Kosten für Kinesiologieausbildung - Umschulungsmaßnahme, Liebhaberei, Vorläufigkeit
Anmerkungen:
Abweichend unter anderem UFS 8.2.2007, RV/2955-W/06 sowie Rz 360 LStR 2002; Ähnlich unter anderem UFS 10.11.2006, RV/0220-F/06
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Ralf Schatzl und die weiteren Mitglieder Mag. Erich Schwaiger, Dr. Walter Zisler und Dr. Otmar Sommerauer über die Berufung der Frau Bw., Adresse1, vertreten durch die TU Pirchner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungs GmbH, 6020 Innsbruck, Neuhauserstraße 7, vom 15. September 2006 gegen den Bescheid des Finanzamtes Zell am See, vertreten durch Mag. Moser Siegfried, vom 11. August 2006 betreffend Einkommensteuer 2005 nach der am 25. Juni 2008 durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Der angefochtene Bescheid wird abgeändert. Die Veranlagung erfolgt vorläufig (§ 200 Abs. 1 BAO). Die Bemessungsgrundlagen sowie die Einkommensteuer bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufung der im Streitjahr als Bankangestellte tätigen Berufungswerberin (kurz Bw.) richtet sich gegen den Einkommensteuerbescheid 2005, in dem das Finanzamt die steuerliche Berücksichtigung von Kosten für den "Besuch von Kursen für Kinesiologie" ablehnte und nicht als Werbungskosten in Abzug brachte. Dabei handelt es sich um Aufwendungen in Höhe von insgesamt EUR 2.804,32 (Kurskosten EUR 2.200,00 und Reisekosten EUR 582,83).
Mit der Berufung bekämpfte die Bw. diese Entscheidung und verlangte die Absetzung der Kosten im Zusammenhang mit der Ausbildung "Gesundheitskinesiologie" als Umschulungsmaßnahmen. Es handle sich nicht um einen einzelnen Kurs, sondern um einen umfassenden viersemestrigen Lehrgang, der die Voraussetzung für eine zukunftsorientierte berufliche Karriere schaffe. Diese Umschulungsmaßnahme im Umfang von 620 Unterrichtsstunden sei so umfassend, dass sie zweifellos den Einstieg in ein neues Berufsfeld und die tatsächliche Ausübung dieser Tätigkeit ermögliche. Die angestrebte Tätigkeit sei unter Beachtung der zunehmenden großen Nachfrage in der Bevölkerung ohne weiteres geeignet, der Sicherung des Lebensunterhaltes einer entsprechend ausgebildeten Person zu dienen und zumindest einen wesentlichen Teil ihres Lebensunterhaltes beizusteuern. Die Glaubhaftmachung der subjektiven Absicht, eine andere Tätigkeit ausüben zu wollen, ergebe sich bereits aus dem Umstand, dass die Absolvierung eines mehrjährigen, zeitintensiven Lehrganges mit Gesamtkosten von rund EUR 10.000 von jungen Menschen in aller Regel nicht aus Jux und Tollerei betrieben werde. Dahinter stehe vielmehr eine berufliche Neuorientierung samt beabsichtigter künftiger Einnahmenerzielung und Existenzsicherung.
Das Gesamtbild der Verhältnisse spreche im vorliegenden Fall zweifellos für die künftige berufliche Verwertung der durch die Umschulung angeeigneten Kenntnisse. Die außerberufliche Veranlassung trete klar in den Hintergrund.
Nach Durchführung eines Vorhalteverfahrens wies das Finanzamt die Berufung mittels Berufungsvorentscheidung vom 13. Juli 2007 ab und begründete dies - neben umfangreichen allgemeinen Ausführungen - im Kern damit, dass von einer konkreten Gefährdung des derzeitigen Beschäftigungsverhältnisses nicht ausgegangen werde. Es sei somit die Frage ungeklärt, ob es sich bei der gewählten Ausbildung um eine eher privat veranlasste oder um eine beruflich bedingte Bildungsmaßnahme handelt. Mangels bisheriger Erzielung von Einkünften und mangels Abschlusses der Ausbildung könne das Ausmaß bzw. das Umfeld der zukünftigen Berufsausbildung nicht genau bestimmt werden. Den getätigten Aufwendungen sei deshalb vorläufig der Werbungskostencharakter zu versagen. Sollte sich ein Gesamtüberschuss aus der Tätigkeit als "Qi-Gong-Lehrerin" ergeben, wären die Aufwendungen nachträglich als vorweggenommene Werbungskosten (§ 295a BAO) zu beantragen.
Im Vorlageantrag brachte die Bw. die folgenden ergänzenden Sachverhaltselemente vor:
- Sie habe die Ausbildung mittlerweile erfolgreich abgeschlossen und den einschlägigen Gewerbeschein gelöst. Mit einer Einnahmenerzielung sei erstmals 2008 zu rechnen.
- Sie werde ihren Beruf als Bankangestellte - wie von Anfang an vorgesehen - schrittweise reduzieren.
Es liege somit eine umfassende Umschulungsmaßnahme vor, welche auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abziele. Es wurde - sinngemäß - ausgeführt, mögliche Anlaufverluste seien deshalb im Sinne des § 2 Abs. 2 Liebhabereiverordnung (BGBl. 33/1993; kurz LVO) steuerlich unmittelbar zu berücksichtigen, wobei eine vorläufige Veranlagung bis zur Erzielung steuerlich relevanter Einkünfte - nicht aber die Anwendung von § 295a BAO - denkbar erscheine.
Die Bw. ergänzte ihre Angaben mit Schreiben vom 12. Februar 2008 und 30. April 2008 (siehe Sachverhalt unten).
Daraufhin verlangte der zuständige Referent die Entscheidung durch den gesamten Berufungssenat, die in der (nicht mündlichen) Verhandlung vom heutigen Tag getroffen wurde.
Über die Berufung wurde erwogen:
1 Sachverhalt
Die Entscheidung basiert auf dem nachstehend dargestellten, unstrittigen und in den Akten dokumentierten Sachverhalt.
