Umsätze aus der Tätigkeit als freiberuflich tätiger Heilmasseur
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1923/07 eingebracht. Mit Beschluss vom 10.6.2008 an den VwGH abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0224 eingebracht. Mit Erk. v. 28.4.2011 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0384-G/11 erledigt.
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., Heilmasseurin, F., vertreten durch Dr. Ursula Zieseritsch, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, 8130 Frohnleiten, Quellenweg 33c, vom 19. Dezember 2006 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Umgebung vom 6. Oktober 2006 betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 2004 und 2005 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Das Finanzamt hat in den angefochtenen Bescheiden die aus der Tätigkeit der Berufungswerberin (Bw.) als freiberuflich tätige Heilmasseurin - sie besitzt den zur Berechtigung der Ausübung des Berufes erforderlichen Qualifikationsnachweis [Abschlussprüfungszeugnis gemäß § 54 Abs. 2 MMHmG - Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz, BGBl. I Nr. 169/2002] - erzielten Umsätze dem Normalsteuersatz in Höhe von 20 % unterworfen (vgl. Tz 1 und 2 des Berichtes vom 5. Oktober 2006 über das Ergebnis der Außenprüfung).
Dagegen hat die Bw. mit nachstehender Begründung das Rechtsmittel der Berufung erhoben:
Da sie über die erforderlichen Qualifikationsnachweise verfüge sei sie nach den geltenden berufsrechtlichen Bestimmungen (§ 45 Z 1 MMHmG) zur freiberuflichen Ausübung des Berufs als Heilmasseur berechtigt. Ihr Tätigkeitsbereich umfasse die eigenverantwortliche, zu Heilzwecken erfolgende Durchführung von ärztlich angeordneten klassischen Massagen, manuellen Lymphdrainagen und Elektrotherapien.
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. c der 6. EG-RL seien Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, von der Mehrwertsteuer befreit.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 seien die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als freiberuflich Tätiger iSd § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 102/1961 idF BGBl. Nr. 872/1992 (Krankenpflegefachdienst) und des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste, BGBl. Nr. 460/1992 idgF (MTD-G) steuerfrei. Die zuletzt genannte Bestimmung betreffe unter anderem physiotherapeutische Dienste; die Tätigkeit von Heilmasseuren sei darin nicht ausdrücklich erwähnt. Das MTD-G stamme aus dem Jahr 1992, den Beruf des Heilmasseurs gebe es aber erst auf Grund des MMHmG, das aus dem Jahr 2002 stamme und im Jahr 2003 in Kraft getreten sei; somit könne daher im MTD-G der Heilmasseur noch nicht ausdrücklich genannt sein bzw. sei bisher eine diesbezügliche Novellierung unterblieben. Der Heilmasseur sei aber in gleicher Weise wie der Physiotherapeut freiberuflich und eigenverantwortlich tätig und könne zu Heilzwecken ärztlich angeordnete Massagen usw. durchführen. Nach dem Berufsbild sei also der Heilmasseur den gehobenen medizinisch-technischen Diensten im Sinne des MTD-G zuzuordnen, auch wenn er nicht zu allen physiotherapeutischen Tätigkeiten berechtigt sei. Der Physiotherapeut könne außer den Tätigkeiten, die auch der Heilmasseur ausüben könne, insbesondere bewegungstherapeutische Tätigkeiten verrichten.
In einer Information des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 2. Jänner 2006 an die Länder betreffend § 26 MTD-G sei die Anrechnung von Prüfungen und Praktika von ua. im MMHmG geregelten Ausbildungen vorgesehen, dh. dem Heilmasseur, der sich zum Physiotherapeuten ausbilden lasse, sollten alle für den Heilmasseur abgelegten Praktika und Prüfungen angerechnet werden und es sei für diesen Bereich keine weitere Aufschulung notwendig. In diesem Bereich werde also sehr wohl die Ansicht vertreten, dass es sich bei der Aufzählung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste im MTD-G um keine taxative Aufzählung handle und andere medizinisch-technische Dienste miteinbezogen werden könnten.
In den Art. VII ff des MMHmG sei auch für Leistungen des Heilmasseurs ein Kostenersatz durch die diversen Sozialversicherungen vorgesehen. In einigen Bundesländern werde von den Sozialversicherungen der (anteilige) Ersatz der Umsatzsteuer mit der Begründung abgelehnt, dass es im Bereich der Heilberufe keine Umsatzsteuer gebe.
Aus diesen Ausführungen ergebe sich, dass gleiche Leistungen umsatzsteuerlich unterschiedlich behandelt werden. Es widerspreche dem Gleichheitsgrundsatz, wenn für gleiche Leistungen, die von verschiedenen Berufsgruppen ausgeführt werden, von einer Berufsgruppe (Physiotherapeut) keine Umsatzsteuer und von der anderen Berufsgruppe (Heilmasseur) Umsatzsteuer zu entrichten sei. Dies würde zu einer unvertretbaren Wettbewerbsverzerrung und eindeutigen Bevorzugung einer Berufsgruppe führen, was nicht dem Zweck der Befreiungsvorschrift des § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 entsprechen könne.
