UFS RV/2277-W/07

UFSRV/2277-W/0717.10.2007

Bescheidaufhebung wegen örtlicher Unzuständigkeit

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat durch die Vorsitzende Hofrätin Dr. Anna Maria Radschek und die weiteren Mitglieder Elisabeth Wanke, KomzlR. KR Oswald Heimhilcher und Mag. Robert Steier über die Berufung des Bw., vertreten durch Eckhardt WP u STb GmbH, 7033 Pöttsching, Hauptstrasse 58 vom 21. Juni 2007 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 4/5/10, vertreten durch Dr. Bernadette Raffer, vom 21. Mai 2007 betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1995 bis 1997 nach der am 3. Oktober 2007 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlung entschieden:

1.) Die Berufung gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1995 wird gem. § 256 Abs 3 BAO als gegenstandslos erklärt.

2.) Der Berufung gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1996 und 1997 wird stattgegeben. Der angefochtene Bescheid wird insoweit gem. § 289 Abs 2 BAO ersatzlos aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber betrieb im streitgegenständlichen Zeitraum 1995-1997 als Mitgesellschafter einen Reitstall, eine Pferdeeinstellung und eine Kantine.

Der Unabhängige Finanzsenat wies mit Berufungsentscheidung vom 28.2.2007, GZ RV/2549-W/02, die Berufung vom 28.6.2000 gegen die Einkommensteuerbescheide für den Zeitraum 1995 bis 1997 vom 29.5.2000 und vom 2.6.2000 als unbegründet ab.

Mit Fax vom 3.4.2007 stellte der Bw. beim Finanzamt Wien 4/5/10 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO hinsichtlich der "Wiederaufnahme des Verfahrens der Einkommensteuer 1995 vom 29.5.2000, der Einkommensteuer 1996 vom 29.5.2000 und der Einkommensteuer 1997 vom 2.6.2000" und begründete dies folgendermaßen:

Auf Grund eines Bescheides des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach vom 3.1.2007 stehe fest, dass kein Einzelunternehmen, sondern eine Gesellschaft nach bürgerlichem Recht vorgelegen sei. Es sei daher die Betriebsprüfung beim Wiederaufnahmewerber für die Jahre 1995, 1996 und 1997 "rechtswidrig bzw. nichtig" gewesen, da die GesBR geprüft hätte werden müssen. Der Bw. ersuche "deshalb das Verfahren betreffend der seinerzeitigen Wiederaufnahmen für die Jahre 1995, 1996 und 1997 wieder aufzunehmen und die seinerzeitigen Wiederaufnahmebescheide vom 29.5.2000 bzw.2.6.2000 für nichtig zu erklären".

Mit Bescheid vom 21.5.2007 wies das Finanzamt Wien 4/5/10 den Antrag mit der Begründung ab, über den in diesem Antrag dargestellten Sachverhalt sei bereits in der Berufungsentscheidung vom 28.2.2007 abgesprochen worden. Es seien keine neuen Tatsachen oder Beweismittel hervorgekommen, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO rechtfertigen würden. Wenn der Berufung gegen die vom Finanzamt Gänserndorf Mistelbach erlassenen Grundlagenbescheide stattgegeben werden sollte, käme es zu einer amtlichen Abänderung der bekämpften Bescheide gem. § 295(a) BAO.

Gegen diesen Abweisungsbescheid erhob der Bw. mit Fax vom 21.6.2007 Berufung mit dem Antrag, den Bescheid aufzuheben und dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1995 bis 1997 stattzugeben. Die Einkommensteuerbescheide 1995 bis 1997 seien anlässlich der seinerzeitigen Betriebsprüfung wieder aufgenommen worden, da die Betriebsprüfung der Meinung gewesen sei, dass Liebhaberei vorliege. darüber sei aber bis jetzt noch nicht entschieden worden, da die Liebhabereibeurteilung durch den unabhängigen Finanzsenat Außenstelle Klagenfurt vorgenommen werde. Auf Grund des Bescheides des Finanzamtes Gänserndorf Mistelbach seien nach Meinung des Bw. somit neue Tatsachen hervorgekommen, die darauf beruhten, dass die seinerzeitige Betriebsprüfung überhaupt nicht über ein Einzelunternehmen abzusprechen gehabt hätte, weshalb auch nicht die bekämpften Bescheide ausgestellt hätten werden dürfen.

