UFS RV/1399-L/08

UFSRV/1399-L/0819.12.2008

Familienbeihilfe - Wiedereinsetzung in den vorigen Stand

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vom 12. Jänner 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Freistadt Rohrbach Urfahr vom 14. Dezember 2004 betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gem. § 308 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Das Finanzamt hat mit Bescheid vom 14.12.2004 den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand betreffend die Gewährung der Familienbeihilfe für die drei Kinder des Berufungswerbers abgewiesen. Gegen die Versäumung einer Frist sei gem. § 308 Abs. 1 BAO auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleide, die Wiedereinsetzung in den zu vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft mache, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert gewesen sei, die Frist einzuhalten. Das Abwarten einer Entscheidung durch den Verwaltungsgerichtshof stelle zweifelsfrei kein Ereignis im Sinne des Gesetzes dar.

Die dagegen eingebrachte Berufung vom 12.1.2005 wird wie folgt begründet. Der Berufungswerber habe im Jahr 2001 gegen den Bescheid des Finanzamtes berufen und auf ein gleichgelagertes laufendes Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof verwiesen. Er habe gebeten, die Entscheidung solange auszusetzen. Grundsätzlich nehme der Berufungswerber an, dass Bescheide einer Behörde korrekt und richtig ausgestellt würden. Dass die Entscheidung betreffs Anerkennung als Berufsausbildung (der Unabhängige Finanzsenat habe diese Ansicht bestätigt) solange dauere, sei nicht im Verantwortungsbereich des Berufungswerbers gelegen. Was die Unterbrechung bzw. Aussetzung eines Verfahrens betreffe, sei es nicht unüblich, dass dies bis zur Entscheidung des Höchstgerichtes immer wieder geschehe. Der Berufungswerber lege einen Bescheid des Finanz und Steueramtes Linz bei, in dem ihm mitgeteilt werde, dass das Verfahren bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ausgesetzt werde. Der Berufungswerber sei der Meinung, dass das was für Ämter bzw. für Behörden möglich sei auch für "normale Bürger" möglich sein sollte. Er verweise noch einmal auf die bisherigen Vorbringen, vorgelegten Urkunden und Unterlagen und auf die oben erwähnte Berufungsentscheidung des "Unabhängigen Finanzsenates". Durch die Bitte das Verfahren auszusetzen, dürfte eine Versäumung der Frist nicht eingetreten sein. Trotzdem habe er sicherheitshalber einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt und halte diese Anträge aufrecht.

Das Finanzamt hat die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 8.2.2005 unter Hinweis auf § 308 Abs. 1 BAO als unbegründet abgewiesen. Unvorhergesehen sei ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet habe und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten habe können. Unabwendbar sei ein Ereignis hingegen dann, wenn es die Partei mit dem einen Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern habe können, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Ritz, aaO, § 308 Tz. 9f, mwN). Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum seien nach der ständigen Judikatur des VwGH keine tauglichen Wiedereinsetzungsgründe (zB VwGH vom 15. Juni 1993, 93/14/0011; vom 18. Dezember 1996, 95/16/0311; vom 26. Februar 1997, 97/12/0003; vom 22. November 1999, 96/17/0415; siehe dazu auch Stoll, BAO, 2984). Der Einschreiter vermeine nun einen geeigneten Wiedereinsetzungsgrund darin zu erblicken, dass er im Jahre 2001 gegen den Bescheid des Finanzamtes berufen und auf ein gleichgelagertes laufendes Verfahren beim Verwaltungsgerichtshof verwiesen habe. Er führe weiters aus, dass er gebeten hätte die Entscheidung solange auszusetzen. Was die Unterbrechung bzw. Aussetzung eines Verfahrens betrifft, sei es nicht üblich, dass dies bis zur Entscheidung des Höchstgerichtes immer wieder geschehe. Hierzu sei vom Einschreiter ein Bescheid des Finanzrechts- und Steueramtes des Magistrates der Landeshauptstadt x beigelegt worden, aus welchem ersichtlich sei, dass das Rechtsmittelverfahren gegenüber der Firma xx Gesellschaft mbH betreffend Getränketeuer-Rückzahlung für den genannten Zeitraum bis zur Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in der Beschwerdesache 2004/16/0199-2 ausgesetzt werde.

§ 281 BAO bestimme: (1) Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt sonst vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Abgabenbehörde die Entscheidung über diese unter Mitteilung der hiefür maßgebenden Gründe aussetzen, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei (§ 78) entgegenstehen. (2) Nach rechtskräftiger Beendigung des Verfahrens, das Anlass zur Aussetzung gemäß Abs. 1 gegeben hat, ist das ausgesetzte Berufungsverfahren von Amts wegen fortzusetzen. (3) Von der Abgabenbehörde erster Instanz erlassene Aussetzungsbescheide (Abs. 1) verlieren ihre Wirksamkeit, sobald die Partei (§ 78) die Fortsetzung des Berufungsverfahrens beantragt.

