UFS RV/2285-W/05

UFSRV/2285-W/058.1.2007

Behandlung einer Pensionsabfindung als Vergleichszahlung

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2007/13/0018 eingebracht. Mit Erk. v. 30.9.2009 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/3578-W/09 erledigt.

Anmerkungen:
Abweichend Rz 1110c LStR

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Dr. Christian Lenneis und die weiteren Mitglieder Dr. Wolfgang Pavlik, Robert Wittek und KomzlR. Karl Kristian Gödde im Beisein der Schriftführerin Ingrid Pavlik über die Berufung des Bw., vertreten durch Dr. Wolfgang Halm, Wirtschaftstreuhänder, 1090 Wien, Berggasse 10, gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 9/18/19 Klosterneuburg, vertreten durch Hofrat Mag. Franz Zaussinger, betreffend Einkommensteuer 2004 nach den am 24. Oktober und 6. Dezember 2006 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten mündlichen Berufungsverhandlungen entschieden:

Der Berufung wird Folge gegeben.

Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Entscheidungsgründe

Der Berufungswerber (Bw.) war bei der Fa. A. GmbH beschäftigt. Nach Punkt 6 des Dienstvertrages vom 20.12.1984 hatte er Anspruch auf eine Firmenpension. Eine Pensionsabfindung war nicht vorgesehen.

Im Zuge des Konkurses des Dienstgebers und des anschließenden Zwangsausgleiches wurde diese Firmenpension abgefunden. Der damalige Rechtsvertreter des Bw. hat die Forderung nach "einer mit dem Masseverwalter getroffenen Einigung" (Schreiben vom 13.1.2004, Bl. 17 ANV-Akt) von € 965.517,45 auf € 910.514,05 eingeschränkt. Hiervon hat der Bw. einen Teilbetrag von € 482.572,44 erhalten, was der Zwangsausgleichsquote von 53% entspricht.

Dieser Betrag wurde ohne jeden Abzug lohnversteuert und hierüber ein Lohnzettel ausgestellt. In diesem Sinne erging auch der Einkommensteuerbescheid 2004.

In der dagegen gerichteten Berufung begehrte der Bw. zunächst den Hälftesteuersatz nach § 67 Abs. 8 lit. e EStG. Überdies machte er die Verletzung des ihm verfassungsrechtlich gewährten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von EU-Vorschriften geltend, ohne hierzu allerdings Näheres auszuführen.

In seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung führt das Finanzamt aus, der Hälftesteuersatz komme deshalb nicht in Betracht, weil der Barwert den Betrag iSd § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes (derzeit € 9.300) überschritten habe.

Aber auch eine übrige Nachzahlung iSd § 67 Abs. 8 lit. g EStG liege nicht vor. Der VwGH habe in seinem Erkenntnis vom 12.9.1989, 89/14/0077, ausgeführt, dass Pensionsabfindungen nicht als Vergleichssumme, Kündigungsentschädigung oder Nachzahlung versteuert werden könnten. Dies gelte auch in einem Insolvenzverfahren. Eine dadurch nur quotenmäßig abgefundene Pension (in der Berufung als "Schadenersatzleistung" bezeichnet) könne an dieser Rechtslage nichts ändern. Bei den "übrigen Nachzahlungen" gem. § 67 Abs. 8 lit. g EStG werde es sich daher vorwiegend um "laufende" und "sonstige" Bezüge iSd § 67 Abs. 1 und 2 EStG handeln.

In seinem Vorlageantrag ist der Bw. von der Geltendmachung des Hälftesteuersatzes abgerückt. Es sei aber unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VwGH vom 12.9.1989, 89/14/0077 tatsachenwidrig, dass es sich um keine Vergleichssumme gehandelt habe. Es sei ein Zwangsausgleich abgeschlossen worden, dem der Bw. zusammen mit den anderen Gläubigern habe zustimme müssen.

Somit lägen eindeutig sämtliche Merkmale für die Vornahme eines Vergleiches vor, sodass sehr wohl die gesetzliche Bestimmung (Anm.: gemeint offenbar § 67 Abs. 8 lit. a EStG) anwendbar sei.

Es werde daher beantragt, die an ihn ausbezahlte Geldleistung iSd § 67 EStG sach- und rechtsrichtig zu besteuern, insbesondere möge zumindest ein Fünftel steuerfrei belassen werden. Auch sei zu bedenken, dass sein Pensionsanspruch 14 Monatsbezüge p.a. umfasse und daher im Vergleich auch die Sonderzahlungen mit erfasst worden seien. Schließlich sei zu berücksichtigen, dass durch die "Fünftel-Bestimmung" eine Progressionsminderung vom Gesetzgeber gewollt war. Dies ergebe sich auch aus den LStR Rz 1107.

