Entstehung der Eingangsabgabenschuld durch Übernahme geschmuggelter Zigaretten
Entscheidungstext
Der Unabhängige Finanzsenat hat über die Beschwerde der Bf., geb. X., wohnhaft Y., vertreten durch H.., Rechtsanwälte, Z., vom 1. März 2005 gegen die Berufungsvorentscheidung des Zollamtes Wien vom 18. Februar 2005, Zl. 100/36515/97-127, betreffend Eingangsabgaben, gemäß § 85c Zollrechts-Durchführungsgesetz (ZollR-DG) entschieden:
I. Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und die aus dem Bescheid vom 12. April 2001 in die Berufungsvorentscheidung übernommene Abgabenfestsetzung wie folgt abgeändert (Beträge gerundet gemäß § 204 Abs.1 BAO):
Abgabe | Neufestsetzung | statt bisher |
Zoll (Z1) | 976,04 € | 19.372,- ATS = 1.407,82 € |
Einfuhrumsatzsteuer (EU) | 780,05 € | 15.482,- ATS = 1.125,12 € |
Tabaksteuer (TS) | 1.601,76 € | 31.791,- ATS = 2.310,34 € |
Summe | 3.357,85 € | 66.645,- ATS = 4.843,28 € |
II. Zu den Abgabenschuldentstehungsnormen Art. 202 Abs.1, 2 und 3, dritter Anstrich ZK und § 2 Abs.1 ZollR-DG werden ergänzt: Art. 213 ZK und §§ 6 Abs.1 und 20 BAO.
III. Im Übrigen bleibt die Berufungsvorentscheidung aufrecht.
Entscheidungsgründe
Mit Bescheid vom 12.4.2001 schrieb das Zollamt (vormals: Hauptzollamt) Wien Frau Bf. (Beschwerdeführerin, im Folgenden Bf.) gemäß Art. 203 Abs.1, 2 und 3, dritter Anstrich Zollkodex (ZK) iVm § 2 Abs.1 ZollR-DG Eingangsabgaben in Höhe von insgesamt 66.645,- ATS vor (Zoll 19.372,- ATS, Einfuhrumsatzsteuer 15.482,- ATS und Tabaksteuer 31.791,- ATS) vor. Begründet wurde dies damit, dass sie aufgrund von Ermittlungen des Zollfahndungsamtes Zf. 150 Stangen Zigaretten erwarb, obwohl sie im Zeitpunkt des Erwerbs wusste oder vernünftigerweise hätte wissen müssen, dass diese eingangsabgabepflichtigen Waren bei ihrer Einbringung ins Zollgebiet der EU der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren. Hingewiesen wurde auf das bezüglich dieses Gesamtbetrages mit Fr. M.S. bestehende Gesamtschuldverhältnis gemäß Art. 213 ZK und dass im Rahmen des Auswahlermessens die Abgabenschuld aus Gründen der Zweckmäßigkeit und Gleichbehandlung allen Abgabenschuldnern zur Entrichtung vorgeschrieben wird.
