UFS RD/0004-L/09

UFSRD/0004-L/0911.11.2009

Entscheidungspflicht zur Abänderung eines abgeleiteten Bescheides bei nachträglicher Feststellung der Nichtigkeit des Grundlagenbescheides

 

Entscheidungstext

Bescheid

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Referenten R. über den Devolutionsantrag des Dw., vertreten durch TPA Horwath Wirtschaftstreuhand und Steuerberatung GmbH, 8010 Graz, Münzgrabenstraße 36, vom 28. Juli 2009 betreffend die behauptete Verletzung der Entscheidungspflicht des Finanzamtes Kirchdorf Perg Steyr auf amtswegige Änderung des Einkommensteuerbescheides für 1993, entschieden:

Der Devolutionsantrag wird gemäß § 311 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, als unzulässig zurückgewiesen.

Begründung

Sachverhalt:

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28. November 2007, Zl. 2004/15/0131, 0132 über die Beschwerde des Antragstellers gegen die Bescheide des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz,

1. vom 22. Juli 2004, Zl. RV/0217-G/02, betreffend Umsatzsteuer und einheitliche und gesonderte und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1991 bis 1993 (Zl. 2004/15/0131), und

2. vom 22. Juli 2004, Zl. RV/0218-G/02, betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1991 bis 1993 (2004/15/0132),

zu Recht erkannt:

"1. Der zur hg. Zl. 2004/15/0131 angefochtene Bescheid wird, soweit er die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für 1991 bis 1993 betrifft, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben; im Übrigen (sohin betreffend Umsatzsteuer) wird die Beschwerde abgewiesen.

2. Der zur hg. Zl. 2004/15/0132 angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben."

Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof in der Begründung aus,:

"Die belangte Behörde sah in den bekämpften Erledigungen des Finanzamtes G. und des Finanzamtes L. betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften Bescheide, denen der Forderung des § 191 Abs. 2 BAO Genüge getan worden sei, weil in deren Spruch - anders als im Spruch der Umsatzsteuerbescheide - auch die einzelnen (ehemaligen) Gesellschafter namentlich genannt seien.

Die belangte Behörde übersah dabei, dass die bekämpften Erledigungen der Finanzämter ausdrücklich an "(Erstbeschwerdeführer) U MITBES" gerichtet waren. Die bloße namentliche Erwähnung der Beschwerdeführer bei der Aufteilung der Einkünfte im Spruch bewirkte noch nicht, dass die Erledigungen an diese Personen gerichtet gewesen wären (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 25. Jänner 2006, Zlen. 2005/13/0174 und 0175). So wäre etwa bei einer bestehenden Personengesellschaft (Personengemeinschaft) der Feststellungsbescheid ausschließlich an die Personengesellschaft (Personengemeinschaft) zu richten, auch wenn beim Abspruch über die Aufteilung der Einkünfte die einzelnen Gesellschafter genannt sind.

Im Beschwerdefall liegen daher auch hinsichtlich der Feststellung von Einkünften keine Erledigungen der Finanzämter vor, welchen Bescheidqualität zugekommen wäre.

Entscheidet die Abgabenbehörde zweiter Instanz über eine bei ihr anhängige Berufung in der Sache, obwohl die bekämpfte Erledigung keine Wirksamkeit erlangt hat, handelt die Behörde außerhalb ihrer Zuständigkeit (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. September 2007, 2004/13/0097). Die Unzuständigkeit der belangten Behörde war vom Verwaltungsgerichtshof von Amts wegen wahrzunehmen."

Mit Bescheid vom 21. Jänner 2008, GZ. RV/0963-G/07, RV/0030-G/08, wurde die Berufung des Antragstellers, vertreten durch die im gegenständlichen Verfahren einschreitende Steuerberatungskanzlei vom 2. Dezember 1997 und 3. September 2001 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 17. September 1997 und 26. Juli 2001 betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO für die Jahre 1991, 1992 und 1993 entschieden, dass die Berufungen als unzulässig zurückgewiesen werden. In der Begründung wurde ausgeführt, der VwGH hätte festgestellt, dass den hier angefochtenen Erledigungen keine Bescheidqualität zukommt (VwGH 28.11.2007, 2004/15/0131, 0132). Die Berufungen, die sich somit gegen Erledigungen des Finanzamtes ohne Bescheidcharakter richten, seien daher gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO als unzulässig zurückzuweisen.

Der Bescheid ist laut Eingangsstempel der einschreitenden Steuerberatungskanzlei am 24. Jänner 2008 zugestellt worden.

Mit dem Anbringen vom 12. Juni 2008 wurde ein Antrag auf Änderung der Einkommensteuerbescheide für die Kalenderjahre 1991 bis 1993 gemäß § 295 BAO gestellt. Zur Begründung wurde auf den Bescheid des UFS 21. 1. 2008, RV/0963-G/07, RV/0030-G/08, sowie auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. November 2007, Zl. 2004/15/0131, 0132 verwiesen, wonach hinsichtlich der Feststellung von Einkünften für 1991, 1992 und 1993 keine Erledigungen der Finanzämter vorliegen, welchen Bescheidqualität zugekommen wäre.

In einem Schreiben vom 4. Februar 2009 teilte das Finanzamt der einschreitenden Steuerberatungsgesellschaft mit, dass dem Änderungsbegehren nicht gefolgt werde.

Im Anbringen vom 23. Februar 2009 wurde dargelegt, dass das Anbringen vom 12. Juni 2008 nicht als Anregung zu verstehen sei, sondern erkennbar ein Wiederaufnahmeantrag für die nach § 295 BAO geänderten Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 1991 bis 1993 gestellt worden wäre. Es wurde auf die Erforderlichkeit der amtswegigen Korrektur der Einkommensteuerbescheide betreffend die Jahre 1991 bis 1993 nach § 295 BAO hingewiesen.