Ausdrücklich bringe der Bw. zusätzlich vor, dass die Art und Weise der Rechtsanwendung sein verfassungsrechtlich gewährleistetes Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletze und überdies europarechtswidrig erscheine.

Dies deswegen, weil er durch die 50%ige Einkommensteuerprogression im Jahr der Auszahlung in einer Art und Weise belastet werde, dass sein Eigentumsrecht und seine Lebensgrundlage für den Rest seines Lebens empfindlich geschmälert werde.

In der am 24. Oktober 2006 abgehaltenen mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt:

" Dr. Halm:

Ich lege dem Berufungssenat Unterlagen vor, aus denen hervorgeht, dass tatsächlich ein Vergleich abgeschlossen worden ist und somit die Begünstigungsvorschrift des § 67 Abs. 8 lit. a EStG anwendbar ist.

Der Grund hierfür liegt darin, dass zwei unterschiedliche versicherungsmathematische Gutachten vorliegen, dies für den Barwert der Pensionsabfindung, wobei im Gutachten meines Mandanten ein Zinssatz von 3,5 % angesetzt wurde und weiters der Pensionsanspruch der Gattin mit eingerechnet war.

Dem gegenüber hat das über Auftrag des Masseverwalters erstellte Gutachten einen Zinssatz von 4 % angesetzt und den Pensionsanspruch der Gattin deshalb nicht berücksichtigt, weil er von der Zusatzvereinbarung im Dienstvertrag nichts gewusst hat.

Letztendlich wurde - wie sich aus den heute vorgelegten Unterlagen ergibt - ein Kompromiss hinsichtlich des Zinssatzes geschlossen, der auch in einer teilweisen Rückziehung der betragsmäßig angemeldeten Forderung im Konkursverfahren mündete. Ein Teilbetrag von € 26.000,-- wurde deswegen von der angemeldeten Forderung in Abzug gebracht, weil mein Klient bereits im Jahre 2003 einen Vergleich mit der Bank Austria geschlossen hatte, gemäß welchem er diesen Pauschalbetrag aus dem Wertpapierdepot, welches als Deckung für die Pensionsrückstellung diente, erhalten hatte. Der Umstand des Vergleichsabschlusses sowie das heute Vorgebrachte ergeben sich auch aus der Eingabe des Rechtsvertreters des Steuerpflichtigen vom 13.1.2004 (siehe Pkt. 2 des Schriftsatzes). Grundsätzlich sei darauf hingewiesen, dass durch die Tatsache des Abschlusses eines Zwangsausgleiches schon deswegen von einem Vergleich im Sinne des § 67 EStG zu sprechen ist, weil der Zwangsausgleich nur dann zustande kommt, wenn in der durchzuführenden Abstimmung eine qualifizierte Mehrheit der Gläubiger ausdrücklich zustimmt. Es liegt daher in zivilrechtlicher Hinsicht zweifelsfrei ein Vergleich vor, weil zwei Parteien, nämlich der Gläubiger einerseits, und die Konkursmasse, vertreten durch den Masseverwalter andererseits, über die endgültige Bereinigung einer Forderung/Schuld einen Kompromiss finden. Dies in wesentlicher Unterscheidung zum Konkursverfahren, in welchem trotz Bezahlung der Quote die Forderung des Gläubigers hinsichtlich des Restbetrages ungeschmälert aufrecht bleibt.

Es muss auch bedacht werden, dass - wie sich aus der handschriftlichen Notiz aus der Eingabe vom 13.1.2004 ergibt - in der Vergleichsumme die Forderungen für die Bezahlung des 13. und 14. Bezugs des Jahres 2003 im Betrag von € 5.906,75 enthalten waren, für welchen Betrag die Anwendung des Sechstelsteuersatzes von 6 % anzuwenden wäre.

Ausdrücklich wird auch die Verfassungswidrigkeit der Tarifvorschriften im Sinne des § 37 u. 67 EStG eingewandt, weil das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums, welches verfassungsrechtlich gewährleistet ist, verletzt wird.

