Trinkgelder eines Spielinspektors eines Casinos
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 2020/07 eingebracht. Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 8.10.2008 abgelehnt und an den VwGH 2008/13/0211abgetreten. Einstellung des Verfahrens mit Beschluss vom 27.1.2009 wegen Nichtbefolgung eines Mängelbehebungsauftrages.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 3. und 11. Bezirk, Schwechat und Gerasdorf vom 16. Jänner 2006 betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1999 bis 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Entscheidungsgründe
Am 17. November 2005 langte beim Finanzamt folgendes Schreiben des Berufungswerbers (Bw.) "Betreff: Trinkgeld" ein: "Laut Information des Bundesministeriums für Finanzen zur Steuerfreiheit von Trinkgeldern vom 19.05.2005 ersuche ich sie hiermit die Bescheide für die Jahre 1999 bis 2004 neu aufzumachen und neu zu berechnen. Anbei sind die korrigierten Lohnzettel von den Jahren 1999 bis 2004."
Das Finanzamt erließ am 16. Jänner 2006 nachstehenden Bescheid: "Das Ansuchen (des Bw.) betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens gem. § 303 Einkommensteuer 1999 - 2004 wird abgewiesen. Begründung: Lt. Auskunft der Lohnverrechnung (des Arbeitgebers des Bw.) ist eine Trinkgeldregelung in den jeweiligen Dienstverträgen der Dienstnehmer festgehalten. Es kommt zumeist zu einer Auszahlung der Trinkgelder in einer fixen Höhe durch den Arbeitgeber, dadurch werden die Trinkgelder im Lohnkonto und in den L 16 angeführt und durch den Arbeitgeber -richtigerweise - versteuert. Durch die Auszahlung der Trinkgelder durch den Arbeitgeber (auch wenn diese natürlich zuerst von den Gästen kommen, dann aber beim Arbeitgeber abgeliefert werden und von diesem - durch die Regelung im Dienstvertrag - auf die Arbeitnehmer verteilt werden) werden diese Trinkgelder zu einem fixen Lohnbestandteil, der sehr wohl lohnsteuerpflichtig ist."
Der Bw, brachte das Rechtsmittel der Berufung wie folgt ein: "Es ist richtig dass im Dienstvertrag die Trinkgeldregelung festgehalten ist. Es kommt aber zu keiner monatlichen fixen Auszahlung, da es darauf ankommt, wie viel Trinkgeld von den Gästen kommt (das täglich variiert). Diese Trinkgelder sind auch nicht in den Sonderzahlungen und auch nicht in den Entgeltsansprüchen enthalten. Außerdem haben wir keinerlei Rechtsansprüche auf dieses Trinkgeld, wie vom IAF, von der AK und auch vom Arbeitsgericht festgelegt wurde. Festhalten möchte ich noch, dass das Betriebsfinanzamt ... (zuständig seit 07/2001) sämtliche Auszahlungen genehmigt hat. Daher ersuche ich um nochmalige Bearbeitung und Aufrollung der Bescheide von 1999 bis 2004."