In der am 3. Oktober 2007 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung erklärte der steuerliche Vertreter des Bw., die Rechtsmittelbelehrung des Bescheides betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens für das Jahr 1995 sei insoweit irreführend, als in dieser darauf hingewiesen werde, dass die dagegen einzubringende Berufung als Berufung gegen den Einkommensteuerbescheid 1995 zu bezeichnen sei.

Das Gleiche gelte auch für die Wiederaufnahmebescheide betreffend Einkommensteuer 1996 und 1997. Der steuerliche Vertreter des Bw gehe davon aus, dass er, da er fristgerecht Berufung gegen die jeweiligen Einkommensteuerbescheid erhoben habe, damit fristgerecht gegen die Wiederaufnahmebescheide berufen zu haben und diese Berufung bis dato unerledigt sei.

Aus diesem Grunde zog der steuerliche Vertreter des Bw. die Berufung gegen den Bescheid betreffend Abweisung des Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1995 zurück.

Über die Berufung wurde erwogen:

Folgender Sachverhalt wird der Entscheidung zu Grunde gelegt:

Mit Schreiben vom 24.7.2000 teilte der Bw. dem Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien mit, dass er ab dem Jahr 2000 ausschließlich lohnsteuerpflichtige Einkünfte beziehe.

Die Einkommensteuererklärung des Jahres 2000 weist als Wohnort K aus, betriebliche Einkünfte werden nicht erklärt. Ab dem Jahr 2001 wurden Erklärungen zur Arbeitnehmerveranlagung eingereicht, als Wohnort wird stets K angeführt,

Mit Schreiben vom 18.5.2001 gab der Bw. dem Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien bekannt, dass er seinen Wohnsitz nach E verlegt habe und er deshalb um Abtretung des Steueraktes an das Finanzamt E ersuche.

Daraufhin wurde vom Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien der Veranlagungsakt des Bw. am 22.10.2001 unter Hinweis auf die Wohnsitzverlegung an das Finanzamt E abgetreten. Die Akten langten am 25.10.2001 am Finanzamt E ein.

Hierauf wurde vom Finanzamt E der Akt dem Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien am 16.11.2001 mit dem Bemerken zurückgestellt "ausl. Akt - keine körperliche Aktenübernahme. Reitstall verkauft!"

In Beantwortung einer Anfrage des Finanzamtes O vom 15.7.2003 gab der Bw. diesem Finanzamt bekannt, dass er in K einen Kfz-Handel ausübe ("Ort der Berufsausübung/Ort der Geschäftsleitung" K ).

Über telefonische Rückfrage erläuterte der Bw. am 17.7.2003 dem Finanzamt, dass der Kfz-Handel (noch) nicht ausgeübt werde. Der "Firmensitz" bleibe, so der Aktenvermerk des Organwalters des Finanzamtes "weiterhin in Wien".

Aktenkundig ist eine Anfrage des FA Wien 4/5/10 vom 22.2.2006 an das Zentrale Melderegister, wonach der Bw. bis 25.5.2001 seinen Hauptwohnsitz in Wien, von 25.5.2001 bis 20.9.2002 in E und ab 27.2.2003 in K hatte bzw. hat. Seit 2001 scheint ferner ein Nebenwohnsitz in Klagenfurt auf.

Mit Bescheid vom 21.5.2007 wies das Finanzamt den Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1995 bis 1997 ab.

Der Sachverhalt ergibt sich aus den vorgelegten Verwaltungsakten und ist rechtlich zu würdigen:

§§ 53 ff. BAO lauten:

"§ 53. (1) Für die Feststellung der Einheitswerte (§ 186) ist örtlich zuständig:

a) bei zum land- und forstwirtschaftlichen Vermögen gehörenden Betrieben, bei Grundstücken und Betriebsgrundstücken sowie bei Gewerbeberechtigungen, die nicht zu einem gewerblichen Betrieb gehören, das Finanzamt, in dessen Bereich die wirtschaftliche Einheit (Untereinheit) gelegen ist (Lagefinanzamt). Erstreckt sich diese auf den Amtsbereich mehrerer Finanzämter, so ist das Finanzamt zuständig, in dessen Bereich der wertvollste Teil der wirtschaftlichen Einheit (Untereinheit) gelegen ist;

