UFS RV/2868-W/08

UFSRV/2868-W/085.1.2009

Unwirksamkeit von Feststellungsbescheiden, die an eine laut Firmenbuch vollbeendigte KG ergehen.

 

Anmerkungen:
Abweichend UFS 24.9.2008, RV/0407-S/04

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vom 31. März 2008 gegen den gemäß § 295 Abs 1 BAO erlassenen Einkommensteuerbescheid 2005 des Finanzamtes X vom 20. März 2008 entschieden:

Der angefochtene Bescheid wird gemäß § 289 Abs 2 BAO, d.h. ersatzlos, aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw) war im Firmenbuch als unbeschränkt haftender Gesellschafter der Kommanditgesellschaft, eingetragen (Firmenbuchauszug vom 26. September 2008 mit historischen Daten und Vollzugsübersicht: UFS-Akt Bl 42f). Über diese wurde mit Beschluss des Landesgerichtes A im Dezember 2003 der Konkurs eröffnet. Dies wurde im Dez. 2003 in das Firmenbuch eingetragen und zugleich eingetragen, dass die Gesellschaft infolge Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst ist. Im März 2005 wurde in das Firmenbuch aufgrund des Beschlusses des Landesgerichtes A vom Febr. 2005 eingetragen: Konkurs aufgehoben nach Schlussverteilung. Im August 2005 wurde die amtswegige Löschung der Gesellschaft in das Firmenbuch eingetragen.

Mit Beschluss vom April 2004 wurde der Konkurs über den Bw eröffnet und im Oktober 2004 der Zahlungsplan angenommen (Insolvenzdaten: ESt-Akt Bl 24/2005). Mit Beschluss vom November 2004 wurde der Zahlungsplan mit folgendem wesentlichen Inhalt angenommen: Die Gläubiger erhalten zur vollständigen Befriedigung ihrer Forderungen eine Quote von 4%, zahlbar binnen 14 Tagen ab rechtskräftiger Bestätigung, nicht jedoch vor Rechtskraft der Aufhebung, wobei das Erfordernis hiefür bis spätestens 10.11.2004 beim Masseverwalter zu erlegen ist, die Gläubiger mit einer Forderungssumme bis max. Euro 4.000,00 erhalten eine Quote von 10%, mit den selben Erlags- und Zahlungsfristen. Mit Beschluss vom Nov.2004 wurde der Konkurs nach rechtskräftiger Bestätigung des Zahlungsplanes aufgehoben.

Das Finanzamt X erließ an den Bw einen mit 3. August 2007 datierten Einkommensteuerbescheid 2005, mit dem die Einkommensteuer für das Jahr 2005 mit 9.628,98 € festgesetzt wurde (UFS-Akt Bl 25ff).

Das Finanzamt C teilte dem Finanzamt X am 28. Februar 2008 mit, dass die durch die kommandit.gesellschaft im Kalenderjahr 2005 erzielten Einkünfte gemäß § 188 BAO festgestellt würden, wobei auf den Bw entfielen: Einkünfte aus Gewerbebetrieb: 225.322,49 € (ESt-Akt Bl 4/2005).

Eine geänderte Mitteilung des Finanzamtes C an das Finanzamt X vom 3. März 2008 über den Einkünfteanteil des Bw wies zusätzlich aus (ESt-Akt Bl 6/2005): In den Einkünften sind enthalten: Veräußerungs- und Aufgabegewinne: 225.322,49 € Weiters wurde zusätzlich ausgeführt, dass bei der Veranlagung des Beteiligten im Rahmen der Einkommensermittlung zu berücksichtigen sei: In Frage kommende Begünstigungen/Besteuerungswahlrechte nach §§ 24, 37 und 97 EStG 1988.