Aus dem über Ersuchen des Finanzamtes vorgelegten zwischen der ... Casino ... GmbH als Dienstgeber und dem Bw. als Dienstnehmer abgeschlossenen "Dienstvertrag für Spielinspektor" geht auszugsweise Folgendes hervor:
"Der Dienstgeber stellt den Dienstnehmer zur Dienstleistung als Spielinspektor in seinem Betrieb ein. Die durch den Dienstnehmer zu erfüllende Funktion als Spielinspektor umfasst die folgenden Bereiche und Verantwortlichkeiten: Die Ausübung des Spielinspektors, das Durchführen der Aufsicht-, Kontroll- und Administrationstätigkeit, das Durchführen von Schulungen im Rahmen des betrieblichen Interesses, Pflege des spieltechnischen Materials sowie das Durchführen von vorkommenden Arbeiten, die von der Funktion des Spielinspektors abweichen, jedoch im Ermessen des Dienstgebers vom Dienstnehmer verlangt werden können. Dem Dienstnehmer steht es frei, bis zu drei mal monatlich einen Betrieb der Casinos ... zum Zwecke der Information betr. Spielübersicht, Marktentwicklung u.s.w. zu besuchen. Im Umgang mit den Kunden des Dienstgebers hat der Dienstnehmer im Interesse des Dienstgebers die größtmögliche Sorgfalt aufzuwenden, um der Intention des Dienstgebers gerecht zu werden, einen hohen Standard im Spielbetrieb zu halten. Über Namen von Gästen sowie deren Spielart und Umsätze besteht Außenstehenden gegenüber Verschwiegenheitspflicht. Entlohnung Der Dienstnehmer erhält ein monatliches Gehalt von S 25.000,00 (€ 1.816,83) brutto 14 mal jährlich (Weihnachtsremuneration und Urlaubszuschuss). Dieser Bruttogehalt setzt sich zusammen aus dem Grundgehalt von S 22.939,52 (€ 1.667,08) und einer Überstundenpauschale für 10 Überstunden in der Höhe von S 2.060,60 (€ 149,75). Die Sonderzahlungen werden ohne Trinkgeld berechnet. Der Dienstnehmer erhält monatlich aus der Trinkgeldcagnotte (Hervorhebung durch den Referenten) zusätzlich zum Gehalt eine erfolgsabhängige Prämie, die von der Höhe der Trinkgeldcagnotte, welche aus den Tischgeldern der Spielleiter dotiert wird, abhängig ist. Für die Ermittlung dieses erfolgsabhängigen Prämienanteiles gilt der Dienstnehmer Floor II (39 Punkte) zugehörig. Festgehalten wird, dass dieser erfolgsabhängige Prämienanteil nicht die Bemessungsgrundlage für Sonderzahlungen erhöht. Vorübergehende, aushilfsweise Tätigkeit des Dienstnehmers in einer höheren Verwendungsgruppe als jener für die er aufgenommen wurde, berechtigt zu keiner höheren Bezahlung. Der Dienstnehmer ist nicht berechtigt, eine Provision oder Entlohnung von einem Kunden oder sonstigen geschäftlichen Kommitenten anzunehmen. Es ist dem Dienstnehmer untersagt, bis zum Ablauf eines Jahres ab Beendigung des Dienstverhältnisses innerhalb Österreichs im Geschäftszweig des Dienstgebers selbständig oder unselbständig tätig zu werden oder einen dem Betrieb des Dienstgebers artverwandten Betrieb zu erstellen, betreiben oder direkt oder indirekt betreiben zu lassen, all dies wenn die Betätigung auch unentgeltlich erfolgen sollte. Bei Zuwiderhandeln gegen die Konkurrenzklausel gemäß Abs. 1 kann der Dienstgeber eine Konventionalstrafe in Höhe von S 500.000,-. (€ 36.336,41) vom Dienstnehmer verlangen."
Über die Berufung wurde erwogen:
Die ursprünglich dem Finanzamt gemeldeten Lohnzettel (die den Veranlagungen zugrunde gelegt wurden) einerseits und die korrigierten Lohnzettel andererseits weisen folgende steuerpflichtigen Bezüge (Kennzahl 245) aus:
Zeitraum | ursprüngliche Lohnzettel | korrigierte Lohnzettel |
1.8. - 31.12.1999 | 273.224 S | 129.224 S |
2000 | 678.982 S | 216.982 S |
1.1. - 30.04.2001 | 219.854 S | 63.854 S |
17.06. - 31.12.2001 | 329.517 S | 104.516 S |
2002 | 44.087,47 € | 13.736,52 € |
2003 | 32.847,60 € | 13.094,80 € |
2004 | 28.631,78 € | 14.790,18 € |
Der Einkommensteuerbescheid für 2004 wurde am 27. Juni 2005 erlassen; die Bescheide für die vorangegangenen Jahre waren dementsprechend in den Vorjahren erlassen worden, der Einkommensteuerbescheid für 1999 bspw. am 19. Juni 2000.
