Austausch des Wiederaufnahmsgrundes laut Antrag durch den Bw. in Berufung ist unzulässig
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/13/0148 eingebracht.
Entscheidungstext
Bescheid
Die Berufung des LP, vom 12. September 2008 idF der vier ergänzenden Schriftsätze vom 15. September 2008, vom 16. September 2008, vom 17. September 2008 und 18. September 2008 gegen den die Anträge auf Wiederaufnahme der Verfahren bezüglich Umsatzsteuer für die Jahre 2000, 2001, 2003 und Einkommensteuer für die Jahre 2002 und 2003 gemäß § 303 Abs. 1 lit. c BAO abweisenden Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg vom 5. September 2008 gilt gemäß § 275 der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl Nr. 1961/194 idgF, als zurückgenommen.
Begründung
Da dem Auftrag vom 28. Oktober 2008, den Mangel der Berufung zu beheben, innerhalb der gesetzten Frist nicht entsprochen wurde, hatte die gesetzlich vorgesehene Rechtsfolge einzutreten.
Der Berufungswerber (Bw) brachte bei der Amtspartei sechs im Wesentlichen inhaltsgleiche Schriftsätze ein, und zwar 1.) den Wiederaufnahmsantrag vom 1. September 2008 bezüglich Umsatzsteuer 2000, 2.) den Wiederaufnahmsantrag vom 2. September 2008 bezüglich Umsatzsteuer 2001, 3.) die Ergänzung vom 28. August 2008 zur Berufung vom 8. Oktober 2003 bezüglich Umsatzsteuer für das Jahr 2002, 4.) den Wiederaufnahmsantrag vom 29. August 2008 bezüglich Einkommensteuer 2002, 5.) den Wiederaufnahmsantrag vom 28. August 2008 bezüglich Umsatzsteuer 2003 und 6.) den Wiederaufnahmsantrag vom 28. August 2008 bezüglich Einkommensteuer für das Jahr 2003.
Die Berufungsergänzung trägt den Vermerk "wird als Antrag § 303 gewertet", wurde also von der Amtspartei in einen Wiederaufnahmsantrag umgedeutet und wird gesondert unter der ha. Zahl RV/3182-W/08 erledigt. Verfahrensgegenständlich ist sohin über die Berufung nur insoweit abzusprechen, als damit nach dem Parteiwillen des Bw so bezeichnete Wiederaufnahmsanträge abgewiesen wurden. Dieser Teil des Spruches des angefochtenen Bescheides stellt die Rechtssache im gegenständlichen Berufungsverfahren dar.
Den Schriftsätzen ist ein Pressespiegel zur Mietzinshöhe des betreffenden Jahres angeschlossen. Aus den Wiederaufnahmsanträgen ergibt sich, dass der Bw Ende August von zwei näher bezeichneten Institutionen die Preisspiegel über Mieten in Wien der Jahre 2000 bis 2003 erhalten hat. Daraus sei ersichtlich, so der Bw weiter in seinem Begehren, "dass die Abgabenbehörde de facto gesetzwidrigerweise keine Ermittlungen, über die zur Lösung der Vorfrage essentielle übliche Höhe der Miete für die damals von mir an Frau F vermietete Wohnung im ersten Stock meiner damaligen Liegenschaft X-Gasse, durchgeführt hat."
Aus den Preisspiegeln sei ersichtlich, dass in den Jahren 2000 bis 2003 für Wohnungen in Wien in sehr guten Lagen ein monatlicher Mietzins von ATS 94,00 bis 111/m2 im Jahr 2000, von € 8,68/m2 im Jahr 2001, von € 8,80/m2 im Jahr 2002 und von € 9,80/m2 im Jahr 2003 üblich gewesen sei. Bei 116 m2 ergebe das einen durchschnittlichen monatlichen Mietzins von ATS 11.890,00 im Jahr 2000, von € 1.006,88 im Jahr 2001, von € 1.020,80 im Jahr 2002 und von € 1.136,80 im Jahr 2003. Frau F habe jedoch einen monatlichen Mietzins von bloß ATS 5.085,00 bezahlt.
