Nachversteuerung von Einkünften von Prostituierten
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende HR Dr. Hedwig Bavenek-Weber und die weiteren MitgliederHR Mag. Elisabeth Traxler, Franz Gansch, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich und Mag. Harald Österreicher, Wirtschaftskammer Wien, über die Berufung vom 16. September 2002 der Bw., vertreten durch Dr. Friedrich Lugert GesmbH, in 3100 St. Pölten, Wiener Straße 3, gegen den Bescheid vom 31. Juli 2002 des Finanzamtes St. Pölten betreffend Haftung zur Einbehaltung und Abfuhr der Lohnsteuer, Vorschreibung des Dienstgeberbeitrages zum Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen und des Zuschlages zum Dienstgeberbeitrag zum Ausgleichsfonds für Famlilienbeihilfen für den Zeitraum 1. Jänner 1998 bis 31. Dezember 2000 nach der am 17. Dezember 2007 in Wien durchgeführten Berufungsverhandlung wie folgt entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen. Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (in der Folge: Bw.) betrieb im Prüfungszeitraum in der Rechtsform einer GesmbH zwei Animierlokale (O, B) mit angeschlossenen Separées in R. Am Stammkapital der Bw. waren ZS, QM, QR und FJ - bis zum 15. September 1998 und ab diesem Zeitpunkt - QL zu jeweils 25% beteiligt. Gewerberechtlicher Geschäftsführer war QM, die handelsrechtliche Geschäftsführung hatten ZS und JY inne.
Eine gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführte abgabenbehördliche Prüfung gelangte zu dem Ergebnis, dass in den von der Bw. betriebenen Lokalen Prostitutionserlöse erzielt werden und dass diese Erlöse der Bw. zuzurechnen seien.
Mit dem angefochtenen Bescheid vertritt das Finanzamt die Auffassung, die Bw. sei Arbeitgeberin (§ 47 Abs. 1 EStG 1988) hinsichtlich der von den Prostituierten erzielten Erlöse. Dieser rechtlichen Würdigung hat das Finanzamt folgenden Sachverhalt zu Grunde gelegt: der Ort der Tätigkeit (Zimmer [Separées]) werde von der Bw. zur Verfügung gestellt und sei nur über die Barzimmer zugänglich; die Anbahnung erfolge in den Räumlichkeiten (Bar) der berufungswerbenden Gesellschaft; die Arbeitszeit der Prostituierten sei auf die Öffnungszeiten des Barbetriebes eingeschränkt; die Kundenauswahl sei auf die Besucher des Barbetriebes angewiesen; bei Bedarf würden von der Bw. Unterkünfte zur Verfügung gestellt; der Arbeitslohn werde von der Bw. vereinnahmt (Gesamtinkasso; Getränkeprozentvergütung für Konsumation der Kunden). Die Merkmale eines Dienstverhältnisses seien gegeben und die Vergütungen an die Mädchen daher der Lohnsteuer zu unterziehen.
Dagegen richtet sich die gegenständliche Berufung mit folgender Begründung: zum Ort der eigentlichen Tätigkeit: es sei richtig, dass die Bw. über die Separées verfügungsberechtigt gewesen sei. Dieses Verfügungsrecht sei von der Bw. dadurch ausgeübt worden, dass sie den vom Kunden benötigten Raum an den Kunden vermietet habe (Stundenhotel). Im Mietentgelt inbegriffen sei auch das Entgelt für eine Flasche Obstsekt gewesen. Inhaber der Separées sei damit für die Dauer der Benützung der Kunde selbst gewesen. Zur Anbahnung: niemand hätte die Prostituierten daran gehindert, Anbahnungen auch außerhalb des Lokals vorzunehmen und die Kunden dann ins Separée mitzunehmen. Dies sei auch wiederholt vorgekommen. Zur Arbeitszeit: die Öffnungszeiten des Lokals hätten praktisch die gesamte Zeit umfasst, in der Prostitution üblicherweise stattfinde, sodass sich für die Prostituierten keine Einschränkung ihrer möglichen Arbeitszeit ergeben hätte. Zur Kundenauswahl: wie schon zur Anbahnung ausgeführt, sei die Kundenauswahl keineswegs auf