UFS RV/0363-I/07

UFSRV/0363-I/0718.9.2008

Antrag auf Nachsicht gemäß § 236 BAO

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2009/15/008 eingebracht. Mit Erk. v. 20.5.2010 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, Adr, vom 12. Juli 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Innsbruck vom 9. Juni 2006 betreffend Abweisung eines Antrages auf Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der Spruch des angefochtenen Bescheides wird dahingehend geändert, als sich die Abweisung des Nachsichtsersuchens auf einen Betrag von € 172.126,04 bezieht.

Entscheidungsgründe

Infolge einer abgabenbehördlichen Prüfung der Aufzeichnungen gemäß § 151 Abs. 3 BAO nahm das Finanzamt das Verfahren hinsichtlich der Einkommensteuer für die Jahre 1996 bis 1998 wieder auf und erließ am 29. September 2000 neue Sachbescheide.

Mit Eingabe vom 29. Mai 2006 stellte der Berufungswerber (im Folgenden kurz: Bw) den Antrag, die sich daraus ergebenden Einkommensteuernachforderungen gemäß § 236 BAO wegen Vorliegens einer sachlichen und persönlichen Unbilligkeit nachzusehen.

Hinsichtlich des Vorliegens einer sachlichen Unbilligkeit verwies der Bw auf die in der Sache anhängige Verwaltungsgerichtshofbeschwerde.

Das Vorliegen der persönlichen Unbilligkeit wurde damit begründet, dass die Finanzbehörde gegen den Bw Exekution durch Zwangsverwaltung der Liegenschaftsanteile führe. Dadurch würde dem Bw und seiner Familie nicht einmal das Existenzminimum verbleiben. Dazu komme, dass wegen der zu erwartenden Kosten für die Zwangsverwaltung die Kreditverbindlichkeiten nicht mehr zur Gänze abgedeckt werden könnten, was unweigerlich zur Versteigerung der Liegenschaftsanteile führe und einer Verschleuderung seines Vermögens und Vernichtung seiner Existenzgrundlage gleichkomme.

Das Finanzamt wies den Antrag auf Nachsicht mit Bescheid vom 9. Juni 2006 ab. Es sei weder eine sachliche noch aufgrund der Vermögensverhältnisse eine persönliche Unbilligkeit gegeben. Aus den Ausführungen des Bw ergebe sich darüberhinaus, dass eine stattgebende Erledigung des Ansuchens in jedem Fall eine Bevorzugung anderer Gläubiger gegenüber der Republik Österreich nach sich ziehen würde. Für eine positive Ermessensentscheidung bliebe deshalb kein Raum.

Dagegen richtet sich die im Wesentlichen gleichlautende Berufung vom 12. Juli 2006. Ergänzend wurde vorgebracht, dass die Behauptung, eine stattgebende Erledigung habe eine Bevorzugung anderer Gläubiger zur Folge, nicht nachvollziehbar sei, da die Mietzinseinnahmen der dem Bw verbliebenen Wohnungseigentumeinheiten schon vor Entstehen der gegenständlichen Abgabenverbindlichkeiten an die Bank zediert worden seien.

Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 25. April 2007 als unbegründet ab.

Dagegen wurde mit Eingabe vom 25. Mai 2007 der Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz eingebracht. Ergänzend brachte der Bw darin vor, dass entgegen der Annahme in der Berufungsvorentscheidung der monatliche Ertrag nicht € 3.622,01 sondern € 11.711,70 ausmachen würde. Diesem stünden Aufwendungen in Höhe von € 10.284,00 gegenüber. Es verbleibe also ein Überling von € 1.427,70 zur Abdeckung der Lebenshaltungskosten für den Bw und seine Familie. Wenn nun auch dieser Betrag seitens des Finanzamtes zur Exekution herangezogen würde, so wäre seine wirtschaftliche Existenz und die seiner Familie vernichtet.

Über die Berufung wurde erwogen:

Der Entscheidung wird folgender Sachverhalt zu Grunde gelegt:

Der Bw erwarb auf Grund der Übergabeverträge vom 20. März 1986 und vom 19. Mai 1992 (Allein-)Eigentum an einer Liegenschaft in X. mit einer Fläche von 2.107 m2. Das Grundstück liegt im Zentrum des Stadtteiles Y.. Zu diesem Zeitpunkt befanden sich auf der Liegenschaft ein Altbestand an zwei Häusern, ein Rohbau sowie ein alter Stadel.

Auf der Liegenschaft wurden in den nachfolgenden Jahren zwei Geschäfts- und Wohnhausanlagen errichtet und Wohnungseigentumseinheiten verkauft. Diese Tätigkeit wurde seitens des Finanzamtes als gewerblicher Grundstückshandel betrachtet. Dieses nahm das Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer 1996 bis 1998 wieder auf und erließ am 29. September 2000 neue Sachbescheide.

Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Finanzsenates vom 12. Juli 2005 als unbegründet abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof bestätigte diese Entscheidung in seinem Erkenntnis vom 21. September 2006, GZ 2006/xx/xxxx.

Zur Bestreitung des Lebensunterhaltes stehen nach den Angaben des Bw monatlich rund € 1.400,00 zur Verfügung.

Beweiswürdigung:

Der relevante Sachverhalt ergibt sich aus dem vom Finanzamt vorlegten Einbringungsakt und hinsichtlich des zur Verfügung stehenden Betrages zur Bestreitung des Lebensunterhaltes aus den Angaben im Vorlageantrag.

Rechtliche Erwägungen:

Nach § 236 Abs. 1 BAO können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach Lage des Falles ist dabei tatbestandsmäßige Voraussetzung für das in § 236 BAO vorgesehene Ermessen.

Den Antragsteller trifft dabei eine erhöhte Mitwirkungspflicht. Er hat somit einwandfrei und unter Ausschluss jeglichen Zweifels das Vorliegen jener Umstände darzutun, auf die die Nachsicht gestützt werden kann (vgl. Ritz, BAO3 §236 Tz 4 mwH zur Rsp)

Gemäß § 1 der Verordnung des Bundesministers für Finanzen betreffend Unbilligkeit der Einhebung im Sinn des § 236 BAO, BGBl II Nr. 435/2005, kann die Unbilligkeit persönlicher oder sachlicher Natur sein.

§ 2 der Verordnung lautet:

"§ 2. Eine persönliche Unbilligkeit liegt insbesondere vor, wenn die Einhebung

1. die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner ihm gegenüber unterhaltsberechtigten Angehörigen gefährden würde; 2. mit außergewöhnlichen wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, etwa wenn die Entrichtung der Abgabenschuldigkeit trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Vermögensveräußerung möglich wäre und dies einer Verschleuderung gleichkäme."

§ 3 der Verordnung lautet:

"§ 3. Eine sachliche Unbilligkeit liegt bei der Einhebung von Abgaben insbesondere vor, soweit die Geltendmachung des Abgabenanspruches

1. von Rechtsauslegungen des Verfassungsgerichtshofes oder des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn im Vertrauen auf die betreffende Rechtsprechung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden; 2. in Widerspruch zu nicht offensichtlich unrichtigen Rechtsauslegungen steht, die a) dem Abgabepflichtigen gegenüber von der für ihn zuständigen Abgabenbehörde erster Instanz geäußert oder b) vom Bundesministerium für Finanzen im Amtsblatt der österreichischen Finanzverwaltung veröffentlicht wurden, wenn im Vertrauen auf die betreffende Äußerung bzw. Veröffentlichung für die Verwirklichung des die Abgabepflicht auslösenden Sachverhaltes bedeutsame Maßnahmen gesetzt wurden; 3. zu einer internationalen Doppelbesteuerung führt, deren Beseitigung ungeachtet einer Einigung in einem Verständigungsverfahren die Verjährung oder das Fehlen eines Verfahrenstitels entgegensteht."

Die angebliche Auskunft eines Finanzbeamten gegenüber dem ehemaligen Steuerberater des Bw kann jedoch keinen Vertrauensschutz im Sinne des § 3 Z 2a der Verordnung gewährleisten. Abgesehen davon, dass der Bw den Finanzbeamten nicht namentlich anführt, ist diesem Vorbringen entgegen zu halten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beurteilung eines Verhaltens der Abgabenbehörde als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben einerseits voraussetzt, dass ein unrechtes Verhalten der Behörde, auf das der Abgabenpflichtige vertraut hat, eindeutig und unzweifelhaft für ihn zum Ausdruck gekommen ist, und andererseits, dass der Abgabenpflichtige seine Dispositionen danach eingerichtet und er als Folge hievon einen abgabenrechtlichen Nachteil erlitten hat.

Eine (fern-)mündliche Auskunft birgt aber immer die Möglichkeit von Irrtümern und ungenauen Erklärungen in sich. Dem Bw wäre es daher zuzumuten gewesen, sein Auskunftsverlangen unter Darstellung der maßgeblichen Umstände schriftlich zu stellen und eine entsprechende schriftliche Antwort abzuwarten. Hat sich der Abgabenpflichtige allein auf eine mündliche Auskunft verlassen, ist ihm der Vorwurf zu machen, sich nicht in der gebotenen Sorgfalt des Problems angenommen zu haben. Er kann sich demzufolge auch nicht darauf berufen (vgl. zB VwGH 21. 6. 2004, 2003/17/0334).

Die Rechtsprechung sieht eine sachliche Unbilligkeit auch darin, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt und es verglichen mit anderen Fällen zu einer atypischen Belastungswirkung kommt. Eine sachliche Unbilligkeit des Einzelfalles liegt aber nicht vor, wenn die Abgabennachforderung ganz allgemein die Auswirkungen einer generellen Rechtsnorm ist, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage trifft.

