UFS RV/0258-G/08

UFSRV/0258-G/0827.6.2008

Nachsichtsansuchen, keine persönliche Unbilligkeit, fehlende zumutbare Vorsorge

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der AR, vertreten durch C&P, vom 14. Mai 2008 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom 28. April 2008 betreffend Nachsicht gemäß § 236 BAO entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Am 30. November 2007 langte beim Finanzamt ein Nachsichtsansuchen über den Betrag von 13.761,89 € ein. In der Begründung führte die steuerliche Vertretung der Berufungswerberin (Bw.) aus, dass im Jahr 2006 die Betriebsaufgabe der A KG, an der die Bw. zu 60% beteiligt war, erfolgte. Die Einkünfte 2006 würden einzig aus der Zuweisung eines Aufgabegewinns sowie des aufgrund des Lagerabverkaufes sehr hohen laufenden Gewinns resultieren. Aus diesem Grund sei die ESt 2006 in Höhe von 13.761,89 € festgesetzt worden, aus der auch der Rückstand am Finanzamtskonto resultiere. Seit der Betriebsaufgabe beziehe die Bw. nur mehr Pensionseinkünfte in Höhe von ca. netto 1.120,05 € monatlich. Die bis zur Betriebsaufgabe bestehenden Bankschulden werden von der Bw. in Raten von 100 € monatlich bis April 2016 abbezahlt. Die zur Lebenshaltung verfügbaren Mittel würden daher nur ca. 1.020,05 monatlich betragen und lägen damit nur knapp über dem Existenzminimum von 928,90 €. Eine Abbezahlung in Raten von 190 € würde ohne Berücksichtigung von Stundungszinsen mehr als 6 Jahre dauern. Die Einhebung der Abgaben würden zu einer persönlichen Unbilligkeit führen, da diese mit einer Bedrohung der Existenz der Bw. verbunden wäre.

Dieses Ansuchen wurde mit Bescheid vom 28. April 2008 abgewiesen. Das Finanzamt führte dazu aus, gem. § 236 BAO könnten auf Antrag des Abgabepflichtigen fällige Abgabenschuldigkeiten ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach Lage des Falles unbillig wäre. Diese Unbilligkeit könne entweder sachlich oder persönlich bedingt sein. Sachliche Unbilligkeit liege vor, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintrete. Es könnten somit Auswirkungen der allgemeinen Rechtslage, die alle Abgabepflichtigen in gleicher Weise berühren, nicht zur Unbilligkeit der Einhebung im Einzelfall führen. Dies scheine im vorliegen Fall jedenfalls gegeben. Persönliche Unbilligkeit ergebe sich aus der wirtschaftlichen Situation des Antragstellers. Diese liege aber nur vor, wenn die Einhebung der Abgabe die Existenz des Abgabepflichtigen oder seiner Familie gefährde oder die Abstattung mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten (so insbesondere einer Vermögensverschleuderung) verbunden wäre. Die deutlichste Form der persönlichen Unbilligkeit liege somit in der Existenzgefährdung. Diese sei zwar vorgebracht worden, könne aber auf Grund der Einkommens- und/oder Vermögensverhältnisse (vorhandenes und unter Umständen belastungsfähiges Grundvermögen) nicht vorliegen. Da aber eine allfällige Nachsicht sich im Hinblick auf den von der Bw. bekannt gegebenen Sachverhalt ausschließlich zu Lasten der Abgabenverwaltung und unter Umständen zu Gunsten anderer Gläubiger auswirken würde (bzw. bereits ausgewirkt habe) könne von einer Existenzgefährdung gerade durch die Einhebung der gegenständlichen Abgabe, nicht gesprochen werden.

In der Berufung wurde nach Darstellung des bisherigen Verfahrensablaufes ergänzend vorgebracht, dass eine Ratenzahlung mit den maximal pfändbaren Beträgen fast 12 Jahre dauern würde. Die Bw. müsse daher die nächsten 12 Jahre am Existenzminimum leben. Im Vergleich dazu sei bei einem Privatkonkurs mit Abschöpfungsverfahren eine Restschuldbefreiung bereits nach 7 Jahren möglich. Des weiteren werde die Ansicht vertreten, dass eine Unbilligkeit der Einhebung der Abgabe aufgrund der Vermögenssituation gegeben sei, da ausser dem Eigenheim der Bw. keinerlei Vermögensgegenstände (Grundstücke, Gebäude, Beteiligungen...) vorhanden seien. Das Eigenheim stehe nur zu 50% im Eigentum der Bw. Eine nur durch Veräußerung des Eigenheimes mögliche Entrichtung der Abgabe führe dazu, dass auch der Ehegatte der Bw. zur Veräußerung seines Anteiles am Eigenheim gezwungen wäre. Die Veräußerung käme unter den o.a. Umständen einer Vermögensverschleuderung gleich. Die Einhebung bzw. die Abstattung der Abgabe sei nur mit außergewöhnlichen Schwierigkeiten verbunden.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 236 Abs. 1 BAO (Bundesabgabenordnung, BGBl. 194/1961) können fällige Abgabenschuldigkeiten auf Antrag des Abgabepflichtigen ganz oder zum Teil durch Abschreibung nachgesehen werden, wenn ihre Einhebung nach der Lage des Falles unbillig wäre. Dies gilt entsprechend Abs. 2 leg. cit. auch für bereits entrichtete Abgaben.

