Kein Anspruch auf (erhöhte) Familienbeihilfe bei Witwenpension nach § 258 ASVG
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der M.K., Pensionistin, E, vertreten durch MagK. (Verein für Sachwalterschaft), vertreten durch die Rechtsanwälte P., vom 13. März 2007 und 21. November 2007 gegen die Bescheide des Finanzamtes Klagenfurt vom 2. März 2007 und 14. November 2007 betreffend Familienbeihilfe und erhöhte Familienbeihilfe ab November 2002 entschieden:
Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) beantragte die Gewährung der Familienbeihilfe und des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe rückwirkend mit den Anträgen vom 30.11.2006 (Faksimilie).
Laut Urkunde des BGE vom 7. Juni 2006 wird sie durch eine Sachwalterin vertreten.
In Beantwortung eines (nicht aktenkundigen) Vorhaltes vom 5. Dezember 2006 führte die Sachwalterin hiezu folgendes aus:
"Frau KE ist Witwe, Herr KE ist laut Nachfrage beim Gemeindeamt Ei., Frau D., am 1.2.1984 verstorben.
Leider ist es mir nicht möglich, herauszufinden, ob Frau KE eine Berufsausbildung gemacht hat. Es ist auch grundsätzlich die Verständigung mit ihr aufgrund der Minderbegabung und ihres begrenzten Kommunikationsvermögens sehr schwierig.
Anbei liegt der Versicherungszeitenauszug der GKK. Frau KE scheint keinerlei Versicherungszeiten erworben zu haben."
Dem Versicherungsdatenauszug ist zu entnehmen, dass die Bw. seit 1. März 1984 (bis laufend) eine Witwenpension der Pensionsversicherungsanstalt bezieht."
Das Finanzamt erließ am 2. März 2007 einen Bescheid, mit dem es den Antrag Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe unter Hinweis auf die §§ 6 Abs. 5 und 6 Abs. 1 FLAG 1967 als unbegründet abwies. IE argumentierte das Finanzamt mit der der Bw. zustehenden Witwenpension, die einen Unterhalt darstelle und somit den Bezug der Familienbeihilfe ausschließe.
Dagegen berief die Bw. am 13. März 2007 und führte aus:
1. Witwenpension kein Unterhaltsanspruch:
"Der Abweisungsbescheid gründet sich darauf, dass die Berufungswerberin eine Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehegatten bezieht und diese Witwenpension gemäß § 6 Abs. 1 lit. b FLAG als Unterhaltsanspruch anzusehen ist, der sowohl bei minderjährigen als auch bei volljährigen Vollwaisen einen Anspruch auf erhöhte Familienbeihilfe ausschließt. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung ist jedoch eine Witwenpension nicht als Unterhaltsanspruch zu qualifizieren, insbesondere aus folgenden Überlegungen:
a.) Es handelt sich um zwei verschiedene Rechtsbegriffe, die miteinander nicht verwechselt werden dürfen.
b.) Ein Unterhaltsanspruch gegenüber einem Ehemann gründet sich auf das bürgerliche Privatrecht (ABGB, EheG), ein Anspruch auf Witwenpension auf das öffentlich rechtliche Sozialrecht.
c.) Auch das FLAG unterscheidet sehr wohl an anderer Stelle zwischen den Begriffen "Pension" und "Unterhalt" so ist beispielshalber im § 5 Abs. 1 c FLAG von "Waisenpensionen" und in § 5 Abs. 2 FLAG von "Unterhalt" die Rede.
Da der einzige geltend gemachte Abweisungsgrund somit bei richtiger rechtlicher Beurteilung nicht gegeben ist, steht der Berufungswerberin der geltend gemachte Anspruch zu.
2. Sonstige Voraussetzungen:
Im Übrigen sind nach der Aktenlage alle übrigen Voraussetzungen gegeben. Insbesondere ist die Berufungswerberin Vollwaise nach § 6 Abs. 4 FLAG und liegen auch die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG vor.
Das Finanzamt erließ am 14. November 2007 einen Bescheid, mit dem es den Antrag Gewährung der Familienbeihilfe unter Hinweis auf die §§ 6 Abs. 5 und 6 Abs. 1 FLAG 1967 als unbegründet abwies. IE argumentierte das Finanzamt mit der der Bw. zustehenden Witwenpension, die einen Unterhalt darstelle und somit den Bezug der Familienbeihilfe ausschließe.
Im Schriftsatz vom 21. November 2007 erhob die Bw. gegen diesen Bescheid Berufung. Sie verwies auf die Ausführungen im Berufungsschriftsatz vom 13. März 2007 und ersuchte - neben dem Erhöhungsbetrag zur Familienbeihilfe - auch über die Familienbeihilfe selbst zu entscheiden.
