Steuerliche Anerkennung von Pflegekosten in Verbindung mit der Übergabe von Wirtschaftsgütern/Vermögen als außergewöhnliche Belastung
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch Dr. Gerhard Brandstätter, Steuerberater, 5020 Salzburg, Vogelweiderstr. 47, gegen den Bescheid des Finanzamtes Salzburg-Land betreffend Einkommensteuer 2004 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.
Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der Abgabe sind dem Erstbescheid zu entnehmen.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) machte im Rahmen der Einkommensteuererklärung 2004 Kosten in der Höhe von Euro 18.404,50 betreffend die Unterbringung ihrer Mutter in einem Pflegeheim als außergewöhnliche Belastung geltend.
Im Zuge der Veranlagung zur Einkommensteuer 2004 versagte das Finanzamt den geltend gemachten Aufwendungen die steuerliche Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Das Finanzamt begründete dies wie folgt: "Werden Pflegekosten oder Begräbniskosten als Gegenleistung für die Übertragung von Wirtschaftsgütern/Vermögen übernommen (zB Übergabsvertrag) bzw. erwachsen einem Steuerpflichtigen Aufwendungen nur deshalb, weil ihm das zu ihrer Deckung dienende Vermögen zugekommen ist, ist eine Auswirkung auf die (einkommensbezogene) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit zu verneinen und liegt insoweit daher keine Belastung im Sinne des § 34 EStG vor. Das übertragene Vermögen geht aus dem Übergabsvertrag vom 17.3.1994 hervor."
Dagegen wurde Berufung erhoben. Darin brachte die Bw. vor, dass ihre Mutter in der Pflegestufe sechs eingestuft sei und ständiger Hilfe bedürfe. Sie sei weder räumlich noch zeitlich und körperlich in der Lage diese Leistung zu erbringen. Es sei möglich gewesen, ihre Mutter nach einem erlittenen Schlaganfall im Pensionistenheim G., wo sie ihre Mutter täglich besucht habe, unter zu bringen. Es dürfe steuerlich kein Unterschied gemacht werden, ob ihre Mutter zu Hause mit Fremdpersonal rund um die Uhr gepflegt oder ihr die beste Pflege in einem Heim ermöglicht werde.
Der Bescheid sei auch aufzuheben, weil die Situation zwangsläufig erwachsen sei.
Weiters teilte die Bw. mit, dass sie eine Familie zu versorgen habe, eine Landwirtschaft führe und keinen Pflegeurlaub beanspruchen könne. Es sei unverständlich wie im Bescheid festgestellt werden könne, dass eine "Rundum-Betreuung" zusätzlich zur Bewirtschaftung der Landwirtschaft, die ihr auch im Übergabsvertrag auferlegt wurde, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtige.
Das Finanzamt wies die Berufung als unbegründet ab. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien Belastungen, die aus der Erfüllung von Übergabsverträgen erwachsen, nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 EStG. Da sich die Bw. im Übergabsvertrag zur Pflege der Eltern verpflichtet habe, stellen damit zusammenhängende Kosten keine absetzbaren außergewöhnlichen Belastungen im Sinne des Steuerrechtes dar.
Daraufhin wurde die Entscheidung über die Berufung durch den UFS beantragt. Es sei richtig, dass sich die Bw. verpflichtet habe, für die Versorgung der Eltern, insbesondere für die Pflege der Mutter aufzukommen. Diese Formulierung sei zum damaligen Zeitpunkt üblich und nicht Wunsch der Bw. bzw. der Eltern gewesen. Dabei habe die Bw. davon ausgehen können, dass es sich um eine normale Altersversorgung - wie damals üblich - handle. Es sei damals sicherlich selten gewesen, dass Patienten nach einem schweren Schlaganfall durch ärztliche Kunst am Leben erhalten werden konnten. Mittlerweile werde in fast keinem Übergabsvertrag diese Formulierung mehr angewendet. Es sei rechtlich und auch menschlich unmöglich, in einem Rechtsstaat Pflege rund um die Uhr zu leisten. Die Mutter der Bw. sei nach einem schweren Schlaganfall im Spital aus einer gänzlichen Lähmung soweit wieder hergestellt worden, dass sie im Rollstuhl sitzen könne. Die von der Mutter bewohnte Wohnung sei einrichtungsmäßig nicht geeignet gewesen, einer schwer kranken Frau annähernd eine Lebensqualität zu bieten. Auch sei die Mutter zusätzlich mehrmals erkrankt, wie etwa einmal an einer Lungenentzündung, die sie zu Hause nicht überlebt hätte.
Die Bw. habe ihre Mutter täglich besucht und gepflegt, die Wäsche gewaschen, Spaziergänge mit ihr gemacht und zum Großteil beim Mittagessen im Heim geholfen. Die im Übergabsvertrag übernommene Pflegeleistung sei im Übermaß geleistet worden. Die angefallenen Pflegekosten stellen somit eine außergewöhnliche Belastung dar.
