UFS RV/0462-G/06

UFSRV/0462-G/0630.5.2008

Versagung der Investitionszuwachsprämie im Falle der Geltendmachung nach Einreichung der Körperschaftsteuererklärung

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der Bw., vertreten durch WTH., Graz, vom 12. Oktober 2004 gegen die Bescheide des Finanzamtes vom 7. Oktober 2004 betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 für 2002 und Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

 

Die Berufungswerberin (Bw.) reichte durch deren steuerliche Vertretung am 9. September 2003 die Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2002 beim Finanzamt ein. Die Erklärung trägt neben der Unterschrift des gesetzlichen Vertreters der Bw. das Datum 28. August 2003. Am 17. September 2003 wurde der Körperschaftsteuerbescheid 2002 erlassen.

Weder die Körperschaftsteuererklärung 2002, noch die Beilagen beinhalten Hinweise auf die Inanspruchnahme der Investitionszuwachsprämie für 2002.

Ein Verzeichnis zur Geltendmachung der Lehrlingsausbildungsprämie "E 108c" wurde gleichzeitig mit der Körperschaftsteuererklärung 2002 vorgelegt.

Am 5. Oktober 2004 reichte die Bw. das Formular E 108e zur Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie 2002 in Höhe von 2.964,33 Euro ein. Dieses Formular weist kein Datum auf und trägt nur die Unterschrift des willkürlichen Parteienvertreters.

Das Finanzamt versagte mit Abweisungsbescheid vom 7. Oktober 2004 die Zuerkennung der Investitionszuwachsprämie 2002 mit der Begründung, dass der Antrag zur Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie verspätet eingereicht worden sei.

Mit Eingabe vom 12. Oktober 2004 bekämpfte die Bw. den

a) den Abweisungsbescheid und stellte gleichzeitig den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 308 BAO und

b) beantragte in eventu die Durchführung eines Veranlagungsverfahrens für die Abgabenerklärung E 108e für 2002 gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO.

ad a) Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO und Abweisungsbescheid

Die Bw. begründete ihren Antrag gemäß § 308 BAO dahingehend, dass die Berechnung der Investitionszuwachsprämie sowie die Erstellung des Antrages auf dem Formular "E 108e" im Zuge der Bilanzerstellung für das Jahr 2002 ausgefüllt und konzipiert worden sei, in der Folge aber im Akt bis zur Abgabe der Steuererklärung abgelegt worden und bedauerlicherweise im Rahmen der später erfolgten Reinschrift der Steuererklärungen im Akt liegen geblieben sei.

Bei Einreichung der Steuererklärungen sei übersehen worden, das Antragsformular für die Investitionszuwachsprämie miteinzureichen. Dieser Irrtum sei erst im Zuge der Bilanzierungstätigkeit für das Jahr 2003 bemerkt worden. Da ein solches Versehen nur äußerst selten vorkomme, sich im vorliegenden Fall aber ausnahmsweise auf Grund "unglücklicher Umstände" ergeben habe, sei dieses Versehen nach Ansicht der steuerlichen Vertretung der Bw. als nur leicht fahrlässig im Sinn des § 1332 ABGB einzustufen. Gemäß § 308 Abs. 1 BAO hindere ein minderer Grad des Versehens die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht. Ein minderer Grad des Versehens sei nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit leichter Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB gleichzusetzen.

Das EDV-System habe das Formular E 108e mangels quotenmäßiger Relevanz nicht berücksichtigt und auch dem Sekretariat sei es bei der Kontrolle der abzugebenden Steuererklärungen nicht aufgefallen, dass dieses Formular nicht gleichzeitig mit den übrigen Erklärungen eingereicht wurde.

Der Bw. selbst sei kein Verschulden unterlaufen. Aber auch der steuerlichen Vertretung könne weder ein Auswahlverschulden, noch ein Verletzung der Überwachungs- und Aufsichtspflicht zur Last gelegt werden.

Dieses geringe organisatorische Versehen sei auf "unglückliche Umstände" zurückzuführen und könne kein Hindernisgrund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sein.

