Verstößt die Erhebung einer Rechtsgebühr nach § 33 TP 5 GebG gegen Gemeinschaftsrecht, insbesondere gegen Art. 33 der 6. Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG?
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der V, Adr, gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 6. Mai 2004 betreffend Rechtsgebühr zu ErfNr.xxx.xx5/2003, St.Nr.xxx entschieden:
Die Berufung wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid insofern abgeändert, als die Gebühr gemäß § 33 TP 5 GebG für den Vertrag über die Nutzung der Schieneninfrastruktur der ÖBB vom 13. Dezember 2002 - angezeigt beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien zu ErfNr.xxx.xx1/2003 - samt Zugtrassenvereinbarungen vom 19. Dezember 2002 - angezeigt unter ErfNr.xxx.xx4/2003 - und vom 12. Juni 2003 - angezeigt unter ErfNr.xxx.xx5/2003 - insgesamt mit 1 % von einer Bemessungsgrundlage von € 1.015.323,99 = € 10.153,24 festgesetzt wird.
Im Übrigen wird die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Am 13. Dezember 2003 unterzeichneten die österreichischen Bundesbahnen (kurz ÖBB) und das Eisenbahnverkehrsunternehmen V (die nunmehrige Berufungswerberin, kurz Bw. oder EVU) eine Urkunde (angezeigt beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien unter ErfNr.xxx.xx1/2003) mit der Bezeichnung "Vertrag über die Nutzung der Schieneninfrastruktur der ÖBB (Infrastrukturnutzungsvertrag)" mit auszugsweise folgendem Inhalt:
"1. Vertragsgegenstand
1.1 Das EVU erbringt im eigenen Namen, in eigener Verantwortung und für eigene Rechnung Eisenbahnverkehrsleistungen im Güterverkehr auf der Grundlage der einheitlichen Rechtsvorschriften für den Vertrag über die internationale Eisenbahnbeförderung von Gütern (CIM) sowie nach dem Eisenbahnbeförderungsgesetz in der jeweils geltenden Fassung.
1.2 das EVU nutzt ausschließlich zu diesem Zweck die Schieneninfrastruktur der ÖBB in dem in der jeweiligen Zugtrassenvereinbarung angeführten Umfang.
2. Leistungen der ÖBB
Die ÖBB gestatten der EVU die Nutzung der Schieneninfrastruktur entsprechend dem in der jeweiligen Zugtrassenvereinbarung festgelegten Umfang sowie Fahrplan und erbringen gegebenenfalls dort festgelegte Leistungen.
Leistungen des ÖBB-Absatzbereiches (z.B. Nutzung von Terminals, Lieferung von Traktionsenergie) sind vom gegenständlichen Vertrag nicht umfasst und mit dem Absatzbereich gesondert zu vereinbaren.
3. Leistungen des EVU
Sämtliche nicht von den ÖBB erbrachten Leistungen sind, ausgenommen den Fall der vorangehenden schriftlichen Zustimmung der ÖBB, ausschließlich durch das EVU selbst zu erbringen - siehe Punkt 4 Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB).
4. Entgelt
Das Entgelt für die gemäß Punkt 2. von den ÖBB zu erbringenden Leistungen ergibt sich aus der Zugtrassenvereinbarung.
5. Vertragsdauer
Der Vertrag tritt am 15. Dezember 2002 in Kraft und gilt bis zum 13. Dezember 2003."
6. Sonstige Bestimmungen
6.1. Integrierende Bestandteile dieses Vertrages sind:
... 6.1.2. Anlage 2 Zugtrassenvereinbarung (Nutzungs- und Leistungsumfang sowie Entgelte und Zahlungsmodalitäten) ... 6.3 Sämtliche im Zusammenhang mit der Errichtung und Durchführung dieses Vertrages anfallenden Gebühren und Abgaben trägt das EVU, auch wenn sie den ÖBB zur Zahlung vorgeschrieben werden."
