Rechtswirksamkeit eines Feststellungsbescheides (§ 188 BAO) bei verstorbenen Beteiligten
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der X GmbH u. Mitges., Adresse, vertreten durch Intercura Treuhand- und Revisionsgesellschaft m.b.H., 1010 Wien, Bösendorferstraße 2, vom 25. Februar 2005 und 28. Februar 2005 gegen die Bescheide des Finanzamtes Graz-Stadt vom 25. Jänner 2005 betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich einheitlicher und gesonderter Feststellung von Einkünften für das Jahr 1995 sowie einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften für das Jahr 1995 entschieden:
Die Berufungen werden als unzulässig zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
1. Wiederaufnahme des Verfahrens
Der angefochtene "Wiederaufnahmsbescheid" vom 25. Jänner 2005 ist an die "Firma X AG und die an ihr 1995 beteiligt gewesenen atypisch stillen, in der Beilage A (14 Seiten) namentlich aufgezählten Gesellschafter" ergangen.
Laut erwähnter Beilage A "ergeht ..." "der Bescheid, mit welchem das Feststellungsverfahren für das Kalenderjahr 1995 wieder aufgenommen wird, ... (auch) an ... [namentliche Anführung der Gesellschafter auf 14 Seiten] ... alle in ihrer Eigenschaft als ehemalige stille Gesellschafter der Fa. X AG u. Mitges."
Dagegen richtet sich die Berufung vom 28. Februar 2005.
2. Einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften
Der angefochtene "Feststellungsbescheid" vom 25. Jänner 2005 ist ebenfalls an die "Firma X AG und die an ihr 1995 beteiligt gewesenen atypisch stillen, in der Beilage A (14 Seiten) namentlich aufgezählten Gesellschafter" ergangen.
Laut erwähnter Beilage A "ergeht ..." "der Feststellungsbescheid ... (auch) an ... [namentliche Anführung der Gesellschafter auf 14 Seiten] ... alle in ihrer Eigenschaft als ehemalige stille Gesellschafter der Fa. X AG u. Mitges."
Weiters heißt es im Bescheidspruch (ua.): "Hinsichtlich der Einkünfteverteilung von weiteren 114.748.221,30 S auf die übrigen (ehem. stillen) Gesellschafter: s. Beilage B (14 Seiten). Diese Beilage B stellt einen Teil des Bescheidspruches dar" [dort (ua.) namentliche Anführung der Gesellschafter samt Steuernummern, Finanzämtern, steuerlichen Ergebnissen, etc].
Dagegen richtet sich die Berufung vom 25. Februar 2005.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Wiederaufnahme des Verfahrens
Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Gemäß § 191 Abs. 2 BAO hat der Bescheid, wenn eine Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit in dem Zeitpunkt, in dem der Feststellungsbescheid ergehen soll, bereits beendigt ist, an diejenigen zu ergehen, denen in den Fällen des § 191 Abs. 1 lit. c BAO gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
Diese Regelungen gelten auch für Abänderungen der dort genannten Feststellungsbescheide, weiters auch für diesbezügliche Wiederaufnahmsbescheide (vgl. Ritz, BAO3, § 191 Tz 2).
Laut Aktenlage ist die berufungswerbende Mitunternehmerschaft derzeit noch nicht beendigt (vgl. Stellungnahme des Finanzamtes vom 28. August 2006).
Davon ausgehend wird zunächst festgestellt, dass der angefochtene "Wiederaufnahmsbescheid" vom 25. Jänner 2005 entgegen § 191 Abs. 1 lit. c BAO nicht an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) bzw. Mitunternehmerschaft, sondern an die Geschäftsherrin und die einzelnen namentlich genannten Gesellschafter ergangen ist. Von diesen namentlich genannten Gesellschaftern waren wiederum einige - wie aus den durch die steuerliche Vertreterin dem Finanzamt übermittelten und von diesem an den unabhängigen Finanzsenat weitergeleiteten Unterlagen (Ablichtungen von Einantwortungsbeschlüssen, Notariatsschreiben, Sterbebuchauszügen, etc.) hervorgeht - zum Zeitpunkt der "Bescheiderlassung" bereits verstorben (zB A, B, C, D, E, u.a.m.).
Der unabhängige Finanzsenat ist zur Auffassung gelangt, dass es diesem "Wiederaufnahmsbescheid" im Verfahren betreffend einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO an der Bescheidqualität mangelt. Nach der Rechtsprechung des VwGH ergibt sich aus dem Wesen der einheitlichen Feststellung (§ 188 BAO) nämlich die gänzliche Unwirksamkeit eines Bescheides, wenn er auch nur einem der Beteiligten gegenüber aus Rechtsgründen nicht wirksam werden kann (vgl. zB VwGH 21.2.1984, 82/14/0165, 83/14/0238; 27.6.1991, 91/13/0002; 30.3.2006, 2004/15/0048). Solche Nichtbescheide (absolut nichtige Verwaltungsakte) liegen daher beispielsweise dann vor, wenn - wie im vorliegenden Fall - ein namentlich genannter Beteiligter nicht mehr existiert (zB Nennung des Namens des Verstorbenen an Stelle der Verlassenschaft bzw. an Stelle des Erben) (vgl. Ritz, SWK 20/21/2006 (S 618) und die dort angeführte Judikatur).
Gemäß § 273 Abs. 1 lit. a BAO hat die Abgabenbehörde eine Berufung durch Bescheid zurückzuweisen, wenn die Berufung nicht zulässig ist.