In der fristgerecht eingebrachten Berufung wurde der Bescheid von der nunmehr rechtsfreundlich vertretenen Bf. in vollem Umfang angefochten mit der Begründung, dass sie um die zollunredliche Herkunft der Zigaretten nicht wusste bzw. hätte wissen müssen. Denn Fr. S. war eine ehemalige Nachbarin, die Verwandte in Ungarn hatte, die sie regelmäßig besuchte, wobei sie und ihr Lebensgefährte jeweils legal 1 Zigarettenstange mitbrachten, die Fr. S. dann an die Bf. weitergab. Dass dies schließlich relativ häufig geschah, sei mit der Erkrankung der Schwester von Fr. S. in Ungarn und den daher wöchentlich erfolgten Besuchsfahrten zu erklären. Für die Bf., die immer nur ein bis zwei Stangen Zigaretten übernahm, war deren Abgabenpflichtigkeit nicht zu erkennen und sie war daher völlig überrascht, als Beamte des Zollamtes Zf. vorstellig wurden. Dabei habe sie - ohne ausreichend belehrt worden zu sein und in Befürchtung nachteiliger Folgen bei Nichtaussage - die Aussage getätigt, dass sie im entsprechenden Zeitraum ca. 150 Stangen Zigaretten von Fr. S. übernommen hätte.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 18.2.2005 wies das Zollamt Wien die Berufung ab. Es wurde lediglich der Spruch des Erstbescheides dahin abgeändert, dass der vorgelagerte Tatbestand der zollunredlichen Einbringung der Zigaretten nunmehr unter die vorschriftswidrige Verbringung ins Zollgebiet der EU gemäß Art. 202 Abs.1, 2 und 3, dritter Anstrich ZK statt Art. 203 ZK subsumiert wird und die Beträge für Zoll, Einfuhrumsatzsteuer und Tabaksteuer auf die entsprechenden Euro - Beträge umgerechnet sind. Begründet wurde dies in freier Beweiswürdigung damit, dass die Version, jeweils nur 1 - 2 Stangen Zigaretten, die als Reisefreimenge eingebracht wurden, übernommen zu haben, aufgrund der Ermittlungen des Zollamtes Zf. unglaubwürdig sei. Denn es waren bei Fr. S. Aufzeichnungen sichergestellt worden, aus denen insgesamt 74 Stangen Zigaretten hervorgehen, die sie an "R." geliefert habe und es habe die Bf. im Beisein ihres Gatten erklärt, sich noch erinnern zu können, dass die größte Lieferung einen Umfang von 20 Stangen hatte. Dazu käme laut Aussagen der Bf., dass in ihrer Familie mehrere Personen Raucher sind und sie insgesamt 4 Stangen pro Woche verraucht hätten. Daher habe sie im Bewusstsein der Rechtswidrigkeit zwecks Geldersparnis mindestens 104 und höchstens 150 Stangen Zigaretten bei S. angekauft.
Da im Zuge der Ermittlungen nicht festgestellt werden konnte, dass die Zigaretten bei der Einfuhr ins Zollgebiet gestellt und danach der zollamtlichen Überwachung entzogen worden waren, sondern unter Missachtung der Gestellungsbestimmungen in Art. 38 - 41 ZK ins Zollgebiet der EU gebracht worden waren, sei der Einbringungsvorgang und die nachherige Übernahme statt dem Art. 203 dem Art. 202 ZK zu unterstellen.
Dass im ersten Absatz der Begründung der Berufungsvorentscheidung statt von 30.000 nur von 10.000 Stück Zigaretten und einem abweichenden Abgabenbetrag in Höhe von 22.036,- ATS = 1.601,42 € die Rede ist, beruht offenbar auf einem Versehen und ändert nichts am unzweifelhaften Sinngehalt des Spruches der Berufungsvorentscheidung, der Bf. nach wie vor die Eingangsabgaben für 150 Stangen Zigaretten vorzuschreiben.
Gegen die Berufungsvorentscheidung wurde fristgerecht der Rechtsbehelf der Beschwerde erhoben und der Antrag auf Einstellung des Verfahrens damit begründet, dass in Deutschland das Strafverfahren gegen die Bf. wegen des Verdachts der Steuerhehlerei aus dem Grund der Verfolgungsverjährung eingestellt und ihr die (deutsche) Tabaksteuerschuld in Höhe von 1.542,06 € vorgeschrieben worden sei.