Dies deswegen auch, weil durch die akkumulierte Vereinnahmung der Pensionsabfindung die maximale Steuerprogression den Berufungswerber getroffen hat und ihm durch die Umstände seines Falles auch andere Alternativen für eine legale Steuerminderung nicht zugänglich waren. Dabei ist auch zu bedenken, dass der Steuerpflichtige in eine wirtschaftliche Notlage deswegen gebracht wurde, weil er durch den Konkurs seines ehemaligen Dienstgebers eineinhalb Jahre überhaupt nicht versorgt war, weil er noch nicht das 65. Lebensjahr erreicht hatte und daher noch keinen Pensionsanspruch aus der ASVG-Versicherung besaß. Hilfsweise wird auch die Gewährung einer Nachsicht im Ausmaß der Hälfte der abgezogenen Einkommensteuer für die Pensionsabfindung beantragt.

Mag. Zaussinger:

Da der Amtspartei in der mündlichen Verhandlung nunmehr erstmals Unterlagen zur Kenntnis gebracht worden sind, die Auswirkungen auf die Entscheidung haben könnten, wird beantragt, die Verhandlung zu vertagen.

Dr. Halm:

Da es im gegenständlichen Fall um die Lösung einer Rechtsfrage geht, kann auch dann, wenn der Berufungssenat heute eine Entscheidung trifft, kein Nachteil für die Amtspartei gesehen werden, weil eine allfällige Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung ohnedies offen steht.

Mag. Zaussinger:

Die sehr umfangreichen Ausführungen gerade zum Sachverhalt legen nachdrücklich klar, dass es natürlich auf den Sachverhalt ankommt und damit eine Nachprüfbarkeit des Vorbringens des steuerlichen Vertreters gegeben sein muss.

Dr. Halm:

Das Verfahren vor dem Berufungssenat hat den Grundsatz der Mündlichkeit, weshalb eine allfällige Einrede zum Vorbringen des Berufungswerbers in derselben Verhandlung zu erfolgen hat, da ja dies im umgekehrten Fall gleichfalls gilt."

Folgende Unterlagen wurden erstmals in der mündlichen Verhandlung vorgelegt:

Um sowohl dem Berufungssenat als auch der Amtspartei Gelegenheit zu geben, diese erstmals vorgelegten Unterlagen zu sichten, wurde dem Antrag des Finanzamtes um Vertagung entsprochen.

Die Berufungsbehörde richtete sodann am 13. November 2006 an den ehemaligen Masseverwalter der Fa. A. GmbH ein Schreiben folgenden Inhalts:

"Aus einem Schreiben vom 13.1.2004 der Rechtsvertreter des (Bw.) an Sie ist ersichtlich, dass er die ursprüngliche Forderungsanmeldung von € 965.517,45, die von Ihnen mit einem Teilbetrag von € 29.003,70 bestritten wurde, auf insgesamt € 910.514,05 eingeschränkt hat. Die Differenz resultiert zum einen aus einer bereits im Jahr 2003 erfolgten Zahlung von € 26.000 sowie offensichtlich in der Anerkenntnis der von Ihnen bestrittenen € 29.003,70.

Bei dem Betrag von € 29.003,70 handle es sich nach einer Eingabe (des Bw.) um eine Differenz in der Berechnung der Pensionsabfindung. Während das über Auftrag (des Bw.) erstellte versicherungsmathematische Gutachten von einer Verzinsung von 3,5% ausgegangen sei, wäre der Pensionsabfindung letztlich ein Zinssatz von 3,75% zugrunde gelegt worden.

Ich bitte Sie daher um Mitteilung,

In seinem Antwortschreiben vom 20.11.2006 gab der ehemalige Masseverwalter an, es sei im Zusammenhang mit der Forderungsprüfung einerseits unklar gewesen, wie der Pensionsanspruch tatsächlich kapitalisiert richtig berechnet werden würde, und andererseits, inwieweit die Bank X., die hinsichtlich eines Wertpapierdepotkontos absonderungsberechtigt gewesen sei, auf ihr Absonderungsrecht hätte verzichten müssen.

Der Masseverwalter habe einer Versicherungs- und Finanzmathematischen Beratungs GmbH den Auftrag erteilt, die vom Bw. und zwei anderen Pensionisten geltend gemachten und auf ein anderes Gutachten stützende Forderungen zu überprüfen. Nach Vorliegen dieser Gutachten sei es am 22.10.2003 in seinen Kanzleiräumlichkeiten in Anwesenheit der drei Pensionisten, deren Rechtsvertreter, des Vertreters einer Versicherungsmathematik GmbH als weiterer Sachverständiger für Pensionskapitalisierungsberechnungen, dem Rechtsvertreter der Bank X. und seiner eigenen Person zu einer Besprechung gekommen.

