UFS RV/0360-F/07

UFSRV/0360-F/0714.4.2008

Auslegung des Begriffs Auslandstätigkeit

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0184 eingebracht (Amtsbeschwerde). Antrag (Beschluss) des VwGH vom 22.3.2010 an den VfGH auf Aufhebung des § 3 Abs. 1 Z. 10 EStG. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2010/15/0176 eingebracht. Mit Erk. v. 21.12.2010 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0520-F/10 erledigt.

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw., vertreten durch Mag. Martin Feurstein, 6850 Dornbirn, Montfortstraße 18 c, vom 14. August 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Feldkirch vom 30. Juli 2007 betreffend Festsetzung von Vorauszahlungen an Einkommensteuer für das Jahr 2007 entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Die Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2007 wird mit Null festgesetzt.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber ist bei einem Schweizer Bauunternehmen, der IBAG, beschäftigt. Laut Bestätigung der IBAG arbeitet er seit Anfang Oktober 2006 auf einer Tunnelbaustelle in der Schweiz als TBM (Tunnelbaumaschine)-Maschinist. Da er seit dem Jahr 2001 einen (weiteren) Wohnsitz in der Schweiz hatte, stand das Besteuerungsrecht über seine Schweizer Einkünfte nach dem Doppelbesteuerungsabkommen zwischen der Republik Österreich und der Schweizer Eidgenossenschaft, BGBl. 1974/64, (DBA-Schweiz) der Schweiz zu. Dementsprechend hatte er für die Jahre 2001 bis 2006 auch keine Einkommensteuererklärungen abgegeben.

Am 6. Februar 2007 stellte der steuerliche Vertreter des Berufungswerbers an das Finanzamt Feldkirch folgende Anfrage: "Eine in Österreich ansässige Person ist bei einem Bauunternehmen in der Schweiz angestellt. Der Arbeiter wird ausschließlich bei verschiedenen Tunnelprojekten in der Schweiz eingesetzt. Die jeweiligen Baustellen erstrecken sich im Regelfall über mehrere Monate. Der Arbeiter übernachtet immer auf der jeweiligen Baustelle in Baucontainern. An den Wochenenden fährt der Arbeitnehmer im Regelfall nach Hause zu seiner Familie nach Österreich. Aufgrund des neuen DBA-Schweiz hätte Österreich unter Anwendung der Anrechnungsmethode das Besteuerungsrecht. Meines Erachtens liegt eine begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 vor. Ich hätte nun folgende Fragen an sie: 1. Teilen sie die von mir vertretene Rechtsansicht? 2. Welche Unterlagen muss der Arbeiter beibringen, damit die Begünstigung gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 zur Anwendung kommen kann?

Die Anfrage wurde vom Finanzamt an das Bundesministerium für Finanzen (BMF) weitergeleitet, welches darauf zusammengefasst wie folgt antwortete: Im Hinblick auf die UFS-Entscheidungspraxis zur gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sei der Begriff des "inländischen Betriebes" so zu verstehen, dass damit nicht nur österreichische Betriebe, sondern auch Betriebe im EU-/EWR-Raum sowie in der Schweiz gemeint sind (UFS 5.10.2005, RV/0016-F/04; UFS 29.5.2006, RV/0028-F/06; UFS 22.6.2006, RV/1007-W/06). Eine Steuerfreiheit nach § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sei daher dann gegeben, wenn es sich um Arbeitgeber im EU-/EWR-Raum bzw. in der Schweiz handle, wenn die Arbeitnehmer für begünstigte Tätigkeiten im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 lit. b EStG 1988 eingesetzt würden und wenn die Auslandstätigkeit jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgehe. Entscheidend sei in diesem Zusammenhang das Verständnis des Begriffes "Auslandstätigkeit". Dem Willen des Gesetzgebers entsprechend sollten mit der Steuerbefreiung die Arbeitskosten für Auslandsaufträge nicht ins Unvermeidliche steigen und die inländischen Betriebe dadurch gegenüber der internationalen Konkurrenz bestehen können. Außerdem sollte sie als Anreiz dienen, Arbeitskräfte zu finden, die bereit seien, die Unbillen einer längerfristigen Auslandstätigkeit auf sich zu nehmen. Im Falle der früheren, rein innerstaatlichen Interpretation des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sei somit unter "Ausland" sowohl aus Sicht der Arbeitgeber als auch aus jener der Arbeitnehmer jedes Land außer Österreich zu verstehen. Die Ausdehnung der Begünstigung auf alle Betriebe im EU-/EWR-Raum bzw. in der Schweiz als Folge der gemeinschaftskonformen Interpretation des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 erfordere aber auch eine entsprechende Anpassung der teleologischen Interpretation des Begriffes "Auslandstätigkeit", und zwar müsse es sich im Hinblick auf das Argument der Konkurrenzfähigkeit gegenüber ausländischen Betrieben zunächst um eine Tätigkeit handeln, die aus Sicht des jeweiligen Auftraggebers im Ausland ausgeübt werde, im Hinblick auf das Argument der Inkaufnahme von Unbillen, die mit einer längerfristigen Auslandstätigkeit verbunden sei, müsse es sich weiters um eine Tätigkeit handeln, die auch aus Sicht des inländischen Arbeitnehmers im Ausland ausgeübt werde. Es ergäben sich daraus folgende Konstellationen, die anhand der dargestellten Kriterien als nach § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 begünstigt oder nicht begünstigt anzusehen seien:

(Wohn)sitz des Arbeitgebers oder (im Gestellungsfall) des Auftraggebers

Orte der Ausübung der begünstigten Tätigkeit

Nach § 3 Abs. 1 Z 10 EStG begünstigt (ja/nein)

Österreich

Österreich

Nein

Österreich

Jedes Land außerhalb Österreichs

Ja

Sonstiges EU-/EWR-Land bzw. Schweiz

Österreich

Nein

Sonstiges EU-/EWR-Land bzw. Schweiz

Ident mit (Wohn)Sitzland des Arbeitgebers bzw. Auftraggebers

Nein

Sonstiges EU-/EWR-Land bzw. Schweiz

Jedes Land außerhalb Österreichs und außerhalb des (Wohn)sitzlandes des Arbeitgebers bzw. Auftraggebers

Ja

Außerhalb EU/EWR/Schweiz

 

Nein (gleichgültig, in welchem Land der Welt)

Würden somit beispielsweise Arbeitskräfte in Österreich von einem Schweizer Auftraggeber beschäftigt, seien die Einkünfte dann nach § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 steuerfrei, wenn die Arbeitnehmer eine begünstigte Tätigkeit ununterbrochen länger als einen Monat in einem Land außerhalb von Österreich und der Schweiz ausübten.

Was die Frage 2 betrifft wies das BMF auf die erhöhte Mitwirkungspflicht des Abgabepflichtigen aufgrund des Auslandssachverhaltes hin.

Aufgrund dieser Anfragebeantwortung setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 30. Juli 2007 eine Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2007 mit der Begründung fest, dass durch die Änderung des DBA-Schweiz mit 1.1.2007 der Berufungswerber wiederum in Österreich steuerpflichtig sei. Dies deshalb, weil nicht mehr die tägliche Rückkehr zum Wohnort Voraussetzung für das Besteuerungsrecht sei, sondern der Mittelpunkt der Lebensinteressen. Da der Berufungswerber in Österreich ein Eigenheim besitze und dort mit seiner Gattin in aufrechter Ehe lebe, sei der Mittelpunkt der Lebensinteressen in Österreich gelegen. Die polizeiliche Meldung sei hierfür nicht entscheidend. Die Höhe der Vorauszahlung sei auf der Basis des vorgelegten Jahresausweises für 2006 errechnet worden.