In den Zugtrassenvereinbarungen vom 19. Dezember 2002 (angezeigt beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien unter ErfNr.xxx.xx4/2003 ) und vom 12. Juni 2003 (angezeigt beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien unter ErfNr.xxx.xx5/2003) wurde ua. Folgendes festgelegt [Anm: inhaltliche Abweichungen des Vertrages vom 12. Juni 2003 finden sich in Klammer]:
"1. Basisleistungen der ÖBB a) die ÖBB gestatten dem EVU ab 1. Jänner 2003 bis einschließlich 14. Juni 2003 [15. Juni 2003 bis einschließlich 13. Dezember 2003] die Nutzung ihrer Schieneninfrastruktur in den Verbindungen Bahnhof X - Bahnhof E[Bahnhof X - Bahnhof S, Bahnhof X - Bahnhof L, Bahnhof X - Bahnhof E] gemäß den ausgearbeiteten Fahrplanunterlagen die integrierende Bestandteile des Vertrages sind: Verkehrsstrecke, Verkehrstage, Saisonierung, Anzahl der Züge je Verkehrstag, Zugart gemäß Fahrplanunterlagen (Zugxxx]).
5. Entgelt für die Nutzung der ÖBB-Schieneninfrastuktur:
"a) Für die Festsetzung des gemäß Punkt 34 AGB zu zahlenden Benützungsentgeltes werden einvernehmlich folgende b) Parameter zugrunde gelegt:
........
(Anm: Es folgt jeweils eine detaillierte Aufstellung der Kosten je Zugfahrt für bestimmte Stecken, wobei die Preisangaben ausdrücklich exkl. USt sind)
d) Die Endabrechnung erfolgt auf Basis der für den Zugang zur Schieneninfrastruktur der ÖBB jeweils geltenden Benützungsentgeltbestimmungen und den vom EVU tatsächlich in Anspruchgenommenen Leistungen sowie genutzten Schieneninfrastrukturanlagen."
Über entsprechenden Vorhalt teilte die ÖBB dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit Schreiben vom 19. April 2004 mit, dass sie der Bw. für die Laufzeit 15. Dezember 2002 - 13. Dezember 2003 ein Entgelt von netto € 1.015.323,99, zuzüglich 20 % USt, ergibt ein Gesamtentgelt (inklusive USt) von € 1.218.388,79 in Rechnung gestellt habe. Im Gesamtentgelt seien die unter ErfNr.xxx.xx1/2003 und ErfNr.xxx.xx5/2003 erfassten Verträge enthalten.
Auf Grund dieser Angaben setzte das Finanzamt mit Bescheid vom 6. Mai 2004 zu ErfNr. ErfNr.xxx.xx5/2003 gegenüber der Bw. für "die Zugtrassenvereinbarung zum Infrastrukturnutzungsvertrag vom 12. Juni 2003" Rechtsgebühr in Höhe von € 12.183,89 (1% von einer Bemessungsgrundlage von € 1.218.388,79) fest. In der Begründung wurde darauf hingewiesen, dass die ErfNr.xxx.xx4/2003 und ErfNr.xxx.xx1/2003 miterledigt wurden.
In der dagegen eingebrachten Berufung wurde einerseits eingewandt, dass der Schieneninfrastrukturvertrag nicht als Bestandvertrag oder Vertrag über den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache zu qualifizieren sei. Die Schieninfrastruktur sei ein sonderrechtsfähiges Gut, befinde sich auch nicht zwangsläufig auf einem Grundstück im Eigentum des Schieneninfrastukturbetreibers. Der Gebrauch des Grundstückes sei sogar explizit ausgeschlossen. Auch werde die Infrastruktur als solche nicht "zum Gebrauch" überlassen, wie etwa eine Wohnung in einem Bestandvertrag. Es handle sich vielmehr um ein kurzfristiges Servituts- oder Wegerecht. Es sei als ausdrückliches Recht ausgestattet, nach Maßgabe der Verfügbarkeit, in einem bestimmen Zeitfenster den Schienenweg, in diesem konkreten Fall der verfügungsberechtigten ÖBB, als Fahrweg - mangels einer anderen Alternative - zu nutzen, um als Eisenbahnverkehrunternehmen ein entferntes Ziel außerhalb dieses Infrastrukturbetriebes zu erreichen. Die Qualifizierung als Bestandvertrag sei daher nicht gerechtfertigt und daher das Rechtsgeschäft nicht gebührenpflichtig.