die Besucher des Barbetriebes eingeschränkt gewesen. Zum Quartier: warum es ein Hinweis auf Nichtselbständigkeit sein soll, wenn der angebliche Arbeitnehmer für sein Quartier auch noch zahlen müsse, sei unverständlich. Zur Entlohnung (Trinkprozente): dass die Prostituierten durch "Trinkprozente" am Umsatz der Bw. beteiligt gewesen seien, könne kein Argument für Nichtselbständigkeit sein. Gerade dadurch habe sich für sie (neben ihrer eigentlichen selbständigen Tätigkeit als Prostituierte) ein zusätzliches Unternehmerrisiko ergeben, weil sie es in den Händen gehabt hätten, durch mehr oder weniger Einsatz auch diesen Teil ihres Einkommens zu beeinflussen. Zur Entlohnung (Schandlohn): die Bw. habe tatsächlich keinen Anteil vom Schandlohn erhalten. Der einzige Vorteil, den die Bw. aus der Prostitution gezogen habe, habe darin bestanden, dass sie dem Kunden ein Zimmer vermietet habe. Der Schandlohn selbst sei grundsätzlich von den Prostituierten kassiert worden. Gegenteilige Angaben der (anonym) von der Betriebsprüfung befragten "Zeugen" seien nicht richtig. Im Übrigen werde der Vorgang bei Bezahlung mit Kredit- oder Bankomatkarte in einer im Prüfungsbericht zitierten Befragung eines (ebenfalls ungenannten) Kunden durchaus richtig beschrieben:
"Im O habe ich bei der Bar in den Bankomat-Terminal Karte und Code eingegeben; der Abhebungsbetrag wurde auf den nächsten vollen Fünfhunderterbetrag (ÖS) aufgerundet (z.B. Rechnungsbetrag S 2.300,00, Abhebungsbetrag S 2.500,00); vom Kellner erhielt ich dann eine handgeschriebene, nur von mir unterschriebene Quittung über eine Bankomatbehebung; diese Quittung wurde mit Durchschrift ausgefertigt, wovon ich eine Ausfertigung erhielt; ich erhielt den vollen Abhebungsbetrag in bar ausgehändigt und zahlte Zug um Zug den offenen Rechnungsbetrag an den Kellner."
Daraus gehe klar hervor, dass auch im Falle der Verwendung von Kredit- oder Bankomatkarten nicht einheitliche Rechnungen für Getränkekonsumation und Prostitution bezahlt, sondern Barabhebungen durchgeführt wurden. Diese seien dann zur (getrennten) Bezahlung der Konsumation einerseits und des Separées andererseits verwendet worden.
Das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sei nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu beurteilen. Von allen oa. Punkten spreche kein einziger wirklich für die Nichtselbständigkeit der Prostituierten.
Dazu komme, dass vom Bundesministerium für Inneres in Sachen der Fremdenpolizei hinsichtlich der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit von Prostituierten im Erlass Zahl: 71.641/37-III/11/98 sehr eindeutig Stellung genommen werde:
"... Aus gegebenem Anlass teilt das Bundesministerium für Inneres mit, dass bei der Erteilung von Aufenthaltstitel an Prostituierte aus den bisherigen Erfahrungswerten in Bezug auf die Administration des Fremdengesetzes 97 zur Vereinheitlichung wie folgt auszuführen ist:
Bei der Ausübung der Prostitution handelt es sich naturgemäß um eine selbständige Erwerbstätigkeit, da das Vorhandensein eines ,Arbeitgebers' im Konflikt zu §§ 214 ff StGB steht. Aufgrund des Umstandes, dass jedoch eine Erwerbstätigkeit vorliegt, ist die Innehabung eines Aufenthaltstitels jedenfalls erforderlich und ..."
Die Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebiete eine einheitliche Vorgangsweise auch im Zusammenhang mit der Frage der Selbständigkeit oder Nichtselbständigkeit Prostituierter. Die im Nachtlokal tätigen Prostituierten seien daher nach dem Gesamtbild der Verhältnisse wie auch nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Rechtsordnung selbständig tätig gewesen.