Dementsprechend verminderte das Finanzamt X den auf den Bw entfallenden Einkünfteanteil um den anteiligen Freibetrag gemäß § 24 Abs 4 EStG 1988 auf 220.942,49 € und erhöhte um diesen Betrag die im bisherigen Einkommensteuerbescheid 2005 vom 3. August 2007 angesetzten Einkünfte aus Gewerbebetrieb von 27.575,53 € (resultierend aus einer anderen Beteiligung als der hier gegenständlichen; vgl ESt-Akt Bl 2/2005) auf insgesamt 248.518,02 €. Letztgenannter Betrag wurde in einem - gestützt auf § 295 Abs 1 BAO (als sogenannte "Änderung gem. § 295 (1) BAO") erlassenen und mit 20. März 2008 datierten - Einkommensteuerbescheid 2005 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb angesetzt und schließlich die Einkommensteuer des Bw für das Jahr 2005 um 109.568,19 € höher als bisher festgesetzt. Die Begründung dieses Bescheides vom 20. März 2008 lautete: Die Änderung gem. § 295 BAO erfolgte aufgrund der bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes C zu Steuernummer D vom 03.03.2008.

Mit am 31. März 2008 übermittelten Telefax erhob der Bw Einspruch gegen diesen (mitgefaxten) Bescheid, weil darin entgegen des (mitgefaxten) Berichtes des Finanzamtes C vom 27. Februar 2008 nicht die Quote des Schuldenregulierungsverfahrens von 4% angesetzt worden sei, und mit dem Ersuchen um entsprechende Änderung bzw Richtigstellung (ESt-Akt Bl 7ff/2005). Telefonisch ergänzte der Bw, ihm sei gesagt worden, dass nur die Steuer in Höhe der Quote, rund 5.000 € zu zahlen wäre.

Aus Tz 1 des Prüfungsberichtes vom 27. Februar 2008 ging hervor, dass nach Ansicht des Prüfers zum Zeitpunkt der Aufhebung des Konkurses (Anm: bei der Kommanditgesellschaft am Febr.2005) ein Veräußerungsgewinn gemäß § 24 EStG 1988 zu ermitteln sei. Als Veräußerungsgewinn sei jedenfalls der Betrag des negativen Kapitalkontos des Gesellschafters (Mitunternehmers) zu erfassen, den dieser nicht auffüllen müsse. Für Kommanditist und Komplementär ergäben sich jeweils verschiedene Zeitpunkte: Für den Kommanditisten stelle der Zeitpunkt der Aufhebung des Konkurses im Jahr 2005 den Zeitpunkt des Schuldwegfalles dar. Der Komplementär hingegen hafte weiter für die Schulden der Gesellschaft. Hier habe der Bw als Komplementär einen verbindlichen Schuldenwegfall durch ein Schuldenregulierungsverfahren erreicht, was bei der KG einen außerordentlichen Ertrag darstelle. Da die Quote von 4% am 11. Jänner 2005 gezahlt worden sei, sei der Zeitpunkt des Schuldenwegfalles für den Komplementär - den Bw - ebenfalls im Jahr 2005 gegeben. Es sei davon auszugehen, dass der Bw infolge des Schuldenregulierungsverfahrens 4% der Überschuldung der KG bezahlt habe. Um diesen Betrag sei das von den Gesellschaftern nicht aufzufüllende, negative Eigenkapital der KG zu vermindern. Den verminderten Betrag teilte der Prüfer auf Komplementär und Kommanditist als Veräußerungsgewinn auf; für den Bw ergab sich der Betrag, der in der o.a. Mitteilung des Finanzamtes C vom 3. März 2008 aufscheint.

Der Betriebsprüfer nahm zur Berufung dahingehend Stellung (ESt-Akt Bl 18/2005), dass die Quote des Schuldenregulierungsverfahrens iHv 4% sehr wohl im Prüfungsbericht berücksichtigt worden sei. Der neugefasste § 36 EStG 1988 (betreffend "Steuerfestsetzung bei Schulderlass im Rahmen eines Insolvenzverfahrens") sei erst ab der Einkommensteuerveranlagung des Jahres 2006 anzuwenden, wogegen hier noch die Voraussetzungen eines Sanierungsgewinnes (gemäß der alten Fassung des § 36 EStG 1988 betreffend "Sanierungsgewinn") zu prüfen seien, die wegen der Einstellung des Betriebes bereits vor Ende des Insolvenzverfahrens nicht vorlägen.