Mit Bescheid vom 14. Jänner 2005 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiedereinsetzung ab. Darin wurde ausgeführt, dass es nach ständiger Rechtsprechung zu den Organisationserfordernissen einer Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters gehöre, dass eine Endkontrolle stattfinde. Für diese Ausgangskontrolle sei ein Fristenkalender unabdingbar, in dem das Fristende vermerkt und diese Fristeintragung erst gestrichen werde, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also abgefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden sei. Nur bei einer solchen Handhabung könne die Eintragung im Fristenkalender ihren Sicherungszweck erfüllen. Das Vorbringen der Bw., dass ihr EDV-System das neue Antragsformular für die Investitionszuwachsprämie nicht berücksichtigt habe, sei unbeachtlich, da gerade dieser Umstand eine gesonderte Endkontrolle erfordert hätte.

Gleichzeitig wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 14. Jänner 2005 die Berufung gegen den Abweisungsbescheid betreffend die Investitionszuwachsprämie 2002 ab.

Dagegen brachte die Bw. mit Eingabe vom 22. Februar 2005 den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein.

Die Bw. führte darin aus, dass bloß in jedem zehnten Erklärungsfall die Investitionszuwachsprämie zu beantragen sei, so dass es undenkbar (gemeint wohl unabdingbar) sei, zur Wahrung von Rechtsmittelfristen im Rahmen der Kanzleiverwaltung und nicht nur auf Ebene der Steuersachbearbeitung gesonderte organisatorische Vorkehrungen zu treffen. Auf Ebene der Steuersachbearbeiter werde in der Kanzlei jedenfalls nach dem Vier-., wenn nicht gar nach dem Sechsaugenprinzip gearbeitet. Aber auch das schließe im Ausnahmefall einen Fehler bei der Finalisierung des Erklärungsfalles bzw. im Rahmen der Abgabe der Steuererklärungen nicht aus. Dazu komme, dass die Investitionszuwachsprämie im Streitjahr als neue Steuerbegünstigung eingeführt worden sei und wäre Toleranz seitens der Abgabenbehörde angebracht.

Mit einer weiteren Eingabe vom 22. Februar 2005 berief die Bw. gegen den Abweisungsbescheid betreffend Wiedereinsetzung und verwies darin auf ihre Ausführungen im oa. Vorlageantrag.

Mit Vorhaltbeantwortung vom 27. April 2005 gab die steuerliche Vertretung der Bw. bekannt, dass im Falle von steuergesetzlichen Änderungen, Schulungen mit den Mitarbeitern durchgeführt würden. Auch die Investitionszuwachsprämie sei in der Mitarbeiterbesprechung am 8. Jänner 2003 besprochen worden und sei dabei auch auf das Formular E 108e hingewiesen worden.

Jede Bilanz und Steuererklärung werde vor Einreichung beim Finanzamt nach Bearbeitung durch den Sachbearbeiter durch einen Hauptsachbearbeiter oder Revisor kontrolliert. Die Sachbearbeitung erfolge auch auf Grund der Mehr-Weniger-Rechnung, in welcher der Inanspruchnahme steuerlicher Begünstigungen besonderer Raum gewidmet sei.

Die Besonderheit im Berufungsfall sei, dass die Höhe der Investitionszuwachsprämie zwar berechnet, das Antragsformular auch ausgefüllt, jedoch lediglich die Einreichung beim Finanzamt übersehen worden sei.

In zwei weiteren Fällen sei bereits auf Sachbearbeiterebene die Antragstellung unterlassen worden. Einer dieser beiden Fälle sei bereits positiv durch das Finanzamt entschieden worden.

Zum Beweis für die Erläuterung in der Mitarbeiterschulung wurde die Schulungsunterlage vom 8. Jänner 2003 vorgelegt.

