UFS RV/0107-G/03

UFSRV/0107-G/0328.8.2007

1.) Österreichische Erbschaftssteuerpflicht 2.) § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG 1955 für ausländisches Kapitalvermögen 3.) Begünstigter Steuersatz nach § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG 1955 auch für deutschen gemeinnützigen Verein?

 

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der D., vom 23. Oktober 2002 gegen den Bescheid des Finanzamtes Graz-Umgebung vom 23. September 2002 betreffend Erbschaftssteuer 1998 entschieden:

Der Erbschaftssteuerbescheid vom 23. September 2002, StNr. Y., wird gemäß § 289 Abs. 1 der BAO unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Entscheidungsgründe

Frau S., eine deutsche Staatsbürgerin, verstarb unter Hinterlassung einer letztwilligen Anordnung am 23. September 1998 in F.. In ihrem Testament setzte die Erblasserin eine Erbin für den nahezu ausschließlich aus deutschem und österreichischem Kapitalvermögen bestehenden Nachlass ein und verfügte die Auszahlung an mehrere Legatare.

Der Berufungswerberin, im Folgenden kurz Bw. genannt, einer in Deutschland ansässigen und als Verein bestehenden Umweltorganisation, war 1/16 des Kapitalvermögens als Legat bestimmt. Für das inländische bewegliche Vermögen war, da die Erblasserin in Österreich ihren Wohnsitz hatte und mit Deutschland keine Gegenseitigkeit besteht, das Bezirksgericht Z. zur Durchführung des Nachlassverfahren zuständig. Im Zuge dieses Verfahrens erhielt die Bw. 16.337,97 S über Auszahlung durch den Gerichtskommisär aus dem Realisat von österreichischen Sparbüchern. Daneben bestand in München weiteres Kapitalvermögen der Erblasserin, für das am 24. 2. 2000 durch das Amtsgericht München der Erbin der Erbschein ausgestellt wurde.

Nach Auskunft der Erbin wurden aus dem Realisat des in Deutschland bestehenden Kapitalvermögens zwei weitere Legatszahlungen, am 3. Juli 2000 in Höhe von 33.148,20 DM (= 233.215,00 S) und am 18. August 2000 in Höhe von 9.875,00 DM (= 69.476,00 S) an die Bw. geleistet. Insgesamt erhielt sie demnach 319.028,97 S aus der Verlassenschaft.

Am 23. September 2002 erließ das Finanzamt X. an die Bw. einen Bescheid, wonach dieser gesamte Erwerb nach Abzug des persönlichen Freibetrages nach § 14 Abs. 1 ErbStG einer Erbschaftssteuer von 18 % unterworfen und eine Steuervorschreibung von 4.153,54 € festgesetzt wurde.

Gegen diese Entscheidung wurde Berufung eingebracht und vorgebracht, dass die Bw. als Verein in Deutschland wegen Gemeinnützigkeit steuerbegünstigt und von der Erbschaftssteuer befreit ist. Es sei davon auszugehen, dass auch in Österreich entsprechende Rechtsvorschriften gelten, die eine Steuerbefreiung beinhalten und wurde um Mitteilung ersucht, welche Nachweise vorzulegen seinen. Bemängelt wurde auch die Zustellung und dass vor der Vorschreibung kein rechtliches Gehör erfolgt sei, weiters sei die Zusammensetzung der Bemessungsgrundlage unklar.

Das Finanzamt erließ am 16. Jänner 2003 eine Berufungsvorentscheidung, die über die Berufung zur Gänze abweislich entschied. Die Bemessungsgrundlage wurde an Hand der dreimaligen Zahlungen der Alleinerbin in unveränderter Höhe als richtig festgestellt und weiters begründet, dass der begünstigte Steuersatz von 2,5 % (§ 8 Abs. 3 ErbStG) nur für inländische juristische Personen anzuwenden sei.

