Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Fehlen der Rechtsmittelbelehrung und/oder der Unterschrift, da keine Frist versäumt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 4. März 2008 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 3/11 Schwechat Gerasdorf vom 4. Februar 2008 betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 308 BAO) entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Mit Berufungsvorentscheidung vom 14. November 2006 wurde der Berufung des Berufungswerbers (Bw.) vom 1. Februar 2004 gegen den Haftungsbescheid vom 15. Dezember 2003 teilweise stattgegeben und die Haftungsschuld betreffend aushaftende Abgaben der M-GmbH mit € 8.372,09 (gemeint € 6.372,09) festgesetzt.
Mit Schreiben vom 17. September 2007 beantragte der Bw. die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie in einem die Vorlage der Berufung zur Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Begründend wurde ausgeführt, dass die Berufungsvorentscheidung vom 6. Februar (gemeint wohl 14. November) 2006, die aus den Seiten 1 und 2 bestanden hätte, dem Bw. zwar im November 2006 zugestellt worden wäre, jedoch keine Rechtsmittelbelehrung enthalten hätte. Als juristischer Laie wäre er davon ausgegangen, dass damit seine Berufung vom 6. Februar 2006 (gemeint wohl 1. Februar 2004) noch nicht endgültig behandelt worden wäre und die Vorentscheidung die Rechtssache noch nicht abschließend beendet hätte. Da die Rechtsmittelbelehrung zur Gänze gefehlt hätte, wäre auch kein weiteres Rechtsmittel erhoben worden.
Erst durch den Pfändungsbescheid vom 3. September 2007 hätte der Bw. erstmals davon Kenntnis erlangt, dass entgegen seiner Annahme über seine Berufung vom 6. Oktober 2006 (gemeint wohl 1. Februar 2004) bereits endgültig entschieden worden wäre und die Berufungsvorentscheidung einen rechtskräftigen Titel darstelle. Wäre ihm ordnungsgemäß Rechtsmittelbelehrung erteilt worden, hätte der Bw. selbstverständlich rechtzeitig gegen diese Entscheidung einen Vorlageantrag gestellt.
Die Fehleinschätzung der Bedeutung der Berufungsvorentscheidung und das Fehlen einer Rechtsmittelbelehrung, weshalb den Bw. kein Verschulden an der Versäumung der Frist treffe, stelle für ihn ein unvorhersehbares und abwendbares (gemeint wohl unabwendbares) Ereignis dar, wodurch er an der rechtzeitigen Einbringung des Antrages gehindert worden wäre. Das Hindernis wäre durch das Erkennen der Versäumung frühestens erst durch Zugang des Pfändungsbescheides vom 3. September 2007 weggefallen, sodass der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand jedenfalls rechtzeitig wäre.
Mit Bescheid vom 4. Februar 2008 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ab und führte begründend aus, dass gemäß § 308 Abs. 1 BAO gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108-110 BAO) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleide, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen wäre, wenn sie glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen wäre, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liege, hindere die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handle. Voraussetzungen für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung nach § 308 Abs. 1 BAO wären die Versäumung einer Frist, ein hierdurch entstandener Rechtsnachteil, ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis, kein grobes Verschulden sowie ein rechtzeitiger Antrag auf Wiedereinsetzung.
Wenn man der Behauptung, dass keine Rechtsmittelbelehrung beigelegt worden wäre, folge, würde gemäß § 93 Abs. 4 BAO die Rechtsmittelfrist nicht in Gang gesetzt werden, weshalb ein Antrag auf Wiedereinsetzung unzulässig wäre, da keine Frist versäumt worden wäre. Da die Behörde aber nicht davon ausgehe, dass die Rechtsmittelbelehrung fehle, wäre der Antrag zulässig und als unbegründet abzuweisen.