Die Bw. ist im Streitjahr 21 Jahre alt und als Bankangestellte in einem ungekündigten Beschäftigungsverhältnis. Sie absolvierte beginnend mit September 2005 den von der V***OEG angebotenen Lehrgang "Kinesiologie". Im Internet findet sich die folgende Beschreibung der Zielgruppe der Ausbildung (http://www.XYZ***.htm vom 8.5.2008):
a) in Heilberufen Tätige (Physiotherapeuten /-innen, Masseure /-innen, Gesundheitstrainer/-innen, generell Trainer /-innen und Therapeuten /-innen jeder Art,...), berufsbegleitend
b) im Wellnessbereich Tätige
c) Interessenten /-innen, die sich mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzen
Punkt c) weist also darauf hin, dass sich die Ausbildung nicht ausschließlich an Interessierte richtet, die das dabei vermittelte Wissen in ihrem Beruf einsetzen wollen. Sie wendet sich daneben zusätzlich auch an alle allgemein am Thema interessierte Personen. Es liegt also keine eindeutig und ausschließlich beruflich verwertbare Wissensvermittlung vor.
Die Ausbildung findet nach der Ausschreibung an insgesamt 85 Tagen und dabei vor allem an Wochenenden von Freitag bzw. Samstag bis Sonntag statt. Im Wintersemester 2005/06 wurden etwa 7 Wochenendtermine angeboten. Dazu kommen noch Abendveranstaltungen für Supervision und Übungseinheiten sowie eine Abendveranstaltung für Grundlagen der Betriebsführung, praktische protokollierte Arbeit sowie eine zweitägige Abschlussprüfung. Als Lehrinhalte finden sich die folgenden Fächer:
Basiskinesiologie (9 Tage), Medizinisches Qi Gong (6 Tage), SIPS das Stressindikatorpunktsystem (6 Tage), Grundlagen der Anatomie (3 Tage), 5 Elemente Akupressur (3 Tage), Die energetische Struktur des Menschen (3 Tage), Grundlagen Physiologie & Neurophysiologie (3 Tage), Brain Formatting (3 Tage), Advanced Acupressure (3 Tage), Ernährung - Einführung (2 Tage), Gehirnintegration (4 Tage), Immunsystem (7 Tage), Verhaltenstraining / Umgang mit Klienten (2 Tage), Ernährung - TCM (5 Tage), NEP Neuro Emotional Pathways (8 Tage), Holleis Methode (6 Tage), Gehirnnahrung & Acu-Tapping (3 Tage), Allergien (3 Tage), Biochemische Bahnen (3 Tage), Ernährung (3 Tage) und Grundlagen der Betriebsführung (1 Abendveranstaltung)
Aus dieser Aufstellung ist ersichtlich, dass sich die zu beurteilende Ausbildung intensiv mit verschiedenen Methoden der Komplementärmedizin befasst. Obwohl das medizinische Qi-Gong einen Teil dieser Ausbildung bildet, reduziert sich das erworbene Wissen nicht auf die Ausübung dieser Methode. Insofern ist der Hinweis in der Berufungsvorentscheidung auf die Tätigkeit als "Qi-Gong-Lehrerin" sicherlich zu eng gefasst.
Als (langfristiges) Ziel der Ausbildung nannte die Bw. selbst die volle Selbständigkeit (Schreiben vom 19. Februar 2007). Die Bw. gab ergänzend an, sie wolle ihr Beschäftigungsverhältnis mittelfristig unter schrittweiser zeitlicher Einschränkung fortsetzen, es aber zwecks Reduzierung des unternehmerischen Risikos vorläufig noch nicht aufgeben. Nachdem die sofortige gewünschte Verringerung der Arbeitszeit ursprünglich vom Arbeitgeber nicht genehmigt worden sei (Schreiben vom 3. Dezember 2007), reduzierte die Bw. ihre Arbeitszeit mit Stand 30. April 2008 auf nunmehr 32,25 Stunden pro Woche und gab an, ihr mittelfristiges Ziel sei die weitere Reduktion auf 50% bzw. knapp unter 50% der Vollarbeitszeit. Ihr längerfristiges Ziel sei die hauptberufliche Selbständigkeit als Kinesiologin.
Die Bw. schloss ihre Ausbildung am 1. Juli 2007 erfolgreich ab. Mit 27. November 2007 und damit etwa 5 Monate später löste sie einen Gewerbeschein folgenden Inhaltes:
Freies Gewerbe der Hilfestellung zur Erreichung einer körperlichen bzw. energetischen Ausgewogenheit mittels der Methode von Dr. Bach, Biofeedback oder Bioresonanz, Interpretation der Aura, Magnetfeldanwendung, Cranio-Sacral-Balancing, Auswahl von Farben, Düften, Lichtquellen, Aromastoffen, Edelsteinen, Musik, unter Anwendung kinesiologischer Methoden, durch sanfte Berührung bzw. gezieltes Auflegen der Hände an bestimmten Körperstellen.
Nach der Ankündigung im Schreiben vom 3. Dezember 2007, die Bw. werde mit ihrer Tätigkeit 2008 schrittweise beginnen, erklärte ihr steuerlicher Vertreter auf Nachfrage durch den Unabhängigen Finanzsenat Ende April 2008, die Bw. habe seit Beginn des Jahres 2008 "einige hundert Euro" in Rechnung gestellt. Entgegen der ursprünglichen Absicht der Bw. (Schreiben vom 19. Februar 2007), die Tätigkeit in angemieteten Praxisräumlichkeiten auszuüben, sei sie zur Zeit noch in ihrer eigenen Wohnung tätig. Kurz- bzw. mittelfristig sei der Ausbau einer Räumlichkeit im elterlichen Haus geplant.
Bezüglich der Setzung von Werbeaktivitäten gab der Vertreter an, die Bw. habe unter anderem im April 2008 anlässlich von Gesundheitstagen in A*** das von ihr angebotene Leistungsspektrum präsentiert.
2 Rechtsgrundlagen und rechtliche Würdigung
Zur rechtlichen Beurteilung führte der Vertreter im Schreiben vom 30. April 2008 - zusammenfassend - aus:
Ich halte Fr. Bw. für eine konsequente junge Frau, die sehr genau weiß, was sie will und wie sie die Dinge angeht. Ich bin weiters der Meinung, dass es ihr steuerlich nicht zum Nachteil gereichen darf, wenn sie ihre langfristigen Vorstellungen bedächtig umsetzt und sich beim Eintritt in die Selbständigkeit nicht sofort ihres finanziellen Fangnetzes begibt. Aus diesem und weiteren gewichtigen Gründen plädiere ich für die Absetzbarkeit von Umschulungskosten auch dann, wenn der neu erlernte Beruf nicht oder nicht sofort hauptberuflich ausgeübt wird (Pülzl, SWK 29/2007, S 793 ff., m.w.H.).