Das gegenständliche Verfahren wurde durch nachstehende im Jahr 2005 erfolgte Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988, BGBl. Nr. 400, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 34/2005, ausgegeben am 9. Juni 2005, ausgelöst:
1. In § 3 wird nach der Z 16 folgende Z 16a eingefügt:
"16a. Ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist."
2. In § 124b wird folgende Z 119 angefügt:
"119. § 3 Z 16a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 35/2005 ist anzuwenden, wenn
- die Einkommensteuer veranlagt wird, erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1999,
- die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben oder durch Veranlagung festgesetzt wird, erstmals für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 1998 enden.
Strittig ist, 1) ob im Hinblick auf diese Gesetzesänderung die Voraussetzungen von Wiederaufnahmen der Verfahren hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre ab 1999 vorliegen bzw. 2) ob die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Z 16a EStG 1988 erfüllt sind.
Zu 1)
Vorweg sei bemerkt, dass all jene Sachverhalte, die unter diese geänderte Bestimmung des § 3 Z 16a EStG 1988 zu subsumieren sind, gemäß dieser Gesetzesänderung in sämtlichen Einkommensteuerbescheiden zu beurteilen sind, die ab Kundmachung des Bundesgesetzes für die Jahre ab 1999 erlassen werden ("ist anzuwenden, wenn die Einkommensteuer veranlagt wird"). Liegen jedoch, wie im gegenständlichen Fall bereits rechtskräftig abgeschlossene Veranlagungen vor, müssen zusätzlich die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen der Wiederaufnahme der Verfahren erfüllt sein.
Zu beurteilen ist, ob die "Information des Bundesministeriums für Finanzen zur Steuerfreiheit von Trinkgeldern vom 18.05.2005", auf welche sich der Bw. in seinem Schreiben vom 17. November 2005 beruft, einen Wiederaufnahmegrund in Form einer neu hervorgekommenen Tatsache im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO (Neuerungstatbestand) bzw. des § 303 Abs. 4 BAO darstellt.
Gemäß § 303 Abs. 1 BAO ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und a) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Tat herbeigeführt oder sonst wie erschlichen worden ist, oder b) Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im abgeschlossenen Verfahren ohne grobes Verschulden der Partei nicht geltend gemacht werden konnten, oder c) der Bescheid von Vorfragen abhängig war und nachträglich über eine solche Vorfrage von der hiefür zuständigen Behörde (Gericht) in wesentlichen Punkten anders entschieden wurde und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
§ 303 Abs. 4 BAO lautet: Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Somit ist zunächst die Frage zu klären, was unter Tatsachen im Sinne des § 303 BAO zu verstehen ist:
Laut Lehre und Rechtsprechung sind Tatsachen ausschließlich mit dem Sachverhalt des abgeschlossenen Verfahrens zusammenhängende tatsächliche Umstände (z.B. VwGH 26.1.1999, 98/14/0038); also Sachverhaltselemente, die bei einer entsprechenden Berücksichtigung zu einem anderen Ergebnis (als vom Bescheid zum Ausdruck gebracht) geführt hätten, etwa Zustände, Vorgänge, Beziehungen, Eigenschaften (z.B. VwGH 23.4.1998, 95/15/0108; 19.11.1998, 96/15/0148; 26.7.2000, 95/14/0094; Ritz, BAO-Kommentar³, Tz. 7 zu § 303).