Die Berufungen wurden ohne Erlassung einer Berufungsvorentscheidung dem UFS zur Entscheidung vorgelegt.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 6 Abs. 1 FLAG 1967 haben Anspruch auf Familienbeihilfe auch minderjährige Vollwaisen, wenn a) sie im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, b) ihnen nicht Unterhalt von ihrem Ehegatten oder ihrem früheren Ehegatten zu leisten ist und c) für sie keiner anderen Person Familienbeihilfe zu gewähren ist.
Gemäß § 6 Abs. 2 FLAG 1967 haben volljährige Vollwaisen Anspruch auf Familienbeihilfe, wenn auf sie die Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a bis c zutreffen, und wenn sie d) wegen einer vor Vollendung des 21. Lebensjahres oder während einer späteren Berufsausbildung, jedoch spätestens vor Vollendung des 27. Lebensjahres, eingetretenen körperlichen oder geistigen Behinderung voraussichtlich dauernd außerstande sind, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, und sich in keiner Anstaltspflege befinden.
Nach § 6 Abs. 5 FLAG 1967 haben Kinder, deren Eltern ihnen nicht überwiegend Unterhalt leisten und die sich nicht auf Kosten der Jugendwohlfahrtspflege oder der Sozialhilfe in Heimerziehung befinden, unter denselben Voraussetzungen Anspruch auf Familienbeihilfe, unter denen eine Vollwaise Anspruch auf Familienbeihilfe hat.
Gemäß § 8 Abs. 4 FLAG 1967 erhöht sich die Familienbeihilfe für jedes Kind, das erheblich behindert ist ab 1. Jänner 2003, monatlich um 138,3 €.
Gemäß § 8 Abs. 5 FLAG 1967 gilt ein Kind, bei dem eine nicht nur vorübergehende Funktionsbeeinträchtigung im körperlichen, geistigen oder psychischen Bereich oder in der Sinneswahrnehmung besteht, als erheblich behindert. Als nicht nur vorübergehend gilt ein Zeitraum von voraussichtlich mehr als drei Jahren. Der Grad der Behinderung muss mindestens 50% betragen, soweit es sich nicht um ein Kind handelt, das voraussichtlich dauernd außerstande ist, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen. Für die Einschätzung des Grades der Behinderung sind die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152 in der jeweils geltenden Fassung, und die diesbezügliche Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9.6.1965, BGBl. Nr. 150 in der jeweils geltenden Fassung, anzuwenden. Die erhebliche Behinderung ist spätestens nach fünf Jahren neu festzustellen, soweit nicht Art und Umfang eine Änderung ausschließen.
Nach § 8 Abs. 6 FLAG 1967 ist der Grad der Behinderung oder die voraussichtlich dauernde Unfähigkeit, sich selbst den Unterhalt zu verschaffen, durch eine Bescheinigung des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen auf Grund eines ärztlichen Sachverständigengutachtens nachzuweisen. Die diesbezüglichen Kosten sind aus Mitteln des Ausgleichsfonds für Familienbeihilfen zu ersetzen.
Gemäß § 8 Abs. 7 FLAG 1967 gelten die Abs. 4 bis 6 sinngemäß für Vollwaisen, die gemäß § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben.
Es ist unbestritten, dass die Bw. (eine Vollwaise) seit 1. Februar 1984 Witwe ist. Seit dem 1. März 1984 bezieht sie eine Witwenpension gemäß § 258 Abs. 1 ASVG nach ihrem verstorbenen Mann. (Beispielsweise betrugen ihre Einkünfte im Jahr 2006 laut dem Lohnzettel der Pensionsversicherungsanstalt € 8.011,23 (steuerpflichtig: € 4.867,56 und sonstige steuerfreie Bezüge € 3.143,56). Der verstorbene Ehegatte der Bw. war für Zeiträume der aufrechten Ehe unterhaltspflichtig.
Die Verehelichung eines Kindes führt zum Verlust der Familienbeihilfe, wenn der Unterhalt für das verheiratete Kind von seinem (früheren) Ehegatten zu leisten ist (vgl. § 5 Abs. 2 FLAG).
Art und Umfang des Unterhaltsanspruches eines Ehegatten gegenüber dem anderen Ehegatten ergeben sich aus dem Zivilrecht, insbesondere aus § 94 ABGB.
Gemäß § 258 Abs. 1 Z 1 ASVG hat die Witwe Anspruch auf Witwenpension nach dem Tod des versicherten Ehegatten.