Unzulässig sind ua. Berufungen gegen Schriftstücke ohne Bescheidcharakter (vgl. Ritz, BAO3, § 273 Tz 6).
Mangels Bescheidqualität des angefochtenen "Wiederaufnahmsbescheides" vom 25. Jänner 2005 ist die dagegen gerichtete Berufung vom 28. Februar 2005 somit unzulässig.
Im Übrigen wäre der Berufung im Falle des Vorliegens eines rechtswirksamen Wiederaufnahmsbescheides ohnedies stattzugeben, dh. der angefochtene Wiederaufnahmsbescheid ersatzlos aufzuheben gewesen. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens gemäß § 303 BAO setzt nämlich ein "durch Bescheid abgeschlossenes Verfahren" voraus. Diese Voraussetzung eines "durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens" ist hier aber nicht erfüllt, mangelt es dem "Vorbescheid" vom 13. März 2000", auf den sich die verfahrensgegenständliche Wiederaufnahme ausdrücklich bezieht, doch ebenfalls an der Bescheidqualität:
Der erwähnte "Vorbescheid" vom 13. März 2000 ist an die "X GmbH u. Mitges." ergangen.
Zur Verteilung der Einkünfte auf die einzelnen Gesellschafter lautet der Bescheidspruch dort folgendermaßen: "Hinsichtlich Einkünfteverteilung von weiteren 8.128.427,00 S auf die übrigen Gesellschafter: siehe Beilage (98 Blatt)" [dort (ua.) namentliche Anführung der Gesellschafter samt Steuernummern, Finanzämtern, steuerlichen Ergebnissen, etc].
Von diesen namentlich genannten Gesellschaftern waren aber ebenfalls einige - wie aus den o.a. Unterlagen (Ablichtungen von Einantwortungsbeschlüssen, Notariatsschreiben, Sterbebuchauszügen, etc) hervorgeht - zum Zeitpunkt der "Bescheiderlassung" bereits verstorben (zB B, E, F, G, H, u.a.m.).
Wie bereits ausgeführt, ergibt sich nach der o.a. Rechtsprechung des VwGH aus dem Wesen der einheitlichen Feststellung (§ 188 BAO) die gänzliche Unwirksamkeit eines Feststellungsbescheides, wenn er auch nur einem der Beteiligten gegenüber aus Rechtsgründen nicht wirksam werden kann. Solche Nichtbescheide (absolut nichtige Verwaltungsakte) liegen daher beispielsweise dann vor, wenn ein namentlich genannter Beteiligter, dem Einkünfte zugerechnet werden, nicht mehr existiert (zB Nennung des Namens des Verstorbenen an Stelle der Verlassenschaft bzw. an Stelle des Erben) (vgl. Ritz, SWK 20/21/2006 (S 618) und die dort angeführte Judikatur).
2. Einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften
Weshalb einem Feststellungsbescheid gemäß § 188 BAO, welcher - wie der hier angefochtene vom 25. Jänner 2005 - bei aufrechter Mitunternehmerschaft entgegen § 191 Abs. 1 lit. c BAO nicht an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) bzw. Mitunternehmerschaft, sondern an die Geschäftsherrin und die einzelnen namentlich genannten Gesellschafter ergeht, jedenfalls dann keine Bescheidqualität zukommt, wenn einige der namentlich genannten Gesellschafter zum Zeitpunkt der "Bescheiderlassung" nicht mehr existent sind (im vorliegenden Fall zB: A, B, C, D, E, u.a.m.), wurde unter Punkt 1. bereits näher erläutert.
Wie unter Punkt 1. ebenfalls bereits ausgeführt, spricht für die mangelnde Bescheidqualität dieses "Feststellungsbescheides" aber auch noch der Umstand, dass mehrere im "Feststellungsbescheid" namentlich genannte Gesellschafter, denen Einkünfte zugerechnet werden, im Zeitpunkt der "Bescheiderlassung" nicht mehr existiert haben (im vorliegenden Fall zB A, B, C, D, E, u.a.m.) (vgl. Ritz, SWK 20/21 2006, S 618, und die dort angeführte Judikatur).
Mangels Bescheidqualität des angefochtenen "Feststellungsbescheides" vom 25. Jänner 2005 ist daher auch die dagegen gerichtete Berufung vom 25. Februar 2005 unzulässig.
3. Schlussbemerkungen
In der Praxis ergeben sich durch die o.a. Judikatur nicht unbeträchtliche Rechtsunsicherheiten gerade auch in Zusammenhang mit großen Publikumsgesellschaften. Zur Beseitigung dieser Rechtsunsicherheiten wurde dem § 191 BAO durch das Betrugsbekämpfungsgesetz 2006 (BGBl. I Nr. 99/2006) der neue Abs. 5 angefügt. - Dieser gilt allerdings nur für nach seinem Inkrafttreten (27. Juni 2006) zugestellte Feststellungsbescheide (vgl. Ritz, SWK 20/21/2006 (S 618)).
Von der Abhaltung einer mündlichen Verhandlung konnte im Hinblick auf § 284 Abs. 3 BAO abgesehen werden.
Somit war wie im Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Graz, am 6. November 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 191 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Schlagworte: | Feststellungsverfahren, Feststellungsbescheid, Bescheidcharakter, Bescheidqualität, Nichtbescheid, Bescheidadressaten, Verstorbene, Verlassenschaft, Erben |
Verweise: |