"Tatsachen" im Sinne des § 303 Abs.1 lit. b sind also dem realen Seinsbereich angehörende Gegebenheiten, die als solche (als Sachverhalt) für den eine Verwaltungssache abschließenden Bescheid eine Entscheidungsgrundlage bilden. Hiebei können unter "Tatsachen" Geschehnisse im Seinsbereich schlechthin, also durch nicht nur sinnlich wahrnehmbare Umstände, sondern auch innere Vorgänge verstanden werden, soweit sie rational feststellbar sind und dem anzuwendenden Tatbestand nach zum Sachverhalt gehören (Stoll, BAO-Kommentar, Band 3, Seite 2920).
Keine Tatsachen im Sinne des § 303 Abs. 1 und 4 BAO sind dagegen neue Erkenntnisse in Bezug auf die Beurteilung von Tatsachen, die im vorangehenden, also im wiederaufzunehmenden Verfahren, den Sachverhalt gebildet haben (VwGH 11.2.1988, 86/16/0192).
Überträgt man diese Ausführungen auf den gegenständlichen Fall, so ergibt sich Folgendes: Der "Umstand", dass der Bw. erst nach Abschluss der dem Antrag zugrunde liegenden Verfahren betreffend die Jahre ab 1999 von der Möglichkeit der Steuerfreiheit von Trinkgeldern Kenntnis erlangt hat, ist im Hinblick auf die bekannt gegebene Rechtsansicht des Bundesministeriums für Finanzen zur Steuerfreiheit von Trinkgeldern nur eine neue Erkenntnis in Bezug auf die rechtliche Beurteilung eines bekannt gewesenen Sachverhaltes. Wesentlich ist dabei, dass der dem abgeschlossenen Verfahren zugrundeliegende Sachverhalt nicht durch ein neu hervorgekommenes Sachverhaltselement abgeändert worden ist.
Neue Erkenntnisse in Bezug auf die rechtliche Beurteilung von Sachverhaltselementen, wobei gleichgültig ist, ob die späteren rechtlichen Erkenntnisse durch die Änderung der Verwaltungspraxis oder der Rechtsprechung oder nach vorangehender Fehlbeurteilung oder Unkenntnis der Gesetzeslage eigenständig gewonnen worden sind, sind keine Tatsachen (VwGH 19.11.1998, 96/15/0148; 19.5.1993, 91/13/0224).
Mit der Information des Bundesministeriums für Finanzen zur Steuerfreiheit von Trinkgeldern sind keine Tatsachen neu hervorgekommen. Daher ist kein Wiederaufnahmegrund - weder für die Einkommensteuerveranlagung 1999 noch für jene der Folgejahre - gegeben.
Betreffend das Erfordernis der Erlassung von Wiederaufnahmebescheiden führen Wagner und Puchinger: Die Steuerbefreiung der Trinkgelder - Eine Analyse des § 3 Abs. 1 Z 16 a EStG aus (wenngleich die Autoren das Gegebensein eines Wiederaufnahmsgrund voraussetzen):
"5. Befreiung ab Lohnsteuerveranlagung 1999 und allfällige Rückerstattung
Gem § 124b Z 119 EStG ist die Befreiung erstmals bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 1999 bzw erstmals für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31.12.1998 enden, anzuwenden.
In einer Information zur Steuerbefreiung der Trinkgelder vertritt das BMF die Auffassung, dass im Falle der Versteuerung der Trinkgelder der Arbeitnehmer im Abzugswege die Lohnzettel entsprechend zu berichtigen und neuerlich dem Finanzamt bzw dem Krankenversicherungsträger zu übermitteln wären, wobei die bisher versteuerten Trinkgelder als sonstige steuerfreie Bezüge auszuweisen wären. Wurde bereits eine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt, wird diese von Amts wegen berichtigt. Wurde noch keine Arbeitnehmerveranlagung durchgeführt, wäre dies - auch für 1999 - nach Berichtigung der Lohnzettel seitens des Arbeitgebers möglich.