Über die Beschwerde wurde erwogen:
Dem Abgabenverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
M.S. hatte im Zeitraum August 1996 bis 6.2.1997 Zigaretten aus Ungarn beim Grenzübergang Nickelsdorf /Österreich vorschriftswidrig über die damalige Außengrenze der EU in deren Zollgebiet verbracht. Gemäß dem rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts Eisenstadt vom xxx handelte es sich um insgesamt 2681 Stangen zu je 200 Stück Zigaretten, die sie über Österreich nach Deutschland brachte und in der Umgebung ihres Wohnortes G. mit Gewinn verkaufte. Über ihre Abnehmer machte sie keine Angaben. Bei einer Hausdurchsuchung an ihrer Wohnadresse am 7.2.1997 wurden handschriftliche Aufzeichnungen vorgefunden, u.a. ein Notizzettel mit der Überschrift "R. ", auf dem sich eine Aufstellung über 74 Stangen Zigaretten verschiedener Sorten befand. Aufgrund des Verdachts, dass es sich dabei um die Ehefrau des A.E., Fr. Bf. handelt, wurde am 26.10.1999 die Wohnung des Ehepaares E. von Zollorganen aufgesucht. Dabei gab sich Fr. E. als die betreffende "R. " zu erkennen und erklärte auf Befragen, Fr. S. zu kennen und von ihr eine größere Menge an Zigaretten aus dem Ausland erhalten zu haben. Wegen des Verdachts der Steuerhehlerei wurde gegen die Bf. ein Strafverfahren nach deutschem Strafrecht eingeleitet.
In der niederschriftlichen Einvernahme vom selben Tag führte sie näher aus, dass ihr die frühere Nachbarin M.S. im Sommer 1996 Zigaretten aus Ungarn zum Verkauf angeboten habe. Die Bf. habe das Angebot angenommen, da in ihrer Familie alle Raucher und die Zigaretten billiger sind. Sie habe dann alle 3 bis 4 Wochen eine Lieferung erhalten, die größte Lieferung umfasste 20 Stangen, insgesamt waren es mindestens 104, höchstens aber 150 Stangen. Sie habe immer in bar 30,- DM pro Stange bezahlt, die Zigaretten aber nie weiterverkauft, sondern in der Familie sind dann 4 Stangen pro Woche verraucht worden. Meist waren es Zigaretten der Marken Marlboro, Marlboro Lights, HB und West. Ihr war klar, dass es verboten sei, unversteuerte ausländische Zigaretten anzukaufen, wollte aber wegen ihrer vielen Schulden die Preisgünstigkeit ausnutzen.
Bei der Vernehmung war auch der Ehemann A.E. anwesend und bestätigte ebenfalls die Aussagen seiner Frau mit Unterschrift.
Die für das vorliegende Verfahren wesentlichen Vorschriften in der jeweils anzuwendenden zeitbezogenen Fassung sind :
Art. 202 ZK :
Abs.1 Buchst. a : Eine Einfuhrzollschuld entsteht, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware vorschriftswidrig in das Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht wird ... Im Sinne dieses Artikels ist vorschriftswidriges Verbringen jedes Verbringen unter Nichtbeachtung der Art. 38 bis 41... ZK.
Abs.2 : Die Zollschuld entsteht in dem Zeitpunkt, in dem die Ware vorschriftswidrig in dieses Zollgebiet verbracht wird.
Abs.3 : Zollschuldner sind :
- - die Person, welche die Ware vorschriftswidrig ins Zollgebiet verbracht hat;
- - die Personen, die an diesem Verbringen beteiligt waren, obwohl sie wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass sie damit vorschriftswidrig handeln;
- - die Personen, welche die betreffende Ware erworben oder im Besitz gehabt haben, obwohl sie in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder Erhalts der Ware wussten oder vernünftigerweise hätten wissen müssen, dass diese vorschriftswidrig in das Zollgebiet verbracht worden war.
Gemäß Art. 203 ZK entsteht die Zollschuld nach denselben Unterteilungspunkten, wenn eine einfuhrabgabenpflichtige Ware der zollamtlichen Überwachung entzogen wird.
Art. 215 Abs.1 ZK : Die Zollschuld entsteht an dem Ort, an dem der Tatbestand eintritt, der die Zollschuld entstehen lässt.
Art. 213 ZK : Gibt es für eine Zollschuld mehrere Zollschuldner, so sind diese gesamtschuldnerisch zur Erfüllung dieser Zollschuld verpflichtet.
§ 6 Abs.1 BAO : Personen, die nach Abgabenvorschriften dieselbe abgabenrechtliche Leistung schulden, sind Gesamtschuldner (Mitschuldner zur ungeteilten Hand, § 891 ABGB).
§ 20 BAO : Entscheidungen, die die Behörden nach ihrem Ermessen zu treffen haben (Ermessensentscheidungen), müssen sich in den Grenzen halten, die das Gesetz dem Ermessen zieht. Innerhalb dieser Grenzen sind Ermessensentscheidungen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen.