Im Vorlageantrag bestritt die Bw, dass der Nachlass in Österreich der Erbschaftsbesteuerung unterliege und verwies auf das Doppelbesteuerungsabkommen. Die Verstorbene habe auch in M. einen Wohnsitz gehabt und sei von dort aus ihren Beitragsverpflichtungen nachgekommen. Die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen hätten zur Bundesrepublik Deutschland bestanden, wie sich das schon an den weitaus höheren deutschen Kapitalvermögen zeige. Es wäre überhaupt zu prüfen, ob eine Befreiung nach § 15 Abs. 1 Z 14 a ErbStG oder eine Befreiung nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG zum Tragen käme oder jedenfalls der begünstigte Steuersatz von 2,5 % nach § 8 Abs. 3 ErbStG anzuwenden sei. Eine abweichende Besteuerung von ausländischen gemeinnützigen Körperschaften von inländischen Körperschaften widerspreche auch dem Diskriminierungsverbot gem. Art 56, 58 EG-Vertrag.

Über die Berufung wurde erwogen:

1.) Zuständigkeit für die Erbschaftsbesteuerung:

Nach dem Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Erbschaftssteuern, kurz DBA genannt, BGBl. Nr. 220/1955, lautet Artikel 1:

"(1) Durch dieses Abkommen soll vermieden werden, dass Nachlassvermögen von Erblassern, die zur Zeit ihres Todes in einem der beiden oder in beiden Vertragsstaaten ihren Wohnsitz hatten, in beiden Staaten zur Erbschaftssteuer herangezogen werden.

(2) Eine natürliche Person hat einen Wohnsitz im Sinne dieses Abkommens in dem Vertragsstaat, in dem sie eine Wohnung innehat unter Umständen, die darauf schließen lassen, dass sie die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Wenn sie in keinem der Vertragsstaaten einen Wohnsitz hat, gilt als Wohnsitz der Ort ihres gewöhnlichen Aufenthaltes."

In der Todfallsaufnahme wurde von der Erbin als letzter Wohnsitz der Verstorbenen F angegeben. In einem Schreiben an das Finanzamt erklärte sie weiters, dass die Verstorbene den Mittelpunkt ihrer Lebensinteressen in den letzten 25 Jahren in der Steiermark hatte und bis zur Übersiedelung ins Pflegeheim St. Benedikt ihr Wohnsitz dort in F lag. Das Bezirksgericht Z. stellte ebenfalls den Wohnsitz in F fest und erklärte mit Beschluss vom 15. Dezember 1999 die inländische Gerichtsbarkeit als gegeben.

Voraussetzung für das Vorhandensein eines Wohnsitzes ist das Innehaben einer Wohnung. Das Innehaben einer Wohnung ist die rechtliche und tatsächliche Möglichkeit über die Wohnung zu verfügen, insbes. sie für den Wohnbedarf jederzeit benutzen zu können. Wenn die über 80-jährige Erblasserin zuletzt in einem Pflegeheim in der Steiermark untergebracht war, bestand ohne Zweifel ein Wohnsitz in Österreich.

Wenn auch in München ein Wohnsitz bestanden hat, wie dies die Bw. behauptet, so kommt die Zuteilungsregel nach Art. 5 Z 2 des DBA zur Anwendung:

"Hatte der Erblasser zur Zeit seines Todes in beiden Vertragsstaaten einen Wohnsitz, so wird das Nachlassvermögen nur in dem Staate besteuert, zu dem die stärksten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen des Erblassers bestanden (Mittelpunkt der Lebensinteressen). Wenn dies nicht festzustellen ist, werden die obersten Finanzbehörden der Vertragsstaaten sich nach Artikel 10 verständigen."

Entscheidend bei der Beurteilung des Mittelpunktes der Lebensinteressen ist das Gesamtbild der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse, wobei das Überwiegen der Beziehungen zum einen oder anderen Staat den Ausschlag gibt. Wirtschaftlichen Beziehungen kommt idR eine geringere Bedeutung zu als persönlichen Beziehungen. Die stärkste persönliche Beziehung besteht im Regelfall zu dem Ort, an dem jemand regelmäßig mit seiner Familie lebt (VwGH 22.3.1991, 90/13/0073).

Die stärksten persönlichen Interessen, der Aufenthalt, die Betreuung und Pflege, waren im gegenständlichen Fall eindeutig auf ein Pflegeheim in Österreich konzentriert. Das Argument, dass die Verstorbene in München eine Adresse gehabt habe, von der sie ihren Beitragsverpflichtungen für den Verein nachgekommen ist und Zustellungen empfangen hat, kann im Hinblick auf die Ausführungen der Erbin über die letzten Lebensjahre der Erblasserin in der Steiermark, die Beweislage für einen in Österreich liegenden Mittelpunkt der Lebensinteressen nicht entkräften.