Weiter folgert der Bw, dass er aufgrund des wegen des gewährten zinsenlosen Kredites von ATS 500.000,00 ermäßigten Mietzinses einen monatlichen Mietzinsentgang bzw. Zinsentgang von ATS 6.805,00 im Jahr 2000, von € 637,33 im Jahr 2001, von € 651,25 im Jahr 2002 und von € 767,25 im Jahr 2003 und somit einen Mietzinsausfall bzw. Zinsausfall von ATS 81.660,00 im Jahr 2000, von € 7.647,96 im Jahr 2001, von € 7.815,00 im Jahr 2002 und von € 7.672,50 im Jahr 2003 erlitten habe. Dieser Verlust sei bei der Neuberechnung der Einkommensteuer für die Jahre 2002 und 2003 und Umsatzsteuer 2000 bis 2003 zu berücksichtigen. Es lägen daher auch keine umsatzsteuerpflichtige freiwillige Zahlung der Frau F vor. Nutznießerin des Kredites sei Frau F gewesen, die durch Hingabe eines zinsenlosen Kredites einen Gewinn in der vom Bw erlittenen Höhe des Mietzinsausfalls bzw. Zinsausfalls lukriert habe.
Zum Verständnis des zinsenlosen Kredites wird auf die ha. Berufungsentscheidung vom 23. März 2004, RV/4468-W/02, verwiesen, die der Verwaltungsgerichtshof insoweit mit Erkenntnis vom 4.6.2008, 2004/13/0124, als rechtskonform bestätigt hat. Im Erwägungsteil der genannten Berufungsentscheidung wird unter Punkt 10b "Schätzung Vermietungsentgelt" nach Wiedergabe der Rechtsgrundlagen ausgeführt:
"Aus der von Frau F erteilten Auskunft geht eindeutig hervor, dass sie zur Erlangung des Mietvertrages freiwillig über den im Mietvertrag vereinbarten Mietzins hinausgehend Beträge aufgewendet hat, indem sie auf eigene Zinsen aus dem zinsenlos hingegebenen Privatdarlehen iHv ATS 500.000,- verzichtet hat. In Höhe dieser durch Verzicht von der Leistungsempfängerin aufgewendeten Zinsen ist dem Bw somit ein zusätzliches Entgelt iSd § 4 Abs. 2 Z 1 UStG 1994 für das Vermietungsobjekt zugeflossen. Diese Zinsen wurden mit jährlich ATS 30.000,- gemäß § 184 BAO geschätzt. Der Bw ist der Höhe der angesetzten Zinsen nicht entgegengetreten."
Mit Sammelbescheid vom 5. September 2008 wies die Amtspartei (neben der Berufungsergänzung) diese fünf Wiederaufnahmsanträge ab und führte nach Wiedergabe der verba legalia des § 303 Abs. 1 BAO aus, dass im gegenständlichen Fall ein Wiederaufnahmsgrund iSd § 303 BAO nicht vorliege (Mietenpreisspiegel für Wien).
Gegen diesen Bescheid berief der Bw - verfahrensgegenständlich - mit fünf fristgerechten und im Wesentlichen inhaltsgleichen Schriftsätzen, und zwar mit Schriftsatz vom 12. September 2008 bezüglich Abweisung des Wiederaufnahmsantrages vom 1. September 2008, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2000; mit Schriftsatz vom 15. September 2008 bezüglich Abweisung des Wiederaufnahmsantrages vom 2. September 2008 betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2001; mit Schriftsatz vom 16. September 2008 bezüglich Abweisung des Wiederaufnahmsantrages vom 29. August 2008, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2002; mit Schriftsatz vom 18. September 2008 bezüglich Abweisung des Wiederaufnahmsantrages vom 28. August 2008, betreffend Umsatzsteuer für das Jahr 2003 und mit Schriftsatz vom 17. September 2008 bezüglich Abweisung des Wiederaufnahmsantrages 28. August 2008, betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2003.