Wird die Berichtigung seitens des Arbeitgebers unterlassen, könnte innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des jeweiligen Bescheides der Behörde erster Instanz der entsprechende Bescheid gemäß § 299 BAO aufgehoben werden. Liegt hingegen bereits ein zweitinstanzlicher Bescheid vor, könnte der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens gem § 303 BAO innerhalb von drei Monaten ab nachweislicher Kenntnis vom Wiederaufnahmsgrund erfolgen. Dies wäre der Tag nach der Veröffentlichung der Neuregelung im Bundesgesetzblatt.
Die Berufung war somit aus diesem Grund als unbegründet abzuweisen.
Zu 2)
Für den Standpunkt des Bw. kann aus einem weiteren Grund nichts gewonnen werden:
Eine Verfahrenswiederaufnahme setzt gemäß den obigen Ausführungen unter anderem voraus, dass die Kenntnis der zur Wiederaufnahme herangezogenen Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Wie die nachfolgenden Ausführungen zeigen, ist dies nicht der Fall:
Gemäß § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 sind von der Einkommensteuer befreit: Ortsübliche Trinkgelder, die anlässlich einer Arbeitsleistung dem Arbeitnehmer von dritter Seite freiwillig und, ohne dass ein Rechtsanspruch auf sie besteht, zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung zu zahlen ist. Dies gilt nicht, wenn auf Grund gesetzlicher oder kollektivvertraglicher Bestimmungen Arbeitnehmern die direkte Annahme von Trinkgeldern untersagt ist.
Die Regelung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 geht auf einen Initiativantrag (527/A XXII. GP ) zurück, dessen Begründung wie folgt lautete:
"Bislang unterliegen Kreditkartentrinkgelder der Lohnsteuer, während bare Trinkgelder im Rahmen von Lohnsteuerprüfungen nicht erfasst werden können. Damit ist es bislang ausschließlich der Steuerehrlichkeit des Trinkgeldempfängers überlassen, die Trinkgelder im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung anzugeben. Eine Überprüfungsmöglichkeit besteht praktisch kaum.
Eine Überwachung dieser baren Trinkgelder wäre jedenfalls nur mit einem unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand möglich. Auch eine Pauschalierung wäre undenkbar, da viele unterschiedliche Trinkgeldhöhen bestehen und eine Feststellung, wie Trinkgelder unter den Bediensteten aufgeteilt werden, nicht möglich ist.
Aus Gründen der Verfahrensökonomie sollen daher alle von dritter Seite freiwillig an Arbeitnehmer gewährten ortsüblichen Trinkgelder, auf die der Arbeitnehmer jedoch keinen Rechtsanspruch hat, zur Gänze lohn- bzw. einkommensteuerfrei gestellt werden. Damit sollen in Hinkunft auch Kreditkartentrinkgelder von der Lohnsteuer befreit sein. Die Befreiung gilt auch für den Dienstgeberbeitrag (§ 41 Abs. 4 lit. c Familienlastenausgleichsgesetz 1967) sowie für die Kommunalsteuer (§ 5 Abs. 2 lit. c Kommunalsteuergesetz 1993).
Liegt jedoch eine gesetzliche Bestimmung oder eine lohngestaltende Vorschrift vor, die eine Annahme von Trinkgeld durch den Arbeitnehmer selbst verbietet und kommt es in der Folge zu einer Verteilung durch den Arbeitgeber an die Arbeitnehmer, ist wie bisher von voller Lohnsteuerpflicht auszugehen (z.B. § 27 Abs. 3 Glücksspielgesetz)."
Der Gesetzestext wurde durch den Ausschussbericht (906 BlgNR XXII. GP ) noch insofern geändert, als die Befreiung nur für ortsübliche Trinkgelder gelten sollte, wobei ergänzend erläutert wurde:
"Unter ortsüblichen Trinkgeldern sind solche im Sinne der allgemeinen Verkehrsauffassung zu verstehen. Damit ist einerseits eine Unterscheidung auf Grund der geographischen Lage (beispielsweise Stadt, Land) und andererseits auch eine Branchendifferenzierung vorzunehmen (beispielsweise handwerkliche Berufe und Gastronomie). Innerhalb ein und derselben Branche ist ebenfalls eine abgestufte Betrachtung anzustellen (beispielsweise Haubenlokal und "Beisl").