Die gesamte Regelung des § 258 ASVG geht davon aus, dass der Unterhalt ein Beitrag zur Deckung der laufenden und künftigen Bedürfnisse ist (vgl. OGH 10 Ob, S 11/06z). Voraussetzung für den Anspruch auf Witwenpension ist das Bestehen eines Unterhaltsanspruches gegenüber dem Versicherten (vgl. OGH 10 Ob s 11/06 z). Ohne Unterhaltsanspruch gibt es keine Witwenpension (vgl. OGH 10 Ob S 414/02h). Eine laufend zu erfüllende Pensionsverpflichtung tritt an die Stelle einer gleichartigen Unterhaltsverpflichtung (vgl. Selb, Glosse zu ZAS, 1991/6). Die Witwenpension soll den durch den Tod des Versicherten weggefallenen Unterhaltsanspruch ersetzen (vgl. OGH 10 Ob S 2/02w).
Für (geschiedene, verheiratete) Kinder gilt, dass sie nur dann Anspruch auf Familienbeihilfe haben, wenn sie keinen Unterhaltsanspruch gegen ihren (früheren) Ehegatten haben. Sobald aber Kindern Unterhalt von ihren (früheren) Ehegatten zu leisten ist, besteht kein Anspruch auf Familienbeihilfe (§§ 5 Abs. 2, 6 Abs. 1 lit. b FLAG).
Vom Wesen her ist die Witwenpension eine Leistung, die der hinterbliebenen Ehefrau die soziale Absicherung garantieren soll. Als Unterhalt ist ein Beitrag zur Deckung der laufenden und künftigen Bedürfnisse zu verstehen. Sowohl der Unterhalt als auch die Witwenpension dienen der Versorgung der (hinterbliebenen) Ehefrau. Die Witwenpension iS des § 258 Abs. 1 ASVG ersetzt den weggefallenen Unterhaltsanspruch bzw. soll der Anspruch auf Witwenpension im Pensionsversicherungsrecht ganz allgemein den Unterhaltsausfall ausgleichen, der in einer partnerschaftlichen Ehe durch den Tod eines Ehepartners entsteht (Tomandl, Grundriss des österreichischen Sozialversicherungsrechts 5, Rz 234 und 275).
Die Bw. hatte während aufrechter Ehe einen Unterhaltsanspruch gegenüber ihren Ehegatten, wodurch bereits bei aufrechter Ehe ein Anspruch auf Familienbeihilfe iS der §§ 6 Abs. 1, 6 Abs. 2 lit. d und 6 Abs. 5 FLAG 1967 ausgeschlossen gewesen wäre. Fällt nun durch den Tod des Ehemannes der Unterhaltsanspruch der Ehegattin weg - gleicht aber zugleich die Witwenpension pensionsversicherungsrechtlich den Unterhaltsausfall aus - steht nach der Intention der §§ 6 Abs. 2 lit. d, 6 Abs. 1 und 6 Abs. 5 FLAG 1967 ein Anspruch auf Gewährung der Familienbeihilfe auch nicht zu.
Wenn die Bw. darauf verweist, dass eine Witwenpension nicht als Unterhaltsanspruch zu qualifizieren sei, da es sich hiebei um verschiedene Rechtsbegriffe handelt, die nicht miteinander verwechselt werden dürften, sich der Unterhaltsanspruch gegenüber einem Ehegatten auf das bürgerliche Privatrecht (ABGB, EheG), der Anspruch auf Witwenpension aber auf das öffentliche Sozialrecht gründe und auch das Familienlastenausgleichsgesetz zwischen den Begriffen "Pension" und "Unterhalt" unterscheide, so trifft dies zweifellos zu. Die Vorbringen führen aber dennoch nicht zum Erfolg. Wenn auch der Terminus "Witwenpension" nicht explizit in den leg.cit. enthalten ist, erschließt sich aus den §§ 6 Abs. 1 und 6 Abs. 5 FLAG 1967 in Verbindung mit dem Wesen der Witwenpension - dem "Unterhaltsersatzcharakter" - , dass ein Anspruch auf Familienbeihilfe nicht gegeben ist.
Da schon allein die Tatsache, dass die Bw. die Witwenpension nach ihrem verstorbenen Ehegatten bezieht, dem Beihilfenanspruch entgegensteht, braucht nicht mehr geprüft zu werden, ob die übrigen Voraussetzungen iS des § 6 Abs. 2 lit. d FLAG 1967 vorliegen.
Hinsichtlich der erhöhten Familienbeihilfe ist auf § 8 Abs. 7 FLAG 1967 zu verweisen. Erhöhte Familienbeihilfe ist nach Maßgabe der Abs. 4 - 6 nur Vollwaisen zu gewähren, die nach § 6 Anspruch auf Familienbeihilfe haben. Da dies im Streitfall nicht zutrifft, war auch der Antrag auf Gewährung des Erhöhungsbetrages zur Familienbeihilfe abzuweisen.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Klagenfurt, am 4. Dezember 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, FLAG, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 6 Abs. 1 FLAG 1967, Familienlastenausgleichsgesetz 1967, BGBl. Nr. 376/1967 |
Schlagworte: | Witwenpension, Familienbeihilfe, Unterhaltsersatzcharakter, Unterhalt |