Über die Berufung wurde erwogen:
Der Abzug von Belastungen bei Ermittlung des Einkommens setzt gemäß § 34 Abs. 1 EStG voraus, dass die Belastung außergewöhnlich ist (Abs. 2), zwangsläufig erwächst (Abs. 3) und die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigt (Abs. 4).
Zwangsläufigkeit liegt vor, wenn sich der Steuerpflichtige der Belastung aus tatsächlichen, rechtlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann.
Die Belastung beeinträchtigt wesentlich die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, soweit sie einen vom Steuerpflichtigen von seinem Einkommen vor Abzug der außergewöhnlichen Belastungen zu berechnenden Selbstbehalt übersteigt.
Eingangs ist festzuhalten, dass laut Mitteilung des Pensionistenheimes G. die Mutter der Bw. im Zeitraum April bis November 2004 der Pflegestufe 4 und im Zeitraum Dezember 2004 der Pflegestufe 5 zugeordnet war. Der in der Berufungsschrift erfolgte Hinweis, wonach die in Rede stehende Person in der Pflegestufe 6 eingestuft gewesen sei, entspricht im Streitjahr 2004 nicht den Tatsachen. Weiters wurde vom Finanzamt ermittelt, dass die Bw. im Streitzeitraum einen Pflegezuschuss in der Höhe von Euro 6.900,- leistete und nicht in der Höhe von Euro 18.236,09 (laut Einkommensteuererklärung).
Wie vom Finanzamt in der Berufungsvorentscheidung unter Anführung der bezughabenden Entscheidungen richtigerweise aufgezeigt sind nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Belastungen, die aus der Erfüllung von Übergabe- und Schenkungsverträgen erwachsen, nicht zwangsläufig im Sinne des § 34 Abs. 2 EStG erwachsen. Insbesondere im Erkenntnis vom 30.11.1999, 94/14/0137, hat sich das Höchstgericht in Zusammenhang mit einem Übergabsvertrag mit der Frage der Zwangsläufigkeit auseinandergesetzt und festgestellt, dass "der Beschwerdeführer freiwillig das Haus übernommen bzw. die entsprechenden Vereinbarungen eingegangen ist". Gerade diese Verhältnisse sind auch gegenständlich gegeben.
Die im konkreten Übergabsvertrag, mit welchem der Bw. von ihren Eltern das in der Marktgemeinde G. gelegene B-Gut übertragen wurde, für die Klärung der vorliegenden Berufung entscheidende Stelle (Pflege und Versorgung; Seite 4) lautet: "Die Übernehmerin verpflichtet sich, die Übergeber bei häuslich pflegbarer Krankheit und bei Gebrechlichkeit stets liebevoll zu pflegen und zu betreuen und alle für die Übergeber im Haushalt und außerhalb des Hauses anfallenden Arbeiten, Handreichungen, Gänge und Erledigungen zu verrichten, also für die Übergeber insbesondere zu kochen und ihnen die Mahlzeiten in der Austragswohnung über Tisch oder an das Bett zu reichen, die Wohnung, Kleidung und Wäsche der Übergeber zu säubern und instandzuhalten, die Übergeber zu deren Arzt zu bringen oder den Arzt zu holen, und alle sonstigen dem Wohlbefinden der Übergeber dienenden Besorgungen und Handreichungen im Haushalt der Übergeber und auch außerhalb des Hauses zu verrichten. Soweit die Übernehmerin diese Dienste persönlich nicht verrichtet, ist eine geeignete Pflegeperson beizustellen, deren Kosten aus einem den Übergebern allenfalls gewährten Hilflosenzuschuss, aus Ansprüchen nach dem Bundespflegegesetz und aus sonstigen Leistungen der gesetzlichen Pflichtversicherung der Übergeber, mit Ausnahme deren Pension, zu decken sind, und, soweit diese Kosten aus den vorgenannten Leistungen nicht gedeckt werden, von der Übernehmerin zu tragen sind. Ferner verpflichtet sich die Übernehmerin, die Kosten der ärztlichen Behandlung, der verschriebenen Medikamente, Heilbehelfe und Behandlungsmittel, und der Spitalsbehandlung der Übergeber in der allgemeinen Gebührenklasse öffentlicher Krankenanstalten zu tragen, soweit diese Kosten von der gesetzlichen Krankenkasse der Übergeber nicht übernommen werden".
Aus der vorstehend angeführten Stelle des Übergabsvertrag kann sich keine Zwangsläufigkeit ergeben, da sich die Bw. aus privaten Stücken freiwillig zum Vertragsabschluss entschlossen hat und die vorstehenden Pflege- und Versorgungsverpflichtungen folglich als freiwillig eingegangen gelten.
Vor dem Hintergrund einer klaren und eindeutigen, vertraglichen Gestaltung der die Bw. betreffenden Pflege- und Versorgungsverpflichtungen gehen die Berufungseinwendungen, wonach "die Formulierung zum damaligen Zeitpunkt üblich und nicht Wunsch der Bw. bzw. der Eltern gewesen sei" und es sich um eine "normale Altersversorgung" handle, ins Leere. Auch der weitere Berufungseinwand, dass es damals sicherlich selten gewesen sei, Patienten nach einem schweren Schlaganfall durch ärztliche Kunst am Leben zu erhalten, vermag nicht zu überzeugen, wurde doch der Übergabsvertrag im März 1994 abgeschlossen.