Für die Bestimmung der wirtschaftlichen Beziehungen ist insbesondere die Höhe der Einkünfte in den Vertragsstaaten ausschlaggebend. Daraus kann aber nicht generell abgeleitet werden, dass die stärksten wirtschaftlichen Beziehungen dort liegen, wo die höheren Kapitalanlagen erfolgt sind. Wenngleich das in Deutschland veranlagte Kapitalvermögen tatsächlich ungleich größer war als das in Österreich vorhandene, so ist festzustellen, dass die Erblasserin in Österreich Pensionseinkünfte bezog. Darüberhinaus ist im Zweifel den persönlichen Beziehungen der Vorrang zu geben (VwGH 19.3.2002, 98/14/0026 und 26.7.2000, 95/14/0145) und kommt der Gestaltung des Lebens eine erhöhte Bedeutung zu.

Damit ist klargestellt, dass Österreich das Besteuerungsrecht hinsichtlich der Erbschaftssteuer zukommt. Wenn die Bw. auf das im Art. 10 DBA enthaltene Verständigungsverfahren hinweist, so ist zu sagen, dass dieses zwischen den obersten Finanzbehörden, den Bundesministerien beider Länder, stattfindet und unabhängig von einem Rechtsmittelverfahren durchgeführt werden kann. Für die Einleitung eines Verständigungsverfahrens ist nicht das Finanzamt zuständig, sondern das Bundesministerium für Finanzen.

Der Steuerpflichtige hat die Wahl, ob er seine Ansprüche im Wege eines Rechtsmittelverfahrens oder durch Anregung eines Verständigungsverfahrens von Amts wegen wahren möchte. Es gibt aber keine Verfahrensvorschrift, die eine Abgabenfestsetzung erst nach Abschluss eines Verständigungsverfahrens zulässt (VwGH 26.2.2004, 99/15/0127). Nach der Aktenlage kam es zudem zu keiner Doppelbesteuerung und wurde das österreichische Besteuerungsrecht weder von der Erbin, noch von den anderen Legataren bestritten und kann aus Art. 10 DBA nicht herausgelesen werden, dass das Finanzamt die Einleitung eines Verständigungsverfahrens von Amts wegen anzuregen gehabt hätte.

2.) Steuerbefreiung nach § 15 Abs. 1 Z 14a ErbStG

Die gesetzliche Bestimmung lautet: "Steuerfrei bleiben außerdem Zuwendungen unter Lebenden von körperlichen beweglichen Sachen und Geldforderungen, die ausschließlich gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken gewidmet sind, sofern die Verwendung zu dem begünstigten Zweck gesichert ist; dies gilt auch für solche Zuwendungen in das Ausland, soweit Gegenseitigkeit besteht."

Wie es sich aus dem Gesetzestext ergibt, ist diese Bestimmung nur auf Zuwendungen unter Lebenden anzuwenden. Erwerbe von Todes wegen, wie im gegenständlichen Erbschaftsfall, sind von dieser Befreiungsbestimmung nicht umfasst.

3.) Steuerbefreiung nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG

Die Bestimmung in der für den Stichtag, den 24. September 1998, geltenden Fassung (BGBl. 797/1996) lautet: "Erwerbe von Todes wegen von Kapitalvermögen, soweit dessen Erträge im Zeitpunkt des Todes des Erblassers der Steuerabgeltung gemäß § 97 Abs. 1 erster Satz sowie § 97 Abs. 2 erster bis dritter Satz des Einkommensteuergesetzes 1988, in der Fassung des Bundesgesetzes, BGBl. Nr. 12/1993 unterliegen; dies gilt für Forderungswertpapiere nur dann, wenn sie bei ihrer Begebung sowohl in rechtlicher als auch in tatsächlicher Hinsicht einem unbestimmten Personenkreis angeboten werden;"

§ 97 Abs. 1 erster Satz der angesprochenen Fassung lautet:

"Die Einkommensteuer für Kapitalerträge gemäß § 93 Abs. 2 Z 3 sowie Abs. 3, die 1. der Kapitalertragsteuer unterliegen und 2. zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27) gehören, gilt als durch den Steuerabzug abgegolten.