Vielmehr ist der Steuerpflichtigen eine gewisse Zeitspanne zuzugestehen, in der sie das Vorliegen einer steuerlich relevanten Tätigkeit glaubhaft machen kann: Wenn die LStR diesbezüglich in Rz. 360 ausführen, dass das gesetzliche Tatbestandsmerkmal "Abzielen" veranlagungsjahrbezogen nach Art einer Liebhabereibetrachtung zu prüfen sei, so ist dazu festzuhalten, dass die Anwendung der erworbenen Kenntnisse im vorliegenden Fall keineswegs auf eine typischerweise in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist. Vielmehr handelt es sich um eine Tätigkeit, die - wie auch bei anderen Heilberufen selbstverständlich - durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn zu erzielen. Einer Kinesiologin ein höheres privates Interesse an ihrer Ausbildung zu unterstellen als z. B. einer Vertreterin eines bereits zur Gänze "etablierten" Heilberufes wäre sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb verfassungsrechtlich bedenklich.
Ich bin deshalb der Überzeugung, dass es sich im vorliegenden Fall um eine einkünftevermutete Tätigkeit im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO mit all ihren Konsequenzen (Anlaufzeitraum, Kriterienprüfung, etc.) handelt. Selbst bei gegenteiliger Auffassung müsste der Steuerpflichtigen für Zwecke der Glaubhaftmachung des Vorliegens einer steuerrelevanten Betätigung aber zumindest ein "absehbarer" Zeitraum im Sinne des § 2 Abs. 4 LVO zugestanden werden. Bei nicht zweifelsfreier Plausibilität der Prognose kann gegebenenfalls mit vorläufiger Veranlagung vorgegangen werden (vgl § 7 der LVO; dazu auch Pülzl/Oberleitner, SWK 22/2003, S 564).
Jedenfalls unzutreffend erscheint die vom Finanzamt geübte Vorgangsweise, die Absetzbarkeit der Umschulungskosten im Wege des § 295a BAO rückwirkend erst dann zuzulassen, wenn insgesamt ein positives Gesamtergebnis erreicht wurde (vgl. LStR Rz 361a). Zur Nichtanwendbarkeit von § 295a BAO auf Umschulungsmaßnahmen infolge des Wortlauts von § 4 Abs. 4 Z 7 und § 16 Abs. 1 Z 10 EStG idgF siehe zutreffend Atzmüller/Lattner in Wiesner et al., EStG (7. Grundlfg., 1.6.2007), § 16 Anm. 144; gleicher Ansicht mit zutreffender teleologischer Argumentation betreffend Sinn und Zweck der Erweiterungen in § 4 Abs. 4 Z 7 bzw. § 16 Abs. 1 Z 10 EStG Puchinger, FJ 2008, 95 ff. Die Anwendung von § 295a BAO auf den vorliegenden Fall würde die Steuerpflichtige darüber hinaus in rechtsstaatlich bedenklicher Weise einseitig mit allen potenziellen Unsicherheiten der Ertragsfähigkeit einer Betätigung, deren Steuerrelevanz von ihr plausibel dargelegt wird, belasten (vgl. dazu auch VfGH 11.12.1986, G 119/86, zum Erfordernis der faktischen Effizienz des Rechtsschutzsystems: "Die vom Gesetzgeber vorzunehmende Interessensabwägung erlaubt es ihm, ein System zu schaffen, das den regelmäßigen Zufluss der Abgaben sicherstellt, die Abgabenschuldner aber nicht einseitig in Fällen belastet, in denen [...] Tatsachen- und Rechtsfragen echt strittig sind. In solchen Fällen [...] geht es nicht an, das Rechtsschutzrisiko im echt fraglichen Bereich dem Rechtsunterworfenen vorbehaltlos aufzulasten."). An diesen grundlegenden Vorgaben rechtsstaatlichen HandeIns sollte sich - über den Rechtsschutz im Rechtsmittelverfahren hinaus - auch die Verwaltungspraxis orientieren.
Dazu ist festzustellen:
2.1 Umschulungsmaßnahmen
Es liegen keine Hinweise darauf vor, dass die Bw. plant, die zukünftige Tätigkeit als Kinesiologin nichtselbständig auszuüben. Die geplante Tätigkeit wird deshalb gegebenenfalls wohl nur zu Einkünften aus Gewerbebetrieb führen können (§ 2 Abs. 3 Z 3 EStG 1988). Die damit zusammenhängenden Aufwendungen sind deshalb nach den Regeln des § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 zu beurteilen, der textlich dem § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 entspricht. Betriebsausgaben sind Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls Aufwendungen für Aus- und Fortbildungsmaßnahmen
- im Zusammenhang mit der vom Steuerpflichtigen ausgeübten oder einer damit verwandten beruflichen Tätigkeit und
- Aufwendungen für umfassende Umschulungsmaßnahmen, die auf eine tatsächliche Ausübung eines anderen Berufes abzielen.
Im konkreten Fall steht außer Streit, dass für 2005 keine Fortbildungs- sondern Ausbildungsmaßnahmen vorliegen, deren Abzugsfähigkeit nur nach der letztgenannten Bestimmung in Frage kommt.
Das Gesetz verlangt dabei, dass die Umschulungsmaßnahme auf die tatsächliche Ausübung eines anderen Berufs "abzielt". Es reicht nicht aus, dass die Umschulungen eine Tätigkeit in einem neuen Berufsfeld "ermöglichen". (vgl H. Fuchs, UFS aktuell 2005, 48, Taucher, FJ 2005, 341). Abzugsfähig sind Aufwendungen in Zusammenhang mit einem Beruf, der bisher noch nicht ausgeübt worden ist; es handelt sich also um vorweggenommene Werbungskosten (686 d.B. XXII. GP - AbgÄG 2004).
Daraus folgt, dass ein konkret geplanter Zusammenhang der Bildungsmaßnahme mit nachfolgenden (Betriebs-)Einnahmen erforderlich ist. Es müssen Umstände vorliegen, die über eine bloße Absichtserklärung zur künftigen Einnahmenerzielung hinausgehen. Nicht abzugsfähig sind Bildungsmaßnahmen, die der privaten Lebensführung dienen (z.B. Persönlichkeitsentwicklung, Sport, Esoterik). Dienen die Bildungsmaßnahmen sowohl beruflichen als auch privaten Bedürfnissen, so reicht ein Nutzen für die Berufstätigkeit für die Abzugsfähigkeit alleine noch nicht aus (vgl. Doralt, EStG9, § 16 Tz 203/5/1).