Laut Mitteilung der Bw. wurde deren Mutter im Spital aus einer gänzlichen Lähmung nach einem schweren Schlaganfall soweit wieder hergestellt, dass sie im Rollstuhl sitzen konnte. Nach Ansicht des UFS findet der daraus resultierende Pflegebedarf - die Pflegestufe 4 sieht einen Pflegebedarf von mehr als 160 Stunden und die Pflegestufe 5 (ab Dezember 2004) einen Pflegebedarf von mehr als 180 Stunden vor - in der eingegangenen Pflegeverpflichtung Deckung und hätte zu Hause erbracht werden können. Von einer "Rundum-Betreuung" bzw. einer dauernden Anwesenheit einer Pflegeperson in der Wohnung kann bei den genannten Pflegestufen nicht die Rede sein. Der Vollständigkeit halber wird angemerkt, dass der aufgezeigte Pflegebedarf neben der eigentlichen Pflege des Patienten sämtliche im Haushalt und außerhalb des Haushaltes anfallenden Arbeiten, wie sie auch der gegenständliche Übergabsvertrag vorsieht, umfasst.
Sicherlich ist ein Altenheim auf Grund seiner Ausstattung auf Pflege und Versorgung alter und behinderter Menschen ausgerichtet. Dass die in Rede stehende Pflege und Versorgung im Erdgeschoß des B-Gutes - insoweit steht der Mutter der Bw. laut Übergabsvertrag ein Wohnrecht zu - nicht möglich gewesen wäre, wurde von der Bw. weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht.
Mit dem weiteren Hinweis, sie sei zeitlich und körperlich nicht in der Lage diese Leistungen zu erbringen, vermag die Bw. nichts zu gewinnen. Diesbezüglich sieht der Übergabsvertrag ausdrücklich vor, dass dann, wenn die Bw. die Pflegeleistungen nicht persönlich verrichtet, eine geeignete Pflegeperson auf Kosten der Bw. beizustellen ist. Vor diesem Hintergrund ist auch der Hinweis auf die Verpflichtung, die Landwirtschaft zu bewirtschaften, ohne Belang. Davon abgesehen sieht der Übergabsvertrag eine solche Verpflichtung gar nicht vor.
Mit dem Einwand, es dürfe steuerlich keinen Unterschied machen, ob die Mutter zu Hause mit Fremdpersonal betreut oder ihr die beste Pflege im Heim ermöglicht werde, verkennt die Bw. die Rechtslage, liegen doch beiden Fällen ein freiwillig eingegangener Übergabsvertrag mit entsprechenden Pflege- und Versorgungsverpflichtungen zu Grunde.
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass sich die Bw. u.a. freiwillig zur Pflege und Versorgung ihrer Eltern (als Gegenleistung für die Übertragung des B-Gutes) verpflichtet hat und somit die damit in Zusammenhang stehenden Kosten mangels Zwangsläufigkeit keine außergewöhnliche Belastung darstellen.
Im zu beurteilenden Fall ist aber auch die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht wesentlich beeinträchtigt, stehen doch die Pflegekosten in Zusammenhang mit der Übertragung von Wirtschaftsgütern bzw von Vermögen. Die Bw. kann wohl nicht bestreiten, dass ihr die Pflegekosten deshalb erwachsen sind, weil ihr auch das zu ihrer Deckung dienende Vermögen (B-Gut einschließlich umfangreicher Liegenschaften) zugekommen ist. Daher kann auch keine Auswirkung auf die (einkommensbezogene) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erkannt werden, weil eben die strittigen Kosten im übertragenen Vermögen (vielfach) Deckung finden. Eine Auswirkung auf das laufende Einkommen (einkommensbezogene wirtschaftliche Leistungsfähigkeit) ist unter diesen Umständen nicht gegeben. Vor der aufgezeigten Vermögensübertragung erscheint eine Überwälzung der strittigen Pflegekosten (in Form der steuerlichen Berücksichtigung bei der Bw.) auf die Allgemeinheit nicht gerechtfertigt.
Abschließend wird bemerkt, dass die Bw. durch die Verbringung ihrer Mutter in das Pensionistenheim G. von nahezu allen Ausgedingslasten wie Bereitstellung von Nahrungsmittel, Heiz- und Betriebskosten der Wohnung, Pflege- und Versorgungskosten (Seite 3 und 4 des Übergabsvertrages) entlastet wurde, welche - entsprechend bewertet - von den durch die Bw. geleisteten Zuschüssen in Abzug zu bringen wären. Ob dann der Selbstbehalt gemäß § 34 Abs. 4 EStG überschritten würde, mag dahingestellt bleiben.
Die Berufung war somit als unbegründet abzuweisen.
Salzburg, am 31. August 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 34 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Pflegekosten, Pflegestufe, Übergabsvertrag, Übertragung von Wirtschaftsgütern, wirtschaftliche Leistungsfähigkeit, Zwangsläufigkeit |
Verweise: |