Seitens der Konkursberatungsges., die das Schuldenregulierungsverfahren des Bw betreute, wurde vorgebracht (ESt-Akt Bl 21f/2008), dass mit der nachträglichen Steuerforderung eine unzulässige Gläubigerbegünstigung verbunden wäre. Das Finanzamt habe bereits 4% seiner im Konkurs des Bw angemeldeten Forderung erhalten. Eine Alternative wäre ein Antrag des Finanzamtes auf Wiedereröffnung des Schuldenregulierungsverfahrens, was aber kein besseres Ergebnis erwarten lasse.

Das Finanzamt X erließ eine abweisende, mit 24. Juni 2008 datierte, ohne Nachweis zugestellte Berufungsvorentscheidung, die unter der Steuernummer auch mit "Sozialversicherungnummer" versehen war. Worum es sich bei dieser behördlichen Erledigung handelt, ist aus der der Aufschrift "Berufungsvorentscheidung gem. § 276 BAO" unterhalb der (irritierenden, EDV-mäßig vorgesehenen) Aufschrift "EINKOMMENSTEUERBESCHEID 2005" und aus dem Ausspruch "Die Berufung vom 31.03.2008 gegen den Bescheid vom 20.03.2008 wird als unbegründet abgewiesen." zu erkennen. (ESt-Akt Bl 36/2005) Begründend wurde auf § 252 Abs 1 BAO und die anzuwendende Fassung des § 36 EStG 1988, die das Vorliegen eines Sanierungsgewinnes zur Voraussetzung hatte, verwiesen. Die Sanierungsfähigkeit der kommandit.gesellschaft, deren Betrieb im Konkursverfahren liquidiert worden sei, sei auszuschließen. In der Rechtsbelehrung wird auf die Möglichkeit eines Antrages auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz verwiesen.

Mit einem - vom Bw unterfertigten (wenngleich auf Briefpapier der Konkursberatungsges. verfassten) - Schreiben vom 7. August 2008 (Postaufgabe 8. August 2008) wurde bezughabend folgendes Anbringen gestellt: "1. Berufung gegen den Abweisungsbescheid Sozialversicherungnummer: Der Bescheid wurde am 18.07.2008 zugestellt und es wird innerhalb der Frist im Sinne der angeführten Rechtsmittelbelehrung berufen und ersucht, die Berufung der vorgesehenen Instanz vorzulegen." (ESt-Akt Bl 37f/2005).

Mit Vorlagebericht vom 12. September 2008 legte das Finanzamt dem Unabhängigen Finanzsenat (UFS) die ggstdl Berufung vor und verständigte davon gemäß § 276 Abs 6 BAO den Bw (ESt-Akt Bl 45/2005).

Der Bw sprach am 29. September 2008 beim UFS vor, wo zu diesem Zeitpunkt nur der Vorlagebericht und elektronisch abrufbare Informationen greifbar waren. Dabei ersuchte der Referent den Bw um die Einreichung von Ablichtungen der Grundlagenbescheide, d.h. der an die KG zu seinen Handen gerichteten Bescheide betreffend Einkünftefeststellung 2005 (Bescheid vom 28. Februar 2008 und diesbezüglicher Berichtigungsbescheid vom 3. März 2008). Diesem Ersuchen kam der Bw nach (Einkünftefeststellungsbescheid 2005 vom 28. Februar 2008: UFS-Akt Bl 56; diesbezüglicher Berichtigungsbescheid vom 3. März 2008 mit der Darstellungsmethode, die Einkünftefeststellung gleich in der berichtigten Form wiederzugeben: UFS-Akt Bl 54f). Gemeinsam mit der Anforderung des körperlichen Einkommensteueraktes des Bw richtete der Referent mit Schreiben vom 10. Oktober 2008 folgenden Vorhalt an das Finanzamt X:

"Die ha. Aktenlage deutet auf folgenden Sachverhalt hin:

Zur rechtlichen Würdigung:

Zu diesem Vorhalt nahm das Finanzamt X anlässlich der Aktenvorlage unter Verweis auf VwGH 17.5.2004, 2003/17/0134; OGH 19.6.2006, 8 ObA 46/06g; VwGH 21.9.2005, 2001/13/0059; 29.3.2006, 2001/14/001; 19.9.2007, 2004/13/0097, dahingehend Stellung, dass im Firmenbuch eingetragene Personengesellschaften ihre Rechtsfähigkeit ungeachtet einer früheren Entprotokollierung erst nach Abwicklung aller Rechtsverhältnisse (zB auch VwGH 20.11.1996, 95/15/0179) verlören, weshalb der an die KG zu Handen des Bw adressierte Bescheid des Finanzamtes C über die Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 wirksam sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Das als "Einspruch" bezeichnete, am 31. März 2008 per Telefax (=Telekopierer) an das Finanzamt X übermittelte Anbringen des Bw ist als Berufung, welche das gemäß § 243 BAO vorgesehene Rechtsmittel gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 20. März 2008 darstellt, aufzufassen. Die mangelnde Bezeichnung als "Berufung" ist unschädlich (vgl Ritz, BAO3, § 273 Tz 23). Das Erfordernis der Schriftlichkeit ist gemäß § 86a BAO iVm der VO des BMF über die Zulassung von Telekopierern (BGBl 1991/494 idF BGBl II 2002/395) eingehalten.

Das als "Berufung" bezeichnete und mit dem - vom Bw unterfertigten - Schreiben vom 7. August 2008 an das Finanzamt X gerichtete Anbringen (ESt-Akt Bl 37f/2008; vgl auch oben) ist als "Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz" (="Vorlageantrag") gemäß § 276 Abs 2 BAO gegen die mit 24. Juni 2008 datierte Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes aufzufassen. Da kein Zustellnachweis vorhanden ist, ist von der vom Bw behaupteten Zustellung am 18. Juli 2008 auszugehen (vgl Ritz, BAO3, § 26 ZustellG Tz 3). Durch den somit rechtzeitigen Vorlageantrag gilt die Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 20. März 2008 wiederum als unerledigt, sodass der UFS als Abgabenbehörde zweiter Instanz über die Berufung vom 31. März 2008 zu entscheiden hat.

Gegenstand ("Sache"), über die der angefochtene Einkommensteuerbescheid 2005 vom 20. März 2008 absprach, war die Veranlagung des Bw zur Einkommensteuer für das Jahr 2005 und nicht etwa nur das ändernde Hinzutreten zu dem an den Bw ergangenen Einkommensteuerbescheid 2005 vom 3. August 2007. Dies ergibt sich aus der Anführung des § 295 Abs 1 BAO im Bescheid, aus der Begründung mit bescheidmäßigen Feststellungen des Finanzamtes C zur Steuernummer, die der kommandit.gesellschaft zugeordnet war, und aus dem im folgenden hervorgehobenen Teil des Wortlautes des § 295 Abs 1 BAO: "Ist ein Bescheid von einem Feststellungsbescheid abzuleiten, so ist er ohne Rücksicht darauf, ob die Rechtskraft eingetreten ist, im Fall der nachträglichen Abänderung, Aufhebung oder Erlassung des Feststellungsbescheides von Amts wegen durch einen neuen Bescheid zu ersetzen oder, wenn die Voraussetzungen für die Erlassung des abgeleiteten Bescheides nicht mehr vorliegen, aufzuheben. Mit der Änderung oder Aufhebung des abgeleiteten Bescheides kann gewartet werden, bis die Abänderung oder Aufhebung des Feststellungsbescheides oder der nachträglich erlassene Feststellungsbescheid rechtskräftig geworden ist."