Art. 221 Abs.3 ZK : Die Mitteilung an den Zollschuldner darf nach Ablauf einer Frist von 3 Jahren nach dem Zeitpunkt des Entstehens der Zollschuld nicht mehr erfolgen. Diese Frist wird ab dem Zeitpunkt ausgesetzt, in dem ein Rechtsbehelf gemäß Art. 243 eingelegt wird, und zwar für die Dauer des Rechtsbehelfs.
Art. 221 Abs.4 ZK : Ist die Zollschuld aufgrund einer Handlung entstanden, die zu dem Zeitpunkt, als sie begangen wurde, strafbar war, so kann die Mitteilung unter den Voraussetzungen, die im geltenden Recht festgelegt sind, noch nach Ablauf der Dreijahresfrist nach Abs. 3 erfolgen.
§ 74 Abs.2 ZollR-DG (idF bis 30.6.2001): Die Verjährungsfrist beträgt bei Eingangs- und Ausgangsabgaben drei Jahre ab dem Zeitpunkt des Entstehens der Abgabenschuld. Bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt diese Frist zehn Jahre, bei Einfuhr- und Ausfuhrabgaben jedoch nur dann, wenn die Zollbehörden den gesetzlich geschuldeten Abgabenbetrag infolge eines ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgenden Finanzvergehens nicht oder nicht genau ermitteln konnten. Die Verjährungsfrist bei anderen Geldleistungen bestimmt sich nach den allgemeinen abgabenrechtlichen Vorschriften.
§ 74 Abs.2 ZollR-DG (idF ab 1.7.2001): Die Verjährungsfrist bei hinterzogenen Eingangs- und Ausgangsabgaben beträgt zehn Jahre, wenn im Zusammenhang mit diesen Abgabenansprüchen ein ausschließlich vor einem Gericht oder einem Spruchsenat zu verfolgendes Finanzvergehen begangen wurde.
Gemäß § 2 Abs.1 ZollR-DG gelten die den Zoll betreffenden Regelungen auch für die sonstigen Eingangs- oder Ausgangsabgaben (hier: Einfuhrumsatzsteuer, Tabaksteuer).
Die Berechnung von Fristen erfolgt gemäß Art.3 Abs.1 Fristenverordnung iVm § 2 Abs.3 ZollR-DG ab dem Tag nach Eintritt des fristauslösenden Ereignisses oder der fristauslösenden Handlung.
Aufgrund dieser abgabenrechtlichen Regelungen ergibt sich, dass für die Bf. bezüglich der eingeführten und von ihr übernommenen Zigaretten eine Eingangsabgabenschuld mit den 3 genannten Abgabenarten entstanden ist. Art. 202 ZK nimmt eine Rückbeziehung sämtlicher Zollschuldner auf die Verwirklichung eines einheitlichen Zollschuld-Tatbestandes vor. Der UFS schließt sich der in der Berufungsvorentscheidung vorgenommenen - die Höhe der Abgaben nicht beeinflussenden - Subsumption der durch S. erfolgten vorschriftswidrigen Einbringung der Zigaretten unter Art. 202 statt Art. 203 ZK an. Die gemäß Art. 202 Abs.1 Buchst. a) und Abs.2 ZK entstandene Eingangsabgabenschuld entstand gemäß Abs.3, dritter Anstrich dieser Bestimmung bezüglich der im Wissen um ihre zollunredliche Herkunft übernommenen 104 Stangen auch bei der Bf., wobei bezüglich der auf diese Menge entfallenden Abgabenschuld zwischen Fr. S. und der Bf. ein Gesamtschuldverhältnis im Sinne von Art. 213 ZK und näher ausgestaltet durch §§ 6 und 20 BAO besteht. Der Sachverhalt ist in objektiver und subjektiver Hinsicht durch die Ergebnisse des