UFS RV/0513-S/06

UFSRV/0513-S/0625.4.2007

Fahrtkosten für Besuche der Mutter in Bosnien außergewöhnliche Belastung?

 

Entscheidungstext

Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Mag. Hansjörg Pfarl, Steuerberater, 5360 St. Wolfgang, Au 117, gegen die Bescheide des Finanzamtes Salzburg-Stadt betreffend Einkommensteuer 2004 und 2005 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit elektronisch eingereichter Einkommensteuererklärung (Arbeitnehmerveranlagung) für die Jahre 2004 und 2005 beantragte die Berufungswerberin (Bw.) die Geltendmachung einer außergewöhnlichen Belastung in Höhe von € 5.475,84 für 2004 bzw. € 5.504,64 für 2005.

Über Vorhalt des Finanzamtes reichte die Bw. Unterlagen nach, denen zufolge sie ihre in Bosnien lebende Mutter unterstützt. Folgende Unterlagen wurden vorgelegt:

Mit Einkommensteuerbescheiden für die Jahre 2004 und 2005 wurde eine außergewöhnliche Belastung in Höhe von € 2.400,- (das sind die jährlichen Betreuungskosten für die Mutter) gekürzt um den Selbstbehalt, vom Finanzamt anerkannt.

Dagegen erhob die Bw. Berufung und führte aus, die über den vom Finanzamt anerkannten Betrag hinausgehenden Aufwendungen beträfen Fahrtkosten, die im Zusammenhang mit der Organisation der Pflege in Bosnien erforderlich gewesen seien. Die Bw. müsse alle zwei Monate nach Bosnien fahren.

Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung ab mit der Begründung, gemischt veranlasste Aufwendungen wie Fahrtkosten für Besuche der Mutter und Fahrtkosten für die "Organisation der Pflege" seien dem Aufteilungsverbot zufolge nicht abzugsfähig.

Dagegen beantragte die Bw. die Vorlage der Berufung an den Unabhängigen Finanzsenat. Zwar müsse das Aufteilungsverbot akzeptiert werden, aber es sei nicht einzusehen, warum das Finanzamt alle Fahrten dem Aufteilungsverbot unterwerfe. Vor der Pflegebedürftigkeit der Mutter habe die Bw. diese zwei Mal im Jahr besucht. Seither müsse sie ihre Mutter aus sittlichen Gründen mindestens alle zwei Monate besuchen, um nach dem Rechten zu sehen. Sie ersuche daher, zumindest € 3.651,- für 2004 und € 3.670,- für 2005 als außergewöhnliche Belastung anzuerkennen.

Mit Vorhalt des Unabhängigen Finanzsenates wurde die Bw. aufgefordert, den genauen Zweck ihrer Fahrten nach Bosnien ausführlich zu beschreiben und darzulegen, aus welchem Grund ihre Anwesenheit in Bosnien erforderlich sei, welche genauen Tätigkeiten notwendig seien, um die Pflege der Mutter zu organisieren und bekannt zu geben, welche weiteren nahen Angehörigen in der Nähe der Mutter lebten.

Darauf führte die Bw. aus, dass ihre Mutter im 73. Lebensjahr stehe und in einem kleinen Dorf in Bosnien lebe. Die Bw. sei ihr einziges Kind, der Vater sei verstorben und Geschwister habe ihre Mutter nicht. Sie selbst sei seit 1992 in Östereich, habe aber auf Grund ihres geringen Einkommens und ihrer kleinen Wohnung nicht die Möglichkeit, die Mutter zu sich zu nehmen. Wie bereits geschildert, sei die Mutter pflegebedürftig und beziehe kein eigenes Einkommen aus einer Alterspension, sodass die Kosten für die Pflegerin von der Bw. getragen werden müssten. Die Notwendigkeit der Fahrten nach Bosnien ergebe sich aus der Krankheit und Behinderung der Mutter. Die Pflegerin müsse überwacht und auch immer wieder motiviert werden, damit sie für einen relativ geringen Geldbetrag die Mutter das ganze Monat über betreue. Die Wohnung der Mutter müsse entsprechend instand gehalten werden, und so ergäben sich tausend Arbeiten, die in der kurzen Zeit, die bei den zweimonatigen Besuchen verbleibe, zu organisieren seien.