Die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung nach der Lage des Falles ist tatbestandsmäßige Voraussetzung für die im § 236 BAO vorgesehene Ermessensentscheidung. Verneint die Abgabenbehörde die Unbilligkeit der Abgabeneinhebung, so ist für eine Ermessensentscheidung kein Raum.

Nach Lehre und ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe für viele Ritz, Bundesabgabenordnung², Rz 9ff zu § 236, 559f und die dort zitierte Judikatur) setzt Unbilligkeit der Einhebung im Allgemeinen voraus, dass die Einhebung in keinem wirtschaftlich vertretbaren Verhältnis zu jenen Nachteilen stünde, die sich aus der Einziehung für den Steuerpflichtigen oder für den Steuergegenstand ergeben. Die Unbilligkeit kann "persönlich" oder "sachlich" bedingt sein.

Eine "sachliche" Unbilligkeit ist anzunehmen, wenn im Einzelfall bei Anwendung des Gesetzes aus anderen als aus "persönlichen" Gründen ein vom Gesetzgeber offenbar nicht beabsichtigtes Ergebnis eintritt. Jedenfalls muss es zu einer anormalen Belastungswirkung und verglichen mit ähnlichen Fällen, zu einem atypischen Vermögenseingriff kommen.

Wie dem bereits zitierten Wortlaut des § 236 Abs. 1 BAO zu entnehmen ist, bedarf die Gewährung einer Abgabennachsicht eines Antrages. Ein derartiger Antrag kann aber nicht bloß als Formalerfordernis angesehen werden. Vielmehr kann unter einem Antrag im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO nur ein begründeter Antrag verstanden werden. Voraussetzung dafür, dass die Abgabenbehörde im Rahmen ihrer amtswegigen Ermittlungspflicht die Gründe prüft, die für eine Abgabennachsicht sprechen, ist daher, dass solche Gründe vom Antragsteller geltend gemacht werden. Die Bw. hat jedoch im gesamten Verfahren keine sachliche Unbilligkeit behauptet und auch keine Argumente in der Begründung ihres Antrages oder im übrigen Verfahren vorgebracht, welche sich in diese Richtung deuten lassen würden, sodass sich ein weiteres Eingehen darauf erübrigt.

Vielmehr ist die Argumentationslinie der Bw. auf eine "persönliche" Unbilligkeit der Abgabenentrichtung ausgerichtet.

Eine "persönliche" Unbilligkeit liegt insbesondere dann vor, wenn die Einhebung der Abgaben die Existenzgrundlagen des Nachsichtswerbers gefährden würde. Allerdings bedarf es zur Bewilligung einer Nachsicht (aus "persönlichen" Gründen) nicht unbedingt der Gefährdung des Nahrungsstandes, der Existenzgefährdung, besonderer finanzieller Schwierigkeiten und Notlagen, sondern es genügt, dass die Abstattung der Abgabenschuld mit wirtschaftlichen Auswirkungen verbunden wäre, die außergewöhnlich sind, so etwa, wenn die Abstattung trotz zumutbarer Sorgfalt nur durch Veräußerung von Vermögen möglich wäre und diese Veräußerung einer Verschleuderung gleichkäme (Ritz, aaO. Rz. 10 zu § 236 und die dort zitierte Judikatur).

Die Entscheidung der Frage, ob eine Unbilligkeit im Sinne des § 236 Abs. 1 BAO vorliegt, unterliegt nicht der Ermessensübung, sondern legt bloß einen unbestimmten Gesetzesbegriff aus.

Nach ihrer Darstellung besitzt die Bw. außer einer Liegenschaftshälfte kein Vermögen und hat neben der Abgabenverbindlichkeit Bankschulden in nicht bekanntgegebener Höhe. Diese Schulden bei der Bank, welche die Bw. im Antrag auf Nachsichtsgewährung angeführt hat, werden mit monatlichen Raten bedient. Unterhaltspflichen bestehen offensichtlich keine.

