Keine Zollschuldentstehung gemäß Art.201 Abs.1 Buchst. a ZK, wenn keine Überlassung iSd.Art.72 ZK stattfinden konnte.
Entscheidungstext
Der Beschwerde wird Folge gegeben.
Die mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 17. März 2003 Zl.100/33115/2003 festgesetzte Zollschuld ist nicht nach Art.201 Abs.1 Buchst. a und Abs.3 Zollkodex (ZK) entstanden.
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 85c Abs. 8 Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) iVm § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 85c Abs. 7 ZollR-DG steht der Berufungsbehörde der ersten Stufe das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid des Hauptzollamtes Wien vom 17. März 2003, wurde gegenüber der Bf. festgestellt, dass für sie gemäß Artikel 201 Abs1 Buchst a und Abs.3 ZK iVm. § 2 Abs.1 ZollR-DG bei der Überführung von eingangsabgabenpflichtigen Waren in den zollrechtlich freien Verkehr mit WE.Nrn: 206/000/914076/01/1 vom 6. Juni 2001, 206/000/907479/01/1 vom 18. März 2001, 206/000/927621/01/1 vom 13. November 2001, 206/000/905759/01/2 vom 17. Februar 2002 sowie 206/000/912830/01/2 vom 9. Mai 2002, eine Eingangsabgabenschuld in der Höhe von € 159.590,09.-(Zoll = Z1 €:3.518,62.- Tabaksteuer= TS € 127.532,10.- Einfuhrumsatzsteuer = EUSt € 28.539,37.-) entstanden ist, wovon jedoch nur ein Betrag in der Höhe von € 2.676,39.-(Z1: € 289,29.-,EU: € 2.387,10).- an Eingangsabgaben-buchmäßig erfasst wurde, und daher der Differenzbetrag von € 156.913,70.- (Z1 3.229.33.- TS: 127.532,10.-, EU: € 26.152,27 weiterhin gesetzlich geschuldet wird und gemäß Art.220 Abs.1 ZK nachzuerheben ist, sowie dass gemäß § 108 Abs.1 ZollR-DG, als Folge dieser Zollschuldentstehung, eine Abgabenerhöhung (ZN) in der Höhe von € 10.371,80.- zu entrichten ist. Gleichzeitig wurde der Bf. mitgeteilt, dass die nachtägliche buchmäßige Erfassung der Einfuhrumsatzsteuer gemäß § 72a ZollR-DG zu unterbleiben hat, und daher lediglich der verbleibende Differenzbetrag in der Höhe von €:130.761,43 (Z1: € 3.229,33.- TS: € 127.523,10.-) und die Abgabenerhöhung gemäß Artikel 220 Abs.1 ZK nachträglich buchmäßig erfasst und gemäß Artikel 221 Abs.1 ZK mitgeteilt wird. Als Begründung dazu wurde angeführt, dass aufgrund zollamtlicher Ermittlungen feststehe, dass die als Tabakabfall deklarierte Waren in Wahrheit unter die Warennummer 2403 1010 00 (VS Code 244) einzureihen gewesen wären.