Das Finanzamt hat die abweisende Berufungsvorentscheidung im Wesentlichen folgendermaßen begründet:
Sowohl die Aufzählung im § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 als auch im § 1 MTD-G habe taxativen Charakter. Eine generelle Einbeziehung arztähnlicher Berufe, die nach den Bestimmungen der 6. EG-RL möglich wäre, sei nicht erfolgt. Es dürfe nicht übersehen werden, dass die Tätigkeit des Heilmasseurs nur Teilbereiche des Berufsbildes des physiotherapeutischen Dienstes abdeckt, sodass eine Subsumtion unter die Steuerbefreiung im Auslegungsweg nicht in Betracht komme. Nur wenn der freiberufliche Heilmasseur gleichzeitig die Berechtigung zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes besitze (vgl. §§ 3 und 7 MTD-G), die den nach dem MMHmG vorgeschriebenen speziellen Qualifikationsnachweis ersetzen könne (vgl. § 36 Z 5 MMHmG), seien seine Heilbehandlungen steuerfrei. Leistungen von Heilmasseuren, wie im berufungsgegenständlichen Fall, ohne physiotherapeutische Berufsausbildung seien, auch wenn es sich zweifelsfrei um Heilbehandlungen handle, steuerpflichtig.
Im Antrag auf Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat hat die Bw. ergänzend Folgendes ausgeführt:
Es sei auf die Information des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 2. Jänner 2006 an die Länder betreffend § 26 MTD-G über die Anrechnung von Praktika und Prüfungen, die im MMHmG vorgesehen seien, insbesondere auf Absatz 3 - zeitliche Entstehung der Gesetze - hinzuweisen und auch darauf, dass in dieser Information sehr wohl der Sinn des MTD-G Beachtung finde.
Weiters werde auf das Teilurteil des LG Korneuburg, 9 Cgs 352/05s-17 vom 16. Mai 2006 verwiesen, in dem das Gericht die Bedenken der Klägerin gegen die unterschiedliche Regelung der Kostenzuschüsse für die gleichen Leistungen (Heilmassagen) der Heilmasseure und Physiotherapeuten durch die Sozialversicherungen teile und mit Beschluss ON 18 eine Anfechtung beim Verfassungsgerichtshof eingebracht habe.
Im Übrigen habe der Verfassungsgerichtshof im Erkenntnis vom 12. Dezember 2006, B 855/06-14, ausgeführt, dass lt. § 29 MMHmG nur der Heilmasseur (auf Anordnung eines Arztes) zur Behandlung kranker Personen berechtigt sei, diese Tätigkeit den reglementierten Gesundheitsberufen zuzuordnen sei und die Gewerbeordnung darauf keine Anwendung finde.
Durch diese Ausführungen solle untermauert werden, dass eine Einbeziehung der Heilmasseure in den Kreis der in § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 aufgezählten Berufe gerechtfertigt sei und eine rein formale Auslegung dem Sinn dieser Bestimmung nicht entsprechen könne. Es werde daher beantragt, die Umsatzsteuerfreiheit der von der Heilmasseurin erbrachten Heilmassagen zu akzeptieren.
Über die Berufung wurde erwogen:
Nach Art. 13 Teil A Abs. 1 lit. c der 6. EG-RL (77/388/EWG ) befreien die Mitgliedstaaten unbeschadet sonstiger Gemeinschaftsvorschriften unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen, die Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin, die im Rahmen der Ausübung der von dem betreffenden Mitgliedstaat definierten ärztlichen und arztähnlichen Berufe erbracht werden, von der Steuer.
Gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 sind von den unter § 1 Abs. 1 Z 1 fallenden Umsätzen die Umsätze aus der Tätigkeit als Arzt, Dentist, Psychotherapeut, Hebamme sowie als freiberuflich Tätiger im Sinne des § 52 Abs. 4 des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 102/1961 in der Fassung BGBl. Nr. 872/1992 und des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl Nr. 460/1992 steuerfrei.
Unter Bedachtnahme auf die vorhin dargestellte Rechtslage konnte der Berufung aus nachstehenden Erwägungen kein Erfolg beschieden sein:
In Umsetzung der eingangs zitierten Richtlinienbestimmung hat der österreichische Gesetzgeber von der ihm eingeräumten Möglichkeit die ärztlichen und arztähnlichen Berufe, deren Leistungen von der Umsatzsteuer befreit sind, zu definieren, dadurch Gebrauch gemacht, indem die einzelnen steuerbefreiten Heilberufe taxativ aufgezählt werden. Indem der Gesetzgeber die steuerbefreiten Heilberufe einerseits namentlich und andererseits durch Bezugnahme auf die Rechtsvorschriften der betreffenden Berufsgruppe eindeutig und ausschließlich definiert, gibt er nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates unzweifelhaft zu erkennen, dass es sich um eine taxative Aufzählung handelt. Diese Rechtsansicht wird auch in der Literatur vertreten (vgl. Rößler, Anwendung der Umsatzsteuerbefreiung gemäß § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994 für Heilbehandlungen durch freiberuflich tätige Heilmasseure in ÖStZ 2004, 416 und Ruppe, Umsatzsteuergesetz, Kommentar, Wien 2005, § 6, Tz 417 und 417/1).