Diesen Ausführungen hat das Finanzamt in seiner Stellungnahme die Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen vom 29. Juni 2001 entgegengehalten, in der es wortwörtlich heißt:
"Die Finanzverwaltung steht auf dem Standpunkt, dass die in Rede stehenden Damen steuerlich als Dienstnehmer anzusehen sind. ... Diese Auffassung wird durch die Rechtsprechung gestützt. Aus der Datenbank des VwGH: Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 99/09/0156, AuslBG § 2 Abs. 2; AuslBG § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a; AuslBG § 3 Abs. 1. Der VwGH hat bereits wiederholt die Ansicht vertreten, dass die Ausübung der Prostitution von Ausländerinnen in einem Nachtclub oder ähnlichen Lokalitäten unter Beteiligung am Umsatz (auch an den verkauften Getränken) auf Grund der wirtschaftlichen Gestaltung des abgeschlossenen Vertrages als Verwendung unter ähnlichen wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen wie Arbeitnehmer zu qualifizieren ist (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 2. September 1993, Zl. 92/09/0322, vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0195, vom 10. Februar 1999, Zl. 98/19/0331)."
Im vorliegenden Fall seien die Prostituierten - durch Anteil am Schandlohn und am Getränkeumsatz - am Umsatz beteiligt gewesen. Zur Umsatzbeteiligung durch Anteil am Schandlohn: in der Berufung werde bestritten, dass die Bw. einen Anteil am Schandlohn erhalten habe. Dazu werde in der Berufung ausgeführt, dass der BP anonyme Zeugenaussagen vorlägen und die Angaben dieser Zeugen unrichtig seien. Diesen Ausführungen sei entgegenzuhalten, dass es sich um keine anonymen Zeugenaussagen handle (die entsprechenden Niederschriften könnten eingesehen werden). Warum bzw. in welchen Punkten die Zeugenaussagen unrichtig seien, werde in der Berufung nicht ausgeführt. Weiters hat das Finanzamt auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 20. Dezember 2000, Zl. 98/13/0047, hingewiesen. Dem von der Bw. in der Berufung angesprochenen Erlass des Bundesministeriums für Inneres hat das Finanzamt entgegengehalten, dass in diesem Erlass nur allgemein ausgeführt werde, dass es sich bei Prostitution um eine selbständige Tätigkeit handle. Auf den gegenständlichen Sachverhalt bezogen - Ausübung der Prostitution im Rahmen eines Animierlokales - werde nicht eingegangen.
Diesen Ausführungen ist die Bw. in ihrer Gegenäußerung vom 25. März 2003 wie folgt entgegen getreten: der Rechtssatz (Anmerkung: in der Rechtsauskunft des Bundesministeriums für Finanzen) aus dem VwGH-Erkenntnis sei aus dem Zusammenhang gerissen worden und lasse sich in dieser Form nicht verallgemeinern. Das VwGH-Erkenntnis wie auch die dort zitierten anderen VwGH-Erkenntnisse seien zu § 2 Abs. 2 AuslBG ergangen, demzufolge als Beschäftigung nicht nur die Verwendung in einem Arbeitsverhältnis (lit. a) sondern auch in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis gelte, sofern die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger Vorschriften ausgeübt werde (lit. b). In sämtlichen angeführten Erkenntnissen habe der VwGH die Beschäftigung der Ausländer der lit. b unterstellt. Im vorliegenden Berufungsfall gehe es aber nicht um einen Verstoß gegen das AuslBG, wozu ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis genügen würde, sondern um die Frage Dienstverhältnis oder nicht.
Im Erkenntnis vom 17. November 1994, Zl. 94/09/0195, werde u.a. ausdrücklich darauf hingewiesen, dass das Rechtsverhältnis einer arbeitnehmerähnlichen Person im Sinne des § 2 Abs. 2 AuslBG zu ihrem Auftraggeber auch ein Werkvertragsverhältnis sein könne. Ein Werkvertragsverhältnis schließe aber die Annahme eines Dienstvertrages aus. Damit sei aber klar, dass aus der zitierten Rechtsprechung zur Klärung der Frage, ob ein Dienstverhältnis vorliegt, nichts gewonnen werden könne.