Der Berufungswerber erhob gegen diesen Bescheid Berufung, die sein steuerlicher Vertreter im Wesentlichen damit begründete, dass der angefochtene Bescheid in Widerspruch zu Artikel 39 des Europäischen Gründungsvertrages (EGV) stehe. Der Berufungswerber werde seit Jahren ausschließlich im Tunnelbau an verschiedenen Baustellen in der Schweiz jenseits des Grenzgebietes eingesetzt. Er übe diese Tätigkeit während des gesamten Kalenderjahres aus und übernachte während der jeweiligen Arbeitstage in der Schweiz. Mit Ausnahme der Beschäftigung bei einem inländischen Arbeitgeber seien alle Voraussetzungen für die Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 erfüllt. Der unabhängige Finanzsenat habe aber bereits in mehreren Berufungsentscheidungen festgestellt, dass die Voraussetzung eines inländischen Arbeitgebers gegen Artikel 39 EGV verstoße. Die vom BMF vertretene Rechtsansicht zum Begriff "Auslandstätigkeit" würde im Ergebnis dazu führen, dass zB ein in Dornbirn lebender und bei einem inländischen Bauunternehmen beschäftigter Bauarbeiter mit Arbeitsort in der Schweiz die Steuerbefreiung in Anspruch nehmen könne, während diese einem bei einem Schweizer Bauunternehmen beschäftigten Bauarbeiter mit Wohnsitz in Dornbirn und Arbeitsort in der Schweiz versagt bliebe. Diese Interpretation sei ebenso gemeinschaftswidrig wie die gesetzliche Anknüpfung der Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 an die Beschäftigung bei einem inländischen Betrieb. Die Berufung wurde zusammen mit der Anfragebeantwortung des BMF dem unabhängigen Finanzsenat direkt zur Entscheidung vorgelegt.

Über die Berufung wurde erwogen:

Im vorliegenden Fall ist unstrittig, dass das Besteuerungsrecht über die Schweizer Einkünfte des Berufungswerbers durch die Änderung des DBA-Schweiz mit 1.1.2007 wieder Österreich zustand. Strittig ist aber, ob diese Einkünfte aufgrund der Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 steuerfrei waren und daher die Festsetzung der Einkommensteuervorauszahlung für das Jahr 2007 zu Recht erfolgt ist oder nicht.

Gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 sind Einkünfte, die Arbeitnehmer inländischer Betriebe für eine begünstigte Auslandstätigkeit von ihren Arbeitgebern beziehen, wenn die Auslandstätigkeit jeweils ununterbrochen über den Zeitraum von einem Monat hinausgeht, steuerfrei. Inländische Betriebe sind gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 lit. a EStG 1988 Betriebe von inländischen Arbeitgebern oder inländische Betriebsstätten von im Ausland ansässigen Arbeitgebern. Begünstigte Auslandstätigkeiten sind gemäß § 3 Abs. 1 Z 10 lit. b EStG 1988 die Bauführung, Montage, Montageüberwachung, Inbetriebnahme, Instandsetzung und Wartung von Anlagen, die Personalgestellung anlässlich der Errichtung von Anlagen durch andere inländische Betriebe sowie die Planung, Beratung und Schulung, soweit sich alle diese Tätigkeiten auf die Errichtung von Anlagen im Ausland beziehen, weiters das Aufsuchen und die Gewinnung von Bodenschätzen im Ausland.