Daher ist unter der im zweiten Satz des § 295 Abs 1 BAO angeführten "Änderung ... des abgeleiteten Bescheides" bzw unter der im angefochtenen Bescheid angeführten "Änderung gem. § 295 (1) BAO zu Bescheid vom 03.08.2007" ebenfalls das Ersetzen des abgeleiteten Bescheides (vom 3. August 2007) - zum Zwecke der Änderung - durch einen neuen Einkommensteuerbescheid zu verstehen. Im Gegensatz hierzu sind hinzutretende, die ursprünglichen Bescheide nicht ersetzende Bescheide insbesondere (Berichtigungs)Bescheide gemäß §§ 293 bzw 293b BAO sowie (Abänderungs)Bescheide, mit denen gemäß § 295a BAO nur "insoweit abgeändert" wird (vgl Ritz, BAO3, § 274 Tz 3f und § 295a Tz 42).

Über die "Sache" des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2005 vom 20. März 2008, nämlich die Veranlagung des Bw zur Einkommensteuer für das Jahr 2005, war zum Zeitpunkt seiner Erlassung bereits durch den Einkommensteuerbescheid 2005 vom 3. August 2007 abgesprochen gewesen.

Die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 3. August 2007 (zu dieser vgl Ritz, BAO3, § 92 Tz 4, § 198 Tz 20) stand grundsätzlich der Erlassung eines Bescheides, der nochmals über die Einkommensteuerveranlagung des Bw für das Jahr 2005 absprach, entgegen; außer das Abgabenverfahrensrecht ließ die Durchbrechung der Rechtskraft (samt der in der Regel damit einhergehenden sogenannten "Unwiederholbarkeit"; zu dieser vgl Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 579) des vorherigen Einkommensteuerbescheides 2005 zu.

Das Finanzamt X zog mit § 295 Abs 1 BAO eine Gesetzesbestimmung heran, die bei Erfüllung ihrer Voraussetzungen geeignet gewesen wäre, die Rechtskraft des Einkommensteuerbescheides 2005 vom 3. August 2007 zu durchbrechen und die Erlassung des angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2005 vom 20. März 2008 zu gebieten.

Die Voraussetzungen des § 295 Abs 1 BAO erschienen zwar nach der beim Finanzamt X gegebenen Aktenlage - aufgrund der Mitteilungen des Finanzamtes C vom 28. Februar 2008 und 3. März 2008 - erfüllt. Es ist jedoch zur zweitinstanzlichen Bestätigung der Erfüllung der Voraussetzungen des § 295 Abs 1 BAO auch die Wirksamkeit der als Einkünftefeststellungsbescheid 2005 (bzw als diesbezüglichem Berichtigungsbescheid) intendierten Erledigungen des Finanzamtes C zu untersuchen.

Die Voraussetzungen iSd § 295 Abs 1 BAO, damit der angefochtene Bescheid überhaupt (dem Grunde nach / ohne auf die angefochtene Höhe der Einkommensteuerfestsetzung im Detail einzugehen) zu ergehen hatte, sind:

1.) Der Einkommensteuerbescheid 2005 des Bw ist vom Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb der Kommanditgesellschaft gemäß § 188 BAO für das Jahr 2005 iSd § 295 Abs 1 BAO "abzuleiten", d.h. die beiden Bescheide stehen zueinander in einem Verhältnis von abgeleitetem Bescheid zu Grundlagenbescheid, womit auch die §§ 192 und 252 Abs 1 BAO anwendbar werden. Dies erfordert insbesondere auch, dass an den Einkünften des betreffenden Jahres (Feststellungszeitraumes) iSd § 188 Abs 1 BAO "mehrere Personen beteiligt sind."

