UFS RV/0516-G/09

UFSRV/0516-G/0928.6.2010

Kein Werbungskostenabzug für Aufwendungen aus einem Auffahrunfall auf einer Dienstreise infolge Hantierens mit dem Radio

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0148 eingebracht. Mit Erk. v. 26.2.2013 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat (UFS) hat über die Berufung des Berufungswerbers vom 25. Februar 2009 gegen den Bescheid des Finanzamtes X. vom 27. Jänner 2009 betreffend Einkommensteuer 2007 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Im anhängigen Verfahren war der Werbungskostencharakter von Aufwendungen zu klären, die dem Berufungswerber (Bw.) im Jahr 2007 aus einem Autounfall mit seinem Privat-Pkw anlässlich einer Dienstfahrt erwachsen sind.

Der Bw. begehrt als Werbungskosten seiner nichtselbständigen Einkünfte einen Betrag von insgesamt 7.689,- €, resultierend aus dem Restbuchwert des Unfallfahrzeugs, berechnet auf Basis einer 8jährigen Nutzungsdauer, abzüglich des beim Verkauf des Schadensautos erzielten Erlöses und der Vergütung aus einer Teilkaskoversicherung zuzüglich direkt mit dem Unfall im Zusammenhang stehender Kosten (Blaulichtsteuer, Abschleppkosten, Kosten für ein Leihauto).

Die strittigen Kosten wurden erstmals in einer als Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2007 vom 9.3.2009 bezeichneten Eingabe vom 7. April 2009 geltend gemacht. Tatsächlich war am 9. März 2009 eine Berufungsvorentscheidung zur Einkommensteuer 2007 ergangen, deren Inhalt aber ohne Relevanz für das laufende Verfahren ist. Das Finanzamt X. (FA) qualifizierte den Schriftsatz des Bw. als Vorlageantrag im Sinne des § 276 BAO und legte das Rechtsmittel unter Abstandnahme von Erhebungen und ohne jegliche Stellungnahme dem UFS zur Entscheidung vor.

Über die Berufung wurde erwogen:

Aufgrund der vorgelegten Verfahrensunterlagen nimmt der UFS folgenden Sachverhalt als erwiesen an:

Der im Bezirk A. wohnhafte Bw., Jurist beim Amt der Steiermärkischen Landesregierung in Graz, hatte am 20. September 2007 um 7:35 Uhr auf einer vom Dienstgeber nachträglich als Dienstreise genehmigten Fahrt aus Richtung A. kommend im Bereich der Autobahnabfahrt Graz-Ost kurz vor dem Verzögerungsstreifen einen Auffahrunfall verursacht, an dem insgesamt drei Kraftfahrzeuge (Kfz) beteiligt gewesen waren. Der Bw. hatte beabsichtigt, die Autobahn an dieser Abfahrt zu verlassen. Abgelenkt durch Hantieren an seinem Autoradio hatte er, noch auf dem 1. Fahrstreifen fahrend, übersehen, dass der Verkehr wegen großen Verkehrsaufkommens vor dem Verzögerungsstreifen zum Stillstand gekommen war. Ein versuchtes Ausweichmanöver hatte den Aufprall auf das vor ihm befindliche, bereits stehende Fahrzeug nicht mehr abwenden können. Das Fahrzeug seines Unfallgegners war dabei auf das davor stehende Auto geschoben worden. Alle drei Unfallfahrzeuge waren beim Aufprall beschädigt worden. Am Pkw des Bw. war im Frontbereich beträchtlicher Schaden entstanden. In der Folge hatte der Bw. das beschädigte Fahrzeug verkauft.

Dem polizeilichen Unfallbereicht ist zu entnehmen, dass zum Zeitpunkt des Unfalls gute Sicht- und Witterungsverhältnisse geherrscht hatten (kein Niederschlag, sonnig, heiter, trockene Betonfahrbahn). Die beiden Lenker der mitbeteiligten Unfallfahrzeuge hatten der Polizei gegenüber auf starkes Verkehrsaufkommen im Morgenverkehr im Bereich der Autobahnabfahrt nach Graz verwiesen.