b) bei gewerblichen Betrieben und bei Gewerbeberechtigungen, die zu einem gewerblichen Betrieb gehören, das Finanzamt, in dessen Bereich sich die Geschäftsleitung des Betriebes befindet (Betriebsfinanzamt). Ist diese im Ausland, so gilt als Betriebsfinanzamt jenes Finanzamt, in dessen Bereich sich die wirtschaftlich bedeutendste inländische Betriebsstätte des ausländischen Betriebes befindet;

c) bei freien Berufen das Finanzamt, von dessen Bereich aus die Berufstätigkeit vorwiegend ausgeübt wird.

(2) Für die im § 189 vorgesehene Feststellung des gemeinen Wertes ist das für die Erhebung der Körperschaftsteuer der betreffenden juristischen Person berufene Finanzamt (§ 58) örtlich zuständig."

"§ 54. (1) Für die gesonderten Feststellungen gemäß § 187 und für die einheitlichen und gesonderten Feststellungen gemäß § 188 Abs. 1 lit. a bis c ist örtlich zuständig:

a) bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft das Lagefinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. a), bei einer Mehrheit von Lagefinanzämtern jedoch jenes Finanzamt, in dessen Bereich sich die Leitung des Betriebes befindet;

b) bei Einkünften aus Gewerbebetrieb das Betriebsfinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. b);

c) bei Einkünften aus selbständiger Arbeit das Finanzamt, von dessen Bereich aus die Berufstätigkeit vorwiegend ausgeübt wird.

(2) Für die einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unbeweglichen Vermögens (§ 188 Abs. 1 lit. d) ist das Lagefinanzamt (§ 53 Abs. 1 lit. a) örtlich zuständig."

"§ 55. (1) Für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen natürlicher Personen, die im Inland einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (unbeschränkt Steuerpflichtige), ist das Wohnsitzfinanzamt (Abs. 2) örtlich zuständig, soweit nicht nach Abs. 3, 4, 5 oder 6 ein anderes Finanzamt zuständig ist.

(2) Wohnsitzfinanzamt ist jenes Finanzamt, in dessen Bereich der Abgabepflichtige einen Wohnsitz oder in Ermangelung eines Wohnsitzes seinen gewöhnlichen Aufenthalt (§ 26) hat. Bei mehrfachem Wohnsitz im Bereich verschiedener Finanzämter gilt als Wohnsitzfinanzamt jenes, in dessen Bereich sich der Abgabepflichtige vorwiegend aufhält.

(3) Unterhält eine natürliche Person als Einzelunternehmer nur einen Betrieb (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständige Arbeit), bei Einkünften aus selbständiger Arbeit jedoch nur bei von einer Betriebsstätte des Unternehmers aus vorwiegend ausgeübter Berufstätigkeit, so richtet sich die örtliche Zuständigkeit für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen der natürlichen Person, entsprechend der Art des Betriebes, nach § 54 Abs. 1. Dies gilt sinngemäß, wenn eine natürliche Person als Einzelunternehmer mehrere derartige Betriebe unterhält und es sich bei allen auf Grund des § 54 Abs. 1 in Betracht kommenden Finanzämtern um dasselbe Finanzamt handelt.

(4) Ist eine natürliche Person als Mitunternehmer nur an einer Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit mit Geschäftsleitung in einer sich über die Amtsbereiche mehrerer Finanzämter, darunter den des Wohnsitzfinanzamtes der natürlichen Person, erstreckenden Gemeinde beteiligt, so ist das für die Feststellung der gemeinschaftlichen Einkünfte der Personenvereinigung zuständige Finanzamt (§ 54 Abs. 1) auch für die Erhebung der Abgaben vom Einkommen und Vermögen der natürlichen Person zuständig. Dies gilt nicht, wenn sich die örtliche Zuständigkeit nach Abs. 3 richtet.

(5) Die Zuständigkeitsbestimmungen der Abs. 3 und 4 gelten für die Erhebung der Vermögensteuer von zusammen zu veranlagenden Personen auch dann, wenn nur eine dieser Personen einen Betrieb unterhält oder wenn nur eine der zusammen zu veranlagenden Personen als Mitunternehmer an einer Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit beteiligt ist, ohne daß eine andere der zusammen zu veranlagenden Personen einen Betrieb unterhält.