Auch wenn, wie die Bw. zutreffend ausführt, der Beruf des Heilmasseurs erst durch das Bundesgesetz über die Berufe und die Ausbildungen zum medizinischen Masseur und zum Heilmasseur (Medizinischer Masseur- und Heilmasseurgesetz - MMHmG), BGBl. I Nr. 169/2002, geschaffen worden ist und daher im Bundesgesetz über die Regelung der gehobenen medizinisch-technischen Dienste (MTD-Gesetz), BGBl. Nr. 460/1992, nicht enthalten sein kann, kann daraus nichts für sie gewonnen werden. Denn der österreichische Gesetzgeber hat seit Einführung des UStG 1994 von der gemeinschaftsrechtskonformen Möglichkeit, den Kreis der arztähnlichen Berufe zu erweitern, bislang keinen Gebrauch gemacht, sondern er hat an der seit 1. Jänner 1995 unveränderten taxativen Aufzählung festgehalten.
Im Übrigen ist festzustellen, dass der berufsrechtlich zulässige Tätigkeitsbereich des Heilmasseurs (vgl. § 29 Abs. 1 MMHmG) nur einen Teilbereich des Berufsbildes des physiotherapeutischen Dienstes (vgl. § 2 Abs. 1 MTD-G) abdeckt. Da es sich demnach um zwei verschiedene Berufsgruppen mit unterschiedlichem Tätigkeitsumfang handelt, können die Heilbehandlungen eines Heilmasseurs auch nicht im Wege der Interpretation der gegenständlichen Befreiungsbestimmung als Umsätze aus der Tätigkeit als freiberuflich Tätiger im Sinne des § 7 Abs. 3 des Bundesgesetzes BGBl Nr. 460/1992 steuerfrei behandelt werden. Nur dann, wenn der freiberuflich tätige Heilmasseur die Berechtigung zur Ausübung des physiotherapeutischen Dienstes besitzt, die den nach dem MMHmG vorgeschriebenen speziellen Qualifikationsnachweis ersetzen kann (vgl. § 36 Z 5 MMHmG), was aber im gegenständlichen Fall nicht vorliegt, sind seine Heilbehandlungen steuerfrei.
Auch aus dem Hinweis auf das Informationsschreiben des Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen vom 2. Jänner 2006 an die Länder, wonach im Rahmen der Ausbildung zum Physiotherapeuten bis zur entsprechenden legistischen Umsetzung ersucht werde, die Anrechnung von Prüfungen und Praktika von im MMHmG geregelten Ausbildungen, sofern die Voraussetzungen des § 26 MTD-G erfüllt sind, zu ermöglichen, kann nichts für den Rechtsstandpunkt der Bw. gewonnen werden, da das UStG 1994, wie oben ausgeführt, die steuerbefreiten Berufsgruppen taxativ aufzählt und demnach der Heilmasseur, der keine Berufsberechtigung nach dem MTD-G hat, nicht begünstigt ist.
Da gemäß § 31 Abs. 1 UStG 1994 mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzes der Bundesminister für Finanzen betraut ist, ist die umsatzsteuerliche Beurteilung der Heilbehandlungen eines freiberuflich tätigen Heilmasseurs durch die Sozialversicherungsanstalten für die Erhebung der Umsatzsteuer ohne rechtliche Relevanz.
Soweit die Bw. den Gleichheitsgrundsatz ins Treffen führt, ist ihr zu entgegnen, dass die Abgabenbehörden verfassungsgemäß zustandegekommene Gesetze bis zu deren Aufhebung durch den Verfassungsgerichtshof zu vollziehen haben.
Schließlich vermag auch der Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2006, B 855/06, keine Änderung der Beurteilung zu bewirken. Im abweisenden Erkenntnis hat der Gerichtshof keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch die Feststellung der Mitgliedschaft eines freiberuflichen Heilmasseurs in der Wirtschaftskammer erkannt. Einen für die Beurteilung der gegenständlichen Streitfrage beachtlichen Zusammenhang kann der Unabhängige Finanzsenat nicht erkennen.
Es war daher wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 13. September 2007
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 6 Abs. 1 Z 19 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Heilmasseur, MMHmG, Heilbehandlung |
Verweise: | Ruppe, UStG³, Kommentar, § 6 Tz 417 und 417/1 |