Die Aussetzung gemäß § 281 liege im Ermessen der Behörde (zB VwGH 6.4.1995, 93/15/0060); die Partei habe somit keinen Rechtsanspruch auf Aussetzung (zB VwGH 20.2.1998, 96/15/0169). Durch die Erlassung eines Aussetzungsbescheides erlösche nicht nur die Entscheidungspflicht über die Berufung (zB VwGH 27.9.1994, 94/17/0328), sondern auch das Recht über sie zu entscheiden.

Im gegenständlichen Fall sei einerseits keine Anregung auf Aussetzung des Verfahrens im Sinne des § 281 BAO aktenkundig, andererseits sei vom Finanzamt bzw. von der Abgabenbehörde zweiter Instanz keine Aussetzung des Verfahrens durchgeführt worden.

Durch die in den Ausführungen im Antrag auf Wiedereinsetzung dargelegte Begründung betreffend (späte) Kenntnisnahme der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes (vom 27.3.2003, Zl. 99/15/0080-9), in einem gleichgelagerten Fall werde jedoch ein die Wiedereinsetzung rechtfertigender Grund nicht dargetan. Auch der Umstand, auf einen Antrag auf Familienbeihilfe zu verzichten um nicht provozierend zu wirken, sei nicht geeignet, darin Gründe für eine Wiedereinsetzung im Sinne des § 308 BAO zu erblicken. In Summe sei keiner der angeführten Gründe, sowohl im Erstantrag vom 17.12.2003, als auch in der Berufung vom 12.1.2005 geeignet, einen Wiedereinsetzungsgrund im Sinne des § 308 BAO darzustellen.

Den Vorlageantrag vom 8.3.2005 begründet der Berufungswerber wie folgt: "Ich halte mein bisheriges Vorbringen sowie die Einwendungen aufrecht und möchte noch ergänzen. Mir wurden mehrmals Anträge auf Familienbeihilfe bzw. Sonderausgaben betreffend auswärtiger Ausbildung abgelehnt. Nun bin ich auch davon ausgegangen, dass die Behörde ihre Entscheidungen, vor allem was den Ermessensspielraum betrifft, nicht zum Nachteil des Antragstellers trifft. Offensichtlich ist dies in meinem Fall geschehen, sonst hätte der "Unabhängige Finanzsenat" nicht zu meinen Gunsten entschieden und dies rückwirkend ab 1995. Aufgrund Ihrer damaligen Ablehnung die auswärtige Ausbildung nicht anzuerkennen, wurde mir die Familienbeihilfe abgelehnt. Durch die Entscheidung des "Unabhängigen Finanzsenates" hat sich die Situation so verändert, dass die Familienbeihilfe gewährt werden müsste. Dies ist ein unvorhergeschehenes Ereignis, da wir nicht annehmen mussten, dass die zu entscheidende Behörde willkürlich entscheidet. Es liegt sicher kein grobes Verschulden meinerseits vor, außer man bewertet mein Vertrauen in die Behörde als grobes Verschulden. Ich halte alle gestellten Anträge aufrecht."

Über die Berufung wurde erwogen:

Nach § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag einer Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Ziel der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist es, Rechtsnachteile zu beseitigen, die einer Partei daraus erwachsen, dass sie eine Frist ohne grobes Verschulden versäumt hat. Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung sind daher - neben der Versäumung einer Frist und einem hiedurch entstandenen Rechtsnachteil - ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis und kein grobes Verschulden auf Seiten des Wiedereinsetzungswerbers (zB. Ritz, BAO 2. Auflage, § 308 Tz 1f.).

Unvorhergesehen ist ein Ereignis, das die Partei nicht einberechnet hat und dessen Eintritt sie auch unter Bedachtnahme auf die ihr persönlich zumutbare Aufmerksamkeit und Vorsicht nicht erwarten konnte. Unabwendbar ist ein Ereignis hingegen dann, wenn es die Partei mit den einem Durchschnittsmenschen zur Verfügung stehenden Mitteln nicht verhindern konnte, auch wenn sie dessen Eintritt voraussah (Ritz, aaO, § 308 Tz 9f., mwN).

Rechtsunkenntnis oder Rechtsirrtum sind nach der ständigen Judikatur des VwGH keine tauglichen Wiedereinsetzungsgründe (zB VwGH vom 15. Juni 1993, 93/14/0011; vom 18. Dezember 1996, 95/16/0311; vom 26. Februar 1997, 97/12/0003; vom 22. November 1999, 96/17/0415; siehe dazu auch Stoll, BAO, 2984).

Ein lediglich minderer Grad des Versehens ist der leichten Fahrlässigkeit iSd. § 1332 ABGB gleichzusetzen. Keine leichte Fahrlässigkeit liegt vor, wenn jemand auffallend sorglos handelt (zB. VwGH vom 15. Juni 1993, 93/14/0011). Auffallend sorglos handelt, wer die im Verkehr mit Behörden und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und persönlich zumutbare Sorgfalt außer Acht lässt (VwGH vom 15. Mai 1997, 96/15/0101).

Wie auch vom Finanzamt zutreffend ausgeführt wurde, kann im gegebenen Fall kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erblickt werden, zumal das Abwarten einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes in einem gleichartigen Fall einen derartigen Grund nicht darstellt.

Aus den angeführten Gründen war daher wie im Spruch zu entscheiden.

Linz, am 19. Dezember 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

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