Die tatsächliche Absicht der Einnahmenerzielung in Zusammenhang mit einer Ausbildung zu dokumentieren, ist je nach Ausbildung unterschiedlich schwierig. Sie wird bei einer wirtschaftlich odertechnisch ausgerichtetenBildungsmaßnahme in der Regel auf der Hand liegen, während sie dem Finanzamt bei kunst- oder kulturorientierten Studien erst plausibel gemacht werden muss (vgl. Atzmüller/Herzog/Mayr, RdW 2004/581, 622; Hofstätter/Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, § 4 Abs. 4 Z 7 Tz 2). Letzteres muss wohl auch für ein gesundheitsorientiertes Ausbildungsangebot gelten, das sich - wie hier - auch an ein allgemein interessiertes Zielpublikum richtet.
Die Verwaltungsübung verlangt zur Abzugsfähigkeit, dass die Umschulungsmaßnahmen derart umfassend sein müssen, dass sie den Einstieg in einen anderen Beruf ermöglichen. Aufwendungen für einzelne Kurse oder Kursmodule sind nicht abzugsfähig (z.B. Aufwendungen für den Besuch eines einzelnen Krankenpflegekurses, der für sich allein keinen Berufsumstieg sicherstellt); derartige Aufwendungen sind danach nur abzugsfähig, wenn sie Aus- oder Fortbildungskosten darstellen (vgl. EStR 2000 Rz 1350 in Verbindung mit LStR 2002 Rz 358). Dazu führen die Lohnsteuerrichtlinien weiter aus (LStR 2002 Rz 360):
Die Beweggründe für eine Umschulung können durch äußere Umstände (z.B. wirtschaftlich bedingte Umstrukturierungen des Arbeitgebers oder sogar Betriebsschließungen) hervorgerufen werden, in einer Unzufriedenheit im bisherigen Beruf gelegen sein oder einem Interesse an einer beruflichen Neuorientierung entspringen. Der Steuerpflichtige muss aber nachweisen oder glaubhaft machen, dass er tatsächlich auf die Ausübung eines anderen Berufs (einer anderen Haupttätigkeit) abzielt.
Der Zweck der Umschulung muss darin bestehen, eine andere Berufstätigkeit tatsächlich ausüben zu wollen. Ob dies der Fall ist oder andere Motive der Bildungsmaßnahme des Steuerpflichtigen zu Grunde liegen (z.B. hobbymäßiges Verwerten), ist im Einzelfall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Spricht das Gesamtbild für das Vorliegen dieser Absicht, liegen Werbungskosten vor, und zwar auch dann, wenn die tatsächliche Ausübung des angestrebten Berufes letztlich scheitert, z.B. weil der Steuerpflichtige tatsächlich keinen Arbeitsplatz findet.
Das "Abzielen" ist somit veranlagungsjahrbezogen nach Art einer Liebhabereibeurteilung zu prüfen, eine spätere Änderung des zunächst vorhandenen Willensentschlusses hat keine schädliche Wirkung für die Vergangenheit.
2.1.1 Umfassende Umschulungsmaßnahme
Die Bw. unterzog sich einer zweijährigen, intensiven Ausbildung mit einer zweitägigen Abschlussprüfung. Das dabei erworbene Wissen unterscheidet sich klar vom derzeit ausgeübten Beruf. Im konkreten Fall liegt somit unzweifelhaft eine umfassende Umschulungsmaßnahme vor.
2.1.2 Abzielen auf die Ausübung eines Berufes
Die Bw. begann ihre Tätigkeit eher schleppend. Erst fast fünf Monate nach der abgelegten Abschlussprüfung (1. Juli 2007) löste sie den Gewerbeschein (22. November 2007) und bis zur tatsächlichen Aufnahme der Tätigkeit (Anfang 2008) vergingen weitere Monate. Die "alte" Tätigkeit wurde nach wie vor ausgeübt und der Umfang der neuen Tätigkeit blieb inzwischen noch gering.
Zwischenzeitig kam es zur geringfügigen Reduzierung der Arbeitszeit des bisher ausgeübten Berufes als Bankangestellte und zur Erzielung erster Einnahmen als Kinesiologin in Höhe von "einigen hundert Euro". Die Bw. wurde dabei entgegen ihres ursprünglichen Plans vorerst in ihrer eigenen Wohnung tätig.
Obwohl das alles beweist, dass die Bw. die angestrebte Tätigkeit tatsächlich zur Einnahmenerzielung nutzt, bestehen trotzdem nach wie vor Zweifel, in welchem Umfang diese zukünftige Tätigkeit von vornherein tatsächlich geplant war. Das von der Bw. zuletzt bekannt gegebene Ziel mit einem Bereich von etwa 50% der Vollarbeitszeit wurde noch keineswegs erreicht und seine Umsetzung ist - auch unter Außerachtlassung negativer Effekte von Unabwägbarkeiten - alles andere als sicher. Die Zielformulierung hat sich somit noch nicht im objektiv bestimmbaren Sachverhalt nachvollziehbar und klar abgebildet.
Fraglich bleibt daneben, ob es für die steuerliche Abzugsfähigkeit ausreicht, dass das mittelfristige Ziel der Ausbildung für die "neue" Tätigkeit nur darin gelegen ist, diese in etwa gleichwertig neben der "alten" Tätigkeit auszuüben, und welche Rolle dabei die Liebhabereibeurteilung spielt.
2.1.3 Geplante Haupttätigkeit
Die Verwaltungsübung setzt das Abzielen auf eine andere Haupttätigkeit voraus und verweigert die Abzugsfähigkeit bei der Ausbildung für eine Nebentätigkeit. So stützte auch das Finanzamt die Ablehnung des Abzuges der Aufwendungen in seinem Vorlagebericht darauf, dass es nicht erkennbar sei, ob der künftige Lebensunterhalt zumindest zu einem wesentlichen Teil aus den Einkünften als Kinesiologin bestritten werden kann.