Wie der unabhängige Finanzsenat bereits mehrfach entschieden hat, steht die Steuerfreiheit für begünstigte Auslandstätigkeiten in gemeinschaftsrechtskonformer Interpretation entgegen dem Wortlaut des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. auch Arbeitnehmern zu, die nicht bei einem inländischen Betrieb, sondern bei einem Betrieb im übrigen Gemeinschaftsgebiet, im Gebiet des Europäischen Wirtschaftsraums und aufgrund des Abkommens zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizer Eidgenossenschaft andererseits (Freizügigkeitsabkommen, FZA) auch in der Schweiz beschäftigt sind, sofern die übrigen Voraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. erfüllt sind (vgl. zB UFS 5.10.2007, RV/0016-F/04; UFS 16.8.2006, RV/0252-F/05, UFS 29.5.2006, RV/0028-F/06). Diese übrigen Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall gegeben: Die Tätigkeit des Berufungswerbers (TBM-Maschinist) ist als Bauführung und damit als begünstigte Tätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 lit. b EStG 1988 einzustufen. Diese wurde, wie aus der Bestätigung der IBAG glaubwürdig hervorgeht, durchgehend seit Oktober 2006 bis ins Frühjahr 2008 ausgeübt und ist daher im Jahr 2007 jeweils ununterbrochen über einen Monat hinausgegangen. Fraglich ist somit lediglich, ob auch eine "Auslandstätigkeit" vorgelegen hat, wenn der bei einem Schweizer Betrieb beschäftigte Berufungswerber auch in der Schweiz gearbeitet hat. Auch diese Frage ist zu bejahen und es teilt der unabhängige Finanzsenat diesbezüglich die vom BMF in der zitierten Anfragebeantwortung vertretene Interpretation nicht. Denn es ist, wie der unabhängige Finanzsenat in seiner Entscheidung vom 13.2.2008, GZ. RV/0401-L/07, ausführlich dargelegt hat, herrschende Lehre und Rechtsprechung, dass eine mit Gemeinschaftsrecht in Widerspruch stehende nationale Vorschrift immer nur im Umfang mit der tatsächlich vorliegenden Gemeinschaftswidrigkeit unanwendbar bzw. unangewendet zu lassen ist (vgl. zB EuGH Rs 103/88 , Fratelli Costanzo; VwGH v. 21.06.1999, 97/17/0501; ecolex 1995, 338; ecolex 1996, 639; ecolex 1996, 494). Weiter heißt es in der Entscheidung RV/0401-L/07: "Folgt man diesem Ansatz, dass unmittelbar wirksames Gemeinschaftsrecht eine dazu im Widerspruch stehende nationale Bestimmung nur insoweit verdrängt bzw. unanwendbar werden lässt, als dieser tatsächlich Gemeinschaftsrechtswidrigkeit anhaftet, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass die von einer solchen Verdrängung unbetroffenen Normbestandteile der nationalen Vorschrift mangels Unterbrechung ihres zeitlichen Geltungsbereiches beim innerstaatlichen Rechtsvollzug weiterhin unverändert anwendbar bleiben. Übertragen auf gegenständliches Rechtsproblem folgt daraus zunächst, dass die Steuerbefreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 bis zu einer allfälligen legistischen Änderung und Beseitigung ihres gemeinschaftsrechtswidrigen Anspruchserfordernisses "inländischer Betrieb" beim nationalen Rechtsvollzug auf Fälle ohne Binnenmarktbezug im vollen Umfang anwendbar und auf Fälle mit Binnenmarktbezug auch nur hinsichtlich des nicht gemeinschaftsrechtskonformen Tatbestandsmerkmals "inländischer Betrieb" als durch Artikel 39 EGV verdrängt anzusehen und insoweit partiell unanwendbar ist (JPR 2000, 84; ÖJZ 1999, 781). In diesem Sinne sind auch die abschließenden Feststellungen in der Berufungsentscheidung RV/0016-F/04 des UFS zu verstehen, wenn es dort auszugsweise heißt: "war die Bestimmung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 nach der vorzitierten Rechtsprechung des EuGH im vorliegenden Fall insoweit ("inländischer Betrieb") unangewendet zu lassen." Weitere Schlussfolgerung aus obigen Überlegungen ist, dass damit überhaupt keine Veranlassung besteht, den übrigen, aus Sicht des Gemeinschaftsrechtes unbedenklichen und damit von diesem auch nicht verdrängten Tatbestandsmerkmalen des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 beim Rechtsvollzug dieser Bestimmung sei es in Fällen mit oder ohne Gemeinschaftsbezug eine andere als die ihnen nach den nationalen Auslegungsregeln zukommende Bedeutung zuzuschreiben....."

Aus diesen Ausführungen, denen sich der Referent vollinhaltlich anschließt, folgt somit, dass der durch Gemeinschaftsrecht nicht verdrängte Begriff "Auslandstätigkeit" nach den nationalen Auslegungsregeln zu interpretieren ist.

Auch im Verwaltungsrecht sind die Auslegungsvorschriften der §§ 6 und 7 ABGB anzuwenden. Für die Auslegung einer Gesetzesvorschrift ist der in ihr zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, so wie er sich aus dem Wortlaut der Gesetzesbestimmung und dem Sinnzusammenhang ergibt, maßgebend. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Auslegung von Verwaltungsgesetzen in erster Linie von der Wortinterpretation in Verbindung mit der grammatikalischen und der systematischen Auslegung auszugehen. Nur wenn sich aus der Wortinterpretation keine Anhaltspunkte ergeben, also der Wortlaut des Gesetzes unklar bleibt, kann zur Auslegung der gesetzlichen Bestimmung auf die Materialien zurückgegriffen werden (VwGH 23.3.2001, 98/06/0240). Im Wortsinn bedeutet "Ausland" jenes Gebiet, welches außerhalb des Staatsgebietes liegt, von dem aus die Betrachtung erfolgt. Der Begriff "Ausland" wird durch den Begriffe "Inland" abgegrenzt, Inland ist daher jenes Gebiet, das nicht Ausland ist, Ausland jenes Gebiet, das nicht Inland ist. Bezogen auf das österreichische Einkommensteuerrecht ist unter Inland das gesamte Bundesgebiet zu verstehen. (vgl. zB Doralt, EStG9, § 1 Tz 28). Demgegenüber ist "Ausland" somit jenes Gebiet, das außerhalb des österreichischen Bundesgebietes liegt. Unter Auslandstätigkeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 ist daher jede Tätigkeit außerhalb des Bundesgebietes zu verstehen (vgl. in diesem Sinne auch UFS vom 13.2.2008, RV/0401-L/07). Nach dieser wörtlichen und gesetzessystematischen Interpretation ist die Schweiz, da sie nicht Teil des österreichischen Bundesgebietes ist, unzweifelhaft Ausland und ist eine Tätigkeit, die in der Schweiz ausgeübt wird, als Auslandstätigkeit anzusehen. Für die vom BMF vertretene "teleologische" Interpretation des Begriffs "Auslandstätigkeit" bleibt daher angesichts dieses klaren Auslegungsergebnisses kein Raum.