Gerichtsverfahrens, der in Deutschland bei Fr. S. vorgenommenen Hausdurchsuchung und der geständigen und schlüssigen Aussagen der Bf. hinreichend abgeklärt und bewiesen. Gemäß der Regelung von der Unbegrenztheit der Beweismittel in § 166 BAO konnten diese Ergebnisse im Abgabenverfahren gegen die Bf. herangezogen werden. Es sei auch vermerkt, dass bezüglich der den Spruch eines verurteilenden Strafgerichtsurteils tragenden Tatsachenfeststellungen dieses Urteils nach höchstgerichtlicher Judikatur (z.B. VwGH 30.4.2003, Zl. 2002/16/0006) eine Bindung der Verwaltungsbehörden an diese Tatsachenfeststellungen besteht, also die regelmäßige Schmuggel- und Verkaufstätigkeit von Fr. S. mit den drittländischen Zigaretten jedenfalls als unzweifelhaftes Faktum feststeht. Die von der Bf. in der Berufungsschrift vom 20.6.2001 gemachte Einschränkung, dass Fr. S. jeweils nur 1 Stange als Reisefreimenge ins Zollgebiet gebracht und an die Bf. nur jeweils 1 oder 2 Stangen übergeben habe, hält der UFS ebenso wie die 1. Instanz für unglaubwürdig und mit den Verfahrensergebnissen nicht in Einklang stehend. Denn Fr. S. hat sehr wohl eine umfangreiche Schmuggeltätigkeit durchgeführt und die Bf. im Wissen um die schmugglerische Herkunft aufgrund ihrer schlüssigen und auch vom Ehemann bestätigten Aussagen solche Zigarettenmengen übernommen, dass die aus mehreren Rauchern bestehende Familie mit einem wöchentlichen Verbrauch von insgesamt 4 Stangen im Zeitraum von August 1996 bis Februar 1997 ihren Tabakwarenkonsum abdecken konnten. In Hinblick auf die übernommene Menge war in der Niederschrift mit der Bf. vom 26.10.1999 von mindestens 104 und maximal 150 Stangen die Rede. Geht man bei den verrauchten Zigaretten von einem wöchentlichen Konsum von 4 Stangen bzw. einem monatlichen Konsum von ca. 16 Stangen aus, ergibt sich in dem gegenständlichen Zeitraum von ungefähr sechseinhalb Monaten eine Gesamtmenge von 104 Stangen (16 x 6,5), sodass sich die anzulastende Menge unter Anwendung der Schätzung gemäß § 184 Abs.1 BAO eher im unteren Bereich bewegt. Der UFS ist daher anders als das Zollamt nicht von 150, sondern von 104 Stangen ausgegangen - im Übrigen war auch dem deutschen Abgaben- und Strafverfahren diese Menge zugrundegelegt -, sodass in teilweiser Stattgabe die Abgaben entsprechend zu reduzieren waren, und zwar gemäß dem Bruchteil 104/150 = 0,6933 auf den 69,33 % - igen Teil der bisherigen Werte. Dass ergibt beim Zoll 19.372,- ATS = 1.407,82 € x 0,6933 = 976,04 €, bei der Einfuhrumsatzsteuer 15.482,- ATS = 1.125,12 € x 0,6933 = 780,05 € undbei derTabaksteuer 31.791,- ATS = 2.310,34 € x 0,6933 = 1.601,76 € (Rundungen gemäß § 204 Abs.1 BAO).
Es sei vermerkt, dass die (österreichische) Tabaksteuerschuld schon durch die Einbringung nach Österreich als Eingangsabgabe gemäß o.a. Vorschriften bei den beiden Gesamtschuldnern entstanden ist, sodass die Vorschreibung (auch) der deutschen Tabaksteuer im Ausmaß von 1.542,06 € darauf keinen Einfluss hat.