Dagegen erhob die Bf. durch ihren ausgewiesenen Rechtsvertreter fristgerecht Berufung und führte dazu im Wesentlichen nachstehendes aus:
- Die Bf. habe, bevor sie mit dem Import von NAKHLA (Wasserpfeifentabak) begonnen hatte, bei Beamten des Zollamtes Flughafen Wien - unter Vorlage einer Packung Nakhla - Erkundigung über die dafür anzuwendende Warennummer eingeholt. Dabei wäre ihm von den Zollbeamten mitgeteilt worden, dass es sich bei Nakhla um Tabakabfall handeln würde, welcher unter die Warennummer 24013000 einzureihen wäre. Diese mündliche Auskunft wäre ihm von einem Zollbeamten auch schriftlich bestätigt worden. Im Zuge der Verzollungen wären von den handelnden Zollbeamten immer wieder Packungen aus der gesamten Lieferung entnommen und kontrolliert worden, und danach wäre die Konformität mit der erklärten Warennummer bestätigt worden. Nach Rechtssprechung des EuGH im Urteil Rs C-187/91 wäre hinsichtlich der Erkennbarkeit des Irrtums der Zollbehörde für den Beteiligten danach zu unterscheiden, ob die betreffende Regelung "verwickelt" oder so einfach ist, dass eine Prüfung der Umstände den Irrtum leicht erkennbar macht. Der wiederholte Irrtum der zuständigen Behörde bezüglich der zolltariflichen Einreihung von Wasserpfeifentabak, wäre ein Anhaltpunkt dafür, dass das "zu lösende Problem verwickelt sei und der Bf. nicht gegen seine Sorgfaltspflicht verstoßen habe". Daher wäre sowohl von der Gutgläubigkeit der Bf. bei der Anführung der unrichtigen Warennummer, als auch von einer Falschanmeldung aufgrund eines für die Bf. nichterkennbaren Irrtums der Behörde auszugehen. Somit wäre von der Nacherhebung der Eingangsabgaben iSd.Art.220 Abs.2 ZK Abstand zu nehmen gewesen. Ausserdem würde ein nachträgliches Abweichen der Behörde gegenüber ihrem ursprünglichen Verhalten gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoßen.
- Darüber hinaus könne Nakhla aufgrund seiner feuchten Beschaffenheit, seines geringen Tabakanteils und seiner schlechten Tabakgüte nicht geraucht werden und wäre in Sinne des Tabaksteuergesetzes daher nicht als Rauchware anzusehen; wonach die Einreihung unter die Warennummer 2403 1010 zu verneinen wäre.
- Es erscheine fraglich ob, sich für Nakhla, mangels befugter Tabakwarenhändler, ein Kleinverkaufspreis bilden kann bzw. ob nicht bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die Tabaksteuer der gemeine Wert der Ware iSd. § 5 Abs.2 TabStG heranzuziehen gewesen wäre.
- Die Behörde habe jedenfalls verabsäumt darüber und über die Richtigkeit der Einreihung von Nakhla unter die Warennummer 2403 1010 Erkundigungen einzuziehen und daher gegen die, sie gemäß § 115 BAO treffende, Ermittlungspflicht verstoßen.
Mit der im Spruch dieser Entscheidung angeführten Berufungsvorentscheidung wurde diese Berufung als unbegründet abgewiesen und dazu im Wesentlichen ausgeführt:
Eine der Voraussetzungen für die Abstandnahme einer Nacherhebung iSd.Art.220 Abs.2 ZK wäre ein aktiver Irrtum der Zollbehörde. Das bedeutet, dass tatsächliche Feststellungen der Abgabenbehörde der Abgabenfestsetzung zugrunde gelegt werden müssen. Die bloße Annahme der Zollanmeldung mit dem Vermerk konform würde für das Vorliegen eines aktiven Irrtums der Zollbehörde nicht genügen. In diesem Fall würde der Zollschuldner das Risiko der Erklärung tragen. Laut zollamtlichen Vermerk, wäre bei den in Rede stehenden Abfertigungen niemals eine Beschau der Waren durch die Zollbehörde vorgenommen worden. Erst im Zuge einer nachträglichen zollamtlichen Überprüfung eines von der Bf. überlassenen Warenmusters durch die Technische Untersuchungsanstalt wurde von dieser festgestellt, dass es sich bei den von der Bf. eingeführten Waren nicht um den von der Bf. angemeldeten Tabakabfall der Warennummer 2401 3000, sondern in Wahrheit um Rauchtabak der Warennummer 2403 1010 00 gehandelt habe.