§ 97 Abs. 2 erster bis dritter Satz der angesprochenen Fassung lautet:

"Die Einkommensteuer für im Inland bezogene Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren, die 1. nicht der Kapitalertragsteuer unterliegen, die 2. zu den Einkünften aus Kapitalvermögen gehören, gilt durch einen der kuponauszahlenden Stelle in Höhe der Kapitalertragsteuer freiwillig geleisteten Betrag als abgegolten. Der Steuerpflichtige muss dazu der kuponauszahlenden Stelle unverzüglich den unwiderruflichen Auftrag erteilen, den Betrag wie eine Kapitalertragsteuer abzuführen. Der Betrag gilt als Kapitalertragsteuer von Kapitalerträgen gemäß § 93 Abs. 3."

Kapitalerträge nach § 93 Abs. 2 Z 3 EStG sind:

§ 93 Abs. 3 leg. cit. lautet: Kapitalerträge aus Forderungswertpapieren sind Kapitalerträge aus

Diese Kapitalerträge sind im Inland bezogen, wenn sich die kuponauszahlende Stelle (§ 95 Abs. 3 Z 2) im Inland befindet.

Im Sinne dieser statisch auf eine bestimmte Fassung des Einkommensteuergesetzes verweisenden Norm des § 15 Abs.1 Z 17 ErbStG ist nach einkommensteuerlichen Grundsätzen zu beurteilen, ob die Kapitalerträge im Zeitpunkt des Todes eines Erblassers der Steuerabgeltung unterlagen.

Damit gilt auch die Erbschaftssteuer - neben der Abgeltung durch eine freiwillige KEST im Sinne des § 97 Abs. 2 EStG - für inländische Zinserträge aus Geldeinlagen bei Banken und Zinserträgen aus sonstigen Forderungen bei Banken, denen ein Bankgeschäft zu Grunde liegt und bei bestimmten im Inland bezogenen Kapitalerträgen aus Forderungswertpapieren, bei Wandel- und Gewinnschuldverschreibungen und Anteilscheinen an einem Kapitalanlagefond im Sinne des Investmentfondsgesetzes 1963 als abgegolten.

Daraus ergibt sich, dass der Bw. ein anteiliger Freibetrag nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG für das in Österreich liegende Kapitalvermögen der Erblasserin (zugeflossen in Höhe von 16.337,97 S) zusteht und dieser - genauso wie es auch nach den Berufungen der anderen Legatare vorgenommen worden ist - von der Bemessungsgrundlage in Abzug zu bringen ist.

Bei der Beantwortung der Frage, ob bestimmten ausländischen Kapitalvermögen noch vor der Inkraftsetzung des BGBl. 71/2003 mit 21. August 2003, das erstmals ausdrücklich ausländische Kapitalanlagen anführt, eine Steuerbefreiung nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG zukommen kann, ist auf die Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Hinsicht auf die einkommensteuerlichen Bestimmungen Bedacht zu nehmen. So ergibt sich aus dem Urteil vom 15. Juli 2004, C-315/02 , Anneliese Lenz, dass die Verweigerung der einkommensteuerlichen Endbesteuerungswirkung für ausländische Kapitalerträge mit der gemeinschaftsrechtlichen Kapitalverkehrsfreiheit in Widerspruch steht. EUGH Urteile wirken zeitlich unbeschränkt zurück und sind bei offenen Fällen zu berücksichtigen. Das hat zur Folge, dass § 97 Abs. 1 erster Satz und § 97 Abs. 2 erster bis dritter Satz EStG idF BGBl. 12/1993 hinsichtlich der in Deutschland erzielten Erträge gemeinschaftsrechtskonform anzuwenden ist. Der gesetzliche Verweis auf einkommensteuerliche Bestimmungen bedingt, dass im Erbschaftssteuerverfahren auch einkommensteuerliche Grundsätze zu beachten sind und ist daher auch das genannte Urteil zu beachten.

Insoferne ist auch das in Deutschland bestehende Kapitalvermögen auf seine Zusammensetzung hin zu überprüfen, weil davon abhängt, ob und in welcher Höhe eine Steuerbefreiung nach § 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG in Betracht kommt. Nach der derzeit vorliegenden Aktenlage bestanden neben einem lfd. Konto und einem Sparkonto, Sparbriefe, Teilschuldverschreibungen und öffentliche Pfandbriefe. Die letzten drei sind Forderungswertpapiere im Sinne des § 93 Abs. 3 EStG und kann für sie - wie auch für das lfd. Konto und das Sparkonto - der Steuerfreibetrag anteilig zum Tragen kommen.