Am 11.Februar 2009 reichte der Bw. bei seinem Dienstgeber nachträglich einen Dienstreiseantrag für die Fahrt vom 20.September 2007 ein und begehrte gleichzeitig Schadenersatz für den ihm durch den Auffahrunfall erwachsenen Schaden an seinem Privat-Pkw.

Beide Anträge wurden positiv erledigt und einerseits die Verrechnung des amtlichen Kilometergeldes zur Abgeltung der Fahrtkosten genehmigt bzw. anderseits mit Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 25.März 2009 - unter Berücksichtigung eines 30%igen Selbstbehalts (Eigenverschuldenanteil) - gemäß § 20 Abs.2 Gehaltsgesetz 1956 idF. LGBl.Nr. 26/1991 Schadenersatz in Höhe von 4.651,57 € zuerkannt. Am Unfalltag sei die Beistellung eines Dienstfahrzeuges zur Außendienstverrichtung nicht möglich gewesen. Da sich der Dienstgeber auf diese Weise das eigene Unfallrisiko erspart habe, sei er - abzüglich des Eigenverschuldensanteils - zum Schadenersatz verpflichtet.

Die Schadenersatzleistung wurde nach den Angaben des Bw. als Lohnbestandteil im April 2009 versteuert.

Beim Unfallfahrzeug des Bw. handelt es sich um einen Pkw der Marke Audi A6 Avant 2,5 TDI Quattro, Modell 4B, Erstzulassung 14.4.2000, welcher vom Bw. am 15. September 2003 mit einem Kilometerstand von 134.000 km um 23.250,- € erworben worden war und kurz nach dem verfahrensgegenständlichen Unfall am 10. Oktober 2007 beim Kilometerstand von 241.500 km um 3.250,- € veräußert wurde.

Gemäß § 16 Abs.1 Einkommensteuergesetz 1988 (EStG) sind Werbungskosten die Aufwendungen oder Ausgaben zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen. Aufwendungen und Ausgaben für den Erwerb oder die Wertminderung von Wirtschaftsgütern sind nur insoweit als Werbungskosten abzugsfähig, als dies in § 16 EStG ausdrücklich zugelassen ist. Nach dem ersten Satz des § 16 Abs.1 Z.8 EStG sind Werbungskosten auch Absetzungen für Abnutzung und Substanzverringerung (§§ 7 und 8).

Ein beruflich genutzter Pkw eines Dienstnehmers stellt im Ausmaß der dienstlichen Verwendung grundsätzlich ein Arbeitsmittel dar. Die dadurch verursachten Kosten sind nach Maßgabe der steuerlichen Bestimmungen bei den nichtselbständigen Einkünften abzugsfähig. Auch Aufwendungen im Zusammenhang mit einem auf einer beruflich veranlassten Fahrt erlittenen Verkehrsunfall können unter bestimmten Voraussetzungen Werbungskosten darstellen.

Dies gilt jedenfalls für einen unverschuldeten Unfall. Tritt ein Fehlverhalten des Arbeitnehmers hinzu, kann dadurch der berufliche Veranlassungszusammenhang unterbrochen werden. Ob ein Verkehrsunfall beruflich oder privat veranlasst ist, hängt u.a. vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab. Zwar handelt es sich bei einem - wie im Beschwerdefall - selbst verschuldeten Unfall um ein Fehlverhalten, das nicht durch die berufliche Tätigkeit veranlasst ist. Dieses Fehlverhalten tritt aber als ungewollte Verhaltenskomponente gegenüber dem angestrebten beruflichen Zweck dann in den Hintergrund, wenn der Verkehrsunfall nicht durch ein grob fahrlässiges Verhalten des Lenkers verursacht worden ist (VwGH 25.Jänner 2000, 97/14/0071, 21.Oktober 1999, 94/15/0193, mit weiteren Nachweisen).

Die Beurteilung, ob ein Verkehrsunfall im steuerlichen Sinn beruflich oder privat veranlasst ist, hängt somit wesentlich vom Grad des Verschuldens des Lenkers ab und in der Praxis zumeist davon, ob das Verhalten des Lenkers in Zusammenhang mit dem Unfall als leicht oder grob fahrlässig zu qualifizieren ist.