Bei dieser Besprechung habe man sich letztlich wegen des "Expertenstreites" auf einen Berechnungszinssatz von 3,75% geeinigt, was sich beim Bw. mit einem weiters anzuerkennenden Teilbetrag von € 22.400 errechnete. Dazu sei - auch aufgrund der Gutachten - ein zustehender Anspruch aus dem Titel Witwenpension im weiteren Teilbetrag von € 34.000 und ein rückständiger, vor Konkurseröffnung entstandener Pensionszahlungsanspruch von € 5.906,75 gekommen, sodass der Masseverwalter die angemeldete Forderung letztlich im Teilbetrag von € 936.513,75 anerkannt hätte und ein Betrag von € 29.003,70 bestritten geblieben sei.

Weiters habe sich die Bank X. bereit erklärt, aus dem verpfändeten Wertpapierdepot einen Teilbetrag von € 26.000 freizugeben. Dieser Betrag sei von der Bank an den Masseverwalter überwiesen und von ihm am 4.12.2003 an den Rechtsvertreter des Bw. weiterüberwiesen worden, wobei dieser zugleich aufgefordert worden wäre, die angemeldete Forderung vereinbarungsgemäß um insgesamt € 55.003,70 (€ 29.003,70 + € 26.000) einzuschränken, sodass letztlich im gerichtlichen Anmeldungsverzeichnis eine anerkannte Forderung von € 910.514,05 verblieben sei. Auf diese anerkannte Forderung habe der Bw. am 26.2.2004 die Zwangsausgleichsquote von 53%, sohin einen Betrag von € 482.572,44 überwiesen erhalten.

In der am 6. Dezember 2006 fortgesetzten mündlichen Verhandlung wurde Folgendes ausgeführt:

"Dr. Halm:

Durch die schriftliche Zeugenaussage des ehemaligen Masseverwalters der Fa. A. GmbH ist nunmehr klar, dass tatsächlich ein Vergleich abgeschlossen worden ist.

Zunächst vertreten wir unverändert die Rechtsmeinung, dass im Abschluss eines Zwangsausgleiches an sich ein derartiger Vergleich zu sehen ist.

Dies wird damit begründet, dass hierfür eine Dreiviertelmehrheit der Gläubiger sowohl nach Stimmen als auch nach Köpfen erforderlich ist, und überdies im konkreten Fall hinzukommt, dass eine gesetzliche Mindestquote von 20 % neben dem Abfindungsbetrag (53 %) erreicht werden konnte. Hilfsweise beantrage ich hierfür die Beischaffung des Zwangsausgleichsaktes, insbesondere des Abstimmungsprotokolls in der Zwangsausgleichstagsatzung.

Ferner ist aus der Zeugenaussage ersichtlich, dass - und hierauf haben wir bereits in der vertagten Verhandlung hingewiesen - ein Vergleich auch insoweit vorliegt, als der Pensionsabfindung ein Berechnungszinssatz von 3,75 % zu Grunde gelegt wurde, wo hingegen in dem von meinem Mandanten vorgelegten Gutachten ein Zinssatz von 3,5 % berücksichtigt worden ist.

Darauf hingewiesen wird weiters, dass der Gutachter des Masseverwalters auch einen Zinssatz von 4 % für möglich gehalten hat.

Zur Vermeidung eines Prozesses war somit mein Mandant bereit, die 3,75 % zu akzeptieren.

Somit steht unserer Ansicht nach fest, dass die Bestimmung des § 67 Abs. 8 lit. a EStG zur Anwendung zu kommen hat. Dies entspricht auch der ratio legis, da in Pensionsbezügen begünstigte Bezugsteile enthalten sind.

Mag. Zaussinger:

Zunächst halte ich fest, dass die Rechtsansicht, die in den Lohnsteuerrichtlinien vertreten wird, in dieser Eindeutigkeit wohl unzutreffend ist. Auch Pensionsabfindungen können im Einzelfall einen Vergleich darstellen.

Die Amtspartei vertritt jedoch die Ansicht, dass die Voraussetzungen für einen Vergleich im Berufungsfall nicht erfüllt sind.

Zunächst tritt das Finanzamt eindrücklich der Rechtsmeinung entgegen, dass ein Zwangsausgleich als solcher ein Vergleich zu sehen ist.

Der Berufungswerber musste - wie jeder andere Gläubiger auch - im Rahmen des Verfahrens auf einen Teil seiner Forderungen verzichten.