Wenn seitens des Bw u.a. vorgebracht wird, dass der Betrieb der KG vor Konkurseröffnung 2003 geschlossen worden sei und im Jahr 2005 nicht mehr bestanden habe, so wird damit auch der vom Finanzamt C in das Jahr 2005 gelegte Zeitpunkt bzw Zeitraum zur Ermittlung des Veräußerungsgewinnes - welcher Begriff im weiteren Sinne auch den des Aufgabegewinnes umfasst - in Frage gestellt.

Ob die - idR beim Wegfall der wesentlichen Betriebsgrundlagen (durch Verkauf, Vertragsbeendigungen usw) eintretende - Veräußerung (Aufgabe) des Betriebes der KG in das Jahr 2003 (oder 2004) zu legen wäre, kann hier dahingestellt bleiben, weil die unter Pkt. 2 dargestellte Voraussetzung für die Anwendung des § 295 Abs 1 BAO nicht vorliegt.

2. Voraussetzung ist, dass das an die kommandit.gesellschaft zu Handen des Bw gerichtete, mit 28. Februar 2008 datierte und mit "BESCHEID" betitelte Schreiben des Finanzamtes C zur Festellung der im Kalenderjahr 2005 erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb, und das an die kommandit.gesellschaft zu Handen des Bw gerichtete, mit 3. März 2008 datierte und mit "GEM. § 293 BAO BERICHTIGTER BESCHEID" betitelte Schreiben des Finanzamtes C, das ausdrücklich "nicht anstelle des Bescheides vom 2008 02 28 (treten), sondern ... diesen hinsichtlich eines Ausfertigungsfehlers betreffend die zusätzlichen Angaben" (berichtigen solle), und das die gesamte Einkünftefeststellung 2005 (inkl. nicht berichtigter Teile) in berichtigter Form wiedergibt (hierzu vgl Ritz, BAO3, § 293 Tz 20 dritter Absatz), als Bescheide wirksam geworden sind.

Nach der Auffassung, die dieser Berufungsentscheidung zugrundeliegt (vgl unten), sind beide vorgenannten Schreiben nicht als Bescheide wirksam geworden, sodass hier auf eine allfällige Differenzierung zwischen (Un)Wirksamkeit einerseits des Bescheides vom 28. Februar 2008 und andererseits des Bescheides vom 3. März 2008 nicht weiter einzugehen ist.

Im oben zitierten Vorhalt an die Amtspartei vom 10. Oktober 2008 wurde bereits auf divergierende Rsp von OGH und VwGH zum Zeitpunkt der (Voll)Beendigung einer Kommanditgesellschaft hingewiesen. Auch die Rsp des UFS ist diesbezüglich nicht einheitlich (vgl UFS 24.9.2008, RV/0407-S/04 im Gegensatz zu UFS 10.6.2008, RV/0614-W/08).

Diese Divergenzen betreffen aber nicht alle Sachverhaltskonstellationen. Sobald etwa eine KG im Firmenbuch gelöscht ist, kein Aktivvermögen und keine abzuwickelnden Rechtsverhältnisse mehr aufweist, ist sie nach allen Rsp-Varianten vollbeendigt.

Der vorliegende Fall ist durch folgende Umstände spezifiziert, die in den Fällen der bisherigen Rsp nicht vorlagen bzw als belanglos erschienen sein mögen:

a) Im Firmenbuch wurde die mit der anschließenden Vermögenslosigkeit der Kommanditgesellschaft einhergehende Schlussverteilung eingetragen. Es war daher die Vermögenslosigkeit der Kommanditgesellschaft bei ihrer amtswegigen Löschung ersichtlich. Nach dem Firmenbuchstand war daher ab der Löschung im August 2005 das Ende der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit der Kommanditgesellschaft gegeben.