Selbst bei der Annahme eines aktiven Irrtums der Zollbehörde, hätte dieser für die Bf. erkennbar sein müssen, da diese als erfahrene Wirtschaftsbeteiligte anzusehen wäre. Die Bf. wäre schon seit Jahren gewerbsmäßig im Einfuhrgeschäft tätig. Daher könne bei ihr "eine gewisse Praxis bei der Erklärung abgabenrechtlich relevanter Daten vorausgesetzt werden". Die Bf. hätte anlässlich jeder Einfuhr den Antrag auf Untersuchung eines Warenmusters durch die technische Universität oder auch den Antrag auf Erteilung einer verbindlichen Tarifauskunft stellen können. Sie hätte sich über die in dem betreffenden Bereich geltende Warennummern und Zollsätze durch regelmäßige Lektüre der diesbezüglichen Amtsblätter der Europäischen Union oder durch die von den Verbänden und berufsständischen Organisationen herausgegebenen Informationen Kenntnis verschaffen müssen. Das Unterlassen derartiger Vorsichtsmaßnahmen wäre ein Risiko, das sie eingehen könne, sie habe allerdings auch allfällige, für sie nachteilige Konsequenzen, zu tragen.
Entgegen den Ausführungen der Berufungsschrift wäre der Kleinverkaufspreis des gegenständlichen Rauchtabaks mit € 27,50 pro Packung festgestellt worden.
In der dagegen fristgerecht eingebrachten Beschwerde erklärte die Bf. die Berufungsvorentscheidung zur Gänze zu bekämpfen und führte in Ergänzung zu den bereits im Berufungsbegehren enthaltenen Darstellungen aus, dass sie im Zuge der verfahrensgegenständlichen Abfertigungen den amtshandelnden Zollbeamten jedes Mal angeboten hätte, ein Muster aus dem Beschauraum zu holen, die Zollbeamten jedoch dieses Angebot mit dem Hinweis, Wasserpfeifentabak zu kennen, abgelehnt hätten. Sie wäre zwar seit 1992 im Import von Südfrüchten tätig, jedoch hätte sie mit dem Import von Tabak bzw. Tabakabfall keinerlei Erfahrungen gehabt. Da ihr, trotz Studiums der einschlägigen zollrechtlichen Bestimmungen, die zolltarifliche Einreihung von Wasserpfeifentabak nicht klar geworden wäre, wäre sie auf die Auskunft eines Zollbeamten angewiesen gewesen, und hätte keinen Grund gesehen, die Richtigkeit dieser Auskünfte in Zweifel zu ziehen.
Mit mittlerweile rechtskräftigem Urteil des Landesgericht für Strafsachen Korneuburg vom 19. Februar 2004, Zl. 601 HvI/04d wurde der Geschäftsführer der Bf., N.S., vom Vorwurf des gewerbsmäßigen Schmuggels von insgesamt 3.980 kg Wasserpfeifentabak, gemäß §§ 35 Abs.1 lit.a, 38 Abs.1 lit.a FinStrG, und vom Vorwurf des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols gemäß § 44 Abs.1 lit.b FinStrG freigesprochen. Als Begründung dazu wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass N.S. zwar Wasserpfeifentabak, welcher unter der Warennummer 2403 1010 002, Verbrauchsteuercode V 244, zu bezeichnen gewesen wäre, als Tabakabfall mit der Warennummer 2401 3000 002 deklariert hatte, dass es ihm aber dabei aber, weil er auf die Angaben eines Zollbeamten vertraut hatte, an dem für die Verwirklichung des Schmuggel erforderlichen Vorsatz gemangelt hatte.
Am 27. Juli 2006 erklärte der ausgewiesene Vertreter des Bf, im Zuge einer Akteneinsicht vor dem Unabhängigen Finanzsenat (UFS), für den Fall, dass der UFS aufgrund der Aktenlage zu dem Ergebnis kommt, dass die in Rede stehende Nachforderung an Eingangsabgaben gemäß Art.201 Abs.1 und Abs.3 iVm. Art. 220 Abs.1 ZK zu Unrecht erfolgt ist, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Gemäß Artikel 201 Abs.1 Buchstabe a und Abs.2 ZK entsteht eine Einfuhrzollschuld, wenn eine eingangsabgabenpflichtige Ware in den zollrechtlich freien Verkehr übergeführt wird, in dem Zeitpunkt, in dem die betreffende Zollanmeldung angenommen wird.