Der Unabhängige Finanzsenat hat zu diesem Thema schon wiederholt Stellung bezogen, hat dabei aber noch keine einheitliche Linie entwickelt. Höchstgerichtliche Rechtsprechung existiert noch keine. Der Unabhängige Finanzsenat vertrat 2007 in einer Entscheidung die Ansicht, die Ausbildung für einen Zweitberuf (Nebenbeschäftigung) reiche nicht aus, um sie als Umschulung zu qualifizieren (UFS 8.2.2007, RV/2955-W/06). Dabei ging es um die Ausbildung zum NLP-Coach und NLP-Trainer, wobei diese Tätigkeit nebenberuflich ausgeübt werden sollte. Die entscheidende Behörde stellte fest, dass aus dem Gesetz und den Erläuterungen nicht hervorgehe, dass Ausbildungskosten für eine Nebenbeschäftigung absetzbar sein sollen. Im Gegenteil werde mit dem Beispiel Krankenpflegerin/Druckereibeschäftigte (iVm "Branchen mit rückläufigen Arbeitsplatzchancen") ein typischer Fall des Berufswechsels erwähnt.
Mehrere Entscheidungen der Berufungsinstanz schlossen sich diesen Ausführungen an und verwiesen dabei unter anderem auf Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG, § 16 Anm. 142, die verlangen, dass die angestrebte neue Tätigkeit zeitlich gegenüber der bisherigen Tätigkeit überwiegen und zur Sicherung des künftigen Lebensunterhaltes dienen oder zumindest zu einem wesentlichen Teil beitragen muss (siehe z.B. zur Ausbildung eines EDV-Technikers zum body-vital Trainer in UFS 7.3.2007, RV/0632-L/05; Ausbildung eines Beamten zum Lebens- und Sozialberater in UFS 12.9.2007, RV/0372-K/06; Ausbildung einer Kindergärtnerin zur Yoga-Lehrerin in UFS 31.03.2008, RV/1938-W/07; Ausbildung eines Bankangestellten zum Saxophonisten in UFS 31.1.2008, RV/2121-W/07).
Die erstgenannte Entscheidung wurde von Pülzl massiv kritisiert (Pülzl, SWK-Heft 29/2007, Seite 793), wobei ihm in der Folge von Renner zugestimmt wurde (Renner, SWK-Heft 2/2008, Seite 38ff, Fußnote 5). Auch der Unabhängige Finanzsenat sprach sich in mehreren Entscheidungen für die Abzugsfähigkeit aus, obwohl nur Nebentätigkeit bzw. ein Zweitberuf geplant waren (siehe etwa zur NLP-Ausbildung einer Naturschutzbeamtin in UFS 10.11.2006, RV/0220-F/06; Ausbildung einer Pädak-Professorin zur Psychotherapeutin in UFS 24.4.2007, RV/0526-I/06; sinngemäß zur Ausbildung einer Flugbegleiterin zur Wellnesstrainerin in UFS 19.9.2007, RV/0739-L/06). Diese Entscheidungen zitieren alle Doralt, der zu folgendem Schluss kommt (siehe Doralt, Kommentar zum EStG 9. Lfg., § 16 Tz 203/4/2):
Nach dem Gesetzeswortlaut sind nur "Umschulungsmaßnahmen" abzugsfähig, also Aufwendungen, die auf einen Berufswechsel ausgerichtet sind. Nach dem Gesetzeszweck sind aber auch Aufwendungen abzugsfähig, die auf eine andersgeartete Nebentätigkeit abzielen; gefördert wird nämlich auch der Wechsel "aus Branchen mit rückläufigen Arbeitsmarktchancen"; Voraussetzung kann es danach nicht sein, dass der bisherige Beruf zur Gänze aufgegeben wird; gefördert wird vielmehr auch die Erzielung von Zusatzeinkommen.
Im konkreten Fall ist es mittelfristig nicht geplant, die neue Tätigkeit zum (alleinigen) Hauptberuf zu machen. Obwohl sie jedenfalls nicht nur in einem untergeordneten Ausmaß ausgeübt werden soll, soll sie offensichtlich nicht zu mehr als 50% der gesamten Beschäftigung betragen.
Es muss deshalb geklärt werden, ob dieser Plan als Umschulung zu werten sein kann und falls ja, ob das Ausmaß der geplanten Tätigkeit für die steuerliche Abzugsfähigkeit schädlich sein kann. Der Begriff "Beruf" wird von WIKIPEDIA wie folgt definiert:
Die gesetzliche Bestimmung basiert auf dem Bericht des Finanzausschusses zur Regierungsvorlage (1277 d.B. XXI. GP) zum Hochwasseropferentschädigungs- und Wiederaufbau-Gesetz 2002 - HWG 2002 (1285 d.B. XXI. GP, Seite 6), der ausführt:
Mit den Ergänzungen in den §§ 4 Abs. 4 Z 7 und 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sollen insbesondere Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen von Personen aus Branchen mit rückläufigen Arbeitsplatzchancen abzugsfähig sein. Die Abzugsfähigkeit ist insbesondere für Aufwendungen des Steuerpflichtigen im Zusammenhang mit Umschulungsmaßnahmen, die aus öffentlichen Mitteln (AMS) oder von Arbeitsstiftungen gefördert werden, gegeben.
Aufwendungen für Umschulungsmaßnahmen sind ergänzend zur bisherigen Regelung des § 16 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 abzugsfähig, wenn sie derart umfassend sind, dass sie einen Einstieg in eine neue berufliche Tätigkeit ermöglichen, die mit der bisherigen Tätigkeit nicht verwandt ist (z.B. Ausbildung einer Arbeitnehmerin aus dem Druckereibereich zur Krankenpflegerin). Ausbildungsaufwendungen für einzelne Kurse oder Kursmodule für eine "nicht verwandte" berufliche Tätigkeit sind daher weiterhin nicht abzugsfähig (z.B. ein einzelner Krankenpflegekurs, der für sich alleine keinen Berufsumstieg sicherstellt). Der Begriff "Umschulung" setzt eine bestehende berufliche Tätigkeit voraus.
Die aktuelle Fassung der anzuwendenden Gesetzesbestimmung existiert im Kern seit dem Budgetbegleitgesetz 2003 (BGBl. I Nr. 59/2003). Die Erläuterungen führten dabei zur Abzugsfähigkeit von Studienbeiträgen aus (59 d.B. XXII. GP, Seite 99):
[...] Von einer umfassenden Umschulungsmaßnahme ist auch dann auszugehen, wenn ein Student zur Finanzierung seines Studiums Einkünfte aus Hilfstätigkeiten oder aus fallweisen Beschäftigungen erzielt. [...]