Abgesehen davon vermag der unabhängige Finanzsenat dieser teleologische Interpretation aber auch nicht folgen. Es ist zwar richtig, dass es die rechtspolitische Absicht der in Rede stehenden Steuerbefreiung des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. war, die Wettbewerbsfähigkeit bestimmter Auslandstätigkeiten inländischer Betriebe zu fördern. Bei Sachverhalten mit Gemeinschaftsrechtsbezug kann diese Absicht des historischen Gesetzgebers in die Interpretation des § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. aber nicht einfließen, da das Tatbestandsmerkmal "Arbeitnehmer inländischer Betriebe" in diesen Fallen als gemeinschaftswidrig gerade verdrängt wird und die rechtspolitische Absicht dieser Bestimmung (Förderung der Wettbewerbesfähigkeit) auch nicht zur Rechtfertigung der Beschränkung der Arbeitnehmerfreizügigkeit herangezogen werden kann (vgl. hiezu UFS 5.10.2005, RV/0016-F/04). Das Argument der Wettbewerbsfähigkeit kann daher auch nicht über die Auslegung des Begriffs "Ausland" Eingang in die Interpretation des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 finden. Zudem würde mit dieser Interpretation im Falle nicht im Inland ansässiger Arbeitgeber ein Gesetzeszweck unterstellt, der wohl keinesfalls unterstellt werden kann, nämlich die Förderung ausländischer Betriebe.