Weiters wurde in der Beschwerde geltend gemacht, dass das deutsche Steuerstrafverfahren (wegen Verfolgungsverjährung) eingestellt worden sei. Daraus lässt sich für die Bf. nichts gewinnen. Denn die Frage der Verjährung der Abgaben wäre ausschließlich nach den Bestimmungen des österreichischen und gemeinschaftlichen Abgabenverjährungsrechts zu prüfen. Straf- bzw. Abgabenrecht haben verschiedene Verjährungsregelungen, die voneinander unabhängig sind, d.h., es kann etwa bezüglich eines hinterzogenen Abgabenbetrages die Möglichkeit der Nachforderung noch bestehen, während die Möglichkeit der Bestrafung schon verjährt ist und umgekehrt. Im vorliegenden Fall ist die grundsätzliche Regelung zur Abgabenverjährung die Dreijahresfrist gemäß Art. 221 ZK und würde für die gegenständlichen Abgaben gemäß Fristenverordnung bis längstens Februar 2000 reichen. Der österreichische Gesetzgeber hat von der in Art. 221 ZK eingeräumten Möglichkeit der Verlängerung der Verjährungsfrist auf 10 Jahre in § 74 Abs.2 ZollR-DG Gebrauch gemacht. Aufgrund der umfangreichen Schmuggeltätigkeit und der damit erfolgten Hinterziehung von Abgaben durch Fr. S. ist in Österreich gemäß § 53 FinStrG für sie Gerichtzuständigkeit und für die auf den Zigaretten lastenden Abgaben die 10-jährige Verjährungsfrist entstanden. Damit ist auch für die die Bf. betreffende Teilmenge von 104 Stangen eine 10-jährige Verjährungsfrist gegeben, denn die Verjährung ist eine den Abgaben und nicht differenziert den einzelnen beteiligten Personen anhaftende Eigenschaft. Es kann z.B. bei einer Gesamtschuld ein beteiligter Gesamtschuldner die Abgaben hinterzogen haben und der andere nicht, dennoch betrifft beide Personen die durch die Hinterziehung hervorgerufene längere Verjährungsfrist (z.B. VwGH 16.12.2004, Zl. 2004/16/0146). Somit ist die mit Bescheid vom 12.4.2001 erfolgte Abgabenfestsetzung rechtzeitig erfolgt.
Wenn eine Abgabenschuld gemäß Art. 213 ZK und § 6 BAO für mehrere Personen zugleich besteht, hat jeder Mitschuldner grundsätzlich für den vollen Abgabenbetrag der ihn betreffenden Ware einzustehen. Zahlungen durch einen Gesamtschuldner kommen den anderen Gesamtschuldnern zugute. Es liegt im Ermessen der Behörde (§ 20 BAO), welchen der Mitschuldner sie in welcher Höhe in Anspruch nimmt. Es sind dabei die Aspekte der Billigkeit (d.s. die berechtigten Interessen der Partei ) und der Zweckmäßigkeit (d.s. die öffentlichen Interessen, insbesondere die Einbringung der Abgaben) zu berücksichtigen.
Im Sinne dieser Ermessensübung hält es der UFS für gerechtfertigt, die Bf. für die volle spruchgemäße Abgabenschuld der sie betreffenden 104 Stangen Zigaretten heranzuziehen. Denn unter dem Zweckmäßigkeitsaspekt ist zu bedenken, dass bei der für Fr. S. für die Menge von 2681 Stangen Zigaretten bestehenden hohen Abgabenschuld - nach Mitteilung des Zollamtes Wien vom 6.10.2006 sind zu deren Begleichung von Fr. S. Zahlungen eingegangen, die erst ca. 5 % der Abgabenschuld abdecken - die uneingeschränkte Heranziehung anderer Gesamtschuldner zur Einbringung der Abgaben geboten ist. Unter dem Billigkeitsaspekt ist hervorzuheben, dass die Bf. sich regelmäßig solche Zigaretten, gewissermaßen auf Bestellung, von Fr. S. überbringen ließ, was es nicht gerecht erscheinen ließe, den auf die 104 Stangen entfallenden Abgabenbetrag bei Fr. S. zur Gänze und bei der Bf. nur zum Teil einzufordern.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 9. Oktober 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Zoll |
betroffene Normen: | Art. 202 Abs. 3 dritter Anstrich ZK, VO 2913/92 , ABl. Nr. L 302 vom 19.10.1992 S. 1 |
Schlagworte: | Eingangsabgabenschuld, Schmuggel, Verjährung |
Verweise: |