Beim Hochschulstudium wird es deshalb als ausreichend angesehen, wenn der Student zunächst zumindest eine einfache Tätigkeit zur Einkünfteerzielung ausgeübt hat (z.B. Taxifahrer als Werkstudent). Eine Umschulung liegt aber auch vor, wenn der Abgabepflichtige früher eine betriebliche bzw. berufliche Tätigkeit ausgeübt hat, im Zeitpunkt der Umschulung aber nicht mehr tätig ist, wie dies etwa bei einer Umschulung im Rahmen der Arbeitslosigkeit der Fall ist (vgl. Hofstätter/Zorn in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer 36. Lfg (April 2006), § 4 Abs. 4 Z 7 Tz 2 unter Verweis auf Atzmüller/Herzog/Mayr, RdW 2004/581, S. 622, und Rz 360a LStR 2002).
Daraus ergeben sich die folgenden Schlüsse:
- Von einer Umschulung kann nur gesprochen werden, wenn sie eine neue berufliche Tätigkeit ermöglicht. Das setzt aber eine alte berufliche Tätigkeit mit einem Mindestmaß an Fähigkeiten voraus.
- Aus der Einschränkung "umfassend" ist zu entnehmen, dass nicht jede Umschulung den Kriterien des Gesetzgebers entspricht. Es kann aber weder dem Gesetzestext noch den Erläuterungen entnommen werden, dass der neue Beruf höher qualifiziert sein muss oder in einem größeren Ausmaß ausgeübt werden muss, als der alte. Gefordert ist nur, dass die Ausbildung auf die tatsächliche Ausübung eines neuen Berufes abzielt.
- Den Erläuterungen zum EStG und den Kommentarstellen ist zu entnehmen, dass Hilfstätigkeiten und fallweise Beschäftigungen als "bestehende berufliche Tätigkeiten" ausreichen. Damit hält der Gesetzgeber auch Arbeitsleistungen für "berufliche Tätigkeiten", die nicht als Hauptberuf ausgeübt werden, für ausreichend.Folgt man dieser vom Gesetzgeber in den Erläuterungen zur Gesetzwerdung unterstellten Bedeutung des Ausdruckes "berufliche Tätigkeit", muss diese aber konsequenterweise auch für die neue Tätigkeit gelten. Es gibt keine Hinweise darauf, diese strenger zu beurteilen, als den alten Beruf.
- Der Gesetzgeber trifft weder die dezidierte Aussage, dass nur Umschulungen von arbeitslosen bzw. nicht tätigen Personen steuerlich abzugsfähig sein sollen, noch regelt das Gesetz definitiv, dass der "alte" Beruf in der Folge ganz oder teilweise aufgegeben werden müsste.
Daraus folgt nach fester Überzeugung des Unabhängigen Finanzsenats, dass es - entgegen der Verwaltungsübung - nicht erforderlich ist, dass die Ausbildung auf die Ausübung des neuen Berufs als Hauptberuf abzielt. Es muss vielmehr als ausreichend angesehen werden, wenn die geplante neue Tätigkeit neben den bisherigen alten Beruf tritt, der weiterhin ausgeübt werden soll.
Dabei muss aber beachtet werden, dass diese Aussage nur insoweit gelten kann, als die Betätigung ernsthaft und nicht nur hobbymäßig betrieben wird. Würde dabei ein Ausmaß angestrebt, das nur mehr als geringfügig beurteilt werden könnte, würde das jedenfalls gegen die steuerliche Abzugsfähigkeit der Ausbildungskosten sprechen.
2.3 Liebhabereibeurteilung
Kommt es nämlich zu Verlusten, so ist auch zu untersuchen, ob eine Tätigkeit vorliegt, die typischerweise auf eine besondere in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist (§ 1 Abs. 2 Z 2 der Liebhabereiverordnung 1993 [BGBl. Nr. 33/1993 idgF - hier kurz LVO]). Ist dies der Fall, so liegen Einkünfte nur dann vor, wenn die Art der Bewirtschaftung oder der Tätigkeit einen Gesamtgewinn oder Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten wenigstens erwarten lässt (§ 2 Abs. 4 LVO). Fällt eine Betätigung nicht unter § 1 Abs. 2 LVO, liegen Einkünfte dann vor, wenn sie durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Voraussetzung ist in diesem Fall, dass die Absicht anhand der in § 2 Abs. 1 und 3 LVO genannten objektiven Umstände nachvollziehbar ist.
Aufwendungen oder Ausgaben für die Lebensführung dürfen bei den einzelnen Einkünften nicht abgezogen werden (§ 20 Abs. 1 Z 2 lit. a EStG 1988).
Im Schreiben vom 30. April 2008 betont der steuerliche Vertreter, dass es sich bei der Tätigkeit einer Kinesiologin um eine Tätigkeit handelt, die - wie auch bei anderen Heilberufen selbstverständlich - durch die Absicht veranlasst ist, einen Gesamtgewinn zu erzielen. Einer Kinesiologin ein höheres privates Interesse an ihrer Ausbildung zu unterstellen als z.B. einer Vertreterin eines bereits etablierten Heilberufes, wäre seiner Ansicht nach sachlich nicht gerechtfertigt und deshalb verfassungsrechtlich bedenklich.
Dieser Ansicht ist insofern zu folgen, als für all diese Tätigkeiten - unter Beachtung der besonderen Umstände jedes Einzelfalles - der gleiche Maßstab heranzuziehen ist. Für die Liebhaberei-Beurteilung der konkreten Tätigkeit ist deshalb zu beachten:
- § 1 Abs. 2 LVOIm konkreten Fall spricht für die Nichtabzugsfähigkeit der Ausbildung bzw. für die Einstufung unter § 1 Abs. 2 LVO, dass es sich bei den Inhalten der einzelnen Ausbildungs-Blöcke durchaus um Kenntnisse handelt, die auch für Personen von Interesse sind, die dieses Wissen nicht gewinnorientiert umsetzen wollen. Darauf weist Punkt c) der vorne zitierten Ausschreibung hin, mit dem sich die Anbieter der Ausbildung auch an allgemein Interessierte wenden, die sich mit dem Thema Gesundheit auseinandersetzen, womit Neigungen angesprochen werden, die in der Lebensführung begründet sind.Für diese Beurteilung spricht auch, dass die Tätigkeit derzeit nur zu sehr geringen Einnahmen (von "einigen hundert Euro") geführt hat. Unter § 1 Abs. 2 LVO fallen nämlich nach der Rechtsprechung des Unabhängigen Finanzsenats auch Betätigungen, die in einem untypisch geringen Umfang ausgeübt werden und damit stark in die Nähe eines Hobbys rücken (vgl. etwa Rauscher/Grübler, Steuerliche Liebhaberei2, Rz 157 unter Verweis auf UFS 5.5.2003, RV/0062-G/02, UFS 17.10.2003, RV/1103-W/03 und UFS 7.2.2005, RV/1780-W/02). In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf die tatsächliche Erzielung eines Gesamtgewinnes an, sondern auf die objektive Ausgestaltung der Tätigkeit, die nur in einem ungewöhnlich geringen Umfang entgeltlich ausgeübt wird.