Schließlich würde, wie der steuerliche Vertreter des Berufungswerbers zu Recht ausführt, die Interpretation des Begriffes "Ausland", wie sie das BMF vertritt, wiederum zu einem gemeinschaftswidrigen Ergebnis führen. So würde nach der im Sachverhalt wiedergegebenen Übersicht des BMF über die verschiedenen Fallkonstellationen zB ein Arbeitnehmer, der bei einem inländischen Betrieb beschäftigt ist und in der Schweiz eine begünstigte Tätigkeit iSd § 3 Abs. 1 Z 10 lit b EStG 1988 ausübt, die Steuerfreiheit des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG in Anspruch nehmen können, während diese einem bei einem Schweizer Arbeitnehmer beschäftigten Arbeitnehmer, der dieselbe Tätigkeit in der Schweiz ausübt, versagt bliebe. Andererseits könnte der bei einem Schweizer Betrieb beschäftigte Arbeitnehmer, der in einem anderen Land außer der Schweiz und Österreich eine begünstigte Auslandstätigkeit ausübte, die Steuerfreiheit wiederum in Anspruch nehmen. Eine derartige Differenzierung wäre durchaus geeignet, einen (in Österreich unbeschränkt steuerpflichtigen) Arbeitnehmer davon abzuhalten, ein Beschäftigungsverhältnis bei einem Schweizer Arbeitgeber einzugehen, der Montagetätigkeiten in seinem (Wohn)Sitzstaat durchführen lässt. Damit würde aber die Freizügigkeit des bei einem Schweizer Betrieb beschäftigten und in der Schweiz tätigen Arbeitnehmers in diskriminierender Weise beeinträchtigt, ohne dass hiefür ein Rechtfertigungsgrund erkennbar wäre. Beschränkungen der Personenfreizügigkeit sind aber nur dann zulässig, wenn sie gerechtfertigt sind. Rechtfertigungsgründe sind im Freizügigkeitsabkommen selbst, und zwar in Art. 5 Anhang I FZA (ordre public) und in Art. 21 FZA vorgesehen. Eine Rechtfertigung der Einschränkung des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988 aus Gründen der Wahrung der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Gesundheit (ordre public) ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich. Relevanter scheint der Rechtfertigungsgrund des Art. 21 Abs. 2 FZA. Danach ist keine Bestimmung dieses Abkommens so auszulegen, dass sie die Vertragsparteien daran hindert, bei der Anwendung ihrer Steuervorschriften eine Unterscheidung zwischen Steuerpflichtigen zu machen, die sich - insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes - nicht in vergleichbaren Situationen befinden. Dieser Rechtfertigungsgrund greift im vorliegenden Fall nicht. Denn hinsichtlich ihres Wohnsitzes sind Arbeitnehmer im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 10 EStG ja gerade in der gleichen und nicht nur vergleichbaren Situation. Der Unterschied besteht nur hinsichtlich des Ortes des Betriebes des Arbeitgebers. Dieser Unterschied erlaubt aber nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates keine Ungleichbehandlung, denn die Wendung "insbesondere hinsichtlich ihres Wohnsitzes" lässt darauf schließen, dass eine Differenzierung bei der Berücksichtigung persönlicher Verhältnisse beschränkt Steuerpflichtiger ermöglicht werden soll. Auch nach der herrschenden Schweizer Lehrmeinung erlaubt Art. 21 Abs. 2 FZA eine Ungleichbehandlung in der Form, dass bei beschränkt steuerpflichtigen Personen nach dem Anteil ihrer Einkünfte im Aufnahmestaat eine Quellenbesteuerung anstelle einer Veranlagung vorgenommen werden kann (vgl. Hinny, Das Diskriminierungsverbot des Personenfreizügigkeitsabkommens im Schweizer Steuerrecht, S 179 ff.). Es liegt aber auch kein Rechtfertigungsgrund nach dem EGV vor. Eine Beeinträchtigung der Arbeitnehmerfreizügigkeit im Sinne des EGV ist nur gerechtfertigt, wenn sei einen berechtigten Zweck verfolgt, der mit dem Vertrag vereinbar und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt ist. In einem derartigen Fall muss die Anwendung einer solchen Maßnahme auch geeignet sein, die Verwirklichung des in Rede stehenden Zweckes zu gewährleisten, und darf nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung des Zweckes erforderlich ist (vgl. z.B. Urteil vom 17. März 2005, Rs C-109/04 , Kranemann, Randnummer 33). Ein solcher Rechtfertigungsgrund ist im angeführten Argument der Konkurrenzfähigkeit gegenüber ausländischen Betrieben nicht erkennbar, widerspricht dieses (Argument) doch generell dem im Europäischen Gründungsvertrag ausgedrückten Grundgedanken eines freien Binnenmarktes und ist es daher nicht geeignet, die Einschränkung einer vom Vertrag garantierten Grundfreiheit zu rechtfertigen. Auch sind keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses ersichtlich, die eine solche einschränkende Interpretation rechtfertigen würden, zumal rein wirtschaftliche Motive keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses darstellen (vgl. dazu schon ausführlich einer gemeinschaftsrechtskonformen Interpretation der § 3 Abs. 1 Z 10 leg. cit. kann UFS 5.10.2005, RV/0016-F/04 und UFS 29.5.2006, RV/0028-F/06).

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Feldkirch, am 14. April 2008

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 3 Abs. 1 Z 10 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 10 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 3 Abs. 1 Z 10 lit. b EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 39 EGV, EG-Vertrag, ABl. Nr. C 241 vom 29.08.1994 S. 1

Schlagworte:

Montage, Auslandstätigkeit, Interpretation, Steuerfreiheit, Schweiz, Freizügigkeitsabkommen, Arbeitnehmerfreizügigkeit

Verweise:

VwGH 23.02.2001, 98/06/0240
VwGH 21.06.1999, 97/17/0501
Doralt, EStG, § 1 Tz 28
EuGH 17.03.2005, Rs C-109/04
UFS 13.02.2008, RV/0401-L/07
UFS 26.05.2006, RV/0028-F/06
UFS 16.08.2006, RV/0252-F/05
UFS 05.10.2005, RV/0016-F/04

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