingezahlt worden. Es war nicht klar, ob es sich um eine Beitragszahlung, eine Vorauszahlung oder aber um eine freiwillige Höherversicherung gehandelt hat. Hierzu ist weiters festzustellen, dass auf Grund dieser Umstände der in Rede stehende Betrag über Antrag jederzeit rückzahlbar gewesen ist. Auf Grund dessen vertritt das Finanzamt die Rechtsmeinung, dass im Jahr 2008 der erforderliche Mittelabfluss noch nicht stattgefunden hat.
Steuerlicher Vertreter:
Technisch ist für die Sozialversicherungsanstalt eine Zuordnung des einbezahlten Betrages zu bestimmten Verwendungszwecken gar nicht möglich. Es hätte daher auch nichts daran geändert, wenn unser Mandant einen Verwendungszweck auf dem Einzahlungsbeleg vermerkt hätte. Es wäre dennoch ein Guthaben gegeben gewesen, das mit den laufenden Beitragsvorschreibungen bzw. der Nachbelastung 2008 verrechnet worden wäre.
Über Rückfrage durch die Amtsvertreterin teile ich mit, dass es zutreffend ist, dass das Guthaben - etwa bei einem finanziellen Engpass - jederzeit rückzahlbar gewesen wäre. Wie schon erwähnt, ist aber eine Verbuchung des Vorauszahlungsbetrages seitens des Sozialversicherungsanstalt technisch nicht anders möglich."
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 19 Abs 2 EStG 1988 sind Ausgaben für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind.
Strittig ist im Berufungsfall ausschließlich, ob im Jahr 2008 vorausbezahlte Pflichtversicherungsbeiträge, die das Jahr 2009 bzw. eine zu erwartende SV-Nachzahlung 2008 betreffen, bereits 2008 als Betriebsausgabe abgesetzt werden können.
Hierzu sei zunächst festgehalten, dass das vom Finanzamt in der Anfragebeantwortung und in der Bescheidbegründung unter Bezugnahme auf Rz 4623 EStR zitierte Erkenntnis des VwGH 22.1.1992, 91/13/0160, (in diesem Sinn auch VwGH 22.1.1992, 91/13/0114) auf den Berufungsfall nur bedingt anwendbar ist, da es sich in den Erkenntnissen um die Vorauszahlung von Sozialversicherungsbeiträgen jeweils im vierfachen Ausmaß der tatsächlichen Beitragspflicht gehandelt hat.
Bei der vom Bw. gewählten Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG 1988 sind auch Anzahlungen bzw. Vorauszahlungen, die im jeweiligen Kalenderjahr (hier: 2008) geleistet wurden, grundsätzlich als Betriebsausgaben absetzbar. Maßgeblich hierfür ist jedoch, dass der in Rede stehende Betrag bereits 2008 abgeflossen, also aus dem Vermögen des Steuerpflichtigen ausgeschieden ist, und er die wirtschaftliche Verfügungsmacht verloren hat. Hierbei ist nicht die Fälligkeit ausschlaggebend; Geld oder Geldwerte können sowohl vor als auch nach Fälligkeit einer zivilrechtlichen Verbindlichkeit abfließen. Entscheidend ist der tatsächliche Verlust der wirtschaftlichen Verfügungsmacht (vgl. VwGH 19.5.1992, 92/14/0011).
Wie bereits im Sachverhaltsteil dargelegt wurde, ist nach der Einzahlung des Betrags von 17.000 € auf jedem Kontoauszug der Hinweis enthalten, dass das Guthaben über Antrag rückzahlbar ist. Hierauf weist auch das Finanzamt zutreffend hin. Auch der steuerliche Vertreter gesteht in der mündlichen Verhandlung zu, dass das Guthaben - etwa bei einem finanziellen Engpass - jederzeit rückzahlbar gewesen wäre. Ist dies aber der Fall, so folgt daraus, dass der Bw. zum Zeitpunkt der Überweisung die Verfügungsmacht über den in Rede stehenden Betrag eben noch nicht verloren hatte, sondern jederzeit die von ihm geleistete Summe rücküberweisen hätte lassen können. Somit liegen Betriebsausgaben erst in dem Zeitpunkt vor, in dem die Sozialversicherungsanstalt die Beiträge mit dem am Beitragskonto bestehenden Guthaben verrechnet hat.
Wien, am 29. Juni 2010
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 22.01.1992, 91/13/0160 |