Gemäß Art.40 ZK idF vor VO Nr.645/2005 (ABl. 2005 Nr. L 117/13) sind Waren die nach Maßgabe des Artikels 38 Abs.1 Buchstabe a bei der Zollstelle oder einem anderen, von den Zollbehörden bezeichneten oder zugelassenen Ort eintreffen, von der Person zu gestellen, welche die Waren in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht hat, oder die gegebenenfalls die Beförderung der Waren nach dem Verbringen übernimmt.
Gemäß Art.4 Nr.19 ZK ist unter Gestellung die Mitteilung an die Zollbehörden in der vorgeschriebenen Form, dass sich die Waren bei der Zollstelle oder an einem anderen von den Zollbehörden zugelassenen Ort befinden, zu verstehen.
Gemäß Art.62 Abs.1 ZK sind die schriftlichen Zollanmeldungen auf einem Vordruck abzugeben, der dem amtlichen Muster entspricht. Sie müssen unterzeichnet werden, und alle Angaben enthalten, die zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind.
Gemäß Abs.2 sind den Anmeldungen Unterlagen beizufügen, deren Vorlage zur Anwendung der Vorschriften über das Zollverfahren, zu dem die Waren angemeldet werden, erforderlich sind.
Gemäß Art. 212 ZK-DVO ist das Einheitspapier unter Beachtung des Merkblatts im Anhang 37 auszufüllen. Zufolge Titel I, B. Nummer 2 Buchstabe d) des Anhangs 37 zur ZK-DVO müssen als Minimalerfordernisse bei der Anmeldung zum zollrechtlich freien Verkehr unter anderem zwingend die Felder 31 und 33 ausgefüllt sein.
Nach Titel II, C. des Anhangs 37 zur ZK-DVO sind im Feld 31 als Warenbezeichnung die übliche Handelsbezeichnung der Ware, die so genau sein muss, dass die sofortige und eindeutige Identifizierung und die unmittelbare und richtige Einreihung der Ware möglich ist, und im Feld 33 als Warennummer der entsprechende Code der betreffenden Warenposition anzugeben.
Gemäß Art. 1 Nummer 5 ZK-DVO sind die zur Feststellung der Warenbeschaffenheit erforderlichen Angaben die handelsüblich, zur Bezeichnung der Waren verwendeten, Angaben, soweit sie den Zollbehörden die zolltarifliche Einreihung der Waren ermöglichen, sowie die Warenmenge.
Die Warenbeschaffenheit ist daher entweder in Form der Warennummer oder im Falle des Fehlens einer solchen so anzugeben, dass die Ware der richtigen Warennummer zugeordnet werden kann.
Sofern für die Waren keine Verbote oder Beschränkungen gelten, werden sie von den Zollbehörden unbeschadet des Artikels 74 dem Anmelder überlassen, sobald die Angaben in der Anmeldung entweder überprüft oder ohne Überprüfung angenommen worden sind. Das gleiche gilt, wenn die Überprüfung nicht innerhalb einer angemessenen Zeitspanne beendet, aber ohne die Waren durchgeführt werden kann (Art.73 Abs.1 ZK).
Die Überlassung wird für alle Waren, die Gegenstand einer Anmeldung sind, auf einmal erteilt (Art.73 Abs.2 erster Satz).
Nach Art.4 Nr.20 ist unter Überlassung einer Ware jegliche zollamtliche Maßnahme zu verstehen, die es dem Zollanmelder erlaubt, eine Ware im Rahmen des Zollverfahrens, in das sie übergeführt wird, zu verwenden.
Gemäß Artikel 20 Absatz 1 Zollkodex (ZK) stützen sich die bei der Entstehung einer Zollschuld gesetzlich geschuldeten Abgaben auf den Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften.