Dagegen erhob der Bw. am 4. März 2008 das Rechtsmittel der Berufung und brachte vor, dass ihm durch die Nichtzustellung der Rechtsmittelbelehrung ein Rechtsnachteil entstanden wäre, welcher sehr wohl ein außergewöhnliches und unabwendbares Ereignis darstelle. Er wäre als juristischer Laie das erste Mal mit einer Berufungsvorentscheidung konfrontiert worden, nicht wissend, dass es sich um eine endgültige Entscheidung gehandelt hätte, weshalb er wartend auf ein endgültiges Urteil die Einspruchsfrist versäumt hätte. Auch die Änderung von M-GmbH auf seinen Namen wäre für den Bw. unverständlich, letztendlich auch der Bescheid vom 29. April 2004, mit dem die Vollstreckung eingestellt worden wäre, weshalb er dachte, die Angelegenheit wäre für ihn positiv gelöst worden.
Die weiteren Einwendungen betreffen das der Wiedereinsetzung zu Grunde liegende Haftungsverfahren und werden mangels Relevanz nicht wiedergegeben.
In dem am 10. März 2009 durchgeführten Erörterungsgespräch erklärte der Bw. auf die Frage der Referentin, weshalb die Berufung gegen den Haftungsbescheid erst nach Ablauf der Rechtsmittelfrist eingebracht wurde, dass er die Berufung rechtzeitig erhoben hätte, da er mangels ständigen Aufenthalts an der Adresse XY, die Verständigung über die Hinterlegung erst drei Wochen später vorgefunden hätte. Diese Adresse wäre nur eine Notwohnung ohne Warmwasser, die er nur ungern aufsuche. Er wohne lieber bei seiner Freundin oder übernachte auch hin und wieder in der Firma. Der Bw. ersuchte, hinkünftig die Zustellungen an die Firmenanschrift der G-GmbH, YZ, vornehmen zu wollen.
Der Amtsbeauftragte wies darauf hin, dass kein Fristverlängerungsansuchen eingebracht worden wäre, sodass die Berufung gegen den Haftungsbescheid verspätet wäre. Auf Grund eines Versehens wäre dies bei Erlassung der Berufungsvorentscheidung nicht berücksichtigt worden.
Zur Klärung der Frage, ob die Rechtsmittelbelehrung (und Unterschrift) auf der Berufungsvorentscheidung fehlte oder nicht, legte der Bw. das Original vor, das lediglich zwei Seiten ohne Rechtsmittelbelehrung und Unterschrift aufwies. Außerdem hätte er diesen Bescheid einem Rechtsanwalt gezeigt.
Dazu brachte der Vertreter des Finanzamtes vor, dass es sehr unwahrscheinlich wäre, dass ein Rechtsanwalt im Falle des tatsächlichen Fehlens der Bescheidbestandteile diesen Mangel nicht bei der Abgabenbehörde aufgezeigt hätte. Ein Rechtsvertreter hätte außerdem neben der Rechtsmittelbelehrung vor allem die fehlende Unterschrift bemängelt, die viel weitreichendere Konsequenzen hätte, da ansonsten der Bescheid nicht wirksam ergangen wäre. Er legte den Formularvordruck vor, aus dem hervorgehe, dass eine händische Berufungsvorentscheidung sehr wohl eine Rechtsmittelbelehrung samt Unterschrift enthalte.
Der Bw. wurde von der Referentin dahingehend belehrt, dass eine Anerkennung der Berufungsvorentscheidung mit sämtlichen Bescheidbestandteilen für ihn günstiger wäre, da darin seiner Berufung teilweise stattgegeben wurde und ansonsten mangels rechtswirksamer Berufungsvorentscheidung die ursprüngliche Berufung zwar wieder unerledigt, jedoch wegen Verspätung zurückzuweisen wäre, weshalb der gegenüber der Berufungsvorentscheidung ungünstigere Haftungsbescheid rechtskräftig wäre.