Auch Literatur und Judikatur stützen die Rechtsmeinung des Finanzamtes. Verwiesen wird in diesem Zusammenhang auf Sailer/Bernold/Mertens, Lohnsteuer in Frage und Antwort, Ausgabe 2006, Seite 745 zu § 67, Frage 67/64.

Gleicher Ansicht sind Doralt, Einkommensteuerkommentar, Tz 100 zu § 67 und Einkommensteuer-Handbuch, Quantschnigg/Schuch, Tz 69 zu § 67.

Es verbleiben im wesentlichen drei Punkte, die zu behandeln sind:

1) Aus dem Schreiben des Masseverwalters geht hervor, dass auch die Ansprüche der Witwe in die Abfindung einbezogen wurden. Dies ist eindeutig auf Grund der Vertragslage erforderlich und war niemals strittig.

2) Es wurde ein Betrag von € 26.000,--, den der Bw. bereits im Vorjahr erhalten hat, von der Pensionsabfindungssumme abgezogen. Auch daran wurde nie gezweifelt.

3) Als einzig verbleibender - allenfalls relevanter Punkt - ist anzuführen, dass im Gutachten des Masseverwalters ausgeführt wurde, es könne auch ein Zinssatz von 4 % der Abfindung zugrunde gelegt werden.

Wenn eine Forderungsanmeldung nicht voll, sondern neben dem offenkundigen Vorliegens einer gewissen Bandbreite der Berechnung mit einem eher geringfügigen Abschlag bezahlt wird, kann nach Ansicht der Amtspartei nicht von einem "Bereinigen strittiger Ansprüche" gesprochen werden.

Genau dies hat aber der VwGH in seinem Erkenntnis vom 12.9.1989, 89/14/0077, gefordert.

Dr. Halm:

Es ist rechtspolitisch nicht nachvollziehbar und vertretbar, einen unbestrittenermaßen getroffenen Vergleich in Einzelteile, so wie dies durch die Amtspartei dargelegt wird, zu zerlegen. Dies deswegen, weil es in der Rechtsnatur des Vergleiches liegt, eine Bereinigung aller möglichen Ansprüche zu bewirken. Dazu kommt noch, dass gemäß dem zitierten VwGH-Erkenntnis die Steuerbegünstigung dann zusteht, wenn - wie wörtlich ausgeführt wurde - ein Anspruch dem Grund oder der Höhe nach strittig war. Letzteres war ja evidenterweise in diesem Fall gegeben. Dazu kommt noch, dass das zitierte Erkenntnis des VwGH aus dem Jahre 1989 stammt und hierin über Steuerschuldverhältnisse der Jahre 1984 und 1985 abgesprochen wurde, somit generell bezüglich der in Frage stehenden Steuerrechtsprobleme eine andere Rechtslage bestanden hat.

Der Vergleich hat auch darin bestanden, dass die Sofortauszahlung der Ausgleichsquote vereinbart wurde und keine Auslagerung an eine Pensionskasse stattgefunden hat. Dies war nämlich gleichfalls im Gespräch, weil diesfalls die 50%ige Höchstprogression in der Einkommensteuer auf legale Weise umgangen werden hätte können.

Beweis: Einvernahme des Bw. sowie des ehemaligen Masseverwalters.

Mag. Zaussinger:

Durch die heutige Verhandlung wurde bestätigt, dass die Prämisse, nämlich die Höhe des Pensionsanspruches, unstrittig war.

Was die vom steuerlichen Vertreter monierte Nichtanwendbarkeit des zitierten VwGH-Erkenntnisses betrifft, so ist darauf hinzuweisen, dass der Tatbestand sehr wohl gleich geblieben ist und nur die daran geknüpfte Rechtsfolge eine andere war; damit also das Judikat nicht anwendbar wäre, hätte es eine Änderung in der Rechtsprechung geben müssen. Von einer solchen ist mir nichts bekannt.

Dr. Halm:

Die Rechtsansicht der Amtspartei widerspricht dem fundamentalen Grundsatz auch der Steuerrechtslehre, wonach in Österreich kein case law system besteht, sondern der UFS und auch der VwGH in freier Würdigung des Sachverhaltes Individualentscheidungen zu fällen haben, denn würde der UFS lediglich seine Rechtsansicht auf ein Erkenntnis des VwGH stützen, dann wäre der klassische Fall des Vorliegens einer Scheinbegründung gegeben.