- § 1 Abs. 1 LVOAndererseits sprechen auch Gründe für die Einstufung der Tätigkeit unter § 1 Abs. 1 LVO. Es handelt sich um eine lange, intensive, umfassende und kostspielige Ausbildung. Die Lösung des Gewerbescheines und der tatsächliche Beginn der entgeltlichen Tätigkeit sprechen für die Absicht der Verwertung der Kenntnisse. Es ist zu vermuten, dass die Befriedigung des bloß auf einer besonderen persönlichen Neigung basierenden Interesses in kürzeren, billigeren und wesentlich weniger aufwendigen Einzelkursen und Seminaren möglich gewesen wäre. Damit tritt dieser Aspekt eher in den Hintergrund.So kam auch der Unabhängige Finanzsenat bei der liebhabereimäßigen Einstufung von komplementärmedizinischen Tätigkeiten 2006 bereits einmal zum Schluss, dass Bioresonanztherapien seit Jahren zur Behandlung verschiedenster Krankheitsbilder zur Anwendung kommen. Die Ausübung dieser Therapieform stelle deshalb nach der Verkehrsauffassung keine Tätigkeit dar, die typischerweise auf eine besondere, in der Lebensführung begründete Neigung zurückzuführen ist (UFS 12.9.2006, RV/0115-L/04).Auch bei der Einordnung einer Betätigung unter § 1 Abs. 2 LVO ist jedoch zu beachten, dass damit noch nicht endgültig sichergestellt ist, dass eine Einkunftsquelle vorliegt.Nach der Liebhabereiverordnung 1993 kommt es bei Beurteilung der Einkunftsquelleneigenschaft einer Tätigkeit in erster Linie auf die Absicht des Steuerpflichtigen an, einen Gesamtgewinn oder einen Gesamtüberschuss der Einnahmen über die Werbungskosten zu erzielen. Liegt eine Tätigkeit im Sinn des § 1 Abs. 1 LVO vor, ist zwar das Vorliegen von Einkünften zu vermuten. Dies kann jedoch widerlegt werden, wenn die Absicht nicht anhand objektiver Umstände (§ 2 Abs. 1 und 3 LVO) nachvollziehbar ist. Soweit nicht damit zu rechnen ist, dass die Tätigkeit vor Erzielung eines Gesamtgewinnes beendet wird, liegen im Fall der Einkünftevermutung innerhalb eines Anlaufzeitraumes von drei bis fünf Jahren jedenfalls Einkünfte vor und die Verluste sind grundsätzlich anzuerkennen (vgl. VwGH 18.10.2007, 2005/15/0097 mwN).
2.4 Vorläufigkeit oder spätere Änderung gem. § 295a BAO
Wie oben ausführlich dargestellt wurde, deuten die derzeit vorliegenden konkreten Umstände nicht eindeutig in die eine oder andere Richtung. Die Unterscheidung fällt derzeit vor allem deshalb schwer, weil sie stark vom geplanten Umfang der Tätigkeit abhängt und gerade diese Absicht (noch) nicht eindeutig beurteilt werden kann. Die subjektive Absicht kann nämlich nur anhand objektiver Umstände beurteilt werden.
2.4.1 Ungewissheit
Es ist insbesondere nicht eindeutig geklärt, ob die Ausbildungsmaßnahme auf die Ausübung eines Berufes abzielt oder ob sie primär der Befriedigung privater Interessen und der Ermöglichung der Ausübung eines Hobbys dient. Für diese Beurteilung spielen der geplante Umfang und die Ausgestaltung der Tätigkeit sowie die geplante Dauer eine große Rolle.
Für das ernsthafte Bemühen, die erworbenen Kenntnisse im Rahmen eines neuen Berufes zu nutzen, würden konkrete Akquisitionsmaßnahmen wie etwa Werbung in Medien oder Verhandlungen mit potentiellen Partnern in der Gesundheits- und Wellnessbranche sprechen. Das gilt auch für Investitionen in Anlagegüter und die Ausgestaltung von speziellen Betreuungs- bzw. Behandlungsräumen sowie für die deutliche Reduktion der Arbeitszeit im bisherigen Beruf und die Verwendung dieser Zeit im neuen Betätigungsfeld. Gerade diese Umstände liegen noch nicht vor, obwohl sie von der Bw. angekündigt wurden.
Damit kann aber noch nicht eindeutig entschieden werden, ob die Maßnahme unter diesem Aspekt zu Betriebsausgaben im Sinne des § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988 führen können. Es kann deshalb auch noch nicht endgültig geklärt werden, ob es sich nach diesem Plan um eine Betätigung im Sinne des § 1 Abs. 1 LVO (mit anschließender Kriterienprüfung bzw. eigener Anlaufzeitraumbeurteilung) oder um eine im Sinne des § 1 Abs. 2 leg.cit. (absehbarer Zeitraum ohne eigenen Anlaufzeitraum) handelt und ob in der Folge überhaupt eine Einkunftsquelle vorliegen kann.
2.4.2 Vorläufige Veranlagung
Gem. § 200 Abs. 1 BAO kann die Abgabenbehörde die Abgabe vorläufig festsetzen, wenn nach den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens der Umfang der Abgabepflicht noch ungewiss ist.
Im konkreten Fall liegt die Ungewissheit in der Beurteilung des Planes bzw. der Motive der Bw., die zwar schon vorliegen, die aber noch nicht ausreichend objektivierbar und damit endgültig beurteilbar sind.
Gem. § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei (§ 78) oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Eine vorläufige Veranlagung ist bei Ungewissheiten über den Eintritt rückwirkender Ereignisse (§ 295a BAO) ausgeschlossen (vgl. Ritz, BAO3, § 200 Tz 7 mwN; Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, BAO3 § 200 [Anm 10]). Aus diesem Grunde war auch zu prüfen, ob in den noch unsicheren zukünftigen Entwicklungen solche rückwirkende Ereignisse zu erblicken sind.