(6) Wäre auf Grund der vorstehenden Bestimmungen für die Erhebung der Vermögensteuer von zusammen zu veranlagenden Personen nicht bloß ein Finanzamt örtlich zuständig, so ist von diesen mehreren Finanzämtern jenes zuständig, das erstmals vom Vorhandensein steuerpflichtigen Vermögens Kenntnis erlangt hat."

§ 71 BAO lautet:

"§ 71. Die örtlich zuständige Abgabenbehörde erster Instanz kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens, für die Erhebung einer Abgabe eine andere sachlich zuständige Abgabenbehörde erster Instanz mit Bescheid bestimmen, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen."

Vor dem BG BGBl. I Nr. 71/2003 lautete § 71 i.d.F. BGBl I Nr. 142/2000:

"§ 71. (1) Anstelle des örtlich zuständigen Finanz(Zoll)amtes kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit, insbesondere zur Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens, für die Erhebung einer Abgabe ein anderes sachlich zuständiges Finanz- (Zoll)amt bestimmt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.

(2) Die Verfügung gemäß Abs. 1 trifft die den beteiligten Ämtern gemeinsame Oberbehörde.

(3) Die Verfügung gemäß Abs. 1 kann auch vom örtlich zuständigen Finanz(Zoll)amt erlassen werden, wenn die Partei und das Finanz(Zoll)amt, das zuständig werden soll, der Zuständigkeitsübertragung schriftlich zugestimmt haben."

§ 73 BAO lautet:

"§ 73. Die Zuständigkeit eines Finanzamtes für die Erhebung von Abgaben endet, abgesehen von den Fällen des § 71, mit dem Zeitpunkt, in dem ein anderes Finanzamt von den seine Zuständigkeit begründenden Voraussetzungen Kenntnis erlangt. Vom Übergang der Zuständigkeit ist der Abgabepflichtige in Kenntnis zu setzen; eine solche Verständigung ist in Lohnsteuerangelegenheiten gegenüber dem Arbeitnehmer nur erforderlich, wenn ein über sein Anbringen durchzuführendes oder gegen ihn gerichtetes Lohnsteuerverfahren beim Übergang der Zuständigkeit noch nicht rechtskräftig abgeschlossen ist. Solange eine vorgesehene Verständigung nicht ergangen ist, können Anbringen auch noch bei der bisher zuständig gewesenen Abgabenbehörde eingebracht werden."

§ 75 BAO lautet:

"§ 75. Der Übergang der örtlichen Zuständigkeit auf eine andere Abgabenbehörde erster Instanz berührt nicht die Zuständigkeit der bisher zuständig gewesenen Abgabenbehörde erster Instanz im Berufungsverfahren betreffend von ihr erlassene Bescheide."

§ 303 BAO lautet:

"§ 303. (1) Dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens ist stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und

a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist, oder

b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder

c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde

und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

(2) Der Antrag auf Wiederaufnahme gemäß Abs. 1 ist binnen einer Frist von drei Monaten von dem Zeitpunkt an, in dem der Antragsteller nachweislich von dem Wiederaufnahmsgrund Kenntnis erlangt hat, bei der Abgabenbehörde einzubringen, die im abgeschlossenen Verfahren den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.

(3) Wenn die Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, kann der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens auch bei der Abgabenbehörde erster Instanz eingebracht werden, die im Zeitpunkt der Antragstellung zur Abgabenerhebung zuständig ist.

(4) Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte."

§ 305 BAO lautet:

"§ 305. (1) Die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens steht der Abgabenbehörde zu, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Ist im abgeschlossenen Verfahren die Zuständigkeit gemäß § 311 Abs. 4 auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz übergegangen, so steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme des Verfahrens der Abgabenbehörde erster Instanz zu.

(2) Wenn die örtliche Zuständigkeit zur Abgabenerhebung auf eine andere Abgabenbehörde übergegangen ist, steht die Entscheidung über die Wiederaufnahme der zuletzt örtlich zuständig gewordenen Abgabenbehörde zu."

Seit dem Jahr 2000 erzielt der Bw. nur mehr Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit.