Die Abgabenbehörde soll damit die Möglichkeit eröffnet werden, eine aufgrund besonderer Umstände eingetretene besonders harte Auswirkung der Abgabenvorschriften, die der Gesetzgeber, wäre sie vorhersehbar gewesen, vermieden hätte, zu mildern.

Im zu beurteilenden Fall ergibt sich die Einkommensteuerpflicht aus einer generellen Rechtsnorm, die alle Wirtschaftstreibenden in ähnlicher Lage trifft. Es kann auch nicht von einer atypischen Belastungswirkung gesprochen werden. Eine sachliche Unbilligkeit kann deshalb in der Einkommensteuernachforderung nicht erblickt werden.

Der Bw vermochte aber auch nicht das Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit zweifelsfrei darzulegen. Die im Wesentlichen ins Treffen geführte Zwangsverwaltung der Liegenschaftsanteile wurde bereits mit Beschluss des BG Innsbruck vom 10. Juli 2006 aufgehoben. Die damit begründete Existenzbedrohung - eine solche muss durch die Abgabeneinhebung verursacht oder zumindest entscheidend mitverursacht sein - liegt daher nicht vor.

Auch das Vorbringen, dass infolge der Zwangsverwaltung die Kreditverbindlichkeiten nicht mehr bedient werden könnten und dies unweigerlich zur Versteigerung der Liegenschaftsanteile mit damit verbundener Vermögensverschleuderung führen würde, geht deshalb ins Leere. Abgesehen davon wurden bereits vom ehemaligen Zwangsverwalter die Abtretung der Mietzinseinnahmen an die X-Bank bzw. das vorrangige Pfandrecht der Y-Bank aner-kannt. Eine allfällige Veräußerung von Vermögenswerten an sich, um die Abgabenentrichtung zu gewährleisten, ergibt noch keine Unbilligkeit.

Im Übrigen würde sich durch eine Nachsicht, wie bereits vom Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung zutreffend angeführt, kein Sanierungseffekt ergeben, da sich am bekannt gegebenen Einkommen, aus dem nach den Angaben des Bw die Lebenshaltungskosten bestritten werden müssen, nichts ändern würde. So werden beispielsweise auch ohne Setzung einer Einbringungsmaßnahme seitens des Finanzamtes die laufenden Umsatzsteuervorauszahlungen nicht fristgerecht entrichtet.

Im Ergebnis verbleibt somit mangels Vorliegens weder einer sachlichen noch einer persönlichen Unbilligkeit kein Raum für eine Ermessenentscheidung.

Doch selbst wenn man vom Vorliegen einer persönlichen Unbilligkeit ausgehen würde, wäre im Rahmen der in diesem Fall nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffenden Ermessensentscheidung eine Nachsicht nicht zu gewähren.

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Parteien" und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung von "öffentliches Interesse, insbesondere an der Einbringung der Abgaben" beizumessen (vgl. VwGH 17.5.2004, 2003/17/0132).

Im gegenständlichen Fall müsste der Zweckmäßigkeit gegenüber der Billigkeit der Vorzug gegeben werden.

Es widerspricht der Billigkeit, wenn die mangelnde Leistungsfähigkeit auf eine vom Bw abgeschlossene Zessionsvereinbarung zurückzuführen ist, wodurch zwar die Forderungen des Kreditgläubigers befriedigt werden, der Abgabengläubiger auf seine Forderungen jedoch verzichten soll. Eine derartige Ungleichbehandlung verschiedener Gläubiger ist vom Gesetzgeber nicht gewollt.

Hinzu kommt, dass der Bw bzw. sein Steuerberater nach seinem Vorbringen (angebliche mündliche Auskunft durch einen Finanzbeamten) zwar offensichtlich Zweifel am Bestehen einer Einkommensteuerpflicht gehabt hat, es aber unterlassen hat, vor den entsprechenden Dispositionen eine schriftliche Auskunft unter Darlegung aller maßgeblichen Umstände beim Finanzamt einzuholen.

Aufgrund der Situation des Bw ist bei einer Nachsicht der gegenständlichen Abgabenschuldigkeiten auch nicht von einer wirtschaftlichen Erholung auszugehen. Wie bereits oben angeführt, würde sich an der Einkommenssituation nichts ändern.

Der im angefochtenen Bescheid genannte Nachsichtsbetrag von € 253.053,04 war jedoch auf den Betrag von € 172.126,04 abzuändern, da der Antrag auf Nachsicht zwar keinen bestimmten Betrag enthält, sich aber erkennbar nur auf die Einkommensteuernachforderungen für die Jahre 1996 bis 1998 bezieht und die Entscheidung der Abgabenbehörde nicht über das Ansuchen hinaus gehen darf.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 18. September 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 236 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

generelle Norm, Einkommensteuerpflicht, Existenzgefährdung

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