Begründend wird jeweils vorgebracht, der die Abweisung aussprechende Bescheid sei mangelhaft begründet, da nicht begründet worden sei, warum der Preisspiegel kein neues Beweismittel darstelle. Bei sorgfältiger Ermittlung durch die Abgabenbehörde gemäß § 115 BAO wären die aufzuhebenden Abgabenbescheide bei Beachtung der üblichen Mietzinse im betreffenden Bezirk für den Bw günstiger ausgefallen. Weiters wird die Behauptung aufgestellt, der Preisspiegel stelle ein neu hervorgekommenes Beweismittel dar, dessen Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahren einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Es wurde erwogen:
Es ist zulässig, wenn eine Behörde zur Erledigung gleichgelagerter Anbringen diese in einem Verfahren verbindet und in einem Sammelbescheid darüber abspricht. Da ein Bescheid bereits von einer form- und fristgerechten Berufung angefochten wird, sind weitere gegen diesen Bescheid gerichtete Berufungsschriftsätze als Ergänzungsschriftsätze zur Berufung anzusehen.
In den der Berufung zu Grunde liegenden Wiederaufnahmsanträgen wirft der Bw der Abgabenbehörde die Unterlassung von Ermittlungen "über die zur Lösung der Vorfrage essentielle übliche Höhe der Miete für die ... vermietete Wohnung" vor. Der Bw führt zwar zuvor aus, den Mietenspiegel des betreffenden Jahres am 26. bzw. 29. August 2008 erhalten zu haben, verbindet aber im zweiten Satz den Mietenspiegel mit der Lösung der Vorfrage. Er bezeichnet den Mietenspiegel nicht als neues (neu hervorgekommenes) Beweismittel.
Den Begriff "Vorfrage" konnte der Bw nur bei Kenntnis des Gesetzestextes tun, denn es ist eine allgemeine Erfahrungstatsache, dass ein "neues Beweismittel" als Wiederaufnahmsgrund beim rechtsuchenden Staatsbürger einen höheren Bekanntheitsgrad besitzt als der Vorfragentatbestand. Demgegenüber verwendet der Bw den terminus technicus des "neuen Beweismittels, dessen Kenntnis allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte" erst in der Berufung.
Aus der Vielzahl vom Bw geführten Verfahren, die auch zahlreichen Anträge auf Wiederaufnahme einschließen, ist ebenfalls davon auszugehen, dass der Bw eine ausreichende Kenntnis des Verfahrensrechtes in Bezug auf Wiederaufnahme hat. Auch ist bekannt, dass der Bw im Besitz des BAO-Handbuches, Lindeverlag, mit Kommentar zum neuen Abgabenrechtsmittelreformgesetz, von MR Prof. Mag. Dr. Christoph Ritz ist.
Auf die Sinnhaftigkeit des Parteiwillens kommt es für die Zulässigkeit eines Anbringens nicht an, doch kann gerade bei dieser Partei für die Behörde das Kriterium für die Entscheidung nur der Wortlaut im Anbringen sein. Wenn der Bw daher in seinen Wiederaufnahmsanträgen von "Lösung der Vorfrage" spricht, dann ist davon auszugehen, dass er den Vorfragentatbestand des § 303 Abs. 1 lit. c BAO meint. Wenn der Bw von einer Berufungsergänzung spricht, dann meint er eine solche.
Es ist nach dem Wortlaut der Wiederaufnahmsanträge daher davon auszugehen, dass mängelfreie Wiederaufnahmsanträge iSd § 303a Abs. 1 BAO vorliegen, die als Wiederaufnahmsgrund die seinerzeitige Unterlassung der Lösung der Vorfrage iSd § 303 Abs. 1 lit. c BAO ins Treffen führen, weshalb die Amtspartei zu einer materiellen Entscheidung berechtigt war. Einem Mängelbehebungsverfahren bezüglich des Fehlens des groben Verschuldens iSd § 303a Abs. 1 lit. d BAO bedurfte es daher nicht.