Der Bw. erklärte, dennoch daran festhalten zu wollen, dass ihm keine Rechtsmittelbelehrung übermittelt worden wäre.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108-110 BAO) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung muss gemäß § 308 Abs. 3 BAO binnen einer Frist von drei Monaten nach Aufhören des Hindernisses bei der Abgabenbehörde, bei der die Frist wahrzunehmen war, bei Versäumung einer Berufungsfrist oder einer Frist zur Stellung eines Vorlageantrages (§ 276 Abs. 2 BAO) bei der Abgabenbehörde erster oder zweiter Instanz eingebracht werden. Spätestens gleichzeitig mit dem Wiedereinsetzungsantrag hat der Antragsteller die versäumte Handlung nachzuholen.
Da nach dem Vorbringen des Bw. sowie der Vorlage der unvollständigen Berufungsvorentscheidung der Unabhängige Finanzsenat nicht ausschließen konnte, dass ihm tatsächlich keine Rechtsmittelbelehrung übermittelt wurde, war ihm daher insoweit zu folgen.
Gemäß § 93 Abs. 3 BAO hat ein Bescheid zu enthalten
a) eine Begründung, wenn ihm ein Anbringen zu Grunde liegt, dem nicht vollinhaltlich Rechnung getragen wird, oder wenn er von Amts wegen erlassen wird;
b) eine Belehrung, ob ein Rechtsmittel zulässig ist, innerhalb welcher Frist und bei welcher Behörde das Rechtsmittel einzubringen ist. ferner, dass das Rechtsmittel begründet werden muss und dass ihm eine aufschiebende Wirkung nicht zukommt.
Enthält der Bescheid keine Rechtsmittelbelehrung oder keine Angabe über die Rechtsmittelfrist oder erklärt er zu Unrecht ein Rechtsmittel für unzulässig, so wird gemäß § 93 Abs. 4 BAO die Rechtsmittelfrist nicht in Lauf gesetzt.
Daraus erhellt, dass dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand kein Erfolg beschieden sein kann, weil eben gemäß § 93 Abs. 4 BAO die Rechtsmittelfrist bis zur Versendung der Berufungsvorentscheidung samt Rechtsmittelbelehrung am 4. Februar 2008 noch nicht in Lauf gesetzt wurde, weshalb auch gar keine Frist versäumt werden konnte.
Alle schriftlichen Ausfertigungen der Abgabenbehörden müssen gemäß § 96 BAO die Bezeichnung der Behörde enthalten sowie mit Datum und mit der Unterschrift dessen versehen sein, der die Erledigung genehmigt hat. An die Stelle der Unterschrift des Genehmigenden kann, soweit nicht in Abgabenvorschriften die eigenhändige Unterfertigung angeordnet ist, die Beglaubigung treten, dass die Ausfertigung mit der genehmigten Erledigung des betreffenden Geschäftsstückes übereinstimmt und das Geschäftsstück die eigenhändig beigesetzte Genehmigung aufweist. Ausfertigungen, die mittels automationsunterstützter Datenverarbeitung erstellt werden, bedürfen weder einer Unterschrift noch einer Beglaubigung und gelten, wenn sie weder eine Unterschrift noch eine Beglaubigung aufweisen, als durch den Leiter der auf der Ausfertigung bezeichneten Abgabenbehörde genehmigt.
Zudem weist die an den Bw. übermittelte Berufungsvorentscheidung nach dem Vorbringen des Bw. auch keine Unterschrift bzw. Beglaubigung auf. Da dies aber nach § 96 BAO einen essentiellen Bescheidbestandteil darstellt, war die Berufungsvorentscheidung vom 14. November 2006 nicht rechtswirksam ergangen, da auch nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes das Fehlen einer Unterschrift auf einer Erledigung dazu führt, dass kein Bescheid vorliegt (VwGH 10.10.1991, 91/17/0096).
Da die Berufung somit aus Rechtsgründen abzuweisen war, war auch ein weiteres Eingehen auf die Frage, ob überhaupt ein tauglicher Wiedereinsetzungsgrund vorgebracht wurde, entbehrlich.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 11. März 2009