Das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 1.3.1989, 85/13/0091 sei in ihrem Fall nicht anzuwenden. In diesem Erkenntnis gehe es um Fahrtkosten im Nahbereich und um die Betreuung eines Elternteiles, die keine außergewöhnlichen Kosten erforderlich mache. Ganz anders gelagert sei ihr Fall: Wäre nicht ihre behinderte Mutter zu betreuen, so würde sie - da sie sonst keine Verwandten in Bosnien habe - die zeit- und kostenaufwendigen Fahrten nicht unternehmen und auch monatlich keine Zahlungen leisten. Im übrigen seien die im Vorlageantrag angeführten Beträge unrichtig, richtig wären die Beträge laut Erstantrag, nämlich das Kilometergeld für 6 Fahrten im Jahr zu je 1740 km.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 34 Abs. 1 EStG 1988 sind bei der Ermittlung des Einkommens eines unbeschränkt Steuerpflichtigen nach Abzug der Sonderausgaben außergewöhnliche Belastungen abzuziehen. Die Belastung muss folgende Voraussetzungen erfüllen:

1 Sie muss außergewöhnlich sein.

2. Sie muss zwangsläufig erwachsen.

3. Sie muss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen. Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein.

Die Belastung ist außergewöhnlich, soweit sie höher ist als jene, die der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse erwächst (Abs. 2 leg. cit.).

Die Belastung erwächst dem Steuerpflichtigen zwangsläufig, wenn er sich ihr aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (Abs. 3 leg.cit .).

Schon das Fehlen einer einzigen dieser Voraussetzungen schließt die Anerkennung der geltend gemachten Aufwendungen als außergewöhnliche Belastung aus und die Abgabenbehörde ist davon enthoben zu prüfen, ob auch die anderen Voraussetzungen zutreffen oder nicht (VwGH 24.10.2005, 2002/13/0031).

Nach dem Wortlaut des § 34 Abs. 2 EStG bedeutet außergewöhnlich, dass dem Steuerpflichtigen eine höhere Belastung als jene der Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommens- und Vermögensverhältnisse erwachsen muss. Das Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit dient somit der Abgrenzung atypischer, außerhalb der normalen Lebensführung gelegener Belastungen von den typischerweise wiederkehrenden Kosten der Lebenshaltung. Liegt eine Ausgabe in einer bestimmten Einkommenskategorie an sich im Bereich der normalen Lebensführung, liegt auch dann keine außergewöhnliche Belastung vor, wenn tatsächlich nicht die Mehrheit dieser Einkommenskategorie dieselben Ausgaben tätigt (Hofstätter/Reichel, EStG- Kommentar, § 34 Abs 2 bis 5, TZ 2 sowie die dort zitierte Judikatur).

Das Finanzamt anerkannte die Betreuungskosten für die kranke bzw. behinderte Mutter der Bw. als außergewöhnliche Belastung, weil die Mutter laut amtlicher Bestätigungen über kein eigenes Einkommen verfügt, aber nach der vorgelegten ärztlichen Bestätigung an diversen Erkrankungen leidet und daher teilweise pflege- bzw. betreuungsbedürftig ist. Strittig sind somit die Fahrtkosten, die der Bw. dadurch erwachsen, dass sie sechs Mal im Jahr zu ihrer Mutter nach Bosnien fährt, um "die Pflege der Mutter zu organisieren".

Nach den vorstehenden Ausführungen zum Tatbestandsmerkmal der Außergewöhnlichkeit muss es sich um atypische, außerhalb der normalen Lebensführung gelegene Belastungen handeln.

Es ist also die Frage zu beantworten, ob sechs Fahrten im Jahr von Österreich nach Bosnien (etwa 1.400 km pro Fahrt), um die dort lebende, alte und kranke Mutter zu besuchen und deren Pflege zu organisieren, das Merkmal der Außergewöhnlichkeit erfüllen.

Die Frage, was denn genau "Organisation der Pflege" bedeute und mit welchen konkreten Tätigkeiten dies verbunden sei, wurde von der Bw. nur sehr kurz und allgemein gehalten beantwortet. Die Pflegerin müsse überwacht und immer wieder motiviert werden, die Wohnung der Mutter müsse instand gehalten werden und so ergäben sich "tausend Arbeiten".