Die Wiederaufnahmsanträge stützen sich auf den Vorfragentatbestand iSd lit. c des § 303 Abs. 1 BAO, wohingegen die Berufungsbegründung den Neuerungstatbestand iSd lit. b des § 303 Abs. 1 BAO ins Treffen führt. Nach Ansicht des UFS erfolgt damit ein unzulässiger Austausch des Wiederaufnahmsgrunds im Berufungsverfahren. Der Bw verlässt damit die den Gegenstand des Berufungsverfahrens bildende Rechtssache. Damit fehlt der Berufung aber auch eine Begründung in der Rechtssache, was diese inhaltlich mangelhaft macht.
Im Sinne obiger Überlegungen erging an den Bw unter Hinweis auf die Rechtsfolge der Zurücknahmefiktion der Auftrag vom 28. Oktober 2008, den inhaltlichen Mangel einer fehlenden Begründung iSd § 250 Abs. 1 lit. d BAO innerhalb einer Frist von zwei Wochen ab Erhalt dieses Schreibens zu beheben. Der Bw beantwortete den Mängelbehebungsauftrag mit Schriftsatz vom 4. November 2008 (PDF-Dokument):
Zum Punkt 6 wird der Bw auf seine fünf Anträge und bezüglich Umsatzsteuer 2002 auf seine Berufungsergänzung verwiesen. Gegen die Abweisung der in einen Wiederaufnahmsantrag umgedeuteten Berufungsergänzung hat der Bw jedoch ebenfalls einen gesonderten Berufungsschriftsatz eingebracht, und diese Umdeutung - zu Recht - als rechtwidrig bekämpft. Im Übrigen wird festgestellt, dass der Bw mit dem Schriftsatz vom 4. November 2008 den Mangel der Berufung nicht behoben hat.
Obiter dictum: Der Bw irrt, wenn er vermeint einen Verlust an Mietzins bzw. Zinsen erlitten zu haben. Einen Einnahmenausfall kann nur erleiden, wer zuvor die entsprechenden Einnahmen vereinbart hat. Wie den Wiederaufnahmsanträgen aber mit Sicherheit entnommen werden kann, hat der Bw mit seiner ehemaligen Mieterin, Frau F, keinen Mietvertrag mit einem Mietzins in einer Höhe wie in den Wiederaufnahmsanträgen angeführt abgeschlossen.
Nach § 4 Abs. 1 BAO entsteht der Abgabenanspruch, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft.
Nicht vereinbarte Einahmen und damit nicht zufließende Einnahmen sind keine verwirklichten Sachverhalte, weshalb anders lautende Umsatz- und Einkommensteuerbescheide ohnedies nicht ergehen könnten, denn der Bw erfasst sowohl einkommen- als auch umsatzsteuerlich die Einnahmen bzw. Entgelte nach dem Prinzip der Vereinnahmung, dem Ist-Prinzip.
Die Berücksichtigung eines fiktiven Einnahmenausfalles wäre nur denkbar, wenn auch die fiktiven Einnahmen erfasst würden, was wiederum zum selben steuerlichen Ergebnis führte.
Zu den vom Bw vermissten Ermittlungen iSd § 115 BAO ist zu sagen, dass für die Abgabenbehörden keine gesetzliche Verpflichtung besteht, die Abgabenpflichtigen zu informieren, dass Geschäfte nicht optimal abgeschlossen wurden. Für die Abgabenbehörden besteht nur dann eine Verpflichtung, die Wirtschaftlichkeit von Einkunftsquellen und Unternehmen bzw. Unternehmensteilen zu überprüfen, wenn dauerhaft Verluste erwirtschaftet werden und sich somit die Frage der Liebhaberei iSd Liebhabereiverordnung, BGBl. 33/1993 idgF, stellt.
Wien, am 10. November 2008