Wenn das Finanzamt nun gestützt auf diese Rechtsprechung eine allfällige Umsatzbeteiligung der Prostituierten als das entscheidende Indiz für ein Dienstverhältnis ansehe, sei dies durch eben diese Rechtsprechung keineswegs gedeckt. Diese Argumentation entbehre auch sonst jeglicher Logik. Es sei richtig, dass eine Umsatzbeteiligung eines Beschäftigten die Annahme eines Dienstverhältnisses nicht ausschließe, wenn sonst die Merkmale der Unselbständigkeit überwiegen; keinesfalls aber stelle eine Umsatzbeteiligung ein Indiz für ein Dienstverhältnis dar. Ein Dienstverhältnis könne trotz Umsatzbeteiligung gegeben sein, keinesfalls aber liege ein solches wegen einer Umsatzbeteiligung vor. Die Ausführungen des Finanzamtes zum Thema Umsatzbeteiligung gingen daher ins Leere.
Aus dem weiters vom Finanzamt zitierten Erkenntnis des VwGH vom 20. Dezember 2000, Zl. 98/13/0047, sei zur Frage eines Dienstverhältnisses nicht viel zu gewinnen, weil diese Frage nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen sei, wenn auch - wie der VwGH ausgeführt habe - gravierende Indizien für eine Eingliederung der Prostituierten in das Unternehmen der Beschwerdeführerin sprechen würden. So seien im Beschwerdefall die Preise der einzelnen Leistungen vom Geschäftsführer der Beschwerdeführerin festgelegt worden. Im vorliegenden Berufungsfall sei der Schandlohn hingegen von den Prostituierten völlig frei und ohne irgendwelche Weisungen mit den Kunden vereinbart worden.
Weiters hat die Bw. um die Übermittlung der in der Stellungnahme des Finanzamtes angesprochenen Niederschriften ersucht.
Den Ausführungen des Finanzamtes zum Erlass des BMI hat die Bw. Folgendes entgegen gehalten: dass Prostitution nicht nur auf der Straße stattfinde, sei dem BMI sicher bekannt. Wenn sich der Erlass nur auf die Straßenprostitution bezogen hätte, wäre dies wohl zum Ausdruck gebracht worden.
In einer weiteren an die Bw. gerichteten Stellungnahme hat das Finanzamt der Bw. die Kopien der mit den Zeugen JF, IO, IU, VV, GR, IF, QV, LD, QJ und BV aufgenommenen Niederschriften übermittelt. Weiters hat das Finanzamt die Bw. ersucht Nachweise (Unterlagen) zum Beweis dafür, dass der Schandlohn - wie von der Bw. behauptet - von den Prostituierten völlig frei und ohne irgendwelche Weisungen mit den Kunden vereinbart worden sei, vorzulegen.
In der Gegenäußerung vom 30. Mai 2003 hat die Bw. dazu Folgendes ausgeführt: dass der Schandlohn mit den Prostituierten vereinbart worden sei, hätten insbesondere die Zeugen IO, GR und QJ bestätigt. Auch JF habe angegeben, die Vereinbarungen (über Strip-Vorführungen) mit dem Barkeeper bzw. mit den Mädchen selbst getroffen zu haben.
Bei der Beschuldigteneinvernahme am 7. Mai 2001 haben QM, JY und ZS übereinstimmend angegeben, dass die tatsächlichen Geschäfte der Bw. QM geleitet hat (Tz. 16 des BP-Berichtes).
Mit Urteil des Landesgerichtes Z vom 19. August 2004, AZ.: 24Hv933/03e, wurde QM wegen Zuhälterei nach § 216 Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten (rechtskräftig) verurteilt. Im "Protokollsvermerk und gekürzten Urteilsausfertigung" (in der Folge kurz Urteilsausfertigung) heißt es dazu, dass QM für schuldig erkannt wird, "zumindest seit dem Jahr 1999 bis zumindest Dezember 2002 in A bzw. Z als tatsächlicher Betreiber der Lokale ,O-Bar' und ,B' mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht anderer Personen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, einer Vielzahl von Prostituierten, darunter LL ... die Bedingungen der Prostitution vorgeschrieben" zu haben, "indem er ihnen die tägliche Dauer ihrer Tätigkeit als Prostituierte in den angeführten Lokalen, die Höhe ihres Schandlohnes und die Höhe des an ihn abzuliefernden Anteiles vorschrieb bzw. mitteilen ließ".