Der Zolltarif der Europäischen Gemeinschaften umfasst die Kombinierte Nomenklatur (Verordnung (EWG) Nr.2658/87 des Rates vom 23. Juli 1987 über die zolltarifliche und statistische Nomenklatur sowie den gesamten Zolltarif in der Fassung der VO (EG) Nr.254/2000 des Rates).
Darunter ist ein sämtliche Waren umfassendes Verzeichnis zu verstehen, welches dem Internationalen Übereinkommen über das Harmonisierte System (HS) über die Bezeichnung und Codierung von Waren (ABl.1983 Nr.L198/3), dem die Europäische Gemeinschaft und ihre Mitgliedstaaten beigetreten sind, zu verstehen.
Unterpositionen sind die gemeinschaftlichen Unterteilungen dieser Nomenklatur, denen ein Zollsatz zugeordnet ist.
Im Sinne des Artikel 20 Absatz 6 Buchstabe a ZK ist unter der zolltariflichen Einordnung einer Ware, die nach dem geltenden Recht getroffene Feststellung der für die betreffende Ware maßgeblichen Unterposition der KN zu verstehen. Die KN enthält unter anderen auch die Allgemeinen Vorschriften (AV) zu deren Auslegung.
Ziel dieser Vorschriften ist es, die einheitliche Anwendung der Nomenklatur durch die Zollbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union zu gewährleisten. Diese Vorschriften sind daher als Erkenntnismittel für die einheitliche Auslegung des Zolltarifes anzusehen.
Gemäß Punkt 1 der AV sind für die Einreihung von Waren in die KN maßgebend der Wortlaut der Positionen und der Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln und - soweit in den Positionen oder in den Anmerkungen zu den Abschnitten oder Kapiteln nichts Anderes bestimmt ist - die AV selbst.
Für die Einreihung von Waren in die Unterpositionen einer Position sind gemäß Punkt 6 der AV der Wortlaut dieser Unterpositionen, die Anmerkungen zu den Unterpositionen und sinngemäß- die AV maßgebend
Dabei ist jedoch zu beachten, dass nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH vom 4. Sept. 1986, Zl. 86/16/0113) die Waren grundsätzlich nach ihrer objektiven Beschaffenheit in den Zolltarif einzuordnen sind.
Dem gegenständlichen Verfahren wird nachstehender, verfahrensrelevante Sachverhalt zugrunde gelegt:
Die Bf. vertrieb den durch die Firma Nakhla in Ägypten importierten Wasserpfeifentabak in Österreich, welcher ihr gegen telefonische Bestellung, jeweils mit einem Gewicht von weniger als 500 Gramm, in mit dem Namen dieser Firma bedruckten Kartonpäckchen, in Kunststoff eingeschweißt, per Luftpost zugesandt wurde. Dieser Wasserpfeifentabak, wurde von der Bf. anlässlich der Einbringung nach Österreich beim Zollamt Flughafen Wien gestellt und gleichzeitig wurde zu WE.Nr. 206/000/914076/01/1 vom 6. Juni 2001, zu WE.Nr.206/000/907479/01/1 vom 18. März 2001, zu WE.Nr.2006/000/927621/01/1 vom 13. November 200, zu WE.Nr.206/000/905759/01/2 vom 17. Februar 2002 sowie zu WE.Nr. 206/000/912830/01/2 vom 9. Mai 2002, unter Verwendung des laut ZK-DVO zu verwendenden Vordruckes, eine Zollanmeldung zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr abgegeben. In Feld 31 dieser Anmeldung wurde für die gestellten Waren die Bezeichnung Tabakabfälle angeführt. In Feld 33 wurde die für Tabakabfälle geltende Warennummer 2401 3000 00 verzeichnet. Auch in den diesen Anmeldungen beiliegenden Unterlagen (Rechnungen, Urspungszeugnisse und Frachtbriefe) war Tabakabfall bezeichnet worden. Diesen Anmeldungen wurde von der Zollbehörde, ohne Durchführung einer Beschau, mit dem Vermerk konform versehen. In der Folge war der Wasserpfeifentabak von der Bf. sogleich in Österreich weiterverkauft worden.