Nach Foregger/Kodek, StGB, 6. Auflage, Anm IV zu § 88, entspricht der Begriff des schweren Verschuldens dem zivilrechtlichen Begriff der groben Fahrlässigkeit; ein schweres Verschulden ist demnach dann anzunehmen, wenn dem Täter eine ungewöhnliche, auffallende Sorglosigkeit anzulasten ist und ihm der Eintritt des Schadens als wahrscheinlich und nicht bloß als entfernt möglich vorhersehbar war.

Der OGH sieht den Begriff der Fahrlässigkeit im Bereich des Straßenverkehrs vor dem Hintergrund einer grundsätzlich erhöhten Gefahrengeneigtheit des Lenkens von Kraftfahrzeugen. Insbesondere das Zusammentreffen mehrerer Fehlhandlungen kann demnach in der Gesamtheit den Vorwurf grober Fahrlässigkeit begründen.

Im Erkenntnis vom 23.Februar 1994, 7 Ob 10/94 hat der OGH festgehalten, dass allein die Situation des Abfahrens von einer Autobahn für sich vom Lenker eines Fahrzeugs besondere Aufmerksamkeit abverlangt. In dieser Situation mit dem Autoradio zu hantieren, ist daher in Hinblick auf das Maß der Sorglosigkeit anders zu beurteilen als wenn dies etwa während freier, ungehinderter Fahrt auf der Autobahn geschieht.

Im anhängigen Fall kommen weiters der zeitliche Aspekt (morgendlicher Berufsverkehr) und die dadurch bedingte, absehbar hohe Verkehrsdichte hinzu. Dem Bw., der diese Strecke ständig auf den Fahrten zwischen seinem Wohnsitz und der Arbeitsstätte zurücklegt, ist die Situation in diesem amtsbekannt stau- und unfallträchtigen Bereich während des Hauptverkehrszeit am Morgen zweifellos nicht unbekannt.

Unter diesen, die Aufmerksamkeit des Fahrers besonders fordernden Umständen, kommt der mit dem Fahren nicht notwendig verbundenen Beschäftigung mit dem Autoradio aus Sicht des UFS einer auffallenden Sorglosigkeit wesentlich näher als einer entschuldbaren Fehlleistung. Daran ändern auch die guten Straßen- und Witterungsverhältnisse nichts.

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund der Kriterien des §2 Abs.2 Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965 idgF (Bildungsgrad des Bw., die mit dessen Tätigkeit verbundene Verantwortung, Gefahrengeneigtheit der Situation bzw. das damit verbundene Wagnis) erscheint das gesetzte Fehlverhalten nicht mehr geringfügig.

Welche Überlegungen die Entscheidung des Dienstgebers im Zusammenhang mit der Schadenersatzleistung nach § 20 Abs.2 Gehaltsgesetz 1956 zum Eigenverschuldensanteil des Bw. getragen haben, konnte nicht nachvollzogen werden, da der Bezug habende Verfahrensakt trotz Ersuchens um Amtshilfeleistung nicht vorgelegt wurde.

Festzuhalten bleibt, dass der Spruch des Bescheides des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. März 2009 keine Aussage zum Verschulden des Bw. enthält.

Bei der steuerlichen Beurteilung ist unter den gegebenen Umständen von einer nicht zu vernachlässigenden, privaten Mitveranlassung des Auffahrunfalles vom 20.September 2007 auszugehen. Der Bw. hat mit seinem Verhalten ein hohes Unfallrisiko in Kauf genommen, welches die Berücksichtigung der Schadenersatzleistung als Werbungskosten ausschließt. Das Aufteilungsverbot des § 20 Abs.1 Z.2 lit.a EStG steht einer Berücksichtigung der durch den gegenständlichen Unfall verursachten Kosten als Werbungskosten entgegen.

Graz, am 28. Juni 2010

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 16 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 20 Abs. 2 GehG, Gehaltsgesetz 1956, BGBl. Nr. 54/1956
§ 2 Abs. 2 DHG, Dienstnehmerhaftpflichtgesetz, BGBl. Nr. 80/1965

Schlagworte:

Dienstreise, Auffahrunfall, Autoradio, schweres Verschulden, grobe Fahrlässigkeit, Eigenverschuldensanteil

Verweise:

VwGH 25.01.2000, 97/14/0071
VwGH 21.10.1999, 94/15/0193
OGH 23.02.1994, 7 Ob 10/94

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