Bei den Kapitalanlagen Adig Fondis, Adig Fondak, Adig Adiverba scheint es sich um Aktienfonds zu handeln, die keine Steuerbefreiung nach sich ziehen könnten, weil für den todeswegigen Erwerb von in- oder ausländischen Aktien erst ab dem Jahre 2001 im § 15 Abs1. Z 17 ErbStG eine Steuerbefreiung eingeführt wurde, der gegenständliche Erwerb aber bereits 1998 erfolgte.

§ 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG ist nicht antragsabhängig, sondern ist von Amts wegen wahrzunehmen. Es ist nach Einschätzung des vorliegenden Falles daher davon auszugehen, dass weitgehende Teile des erworbenen in- und ausländischen erblichen Kapitalvermögens von der Erbschaftssteuer befreit sind, allerdings sind noch Ermittlungen über die tatsächliche Zusammensetzung des ausländischen Kapitalvermögens durchzuführen.

4.) Art. 2 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen in Hinsicht auf die Gewährung des begünstigten Steuersatzes von § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG

Nach § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG beträgt die Steuer ohne Rücksicht auf die Höhe der Zuwendungen von Zuwendungen an solche inländische juristische Personen, die gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verfolgen, sowie an inländische Institutionen gesetzlich anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften 2,5%.

Art 2 Abs. 2 des Vertrages zwischen der Republik Österreich und der Bundesrepublik Deutschland über Rechtsschutz und Rechtshilfe in Abgabensachen vom 4. 10. 1954, BGBl. Nr. 249/1955 lautet:

"Juristische Personen sowie Personenvereinigungen, Anstalten, Stiftungen und sonstige Zweckvermögen, die keine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, aber als solche einer Abgabenpflicht unterliegen, genießen, sofern sie in dem Gebiete des einen Staates ihren Sitz haben und nach dessen Gesetzen errichtet sind, in dem Gebiete des anderen Staates die gleiche steuerliche Behandlung und den gleichen Rechtsschutz wie die entsprechenden eigenen Steuerpflichtigen dieses anderen Staates."

Der in Art. 2 des Vertrages mit der BRD enthaltene Grundsatz soll eine Gleichbehandlung der Angehörigen beider Staaten mit sich bringen. Im Schlussprotokoll zum Vertrag wird festgehalten, dass die gleiche Behandlung sich sowohl auf das formelle als auch auf das matererielle Abgabenrecht beziehen soll.

Art. 2 Abs. 2 des Vertrages geht dem österreichischen Steuerrecht als lex specialis vor (vgl. VwGH 7.9.1989, 89/16/0085) und verbietet der Abgabenbehörde, die Bw. mit einem höheren Steuersatz zu belasten als einen österreichischen Verein, der die gleichen Zwecke verfolgt wie die Bw. Aus dem zitierten und aus einem ähnlichen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes (19.2.1998, 97/16/0400) lässt sich schließen, dass der dt. Bw. der begünstigte Steuersatz nach § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG zuzukommen hat, wenn sie als gemeinnützig einzustufen ist.

Der begünstigte Steuersatz kam in diesen beiden Fällen einer deutschen Stiftung und eines Vereines nur dadurch nicht zur Anwendung, weil der damals in Hinsicht auf die Feststellung der Gemeinnützigkeit zu beachtende § 34 Abs. 1 Bundesabgabenordnung noch verlangte, dass die Förderung überwiegend im Inland erfolgen musste und dies in beiden Fällen nicht vorlag. Seit der Neufassung dieser Bestimmung mit 10. Jänner 1998, die im gegenständlichen Fall bereits anzuwenden ist, ist der Inlandsbezug irrelevant und steht daher einer eventuellen Steuerbegünstigung nicht im Wege.

Es wären daher tatsächlich Ermittlungen darüber anzustellen gewesen, ob die von Bw. verfolgten Ziele als gemeinnützig zu beurteilen sind, wobei der Begriff nach den grundsätzlichen Vorschriften in der BAO (§§ 34 bis 47) auszulegen ist.