§ 79 Satz 1 BAO bestimmt: "Für die Rechts- und Handlungsfähigkeit gelten die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes." Letzteres ist im weiten Sinne zu verstehen, sodass auch das Gesellschaftsrecht dazugehört (vgl Stoll, BAO, 781).

Durch materielle Abgabenvorschriften wird auch Gebilden, die zivilrechtlich nicht rechtsfähig sind, eine abgabenrechtliche Rechtsfähigkeit für bestimmte Angelegenheiten zugewiesen (vgl Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO, § 79 Anm 2 und 4: "... insoweit ..."). Dadurch erhalten unternehmerisch tätige Gebilde (GesBR, Miteigentumsgemeinschaft; vgl Ritz, BAO3, § 79 Tz 3; Ruppe, UStG3, § 2 Tz 123f) als Unternehmer eine diesbezügliche abgabenrechtliche Rechtsfähigkeit (vgl Stoll, BAO, 782f). Zum Zweck der einheitlichen und gesonderten Einkünftefeststellung (§ 188 BAO, § 43 EStG 1988) erhalten Gebilde, aus denen derartige Einkünfte fließen, eine diesbezügliche abgabenrechtliche Rechtsfähigkeit (vgl Stoll, BAO, 783). Diese rein abgabenrechtlichen Rechtsfähigkeiten enden mit der - hier die gleichzeitige Beendigung bewirkenden - Auflösung der zivilrechtlich nicht rechtsfähigen Gemeinschaften oder Gesellschaften, denn mit dem Ende der Eigenschaft als "Unternehmer" greifen etwa § 21 Abs 1 und Abs 4 UStG 1994 nicht mehr direkt, sondern Rechte und Pflichten gehen gemäß § 19 Abs 2 BAO auf die zuletzt Beteiligten über. Ebenso liegt nach Betriebsende (Ende der Vermietungstätigkeit) einer aufgelösten Gesellschaft (Gemeinschaft) eben keine Gesellschaft oder Gemeinschaft gemäß § 43 Abs 1 EStG 1988 und § 191 Abs 1 lit c BAO mehr vor, sondern es ist § 191 Abs 2 BAO anzuwenden.

Da diese rein abgabenrechtlichen Rechtsfähigkeiten gemäß § 19 Abs 2 BAO und § 191 Abs 2 BAO mit der ´Beendigung der Personenvereinigung/Personengemeinschaft´ (welche bereits mit der ´Auflösung´ eintritt) enden, ist eine zeitliche Hinauszögerung des Endes der abgabenrechtlichen Rechtsfähigkeit einer KG über das Ende der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit hinaus, mittels Anwendung der Regeln für rein abgabenrechtliche Rechtsfähigkeiten unmöglich. Dies ergibt sich auch aus § 79 Satz 1 BAO.

b) Mit dem als Umsatzsteuerbescheid 2005 intendierten Schreiben des Finanzamtes C vom 28. Februar 2008 machte dieses keinen zusätzlichen Anspruch an Umsatzsteuer 2005 geltend und gewährte keinen höheren Vorsteuerüberschuss, sondern setzte die Umsatzsteuer in Höhe des Vorsolls fest (vgl auch ESt-Akt Bl 14/2005: Tz 2 des Prüfungsberichtes vom 27. Februar 2008, wonach die Umsatzsteuer in Höhe der vom Masseverwalter eingereichten UVA festgesetzt werde).

Da der Abgabenzahlungsanspruch (bzw: Abgabengutschriftsanspruch bei UVA mit Vorsteuerüberschuss) bei Selbstbemessungsabgaben aufgrund des Abgabengesetzes selbst bzw aus der Selbstbemessung entsteht (Ritz, BAO3, § 4 Tz 3), war der Abgabenzahlungsanspruch bzw -gutschriftsanspruch, den das Finanzamt C mit dem Bescheid vom 28. Februar 2008 gegenüber der kommandit.gesellschaft an Umsatzsteuer 2005 festsetzen wollte, identisch mit dem schon vorher durch die Umsatzsteuervoranmeldungen des Masseverwalters entstandenen Anspruch. Diesbezüglich waren daher am 28. Februar 2008 keine Rechtsbeziehungen der Kommanditgesellschaft mehr abzuwickeln.