Im Nachsichtsansuchen wurde behauptet, dass der gesamte Rückstand auf dem Finanzamtskonto von 13.761,89 € aus der Zuweisung eines Aufgabegewinnes sowie des auf Grund des Lagerabverkaufes hohen laufenden Gewinnes resultiere. Diese Angaben sind insoferne unvollständig, als die Bw. neben den Einkünften aus Gewerbebetrieb von rd. 31.200 € noch Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit von rd. 16.100 €, somit insgesamt über 47.000 € im Jahr 2006, bezogen hat.

Auch wenn der Bw. nach der Betreibsaufgabe eine Pension von netto 1.120 € verbleibt, so ist in dem Umstand, dass im Jahr 2006 einmalig hohe Einkünfte erzielt wurden und deshalb eine entsprechende Steuerbelastung entstand, keine persönliche Unbilligkeit zu erkennen, da die Bw. bei entsprechend zumutbarer Sorgfalt sehr wohl in der Lage gewesen wäre, Vorsorge zur Abgabenentrichtung zu leisten. Warum ihr dies nicht möglich gewesen sein soll wurde nicht dargetan. In einem auf eine Begünstigung abzielenden Verfahren hat der Nachsichtswerber von sich aus alles offenzulegen, damit die Behörde eine rechtsrichtige Entscheidung treffen kann. Die amtswegige Ermittlungspflicht tritt dabei völlig in den Hintergrund, für ein Vorhalteverfahren besteht daher kein Anlass.

Dass für die Entrichtung der fälligen Abgabenverbindlichkeit neben der eigenen auch die Liegenschaftshälfte des Ehegatten der Bw. veräußert werden muss und das eine Verschleuderung von Vermögenswerten darstellt - nicht jede Veräußerung ist eine Verschleuderung - , wurde nicht näher konkretisiert.

Angemerkt wird, dass eine allfällige Abgabennachsicht ohnehin nur dem anderen Gläubiger der Bw. nämlich ihrer Bank zu Gute gekommen wäre und sich ausschließlich zu Lasten der Finanzverwaltung ausgewirkt hätte (z.B. VwGH 21.6.1994, 90/14/0065).

Weiters ist festzuhalten, dass eine persönliche Unbilligkeit im Sinne des § 236 BAO lediglich dann bejaht werden kann, wenn die Existenzgefährdung bzw. die wirtschaftlichen Schwierigkeiten gerade durch die Einbringung der nachzusehenden Abgabe hervorgerufen wird bzw werden. Die gegenwärtige wirtschaftliche Schwierigkeit ist nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates in erster Linie auf die fehlende getroffene Vosorge für die doch absehbar - die Bw. stand lange Jahre mitten im Wirtschaftsleben - erhöhte Abgabenvorschreibung zurückzuführen.

Abgesehen davon sind finanzielle Engpässe, Liquiditätskrisen oder Überschuldung für die Annahme einer persönlichen Unbilligkeit grundsätzlich auch nicht ausreichend (z.B. Stoll, BAO-Kommentar, S. 2434ff; VwGH 08.04.1991, 90/15/0015). Da Abgabenpflichtige gehalten sind, für die Entrichtung der Abgaben alle vorhandenen Mittel einzusetzen, würde selbst die Notwendigkeit, vorhandene Vermögenswerte (Fahrnisse, Grundvermögen, etc.) zur Abgabenabstattung heranzuziehen, oder gegebenenfalls einen zusätzlichen Kredit aufzunehmen, die Abgabeneinhebung noch nicht unbillig machen (z.B. VwGH 28.04.2004, 2001/14/0022; VwGH 06.11.1991, 90/13/0282, 0283; VwGH 14.01.1991, 90/15/0060).

Da aus den dargestellten Gründen berufungsgegenständlich somit weder eine persönliche noch eine sachliche Unbilligkeit der Einhebung der nachsichtsgegenständlichen Abgabenschuldigkeiten vorliegt und es damit schon an der Tatbestandsmäßigkeit im Sinne des § 236 BAO fehlt, hat aus Anlass dieser Entscheidung eine Ermessensentscheidung über das Nachsichtsgesuch nicht mehr zu erfolgen. Das Nachsichtsgesuch war vielmehr schon aus Rechtsgründen abzuweisen und der vorliegenden Berufung deshalb spruchgemäß keine Folge zu geben.

Graz, am 27. Juni 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 236 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Nachsichtsansuchen, keine persönliche Unbilligkeit, fehlende zumutbare Vorsorge

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