Der Umfang der notwendigen Verfahrensergänzungen hinsichtlich der Feststellung des begünstigungsfähigen ausländischen Vermögens und der Gemeinnützigkeit ist weitreichend, sodass es nicht zweckmäßig und billig ist, dies im zweitinstanzlichen Berufungsverfahren durchzuführen, weshalb die Aufhebung des erstinstanzlichen Bescheides und die Zurückverweisung der Sache im Sinne des § 289 Abs. 1 BAO als gerechtfertigt angesehen wird.

5.) Begünstigter Steuersatz nach § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG in Bezug zum EU-Recht § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG normiert für Zuwendungen an inländische gemeinnützige juristische Personen einen begünstigten linearen Steuersatz von 2,5%. Da Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten gemäß Artikel 56 EG-Vertrag verboten sind, sah die Bw. in der Nichtgewährung der Tarifbegünstigung für gleichartige ausländische juristische Personen eine unzulässige Diskriminierung.

Dabei ist aber die Frage von Bedeutung, ob nicht der Vorbehalt des Artikel 58 EG-Vertrag in Anwendung zu bringen ist, nach welchem unter gewissen engen Grenzen Gebietsansässige und Gebietsfremde ungleich behandelt werden können.

Artikel 56 EG-Vertrag gilt uneingeschränkt, wenn es um wirtschaftlichen, marktorientierten Wettbewerb geht. Nicht um wirtschaftlichen Wettbewerb geht es im Gemeinnützigkeitsrecht. Gemeinnützige juristische Personen entfalten ihr karitatives und altruistisches Wirken über Spenden, nicht aber über ihre Beteiligung am Kapitalverkehr im Sinne von marktorientiertem Wettbewerb. Indem sie einen Beitrag zum Gemeinwohl leisten, entlasten sie die Einrichtungen des Staates. Das Abgabenrecht anerkennt dies in Form von Steuerbegünstigungen für inländische gemeinnützige juristische Personen. Das Gemeinnützigkeitsrecht hat damit einen "strukturellen Inlandsbezug", da es auf das Gemeinwohl der Republik Österreich zugeschnitten ist. Daraus sind zwingende Gründe des Allgemeininteresses abzuleiten, in welchen eine Rechtfertigung für die Anwendung des Vorbehaltes des Artikels 58 EG-Vertrages gesehen werden kann.

Eine Anwendung des linearen Steuersatzes nach § 8 Abs. 3 lit. a ErbStG kann sich daher auf Grund des völkerrechtlichen Vertrages mit Deutschland ergeben, nach dem EU-Recht ist er nicht geboten.

Da die durchzuführenden Ermittlungen hinsichtlich des Umfanges der Steuerpflicht und des Steuersatzes einen anders lautenden Bescheid nach sich ziehen können, wurde der angefochtene Bescheid unter Zurückverweisung der Sache an die Abgabenbehörde erster Instanz aufgehoben.

Graz, am 28. August 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 15 Abs. 1 Z 17 ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955
Art. 1 DBA D (Erb), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Erbschaftsteuern), BGBl. Nr. 220/1955
Art. 5 Z 2 DBA D (Erb), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Erbschaftsteuern), BGBl. Nr. 220/1955
Art. 10 DBA D (Erb), Doppelbesteuerungsabkommen Bundesrepublik Deutschland (Erbschaftsteuern), BGBl. Nr. 220/1955
§ 8 Abs. 3 lit. a ErbStG 1955, Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz 1955, BGBl. Nr. 141/1955
§ 289 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
Art. 2 Abs. 2 Rechtsschutz, Rechtshilfe in Abgabensachen, BGBl. Nr. 249/1955

Schlagworte:

Wohnsitz, Mittelpunkt der Lebensinteressen, Verständigungsverfahren, ausländisches Kapitalvermögen, begünstigter Steuersatz

Verweise:

VwGH 22.03.1991, 90/13/0073
VwGH 19.03.2002, 98/14/0026
VwGH 26.07.2000, 95/14/0145
VwGH 26.02.2004, 99/15/0127
VwGH 07.09.1989, 89/16/0085
VwGH 19.02.1998, 97/16/0400
EuGH 15.07.2004, Rs C-315/02

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