Unter Punkt 4.) wurden kurz zusammengefasst die gesetzlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie angeführt. Über den Zeitpunkt der Abgabe der Erklärungen finden sich aber keine Hinweise.

ad b) Antrag auf Durchführung des Veranlagungsverfahrens gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO

Gleichzeitig mit der Einbringung der Berufung gegen die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wurde (für den Fall, dass dieser Berufung nicht Folge gegeben werde) der Antrag auf Durchführung des Veranlagungsverfahrens und Festsetzung der Investitionszuwachsprämie gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO gestellt. Da das Verzeichnis gemäß § 108e Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002 als Abgabenerklärung gelte, habe das Finanzamt auch dann ein Veranlagungsverfahren durchzuführen und die Investitionszuwachsprämie gutzuschreiben , wenn die Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie erst nach dem Ergehen des Einkommensteuerbescheides, jedoch innerhalb der Bemessungsverjährung von fünf Jahren erfolgt.. § 108e EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002 habe zwar vorgesehen, dass das Verzeichnis betreffend Investitionszuwachsprämie der Steuererklärung des betreffenden Jahres anzuschließen sei, eine Rechtsfolge für den Fall der späteren Einreichung des Verzeichnisses sei aber nicht vorgesehen gewesen. § 108e EStG idF StReformG 2005 sei aber erst ab der Veranlagung 2004 anzuwenden.

Über die Berufung wurde erwogen:

 

ad a) Wiedereinsetzung gemäß § 308 BAO und Abweisung des Antrages auf Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie

Gemäß § 308 Abs. 1 BAO ist gegen die Versäumung einer Frist (§§ 108 bis 110) auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Die Behauptungen des Wiedereinsetzungswerbers innerhalb der Wiedereinsetzungsfrist stecken den Rahmen für die Untersuchung der Frage ab, ob ein Wiedereinsetzungsgrund gegeben ist. Der behauptete Wiedereinsetzungsgrund muss bereits im Antrag glaubhaft gemacht bzw. müssen bereits im Antrag taugliche Bescheinigungsmittel beigebracht werden (vgl. zB den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes, VwGH 23.9.2005, 2005/15/0083).

Im Wiedereinsetzungsantrag brachte die steuerliche Vertretung der Bw. vor, die Erstellung des Antrages auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie (Verzeichnis) sei zeitgleich mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 erfolgt. Lediglich bei der Einreichung der Steuererklärungen für das Jahr 2002 sei irrtümlich übersehen worden, das Formular "E 108e" (Verzeichnis) miteinzureichen. Ein solches Versehen komme im Rahmen der Kanzlei der steuerlichen Vertretung der Bw. nur äußerst selten vor, habe sich im vorliegenden Fall aber aufgrund "unglücklicher Umstände" ausnahmsweise ergeben.

Worin die "unglücklichen Umstände" gelegen seien, wurde im Wiedereinsetzungsantrag nicht ausgeführt. Ausgeführt wurde lediglich, dass kein Verschulden der Partei und nur geringes Verschulden der steuerlichen Vertretung an der Versäumung der Frist, somit nur leichte Fahrlässigkeit vorliege.

Seitens der Bw. wird dabei aber übersehen, dass es Voraussetzung für die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei, dass die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten. Wenn ein solches Ereignis nicht vorliegt - wobei im gegenständlichen Fall der Wiedereinsetzungsantrag überhaupt nicht ausgeführt wurde, worin dieses Ereignis bestanden haben sollte -, fehlt es bereits an einer grundlegenden Voraussetzung für die Bewilligung einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Das Verschulden an der Fristversäumnis ist in diesem Fall nicht mehr relevant. Die vage Umschreibung, die Frist sei aufgrund "unglücklicher Umstände" versäumt worden, stellt keine Glaubhaftmachung eines konkret zu nennenden unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses im Wiedereinsetzungsantrag dar. Die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Finanzamt erfolgte daher bereits aus diesem Grund zu Recht.

Die Bw. bringt vor, dass die Versäumung der Frist nicht auf einem Verschulden des Parteienvertreters selbst, das unbestrittenermaßen einem Verschulden der Bw. gleichzuhalten wäre, sondern lediglich auf einem Versehen von Kanzleiangestellten der steuerlichen Vertretung der Bw. beruhe.

Da diese im übrigen jedoch alle gut geschult und sehr sorgfältig seien, liege auch kein Auswahl- oder Organisationsverschulden der steuerlichen Vertretung vor, das über den Grad eines minderen Versehens hinausgehe.