Die Benennung als "Trinkgeld" alleine führt noch nicht zu einer Qualifizierung als Trinkgeld und löst damit noch nicht die Einkommensteuerbefreiung aus. Maßgeblich ist vielmehr der wirtschaftliche Gehalt. Demnach können bislang unter dem Titel "Löhne und Gehälter" ausbezahlte Beträge nicht in steuerfreies Trinkgeld umgewandelt werden. Nicht unter die Steuerbefreiung fallen des Weiteren provisionsähnliche Gehaltsbestandteile sowie Umsatzbeteiligungen."
§ 27 Glücksspielgesetz (kurz: GlSpG) lautet wie folgt:
"Arbeitnehmer des Konzessionärs
§ 27. (1) Die Arbeitnehmer des Konzessionärs müssen Staatsbürger eines EWR-Mitgliedstaates sein.
(2) Den Arbeitnehmern des Konzessionärs ist es untersagt, Aktien des Konzessionsunternehmens zu erwerben. Es dürfen ihnen weder Anteile vom Ertrag der Unternehmung noch von diesem Ertrag abhängige Vergütungen (Provisionen, Tantiemen und dergleichen) in irgendeiner Form gewährt werden. Der Konzessionär kann seinen Arbeitnehmern jedoch aus dem Ertrag jener Glücksspiele, die außer französischem Roulette, Baccarat und Baccarat chemin de fer noch in den Spielbanken betrieben werden, Beiträge zur Cagnotte (Abs. 3) gewähren.
(3) Den Arbeitnehmern des Konzessionärs ist es weiters untersagt, sich an den in den Spielbanken betriebenen Spielen zu beteiligen oder von den Spielern Zuwendungen, welcher Art auch immer, entgegenzunehmen. Es ist jedoch gestattet, dass die Spieler Zuwendungen, die für die Gesamtheit der Arbeitnehmer des Konzessionärs bestimmt sind, in besonderen, für diesen Zweck in den Spielsälen vorgesehenen Behältern hinterlegen (Cagnotte).
(4) Die Aufteilung der Cagnotte (Abs. 3) unter die Arbeitnehmer des Konzessionärs ist durch Kollektivvertrag und durch eine Betriebsvereinbarung zu regeln. Dem Konzessionär steht kein wie immer gearteter Anspruch auf diese Zuwendungen zu. Von der Verteilung der Cagnotte sind Vorstandsmitglieder, leitende Angestellte mit Sonderverträgen sowie Arbeitnehmer von Nebenbetrieben ausgenommen."
Nach den von der ursprünglich übermittelten Lohnzetteln hat der Bw. in den einzelnen Jahren die oben wiedergegebenen steuerpflichtigen Bezüge erhalten. Mit den korrigierten Lohnzetteln wurden diese Bezüge auf etwa ein Drittel des ursprünglichen Betrages bzw. auf die Hälfte reduziert (2004).
Der Bw. vertritt offensichtlich die Ansicht, seine Bezüge seien überwiegend bzw. zur Hälfte (im Jahr 2004) der Einkommensteuer entzogen, weil sie bei richtiger rechtlicher Beurteilung als Trinkgeldsubstitut zu verstehen seien.