Mit Bescheid vom 8. Mai 2009, der dem Antragsteller am 13. Mai 2009 nachweislich zugestellt wurde, wurden die Eingaben vom 12. Juni 2008 betreffend Bescheidänderung gemäß § 295 BAO sowie vom 23. Februar 2009 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 Abs. 1 BAO betreffend die Einkommensteuerbescheide 1991 bis 1993 vom 2. Februar 1999 zurückgewiesen. Zur Begründung wurden der Eintritt der Verjährung, die Unzulässigkeit des Wiederaufnahmeantrages nach § 304 BAO und das fehlende Antragsrecht nach § 295 BAO angeführt.

Im gegenständlichen Devolutionsantrag wurde die Verletzung der Entscheidungspflicht in Zusammenhang mit der Pflicht zur amtswegigen Abänderung des Einkommensteuerbescheides für 1993 gemäß § 295 BAO geltend gemacht und der Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragt.

Dem Finanzamt wurde gemäß § 311 Abs. 3 BAO aufgetragen, den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1993 gemäß § 295 BAO von Amts wegen abzuändern oder mitzuteilen, warum eine Verletzung der Entscheidungspflicht nicht oder nicht mehr vorliegt.

In der Stellungnahme vom 2. September 2009 teilte das Finanzamt mit, dass keine Verletzung der Entscheidungspflicht vorliegt.

Dem Antragsteller wurde dies zur Kenntnis gebracht. In der Stellungnahme vom 12. Oktober 2009 hielt der Antragsteller fest, dass nach seiner Ansicht nach die amtswegige Berichtigung erfolgen müsse. Da bisher keine Erledigung der eingebrachten Anträge (Abgabenerklärungen) erfolgt sei und somit bisher nur "Nichtbescheide" der abgeleiteten Einkommensteuerfestsetzung zu Grunde gelegt worden wären.

Entscheidungsgründe:

§ 311 Abs. 1 und 2 der Bundesabgabenordnung (BAO) lauten:

"(1) Die Abgabenbehörden sind verpflichtet, über Anbringen (§ 85) der Parteien ohne unnötigen Aufschub zu entscheiden.

(2) Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen oder nach dem Eintritt der Verpflichtung zu ihrer amtswegigen Erlassung bekanntgegeben (§ 97), so kann jede Partei, der gegenüber der Bescheid zu ergehen hat, den Übergang der Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz beantragen (Devolutionsantrag). Devolutionsanträge sind bei der Abgabenbehörde zweiter Instanz einzubringen."

§ 295 BAO lautet:

"(1) Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist.

(2) Ist ein Bescheid von einem Abgaben-, Meß-, Zerlegungs- oder Zuteilungsbescheid abzuleiten, so gilt Abs. 1 sinngemäß.

(3) Ein Bescheid ist ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, auch ansonsten zu ändern oder aufzuheben, wenn der Spruch dieses Bescheides anders hätte lauten müssen oder dieser Bescheid nicht hätte ergehen dürfen, wäre bei seiner Erlassung ein anderer Bescheid bereits abgeändert, aufgehoben oder erlassen gewesen. Mit der Änderung oder Aufhebung des Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des anderen Bescheides oder der nachträglich erlassene andere Bescheid rechtskräftig geworden ist."

Eine Verpflichtung zur amtswegigen Erlassung von Bescheiden besteht im Zusammenhang mit Änderungen oder Aufhebungen gemäß § 295 BAO, wobei auf Grund des § 295 Abs. 1 letzter Satz und Abs 3 letzter Satz BAO die Verpflichtung erst mit (formeller) Rechtskraft des für die Bescheidänderung oder -aufhebung maßgeblichen Grundlagenbescheides eintritt.

Aus dem Gesetzeswortlaut des § 295 geht somit hervor, dass es sich bei der Abänderungen oder Aufhebungen gem. § 295 BAO um amtswegige Maßnahmen handelt. Erfolgt eine Bescheidänderung auf Basis eines "Nichtbescheides", kann dieser Mangel nicht im Wege einer weiteren Abänderung oder Aufhebung gem. § 295 BAO saniert werden. Die fehlende Befugnis zur Abänderung ist vielmehr im Verfahren betreffend den (unzulässigerweise) "abgeleiteten" Bescheid einzuwenden, was dann zur Aufhebung des entsprechenden Bescheides führen muss. Eine Abweisung gem. § 252 BAO ist in einem derartigen Falle unzulässig (Vgl. VwGH 22.3.1983, 82/14/0210; UFS 12. 9. 2008, RV/2574-W/08).

Im gegenständlichen Fall ist wirksam kein Grundlagenbescheid ergangen, der eine Abänderung oder Aufhebung des Einkommensteuerbescheides für 1993 zur Folge hätte, demnach lag auch keine Verpflichtung des Finanzamtes vor, den Einkommensteuerbescheid für 1993 abzuändern oder aufzuheben.

Der Devolutionsantrag ist zurückzuweisen, wenn überhaupt keine Entscheidungspflicht besteht (Ritz, BAO³, § 311 Tz. 41). Der Devolutionsantrag war daher unzulässig und damit zurückzuweisen.

Linz, am 11. November 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 311 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

VwGH 28.11.2007, 2004/15/0131
VwGH 22.03.1983, 82/14/0210
UFS 21.01.2008, RV/0963-G/07
UFS 12.09.2008, RV/2574-W/08

Stichworte