Im Übrigen wurde aus dem genannten Erkenntnis insofern nicht vollständig zitiert, weil die Textpassage "wobei die Streitigkeit oder Zweifelhaftigkeit rein subjektiv zu verstehen ist, wenn tatsächlich ernsthafte Zweifel entstanden sind", die vom Bw. geäußerte Rechtsmeinung wesentlich stützt."

Über die Berufung wurde erwogen:

1. Rechtsgrundlagen

§ 67 Abs. 8 lit. a, e und g EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung lauten:

"Für die nachstehend angeführten sonstigen Bezüge gilt Folgendes:

a) auf gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleichen beruhende Vergleichssummen sind, soweit sie nicht nach Abs. 3, 6 oder dem letzten Satz mit dem festen Steuersatz zu versteuern sind, gemäß Abs. 10 im Kalendermonat der Zahlung zu erfassen. Dabei ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Fallen derartige Vergleichssummen bei oder nach Beendigung des Dienstverhältnisses an und werden sie für Zeiträume ausbezahlt, für die eine Anwartschaft gegenüber einer MV-Kasse besteht, sind sie bis zu einem Betrag von 7500 Euro mit dem festen Steuersatz von 6% zu versteuern; Abs. 2 ist nicht anzuwenden.

...

e) Zahlungen für Pensionsabfindungen, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes nicht übersteigt, sind mit der Hälfte des Steuersatzes zu versteuern, der sich bei gleichmäßiger Verteilung des Bezuges auf die Monate des Kalenderjahres als Lohnzahlungszeitraum ergibt.

...

g) Nachzahlungen in einem Insolvenzverfahren sind, soweit sie Bezüge gemäß § 67 Abs 3, 6 oder 8 lit e oder f betreffen, mit dem festen Steuersatz zu versteuern. Von den übrigen Nachzahlungen ist nach Abzug der darauf entfallenden Beiträge im Sinne des § 62 Z 3, 4 und 5 ein Fünftel steuerfrei zu belassen. Der verbleibende Betrag ist als laufender Bezug mit einer vorläufigen laufenden Lohnsteuer in Höhe von 15 % zu versteuern."

2. Sachverhalt

Aufgrund der glaubwürdigen und mit dem Akteninhalt in den wesentlichen Punkten im Einklang stehenden Ausführungen des ehemaligen Massenverwalters der Fa. A. GmbH im Schreiben vom 20.11.2006 nimmt es die Berufungsbehörde als erwiesen an, dass die darin getroffenen Angaben zutreffend sind, es insbesondere also in der Besprechung vom 22.10.2003 zu einer Einigung hinsichtlich des für die Berechnung des Rentenbarwertes maßgeblichen Kapitalisierungszinssatzes gekommen ist.

3. Rechtliche Würdigung

3.1 Zunächst ist festzuhalten, dass der Bw. zu Recht seinen Antrag auf Gewährung des Hälftesteuersatzes für seine Pensionsabfindung nicht mehr aufrecht erhält; das Finanzamt hat zutreffend darauf hingewiesen, der Hälftesteuersatz komme nach § 67 Abs. 8 lit. e EStG deshalb nicht in Betracht, weil der Barwert den Betrag iSd § 1 Abs. 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes (derzeit € 9.300) überschritten habe.

3.2 Auch eine Nachzahlung in einem Insolvenzverfahren iSd § 67 Abs. 8 lit. g EStG ist nicht bzw. allenfalls bloß hinsichtlich des rückständigen, vor Konkurseröffnung entstandenen Pensionszahlungsanspruches von € 5.906,75 gegeben; aus der Gesetzestextierung ergibt sich, dass Bezüge vorzuliegen haben, die aufgrund des Arbeitsverhältnisses schon ausgezahlt hätten werden müssen, deren rechtzeitige Auszahlung aber aus Gründen unterblieben ist, die nicht im Belieben des Arbeitgebers standen (Doralt/Knörzer, EStG10, § 67 Tz 116 mwN). Im Berufungsfall liegt aber keine Nachzahlung für vergangene Lohnzahlungszeiträume vor, es wurden vielmehr erst in Zukunft fällig werdende Pensionszahlungen abgegolten.

3.3 Somit verbleibt als einzige mögliche anwendbare Bestimmung § 67 Abs. 8 lit. a EStG. Voraussetzung hierfür wäre, dass es sich bei der Pensionsabfindung um eine Vergleichssumme gehandelt hat.