In der verbindlichen Zolltarifauskunft DEHH/502/01-1, gültig vom 2. Juli 2001 bis zum 1. Juli 2007, wird festgestellt, dass Wasserpfeifentabak im Zollverfahren als Ware zur Position 24031010 der Erläuterungsbestimmungen zum Harmonisierten System zu behandeln ist. Wasserpfeifentabak ist ein Pflanzenschnitt, welcher aus aromatisierten, mit Melasse versetzten (gesossten) rauchfertigen Blättern der Tabakpflanze besteht.
Im einschlägigen Amtsblatt der Europäischen Union sind unter KN-Code 2401
-Tabak, unverarbeitet; Tabakabfälle (Unterposition 2401 30 00) bezeichnet.
Unter KN-Code 2403 sind
-Anderer verarbeiteter Tabak und andere verarbeitete Tabakersatzstoffe; "homogenisierter" oder "rekonstituierter" Tabak; Tabakauszüge und Tabaksoßen: bezeichnet.
In der Unterposition 2403 10 10 ist Rauchtabak, auch teilweise oder ganz aus Tabakersatzstoffen, in unmittelbaren Umschließungen mit einem Gewicht des Inhaltes von 500g oder weniger, bezeichnet.
Die Erläuterungsbestimmungen zum Harmonisierten System definieren Tabakabfälle, die zur Position 2401 gehören unter Ziffer 2 wie folgt:
Tabakabfälle, wie sie z.B. bei der Bearbeitung der Tabakblätter oder die Herstellung von Tabakwaren anfallen (Blattstiele, Blattrippen, Abfälle vom Zuschneiden des Tabak, Staub usw).
Demgegenüber wird zur Unterposition 2401 3000 u.a. folgendes erläutert:
Nicht hierher gehört z.B. Tabakabfall, der als Rauchtabak, Kautabak, Schnupftabak oder Tabakmehl aufbereitet oder so behandelt wurde, dass er ohne weitere Bearbeitung als Rauchtabak, Kautabak, Schnupftabak oder Tabakmehl verwendbar ist (Position 2403).
Demnach ist Wasserpfeifentabak der Warennummer 2403 1010 zuzuordnen und als handelsübliche Bezeichnung für Wasserpfeifentabak ist "Allgemein verarbeiteter Tabak" oder auch "Rauchtabak" anzuführen.
In den verfahrensgegenständlichen Zollanmeldungen wurde von der Bf, die Warenbeschaffenheit weder in Form der Warennummer angegeben noch wurden von ihr wenigstens solche Angaben gemacht, welche die Zollbehörde in die Lage versetzten, die Ware der richtigen Warennummer zuzuordnen. Die Angaben in den Feldern 31 und 33 entsprachen weder der handelsüblichen Bezeichnung noch der Warennummer, beides war unrichtig. Diese Angaben waren somit ungeeignet, die Waren als jene zu identifizieren, die sie zolltariflich tatsächlich gewesen sind. Auch aus den den Warenanmeldungen beigefügten Unterlagen, waren die für eine Identifizierung entscheidungswesentlichen Merkmale nicht erkennbar. Da von der Bf. nicht der Warenbegriff "Allgemein verarbeiteter Tabak" oder "Rauchtabak" angegeben wurde, sondern ausdrücklich Tabakabfälleerklärt wurden, die in eine andere Tarifnummer einzureihen sind, konnten die gestellten Waren nicht unter die genannte Anmeldung subsumiert werden.
Die Zollschuld nach Art.201 Abs.1 Buchst.a entsteht nach der Entscheidung des EuGH vom 1. Februar 2001, C-66/99 , erst mit vollendeter Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr, also mit Überlassung.