Somit verbleibt die einheitliche und gesonderte Feststellung der 2005 im Rahmen der Kommanditgesellschaft erzielten Einkünfte aus Gewerbebetrieb samt der Zuweisung der Anteile daran an die an den Einkünften beteiligten Personen, welche das Finanzamt C mit Bescheid vom 28. Februar 2008 intendierte, und welche mit Bescheid vom 3. März 2008 zu berichtigen beabsichtigt war.

Steuersubjekte der Einkommensteuer sind nur natürliche Personen. Die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO betrifft nicht die Gesellschaft, sondern jede der an ihr beteiligten natürlichen Personen als Steuersubjekt der Einkommensteuer. Das Einkünftefeststellungsverfahren zu den aus einer gelöschten und abgewickelten KG in der Vergangenheit erzielten Einkünften ist daher keine noch abzuwickelnde Rechtsbeziehung dieser ehemaligen KG. Vielmehr wird hier Stoll, BAO, 2023f zugestimmt, wonach an eine beendete OHG oder KG, deren Liquidationsverfahren abgeschlossen oder deren ansonsten notwendige Abwicklung durchgeführt ist, kein Feststellungsbescheid mehr wirksam ergehen kann, und wonach durch § 19 Abs 2 und § 191 Abs 2 BAO für die Fortsetzung des Feststellungsverfahrens gegenüber den zuletzt beteiligten Gesellschaftern und für die Erlassung des Feststellungsbescheides an diejenigen, denen gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind, vorgesorgt ist.

Das abgabenrechtliche System von Feststellungs- und abgeleiteten Bescheiden dient der Vereinfachung des Abgabenverfahrens, indem ein maßgeblicher Sachverhalt in nur einem Ermittlungsverfahren erklärt, geprüft und bescheidmäßig festgestellt wird (Stoll, BAO 1948f). Gerade der vorliegende Fall zeigt, dass die Annahme einer gegenüber der zivilrechtlichen Beendigung weiterhin aufrechten abgabenrechtlichen Rechtsfähigkeit einer KG zum Gegenteil einer Vereinfachung führt: Auch nach der Annahme, das abzuschließende Einkünftefeststellungsverfahren für das Jahr 2005 hätte als abzuwickelnde Rechtsbeziehung der Kommanditgesellschaft deren Rechtsfähigkeit bis zur Zustellung des als Einkünftefeststellungsbescheides für 2005 intendierten Schreibens vom 28. Februar 2008 ausgedehnt, wäre das augenscheinlich später zugestellte, als Berichtigungsbescheid intendierte Schreiben vom 3. März 2008 nicht wirksam geworden.

Da die zweite der beiden genannten, kumulativ erforderlichen Voraussetzungen, damit der angefochtene Bescheid überhaupt (dem Grunde nach) zu ergehen hatte, nicht vorliegt, wird der angefochtene Einkommensteuerbescheid gemäß § 289 Abs 2 BAO, wonach die Berufungsbehörde (auch) bei einer Entscheidung in der Sache selbst den angefochtenen Bescheid aufzuheben berechtigt ist, aufgehoben.

Auf das ursprüngliche Begehren des Bw, die Einkommensteuer im Ausmaß der Quote des Schuldenregulierungsverfahrens von 4% festzusetzen, kann somit nicht mehr eingegangen werden.

Ergeht auch an Finanzamt X zu St.Nr. Y

Wien, am 5. Jänner 2009

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 19 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 79 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 1 lit. c BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 191 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Rechtsprechungsdivergenz zwischen VwGH und OGH, Unwirksamkeit eines Bescheides

Stichworte