3.3.1 Ein Vergleich setzt gemäß § 1380 ABGB voraus, dass damit streitige oder zweifelhafte Rechte unter beiderseitigem Nachgeben neu festgelegt werden. Zweifelhaft ist ein Recht dann, wenn sich die Parteien nicht einig sind, ob oder in welchem Umfang es entstanden ist oder noch besteht. Es reicht, wenn bloß die Höhe des Anspruches zweifelhaft ist. Ein Vergleich bedarf zu seiner Gültigkeit keiner bestimmten Form und kann daher auch schlüssig zustande kommen (vgl. OGH 9.11.2006, 2Ob83/06d mwN). Keine Rolle für die Begünstigung spielt es, ob es sich um einen gerichtlichen oder außergerichtlichen Vergleich handelt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 67 Tz 86; Doralt/Knörzer, EStG10, § 67 Tz 82; Fellner in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer, Kommentar, § 67 Abs. 8 Tz 2).

3.3.2 Das Finanzamt stützt sich in seiner abweisenden Berufungsvorentscheidung erkennbar auf die von Doralt/Knörzer, EStG10, § 67 Tz 100, ohne nähere Begründung übernommene Rz 1110c LStR; diese lautet:

"Pensionsabfindungen können nicht als Vergleichssumme, Kündigungsentschädigung oder Nachzahlung versteuert werden (vgl. VwGH 12.9.1989, 89/14/0077)"

Diese Aussage ist - wie auch der Vertreter der Amtspartei in der mündlichen Berufungsverhandlung zutreffend vermerkt hat - in ihrer Allgemeinheit unzutreffend; der VwGH führt im zitierten Erkenntnis wörtlich aus:

"Geht man von dem für den Verwaltungsgerichtshof ... bindenden Sachverhalt aus..., nämlich daß die Pensionsordnung des ehemaligen Arbeitgebers des Beschwerdeführers keine Pensionsabfindung vorgesehen habe, so müsste eine Vereinbarung, die im Rahmen einer generellen Bereinigung arbeitsrechtlicher Ansprüche aus Anlaß eines vom Arbeitgeber ins Auge gefaßten Ausscheidens aus dem Dienstverhältnis ausgehandelt wird, wonach anstelle der Pension eine Abfindung bezahlt wird, jedenfalls dann als Vergleich angesehen werden, wenn die betroffenen Ansprüche des Arbeitnehmers und die damit entsprechenden Pflichten des Arbeitgebers zwischen den Parteien streitig oder zweifelhaft waren, wobei die Streitigkeit oder Zweifelhaftigkeit rein subjektiv zu verstehen ist, wenn tatsächlich ernsthafte Zweifel entstanden sind."

Daraus folgt, dass eine Pensionsabfindung durchaus auch im Einzelfall als Vergleichszahlung angesehen werden kann. Voraussetzung hierfür ist aber im Sinne des obigen VwGH-Erkenntnisses, dass dadurch streitige oder zweifelhafte Ansprüche bereinigt werden. Überdies darf kein von Vornherein eingeräumtes Wahlrecht zwischen laufender Pensionszahlung und Pensionsabfindung bestehen.

Vom Vertreter der Amtspartei wurde auch zu Recht darauf hingewiesen, dass dieses VwGH-Erkenntnis ohne weiteres zur Entscheidungsfindung herangezogen werden kann, da der abgabenrechtliche Tatbestand ungeachtet des zu beurteilenden Veranlagungsjahres gleich geblieben und nur die daran geknüpfte Rechtsfolge nunmehr eine andere ist.

Warum dann, wenn die Berufungsbehörde ihre Rechtsansicht lediglich auf ein Erkenntnis des VwGH stützen würde, "der klassische Fall des Vorliegens einer Scheinbegründung gegeben" wäre, wie dies der steuerliche Vertreter des Bw. vermeint, ist demgegenüber nicht erkennbar, da es wohl dem unabhängigen Finanzsenat unbenommen bleiben muss, die Rechtsansicht des Höchstgerichtes zu teilen.

3.3.3 Die Zustimmung zum Zwangsausgleich (sh. § 147 KO) allein kann aber noch nicht als derartiger Vergleich angesehen werden, da damit die Ansprüche aller Gläubiger in gleicher Weise befriedigt werden. Dadurch wird im Ergebnis der fixe im Wege des Zwangsausgleichs vereinbarte Prozentsatz auf die Forderungen aller Gläubiger angewandt. Hierin kann also keinesfalls eine vergleichsweise Bereinigung streitiger oder zweifelhafter Ansprüche erblickt werden. Dass die Rechtsmeinung des Bw. unzutreffend ist, ist schon daraus erkennbar, dass diesfalls sämtliche im (Zwangs-)Ausgleich bezahlten Beträge als Vergleichssummen anzusehen wären, also auch beispielsweise die Abgeltung der Forderungen von Gläubigern, die gar nicht an der Zwangsausgleichstagsatzung teilgenommen haben.