Für die Einkommensteuerveranlagung - und für die Wiederaufnahme von Einkommensteuerbescheiden - ist daher jenes Finanzamt zuständig, in dessen örtlichen Zuständigkeitsbereich der Bw. seinen Wohnsitz hat.

Nun hat der Bw. seinen Wohnsitz 2001 nach E und ab 2003 nach K verlegt. Der Bw. hat gegenüber seinem bisher zuständigen Finanzamt auch auf diesen Umstand hingewiesen und ausdrücklich die Abtretung seines Steueraktes nach Eisenstadt begehrt.

Das - heutige - Finanzamt BEO hatte von seiner örtlichen Zuständigkeit als Wohnsitzfinanzamt auch Kenntnis, da ihm das Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien die Veranlagungsakten unter Hinweis auf die Anzeige der Wohnsitzänderung auch abgetreten hat.

Das - damalige - Finanzamt E hat die Aktenübernahme aus verwaltungsökonomischen Gründen abgelehnt, obwohl ihm seine Zuständigkeit bekannt war.

Dass vom - damaligen - Finanzamt E bzw. vom heutigen Finanzamt BEO die Zuständigkeit unter Einhaltung der Vorschriften des § 71 BAO a.F. bzw. n.F. an das Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien bzw. Wien 4/5/10 übertragen wurde, lässt sich den Verwaltungsakten nicht entnehmen.

Die Zuständigkeit des Finanzamtes für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien bzw. Wien 4/5/10 für die Einkommensteuerveranlagung des Bw. hat daher am 25.10.2001 (Kenntnisnahme des - damaligen - Finanzamtes E von der Wohnsitzverlegung) geendet.

Dass in weiterer Folge ein Organwalter des - damaligen - Finanzamtes O auf Grund eines Telefonates mit dem Bw. vom 17.7.2003 davon ausging, ein "Firmensitz" bleibe "weiter in Wien", obwohl der Bw. zu diesem Zeitpunkt über keinerlei "Firmensitz" oder Wohnung in Wien verfügt habe, ist nur mit dem Umstand erklärlich, dass aktenführendes Finanzamt damals das Finanzamt für den 4., 5. und 10. Bezirk in Wien gewesen ist, der Bearbeiter am Finanzamt in O davon ausging, dass es einen (Betriebs- oder Wohn)Sitz in Wien gäbe und nicht weiter nachgefragt hat. Dieses Telefonat im Jahr 2003 bewirkt jedoch nicht, dass das nunmehrige Finanzamt BEO die Kenntnis von der im Jahr 2001 eingetretenen Zuständigkeit des damaligen Finanzamtes E zur Einkommensteuerveranlagung wieder verloren hätte.

Eine Verständigkeit des Bw. von der Aktenabtretung an das damalige Finanzamt E im Sinne des § 73 BAO ist offenkundig nie ergangen, da es zu der Aktenabtretung letztlich nicht gekommen ist.

Der Wiederaufnahmeantrag war zwar gemäß § 303 Abs. 2 beim Finanzamt Wien 4/5/10 oder gemäß § 303 Abs. 3 beim Finanzamt BEO zu stellen, jedoch ist für die Erledigung dieses Anbringens nach § 305 Abs. 2 BAO das zuletzt örtlich zuständig gewordene Finanzamt, das Finanzamt BEO , zuständig. Das zur Entscheidung über die Wiederaufnahme unzuständige Finanzamt Wien 4/5/10 hätte daher über den Antrag nicht entscheiden dürfen, sondern das Anbringen der zuständigen Behörde gemäß § 50 BAO weiterzuleiten gehabt.

Da der steuerliche Vertreter des Bw. die Berufung gegen den Bescheid, mit welchem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer 1995 abgewiesen wurde, in der mündlichen Berufungsverhandlung zurückgenommen hat, ist die Berufung gem. § 256 Abs 3 BAO insoweit als gegenstandslos zu erklären.

Der Bescheid vom 21. Mai 2007, mit welchem der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich der Einkommensteuer 1996 und 1997 abgewiesen wurde, wird daher insoweit gem. § 289 Abs 2 BAO mangels örtlicher Zuständigkeit des bescheiderlassenden Finanzamtes ersatzlos aufgehoben.

Wien, am 17. Oktober 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 305 Abs. 2 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

örtliche Unzuständigkeit, Aktenabtretung

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