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes stellen Hilfeleistungen zwischen Kindern und Eltern nichts Ungewöhnliches dar. Einer Vielzahl von Abgabepflichtigen erwachsen dadurch Fahrtkosten, dass sie sich um ihre nächsten Angehörigen kümmern, sie besuchen und mit ihnen ausgehen sowie für sie Besorgungen uä tätigen. Dies gilt im besonderen auch für die Betreuung altersbedingt behinderter Personen (VwGH 1.3.1989, 85/13/0091). Diese Auffassung wird auch von Lehre und Verwaltungspraxis vertreten (siehe Quantschnigg/Schuch, ESt-Handbuch, § 34 TZ 38; Hofstätter-Reichel, Kommentar, § 34 Einzelfälle TZ 1; Doralt, EStG-Kommentar, § 4 TZ 78).

Nach Ansicht des Unabhängigen Finanzsenates lässt das Vorbringen der Bw. nicht den Schluss zu, dass die von ihr getätigten Reisen einen gänzlich anderen Charakter hätten als übliche Besuchsfahrten. Zweifellos hat die Bw., um ihre Mutter besuchen zu können, eine relativ weite Fahrtstrecke zurückzulegen (720 km laut ihrem eigenen Vorbringen). Solch übliche - nicht das Merkmal der Außergewöhnlichkeit erfüllende - Besuchsfahrten werden in der Regel umso seltener erfolgen, je größer die zurückzulegende Entfernung ist. Aber auch bei einer Entfernung, wie sie im Berufungsfall vorliegt, erscheinen sechs Besuchsfahrten im Jahr nicht außergewöhnlich, zumal die Bw. ihren eigenen Angaben zufolge das einzige Kind ist. Es entspricht der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Vielzahl von Steuerpflichtigen, die weit von ihren nächsten Angehörigen entfernt leben, solche Fahrten auf sich nehmen, um sich um ihre Angehörigen kümmern zu können und auch, um mit ihnen bestimmte Feste im Jahreskreis zu feiern.

Dem Vorbringen der Bw. ist nicht zu entnehmen, dass die Fahrten notwendig seien, weil sie selbst ihre Mutter pflegen und betreuen müsste. Vielmehr habe sie "nach dem Rechten" zu sehen (siehe Vorlageantrag). Damit erbringt sie aber augenscheinlich eben jene Hilfsleistungen und Besorgungen, die von Lehre und Rechtsprechung unter den Begriff der Besuchsfahrten subsumiert werden. Auch die nicht näher konkretisierte Überwachung der Pflegerin kann ja wohl nur darin bestehen, dass sich die Bw. bei ihren Besuchen ein Bild vom Zustand der Mutter macht und sich vergewissert, ob die Pflegerin den von ihr zu leistenden Tätigkeiten ausreichend nachkommt. Eben das ist aber ein typischer Aspekt einer Besuchsfahrt, zu sehen, wie es den betagten Angehörigen/Eltern geht.

Warum das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes auf den Fall der Bw. nicht anwendbar sei, ist dem Unabhängigen Finanzsenat nicht verständlich. Es mag sein, dass es sich in dem Fall, den der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen hatte, um Besuchsfahrten im Nahbereich handelte. Ausschlaggebend ist aber die Differenzierung des Verwaltungsgerichtshofes, ob die Betreuung eines Elternteiles in einer typischen Krankenbetreuung besteht oder ob es sich um Hilfestellungen bei bestimmten Besorgungen des täglichen Lebens handelt. Nun hat die Bw. nicht vorgebracht, dass sie für ihre Mutter eine typische Krankenbetreuung leistet. Auf die nochmalige Befragung durch den Unabhängigen Finanzsenat hat sie äußerst vage geantwortet und von tausend zu erledigenden Arbeiten gesprochen.

Auch wenn davon ausgegangen werden kann, dass gewisse organisatorische Dinge im Zusammenhang mit der Betreuung der Mutter tatsächlich von der Bw. zu erbringen sind und auch erbracht werden, so ist doch der Unabhängige Finanzsenat zur Auffassung gelangt, dass diese Tätigkeiten im Rahmen üblicher Besuchsfahrten erbracht werden und nicht über das Maß dessen hinausgehen, was eine Vielzahl von Abgabepflichtigen üblicherweise für ihre betagten Eltern an Hilfestellungen und Besorgungen erbringt. Den Fahrtkosten fehlt daher das Merkmal der Außergewöhnlichkeit, sodass eine Berücksichtigung als außergewöhnliche Belastung nicht in Betracht kommen kann.

Die Berufung war daher als unbegründet abzuweisen.

Salzburg, am 25. April 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Fahrtkosten, außergewöhnliche Belastung, Betreuungskosten

Verweise:

VwGH 01.03.1989, 85/13/0091

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