Die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 bezieht sich auf ortsübliche Trinkgelder. Eine weitere Einschränkung ergibt sich dadurch, dass es sich um Beträge handeln muss, die zusätzlich zu dem Betrag gegeben werden, der für diese Arbeitsleistung (arbeitsrechtlich) zu zahlen ist (Fuchs in Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band III A Tz. 23a zu § 3). Bestanden jedoch die Einkünfte des Bw. (nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge) überwiegend aus Anteilen an der Cagnotte, so kann nicht mehr von "Trinkgeldern" im Sinne des § 3 Abs. 1 Z 16a erster Satz EStG 1988 gesprochen werden. Dem wirtschaftlichen Gehalt nach handelte es sich vielmehr um (steuerpflichtiges) Arbeitsentgelt, selbst wenn die Cagnotte nach der Intention des einzelnen Kunden (Spielers) als "Trinkgeldsubstitut" diene. Neben seinem Anteil an diesen nach § 27 Abs. 3 GlSpG "für die Gesamtheit der Arbeitnehmer des Konzessionärs" gesammelten Geldern hat der Bw. ein (anderweitiges) entsprechendes Entgelt für seine Arbeitsleistung nicht erhalten ([Brutto]Grundgehalt und Überstundenpauschale insgesamt S 25.000,00). Wirtschaftlich betrachtet ersetzten die Anteile des Bw. an der Cagnotte daher nicht ein Trinkgeld, welches er auf Grund gesetzlicher Regelungen für sich persönlich nicht annehmen durfte, vielmehr bildeten sie (besonders augenfällig bis Ende des Jahres 2003) den wesentlichen Teil seines Arbeitseinkommens schlechthin. Daher ist es nicht von entscheidungswesentlicher Bedeutung, ob durch die genannten Beträge die Bemessungsgrundlage für Sonderzahlungen erhöht wurde oder nicht. Aus der vom übereinstimmenden Willen der beiden Vertragsparteien getragenen Regelung erhellt eindeutig, dass das monatliche Bruttogrundgehalt samt Überstundenpauschale des Bw. als Spielinspektor in der genannten Höhe auf den zusätzlichen Zufluss abgestimmt war, der gemäß den Erfahrungswerten aus der Trinkgeldcagnotte anfiel, und dass die in Rede stehenden Beträge auch wenn eine fixe Auszahlung nicht garantiert war, einen integrierenden Bestandteil der Entlohnung des Bw. darstellten.
Somit waren die Tatbestandsvoraussetzungen des § 3 Abs. 1 Z 16a erster Satz EStG 1988 nicht erfüllt.
Darüber hinaus war dem Bw. die direkte Annahme von Trinkgeldern auf Grund gesetzlicher Bestimmungen untersagt (§ 27 Abs. 3 GlSpG). Eine Steuerfreiheit der ihm zugeflossenen Anteile aus der Cagnotte wäre (zufolge § 3 Abs. 1 Z 16a zweiter Satz EStG 1988) selbst dann ausgeschlossen, wenn sie als "Trinkgeldsubstitut" unter die Befreiungsbestimmung (des § 3 Abs. 1 Z 16a erster Satz EStG 1988) subsumiert werden könnten.
Gegen die Befreiungsbestimmung des § 3 Abs. 1 Z 16a EStG 1988 wurden im Übrigen in der Fachliteratur Bedenken geäußert (siehe etwa Prodinger, Steuerfreie Trinkgelder - steuerpflichtige Sachbezüge von dritter Seite, SWK 2005 S 365; zur Differenzierung nach der "Ortsüblichkeit" Hofstätter-Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, Band III A Tz. 23a zu § 3).
Abschließend sei bemerkt, dass der im gegenständlichen Rechtsmittelverfahren zu Grunde liegende Sachverhalt in der hier rechtserheblichen Hinsicht mit jenen in den h.a. Berufungsentscheidungen vom 3. April 2007, RV/0049-I/07, vom 23. Juli 2007, RV/0053-I/07 und vom 21. August 2007, RV/2355-W/07, entschiedenen Berufungsverfahren übereinstimmt. Der Referent sieht keine Veranlassung von der in diesen Entscheidungen geäußerten Rechtsauffassung abzugehen, weshalb auch die materiellrechtlichen Voraussetzungen nicht erfüllt sind.
Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 17. September 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 303 Abs. 4 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Trinkgeld, Casino, Spielinspektor |