Ereignisse im Sinne des § 295a BAO sind sachverhaltsändernde tatsächliche oder rechtliche Vorgänge, von denen sich aus den die steuerlich relevanten Tatbestände regelnden Abgabenvorschriften eine abgabenrechtliche Wirkung für bereits entstandene Abgabenansprüche ergibt. Ob ein nach Entstehung des Abgabenanspruches eingetretenes Ereignis abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang des Abgabenanspruches hat, muss sich (gegebenenfalls im Interpretationsweg) aus den einzelnen Abgabenvorschriften ergeben (vgl. Ellinger/Iro/Kramer/Sutter/Urtz, aaO, § 295a [Anm 13f]). Zwischen den Verfahrensparteien ist strittig, ob diese Bestimmung auf neue Erkenntnisse im Hinblick auf den konkreten Fall und dabei vor allem den Umfang der Tätigkeit anwendbar sein kann. Das Finanzamt bejahte dies im Sinne der allgemeinen Verwaltungsübung (vgl. Rz 361a LStR 2002). Die Bw. lehnt dies jedoch ab und stützt sich auf mehrere Autoren (so etwa Atzmüller/Lattner in Wiesner/Atzmüller/Grabner/Lattner/Wanke, aaO, § 16 [Anm 144] oder auch Puchinger, FJ 2008, 95ff).
In der anhängigen Rechtssache liegt die Ungewissheit in der Beurteilung der subjektiven Absichten der Bw., die aufgrund der vorliegenden objektiven Umstände trotz Durchführung aller möglichen Ermittlungen noch nicht abschließend durchgeführt werden kann. Sie wird erst später möglich sein, wenn der subjektive Wille anhand der objektiv messbaren Ausformung klar beweisbar und damit sichtbar werden wird. Bei diesem Hervortreten der Umstände handelt es sich also nicht um Tatsachen, die die ursprünglichen Motive ändern, sondern um Tatsachen, die diese Motive beweisen. Der Sachverhalt wird dadurch nicht geändert, er wird nur "sichtbar". Die Ungewissheit liegt im bereits bestehenden Motiv und nicht in einem zukünftigen Ereignis.
Das ist der typische Anwendungsfall für die vorläufige Veranlagung, wie er schon vor Schaffung des § 295a BAO durch das Abgabenänderungsgesetz 2003 (BGBl. I Nr. 124/2003; kurz AbgÄG 2003) existierte (siehe etwa VwGH 30.7.2002, 96/14/0116, VwGH 24.10.2000 95/14/0085, VwGH 12.8.1994, 94/14/0025 etc.). § 200 BAO wurde dadurch nicht modifiziert, weshalb ihm keine andere Bedeutung gegeben wurde.
3 Zusammenfassung
Die Veranlagung der Einkommensteuer 2005 war somit nicht - wie bisher vom Finanzamt vertreten - endgültig, sondern vorläufig vorzunehmen.
Die Berücksichtigung der Aufwendungen als Werbungskosten (Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit) kam schon deshalb nicht in Frage, weil die geplante Tätigkeit jedenfalls nicht in einem Arbeitsverhältnis geplant ist.
Die Ausbildungskosten konnten aber auch nicht als Betriebsausgaben (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) berücksichtigt werden, weil die Mehrzahl der Fakten - zumindest derzeit - gegen die Absicht sprechen, die erworbenen Kenntnisse tatsächlich berufsmäßig und zur Erzielung eines Gesamtgewinnes umzusetzen. Dazu zählen insbesondere die folgenden Umstände:
- Die Ausbildung richtet sich auch an einen allgemeininteressierten Teilnehmerkreis (Punkt c des Ausschreibungstextes).
- Die Tätigkeit wurde nach dem Abschluss der Ausbildung offenbar nur sehr zögerlich aufgenommen. So wurde der Gewerbeschein erst fünf Monate nach der Abschlussprüfung gelöst. Als Werbemaßnahmen wurde nur eine Präsentation des Angebotes im April 2008 - also erst fast ein Jahr nach der Abschlussprüfung - genannt. Die ersten Einnahmen waren sehr gering und wurden erst viele Monate nach dem Abschluss der Ausbildung erzielt.
- Die Bw. gab zu Beginn an, sie plane die Tätigkeit in angemieteten Praxisräumlichkeiten auszuüben und korrigierte später, es sei der Ausbau einer Räumlichkeit im elterlichen Haus geplant. Eine konkrete Umsetzung dieser Pläne liegt noch nicht vor und die bisher nur geringfügige Tätigkeit wurde in der Privatwohnung der Bw. ausgeübt.
- Die Bw. nannte als Ziel ihrer Ausbildung ursprünglich die volle bzw. hauptberufliche Selbständigkeit und schränkte später ein, ihr mittelfristiges Ziel sei die Reduktion ihrer bisherigen Tätigkeit auf etwa 50%. Tatsächlich reduzierte sie die Arbeitszeit bisher nur geringfügig und erzielte bisher nur wenige Einnahmen ("einige hundert Euro") aus der neuen Tätigkeit.
Setzt man dies alles in Bezug zu den doch erheblichen Gesamtausbildungskosten von etwa EUR 10.000, kann der Unabhängige Finanzsenat derzeit nach dem Gesamtbild der Verhältnisse nicht mit Sicherheit davon ausgehen, dass sich die Bw. ernsthaft bemüht, den Beruf tatsächlich auszuüben, damit relevante Einnahmen zu erzielen und die Tätigkeit nicht vor dem Zeitpunkt zu beenden, zu dem ein Gesamtgewinn erwirtschaftet wurde.
Ob die Bw. die von ihr angegebenen Ziele tatsächlich ernsthaft beabsichtigt, wird erst anhand der in den nächsten Jahren erfolgenden Umsetzungen beurteilt werden können.
Die Aufwendungen in Höhe von EUR 2.804,32 konnten deshalb nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zugelassen werden und es war auszusprechen, dass die Veranlagung vorläufig erfolgt.
Salzburg, am 25. Juni 2008
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 4 Abs. 4 Z 7 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Gesundheitskinesiologie, Qi-Gong, umfassend, Hauptberuf |
Verweise: | VwGH 18.10.2007, 2005/15/0097 |