Wer einen Wiedereinsetzungsantrag auf das Verschulden einer Kanzleibediensteten stützt, hat schon im Antrag darzulegen, aus welchen Gründen ihn selbst kein die Wiedereinsetzung ausschließendes Verschulden trifft. Dies erfordert ein substantiiertes Vorbringen darüber, dass und in welcher Weise der Wiedereinsetzungswerber oder sein bevollmächtigter Vertreter die erforderliche Kontrolle ausgeübt hat (vgl. VwGH 22.12.2005, 2002/15/0109). Im vorliegenden Fall wurde weder der Name der Kanzleiangestellten genannt, der das Versehen angeblich passiert sei, noch wurden sonst nähere Umstände dargelegt, die im vorliegenden Fall ausnahmsweise zur Fristversäumnis führten.

Bei genauer Einhaltung der von der steuerlichen Vertretung geschilderten Kontrollmechanismen ist es außerdem nicht verständlich, warum dem nachprüfenden Bearbeiter das Fehlen des Antrages nicht aufgefallen ist.

Es ist der Argumentation des Finanzamtes beizupflichten, dass es nach ständiger Rechtsprechung zu den Organisationserfordernissen einer Kanzlei eines berufsmäßigen Parteienvertreters gehöre, dass eine Endkontrolle stattfinde. Für diese Ausgangskontrolle sei ein Fristenkalender unabdingbar, in dem das Fristende vermerkt und diese Fristeintragung erst gestrichen werde, wenn die fristwahrende Maßnahme durchgeführt, der Schriftsatz also abgefertigt und abgesandt oder zumindest postfertig gemacht worden sei. Nur bei einer solchen Handhabung könne die Eintragung im Fristenkalender ihren Sicherungszweck erfüllen. Gerade das Vorbringen der Bw., dass ihr EDV-System das neue Antragsformular für die Investitionszuwachsprämie nicht berücksichtigt habe, hätte eine umso genauere Endkontrolle erfordert und stellt keinen Entschuldigungsgrund dar.

Hinzu kommt, dass es im vorliegenden Fall kein einziges Indiz für die Behauptung der steuerlichen Vertretung gibt, der Antrag auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie (Verzeichnis) sei zeitgleich mit der Körperschaftsteuererklärung für das Jahr 2002 erstellt und lediglich aufgrund eines Versehens einer Kanzleiangestellten nicht eingereicht worden. Im vorliegenden Fall ist weder aus den Steuererklärungen des Jahres 2002 noch in den damit eingereichten Beilagen irgendein Hinweis auf die gleichzeitige Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie zu entnehmen.

Dagegen hat die Bw. zeitgleich mit der Körperschaftsteuererklärung sehr wohl die Lehrlingsausbildungsprämie beantragt, was dafür spricht, dass an die Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie einfach nicht gedacht wurde.

Der vorliegende Sachverhalt ist mit jenen, die vom Bundesministerium für Finanzen (vgl. die Ausführungen in SWK 17/2004, S 584) bzw. vom unabhängigen Finanzsenat (vgl. UFS 3.10.2005, RV/0143-F/04) "positiv beurteilt" wurden daher nicht vergleichbar, weil in den genannten Fällen als erwiesen angesehen werden konnte, dass der Antrag auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie tatsächlich gleichzeitig mit der Steuererklärung des betreffenden Jahres erstellt und nur aufgrund eines Versehens (einer Kanzleiangestellten) nicht gleichzeitig eingereicht worden war. Im vorliegenden Fall spricht gegen die gleichzeitige Erstellung von Körperschaftsteuererklärung und Antrag auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie überdies, dass die Körperschaftsteuererklärung neben der Unterschrift der Bw. das Datum "28. August 2003" trägt, der nachträglich eingereichte Antrag zur Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie weist hingegen weder ein Datum noch eine Unterschrift der Bw. auf. Im vorliegenden Fall ist daher davon auszugehen, dass auf die Inanspruchnahme der Investitionszuwachsprämie im Zeitpunkt der Erstellung der Steuererklärungen des Jahres 2002 einfach vergessen wurde, weshalb kein bloßes Versehen einer Kanzleikraft bei der Abgabe oder Versendung der Erklärungen, sondern ein Verschulden der steuerlichen Vertretung selbst an der Fristversäumnis vorliegt. Die (ganz allgemein gehaltenen) Ausführungen der steuerlichen Vertretung der Bw. hinsichtlich des Nichtvorliegens eines Auswahl- oder Organisationsverschuldens können somit dahingestellt bleiben. Das Vergessen der steuerlichen Vertretung wurde auch in dem Zeitpunkt, in dem ihr die Bescheide für das Jahr 2002 zugestellt (Erstellungsdatum 17. September 2003) wurden, noch nicht bemerkt, weil offensichtlich nicht kontrolliert wurde, ob die - nach Ansicht der steuerlichen Vertretung vermeintlich ohnedies rechtzeitig beantragte - Investitionszuwachsprämie auch gewährt wurde. Damit liegt eine Sorglosigkeit der steuerlichen Vertretung vor, die dazu führt, dass es sich bei diesem Vergessen nicht bloß um einen minderen Grad eines Versehens handelt. Das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumnis ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes dem Verschulden der Partei selbst gleichzuhalten (vgl. nochmals zB VwGH 22.12.2005, 2002/15/0109).