Mit Art.73 Abs.2 ZK, wonach die Überlassung für alle Waren, die Gegenstand einer Anmeldung sind, auf einmal erteilt wird, wird unzweifelhaft festgestellt, dass nur Waren die Gegenstand der Anmeldung sind, und nicht andere, im Sinne der zollrechtlichen Bestimmungen überlassen werden können. Im gegenständlichen Fall waren die gestellten Waren nicht mit der in den Zollanmeldungen angeführten Waren ident. Die Zollanmeldungen gingen somit ins Leere. Für die gestellten Waren wurden keine Zollanmeldungen abgegeben. Es konnte für diese Waren daher keine Überlassung im zollrechtlichen Sinn stattfinden
Demnach konnte im gegenständlichen Fall gegenüber der Bf. infolge der Einbringung des verfahrensgegenständlichen Wasserpfeifentabaks in das Zollgebiet der Gemeinschaft keine Zollschuld gemäß Art.201 ZK entstehen. Daher konnte schon deshalb die nachträgliche buchmäßige Erfassung des Restbetrages, des, infolge einer Zollschuldentstehung gemäß Art.201 ZK, gesetzlich geschuldeten, aber zu niedrig erfassten Abgabenbetrages, iSd. des Art.220 Ab.1 ZK, bzw. die Mitteilung dieses Restbetrages iSd.Art.221 Abs.1 ZK an die Bf. nicht zu Recht erfolgen. Es erübrigt sich daher das Eingehen darauf, ob die in Art.220 Abs.2 ZK normierten Voraussetzungen für die Abstandnahme einer Nachforderung vorliegen.
Nach der Rechtslage vor Änderung des Zollkodex im Jahre 2005 entsteht im Falle, dass sofort nach Gestellung eine inhaltlich falsche Zollanmeldung abgegeben wurde, für die nicht angemeldeten und im zollrechtlichen Sinn auch nicht überlassenen Waren, nach Verlassen des Amtsplatzes, die Zollschuld wegen des Entziehens diese Waren aus der zollamtlichen Überwachung gemäß Art.203 ZK (Witte Kommentar zum Zollkodex 3.Auflage zu Art.46 Rz 2, zu Art 203 Rz 7,Berufungsentscheidung des UFS vom 17. Dezember 2005, GZ.ZRV/0074-Z3K). Nach Änderung des Zollkodex 2005 entsteht in diesem Falle die Zollschuld- vorbehaltlich des Art.865 a ZK-DVO - bereits gemäß Art.202 ZK (Witte Zollkodex, Kommentar 4.Auflage zu Art.202 Rz3, EuGH, Urteil vom 3. März 2005,C-195/03 ).
Da die Vorschreibung der Zollschuld gemäß Art.201 ZK bzw. die damit verbundene nachträgliche buchmäßige Erfassung der Restschuld, gemäß Art.220 Abs.1 ZK, eine andere Ware (Tabakabfall) als die verfahrensgegenständliche Ware (Wasserpfeifentabak) betraf, lag im gegenständlichen Fall keine Sachidentität vor. Wasserpfeifentabak war nicht bereits Gegenstand im Abgabenverfahren erster Instanz.
Der Abgabenbehörde zweiter Instanz ist es versagt, in Abänderung des Spruches des erstinstanzlichen Bescheides erstmals ein anderes sachverhaltsmäßiges Verhalten einer Person anzunehmen und einem anderen Tatbestand zu unterstellen. Das bedeutet, dass die Berufungsbehörde in einer Angelegenheit, die noch nicht Gegenstand eines erstinstanzlichen Verfahrens war, im Ergebnis keinen Sachbescheid erstmals erlassen darf. Es ist daher der Abgabenbehörde zweiter Instanz im gegenständlichen Fall die allfällige Subsumtion des verfahrensgegenständlichen Sachverhaltes unter einem anderen zollrechtlichen Tatbestand verwehrt.
Aus den aufgezeigten Gründen war daher über die Beschwerde, ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung, spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, 20. November 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 201 Abs. 1 Buchstabe a ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1 |
Schlagworte: | Gestellung, Warenbeschaffenheit, handelsübliche Bezeichnung, Warennummer, Zollanmeldung, Überlassung, Wegbringung vom Amtsplatz, Sachidentität |
Verweise: | EuGH 01.02.2001, Rs C-66/99 |