3.3.4 Auch der Umstand, dass die Ansprüche der Witwe in die Abfindung miteinbezogen wurden, spricht nicht für einen Vergleich. Diese Ansprüche waren bei der ursprünglichen Berechnung nicht bekannt oder wurden übersehen, waren im Ergebnis aber niemals strittig.

Gleiches gilt für den von der Bank X. bereits im Vorjahr geleisteten Betrag von € 26.000. Dass dieser von der Pensionsabfindungssumme abgezogen werden muss, war wohl von Vornherein den beteiligten Parteien klar.

Warum eine Diskussion über eine mögliche Auslagerung an eine Pensionskasse einen Vergleich darstellen soll, ist ebenfalls nicht nachvollziehbar.

3.3.5 Wenn der Bw. darauf verweist, dass im Pensionsanspruch Sonderzahlungen enthalten sind, so mag es zutreffen, dass die volle Besteuerung der Pensionsabfindung eine gewisse Härte darstellt. Diese Härte trifft aber auch in allen anderen Fällen der Leistung von Pensionsabfindungen zu, deren Barwert den Betrag im Sinne des § 1 Abs 2 Z 1 des Pensionskassengesetzes übersteigt; hierfür hat der Gesetzgeber dennoch keinerlei Begünstigung vorgesehen.

Für die Berufungsbehörde sind auch keine europa- oder verfassungsrechtlichen Bedenken an den anzuwendenden Bestimmungen entstanden; bezüglich der behaupteten EU-Rechtswidrigkeit führt der Bw. überdies nichts Näheres aus. Die geltend gemachte Verfassungswidrigkeit, deren Beurteilung im Übrigen der Abgabenbehörde zweiter Instanz nicht zusteht, beschränkt sich im Ergebnis darauf, den Höchststeuersatz als verfassungswidrig anzusehen.

3.3.6 Somit verbleibt als einzig entscheidender Punkt, dass - und auch dies wird von der Amtspartei zutreffend erkannt - Divergenzen zwischen dem Bw. und dem Masseverwalter hinsichtlich der Höhe des Kapitalisierungszinssatzes bestanden haben. Die in der Besprechung vom 22.10.2003 erfolgte Einigung zwischen dem Masseverwalter und (auch) dem Bw. hat damit zu einer Bereinigung ursprünglich strittiger Ansprüche geführt. Dem steht auch nicht entgegen, dass eine gewisse Bandbreite in der Berechnungsmethodik bestanden hat; gerade das Vorliegen einer "gewissen Bandbreite" bezüglich der jeweiligen Forderungen ist typisch für jeden Vergleich. Auch die Tatsache, dass die Einigung nicht in einem Prozess, sondern außerhalb eines solchen erfolgte, kann dem Vergleichscharakter nicht entgegen stehen.

Richtig ist es zwar auch, dass die bereinigten Ansprüche im Vergleich zur Gesamtforderung nur einen geringen Umfang erreicht haben (strittig waren € 29.003,70, d.s. nur rund 3% der Gesamtforderung). Aus dem Gesetzestext ist aber kein bestimmter Mindestumfang ableitbar.

Wenn schließlich der VwGH in seinem bereits zitierten Erkenntnis vom 12.9.1989, 89/14/0077, von einer "Bereinigung strittiger oder zweifelhafter Rechte auf in der Vergangenheit angehäufte Bezüge" spricht, so ist dies nach Meinung der Berufungsbehörde so auszulegen, dass es ausreicht, wenn die strittigen Ansprüche ihre Wurzel in der Vergangenheit haben, wobei hinzuzufügen ist, dass der Gerichtshof diese Aussage gerade eben in Hinblick auf eine Pensionsabfindung getroffen hat.

3.4 Somit war der Berufung insoweit stattzugeben, als ein Fünftel der Pensionsabfindung steuerfrei zu belassen war.

Beilage: 1 Berechnungsblatt

Wien, am 8. Jänner 2007

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 67 Abs. 8 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 67 Abs. 8 lit. e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Insolvenzverfahren, Nachzahlungen, Zwangsausgleich

Verweise:

VwGH 12.09.1989, 89/14/0077

Stichworte