Abgesehen davon, dass das Vorliegen eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses, das zur Versäumung der Frist führte, im Wiedereinsetzungsantrag nicht glaubhaft gemacht wurde, führte somit nicht ein Versehen einer Kanzleiangestellten, sondern vielmehr ein Verschulden der steuerlichen Vertretung selbst, das über ein Versehen minderen Grades hinausgeht, zur Versäumung der Frist für die Inanspruchnahme der Investitionszuwachsprämie. Die Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand durch das Finanzamt erfolgte daher zu Recht.

Es ist aber auch der Berufung gegen den Abweisungsbescheid kein Erfolg beschieden. Der VwGH hat mit Erkenntnis vom 21. 9. 2006, 2004/15/0104 erkannt, dass ein Antrag auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie nach der Stammfassung des § 108e EStG 1988, die im Berufungsfall zur Anwendung kommt, wenn er nicht mit der Einreichung der Abgabenerklärung gestellt wird, verspätet ist (siehe auch die Erkenntnisse vom 21. 9. 2006, 2004/15/0116, 2006/15/0090 und 2006/15/0133, vom 22. 11. 2006, 2006/15/0049 und 2006/15/0265 sowie vom 15.1.2008, 2007/15/0268).

Mangels rechtzeitiger Einreichung des Antrages zur Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie 2002 hat das Finanzamt zu Recht die Zuerkennung der Investitionszuwachsprämie für 2002 mit dem angefochtenen Abweisungsbescheid vom 7. Oktober 2005 versagt.

ad b) Antrag auf Durchführung des Veranlagungsverfahrens gemäß § 201 Abs. 3 Z 1 BAO zur Festsetzung der Investitionszuwachsprämie

Die Bw. vertritt weiters die Meinung, dass die Investitionszuwachsprämie - unabhängig vom Ausgang des Berufungsverfahrens betreffend Abweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - jedenfalls in der beantragten Höhe gutzuschreiben sei, weil das entsprechende Verzeichnis rechtzeitig beim Finanzamt eingereicht worden sei. Da das Verzeichnis gemäß § 108e Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002 im Streitjahr als Abgabenerklärung gegolten habe, habe das Finanzamt auch dann ein Veranlagungsverfahren durchzuführen und die Investitionszuwachsprämie gutzuschreiben, wenn diese erst nach dem Ergehen des Körperschaftsteuerbescheides, jedoch noch innerhalb der Bemessungsverjährung von fünf Jahren, geltend gemacht werde. § 108e EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002 habe zwar geregelt, dass das Verzeichnis betreffend Investitionszuwachsprämie der Steuererklärung des betreffenden Jahres anzuschließen sei, eine Rechtsfolge für den Fall der späteren Einreichung des Verzeichnisses sei aber nicht vorgesehen gewesen.