Über die Berufung wurde erwogen:
Strittig ist im vorliegenden Fall, ob die Prostituierten in einem Dienstverhältnis zur Bw. stehen - so die Auffassung des Finanzamtes - oder ob sie ihre Tätigkeit selbständig ausgeübt haben - so die Auffassung der Bw..
Gemäß § 47 Abs. 2 Einkommensteuergesetz (EStG) 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.
Aus der Urteilsausfertigung geht hervor, dass den Prostituierten "die Bedingungen der Prostitution vorgeschrieben" worden sind, indem ihnen "die tägliche Dauer ihrer Tätigkeit als Prostituierte in den angeführten Lokalen, die Höhe ihres Schandlohnes und die Höhe des abzuliefernden Anteiles vorgeschrieben" worden ist. Diesen - in einem Verfahren, das dem Grundsatz der materiellen Wahrheit verpflichtet ist (§§ 3, 96, 232 Abs. 2 und 254 StPO) - getroffenen Sachverhaltsfeststellungen schließt sich die Berufungsbehörde vollinhaltlich an. Der vom Strafgericht festgestellte Sachverhalt (= Vorschreibung der Bedingungen der Prostitution) erfüllt nach Auffassung der Berufungsbehörde den Tatbestand des § 47 Abs. 2 EStG 1988 (= Weisungsgebundenheit, organisatorische Eingliederung), sodass die Berufungsbehörde schon aus diesem Grund die Arbeitgeberstellung der Bw. als erwiesen erachtet.
Für das Vorliegen von Dienstverhältnissen bzw. für die Arbeitgeberstellung der Bw. sprechen aber auch noch folgende Umstände:
Wie oben ausgeführt worden ist, hat das Finanzamt der Bw. die mit zehn Zeugen aufgenommenen Niederschriften, in denen diese zu ihren Besuchen in den Nachtlokalen der Bw. befragt worden sind, übermittelt. Von diesen zehn Zeugen haben vier (IU, VV, QV, LD) übereinstimmend Folgendes ausgesagt: die Preisverhandlungen seien mit Q (Anmerkung: Barmann bzw. Kellner) oder F (Anmerkung: Barfrau) erfolgt, bei denen sei auch (vor dem Separéebesuch) die Bezahlung erfolgt; die Zahlung aller konsumierten Getränke plus der Preis für das Separée sei in einer Summe bei der Bar bei Q oder F bezahlt worden; an die Mädchen sei nichts extra bezahlt worden. Vier der befragten Zeugen (IO, GR, QJ, BV) haben übereinstimmend Folgendes ausgesagt: der Preis für das Separée sei von den Mädchen genannt worden (BV, QJ, GR) bzw. die Preisverhandlung betreffend Separée sei mit dem betreffenden Mädchen geführt worden (IO); Getränke und Separée seien in einer Summe beim Barkeeper bezahlt worden; an die Mädchen sei nichts extra bezahlt worden. Der Zeuge JF - dieser hat Striperinnen für Geburtstagsfeiern für zu Hause gebucht - hat ausgesagt, die Preisverhandlungen "mit dem Barkeeper bzw. mit den Mädchen selbst" getroffen zu haben und dass die Bezahlung "an den Barkeeper oder direkt an die Mädchen" erfolgt sei.
Im Ergebnis hat somit von zehn der Befragten lediglich ein einziger Zeuge (IO) ausgesagt, die Preisverhandlung für das Separée mit dem betreffenden Mädchen selbst geführt zu haben. Ein Zeuge (JF) hat ausgesagt, die Preisverhandlung (über Stripvorführungen) "mit dem Barkeeper bzw. mit den Mädchen selbst" geführt zu haben. Vier der Befragten haben ausgesagt, die Preise mit dem Barmann oder der Barfrau verhandelt zu haben; weitere vier Zeugen haben ausgesagt, dass ihnen der Preis für das Separée von den Mädchen "genannt" worden sei. Dass die Prostituierten den Preis "genannt" haben lässt aber nicht zwingend den Schluss zu, dass diese den Preis auch (selbst) bestimmt haben.