Die im Streitjahr geltende Bestimmung des § 108e Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002 lautete: "Der Steuererklärung ist ein Verzeichnis der Investitionszuwachsprämie des betreffenden Jahres anzuschließen (§§ 42, 43). Das Verzeichnis hat die Ermittlung der Bemessungsgrundlage und die daraus ermittelte Investitionszuwachsprämie zu enthalten. Das Verzeichnis gilt als Abgabenerklärung." § 108e Abs. 5 erster Satz EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002 lautete: "Die sich aus dem Verzeichnis ergebende Prämie ist auf dem Abgabenkonto gutzuschreiben, es sei denn, es ist ein Bescheid gemäß § 201 BAO zu erlassen."

Daraus geht hervor, dass die Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie im Streitjahr an die Abgabe der Steuererklärung gebunden war. Als Folge ergibt sich, dass im Fall einer verspäteten Geltendmachung ein die beantragte Investitionszuwachsprämie abweisender Bescheid im Sinn des § 201 BAO zu ergehen hat (siehe bspw. VwGH 21. 9. 2006, 2004/15/0116, 2006/15/0090 und 2006/15/0133, vom 22. 11. 2006, 2006/15/0049 und 2006/15/0265 sowie vom 15.1.2008, 2007/15/0268).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass das zur Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie erforderliche Verzeichnis (E 108e) nicht nur erst nach Abgabe der Körperschaftsteuererklärung, sondern erst nach Eintritt der Rechtskraft des Körperschaftsteuerbescheides des Streitjahres eingereicht wurde. Damit erübrigt sich auch die Auseinandersetzung mit der Frage, ob im vorliegenden Fall die in Erlässen kundgemachte "Toleranzregelung", wonach die Geltendmachung einer Investitionszuwachsprämie noch bis zum Ergehen (Zustellung) des das jeweilige Jahr betreffenden Körperschaftsteuerbescheides als rechtzeitig erachtetet wurde, anzuwenden ist. Die - offenbar auf den Ausführungen von Giesinger (vgl. SWK 10/2004, S 389, und SWK 20/21/2004, S 654) beruhende - von der Bw. vertretene Rechtsansicht, wonach jede innerhalb der Bemessungsverjährung von fünf Jahren erfolgte Geltendmachung der Investitionszuwachsprämie zur antragsgemäßen Gutschrift der Prämie führen müsse, kann im Hinblick auf die oa. Rechtsprechung des VwGH nicht gefolgt werden

Ergänzend wird darauf hingewiesen, dass auch der Verfassungsgerichtshof in einem die Behandlung einer Beschwerde ablehnenden Beschluss (VfGH 26.9.2005, B 24/05) keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die im Streitjahr geltende Regelung des § 108e Abs. 4 EStG 1988 idF BGBl. I Nr. 155/2002, wonach die Investitionszuwachsprämie gleichzeitig mit der Steuererklärung zu beantragen war, hatte, weil es sich - laut Verfassungsgerichtshof - bei der Investitionszuwachsprämie um eine steuerliche Begünstigung gehandelt habe, für deren Erlangung der Gesetzgeber die Einhaltung bestimmter Formerfordernisse verlangen habe dürfen.

Da der Antrag auf Gewährung der Investitionszuwachsprämie somit verspätet eingebracht worden war, war die Selbstberechnung der Bw. objektiv rechtswidrig und damit unrichtig im Sinne des § 201 BAO. Das Finanzamt hatte daher - entgegen der Ansicht der Bw. - die Investitionszuwachsprämie nicht in der von ihr beantragten Höhe, sondern mit 0,00 € festzusetzen. Der gegenständliche auf § 201 BAO fußende, den Antrag auf Gewährung der Prämie abweisende Bescheid, entspricht inhaltlich einer Festsetzung mit 0,00 € (vgl. UFS 30.12.2004, RV/0847-L/04) und erging daher zu Recht und war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.

Graz, am 30. Mai 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 108e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 201 Abs. 3 Z 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 308 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Investitionszuwachsprämie, verspätete Einreichung des Verzeichnisses, Körperschaftsteuererklärung, Wiedereinsetzung, Festsetzungsbescheid

Stichworte