In Anbetracht dieser Zeugenaussagen erachtet es die Berufungsbehörde als erwiesen, dass die Bw. - und nicht die Prostituierten - die Höhe des Prostitutionsentgeltes festgelegt hat und der Barmann bzw. die Barfrau und die Prostituierten den Kunden die Höhe des - von der Bw. bestimmten - Prostitutionsentgeltes lediglich genannt haben. Dieses Ergebnis steht auch im Einklang mit den im Strafverfahren getroffenen Feststellungen, wonach die Bw. den Prostituierten die Höhe ihres Schandlohnes vorschrieb bzw. (durch den Barmann und die Barfrau) mitteilen ließ. Auch aus der in der Berufung wiedergegebenen Beschreibung des Zahlungsvorganges mittels Kredit- oder Bankomatkarte lässt sich - entgegen der von der Bw. vertretenen Auffassung - nicht entnehmen, dass der Kunde das Entgelt für das Separée gesondert entrichtet hätte: der als Zeuge befragte Kunde hat lediglich angegeben, "den offenen Rechnungsbetrag an den Kellner" bezahlt zu haben. Dass es sich dabei um getrennte Rechnungen - für Getränke einerseits und das Separée andererseits - gehandelt haben soll, geht aus dieser Aussage nicht hervor.
Auch dem weiteren Berufungseinwand, die Bw. hätte die Separées lediglich an die Kunden vermietet (Stundenhotel) und im Mietentgelt sei der Preis für eine Flasche Obstsekt inbegriffen gewesen, vermag sich die Berufungsbehörde nicht anzuschließen. Bei einer Bar oder einem Nachklub mit angeschlossenen Separées besteht die Leistung des Nachtklubbetreibers nach der Kundenerwartung darin, dem Kunden die Gelegenheit zur Unzucht mit einer Prostituierten zu verschaffen. Dabei ist die Konsumation von Getränken, in der Regel von Sekt, bei derartigen Betrieben regelmäßig Teil der Hauptleistung, um dem Betreiber entsprechend höhere Einnahmen zu sichern. Eine Aufteilung des vom Kunden erbrachten Entgelts auf mehrere Leistungen ist demgegenüber ausgeschlossen, weil es sich dabei nicht um voneinander unabhängige selbständige Leistungen handelt. Der von der Bw. vertretene Auffassung, dass sie nur die Separées an die Kunden vermietet hätte ist auch deswegen unzutreffend, weil die Leistungskonponenten "Mädchen" und "Zimmer" im gegebenen Zusammenhang nicht geteilt werden können (so auch: VwGH vom 20. Dezember 2000, Zl. 98/13/0047).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei der Unterscheidung zwischen selbständiger und nichtselbständiger Tätigkeit wesentliche Merkmale einerseits das Vorliegen eines Unternehmerwagnisses, andererseits das Vorliegen einer Weisungsgebundenheit, d.h. die Verpflichtung einer natürlichen Person als Dienstnehmer, bei ihrer Tätigkeit die Weisungen eines anderen - des Dienstgebers - zu befolgen, sowie die organisatorische Eingliederung in den Betrieb des Dienstgebers.
Die Prostituierten haben ihre Tätigkeit in den Betriebsräumlichkeiten (Separées) der Bw. ausgeübt, sodass nach Auffassung der Berufungsbehörde eine Eingliederung in den Betrieb der Bw. vorliegt. Die Bw. hat den Prostituierten "die Bedingungen der Prostitution vorgeschrieben" (siehe Urteilsausfertigung), sodass auch das Merkmal der (persönlichen) Weisungsgebundenheit vorliegt. Wie die Bw. in ihrer Gegenäußerung vom 25. März 2003 zutreffend ausgeführt hat, ist - wie im gegenständlichen Fall - eine Umsatzbeteiligung zwar nicht typisch für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses, schließt ein solches aber nicht aus. Da im gegenständlichen Fall sämtliche Merkmale eines Dienstverhältnisses vorliegen (Weisungsgebundenheit, organisatorische Eingliederung), steht die Umsatzbeteiligung dieser Beurteilung nicht entgegen.
Der angefochtene Bescheid entspricht somit der Sach- und Rechtslage. Es war daher wie im Spruch zu entscheiden.
Wien, am 18. Dezember 2007
Zusatzinformationen | |
---|---|
Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 47 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Prostituierte, Schandlohn |