Außerdem stehe die Vorschreibung einer Rechtsgeschäftsgebühr auch im Widerspruch zu den einschlägigen europäischen Rechtsakten (zB RL 2001/14 EG). Diese Maßnahme sei geeignet, den Wettbewerb im europäischen Schienengüterverkehr zu beeinträchtigen und einen diskriminierungsfreien Marktzugang hintanzuhalten. Da diese Rechtsakte in Österreich unmittelbar gelten, seien sie auch von der Behörde direkt anzuwenden. Weiters sei gemäß einem eingeholten Rechtsgutachten des Institutes für Rechtswissenschaften öffentliches Recht, Europarecht, Völkerrecht der Technischen Universität Wien durch die Vorschreibung der Rechtsgeschäftsgebühr nicht nur eine Beeinträchtigung des Wettbewerbs im Sinne der Richtlinie 2001/14/EG gegeben, sondern widerspreche durch die Vergebührung des Wegentgeltes, für welches ohnehin Mehrwertsteuer zu entrichten sei, auch der sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie 77/388/EWG . Die Vergebührung des Wegeentgeltes mit einem bestimmten Prozentsatz habe damit den Charakter einer Umsatzsteuer. Gemäß Art. 33 Abs. 1 der genannten Richtlinie seien die Mitgliedstaaten lediglich berechtigt, Abgaben auf Versicherungsverträge, auf Spiele und Wetten, Verbrauchsteuern, Grunderwerbsteuern sowie ganz allgemein alle Steuern, Abgaben und Gebühren, die nicht den Charakter von Umsatzsteuern haben, beizubehalten oder einzuführen. Da beim Wegeentgelt keiner der zitierten Ausnahmetatbestände zutreffe und der Charakter einer Umsatzsteuer offenbar gegeben sei, sei die vorgeschriebene Gebührenvorschreibung rechtswidrig und gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßend. Im Falle von Konflikten zwischen österreichischen Rechtsvorschriften und dem europäischen Recht beanspruche das Europarecht einen Anwendungsvorrang.
Mit Berufungsvorentscheidung vom 21. Juli 2004 gab das Finanzamt der Berufung teilweise Folge und änderte den angefochtenen Bescheid insofern ab, als die Gebühr mit 1 % von € 1.015.323,99 = € 10.153,24 festgesetzt wurde. Zur Begründung wurde Folgendes ausgeführt:
"Nach § 33 TP 5 GebG unterliegen der Gebühr Bestandverträge (§§ 1090 ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält. Gegenstand des Bestandvertrages sind unverbrauchbare Sachen. Der weite Sachbegriff des § 285 ABGB umfasst sowohl körperliche als auch unkörperliche Sachen. Auch nutzbare Rechte können Gegenstand eines Bestandvertrages sein. Eine Beeinträchtigung des Wettbewerbes im Sinne der Richtlinie 2001/14/EG ist nicht gegeben, da dort die Betreiber angesprochen werden. Die Gebühr nach § 33 TP 5 GebG gilt für alle in Österreich gebietsansässigen Bestandnehmer, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und dem Ort des Abschlusses des Bestandvertrages. Ein Widerspruch zu der 6. Richtlinie 77/388/EWG liegt nicht vor, da die Gebühr nach § 33 TP 5 GebG nicht den Charakter einer Umsatzsteuer hat. Es wird nicht das Wegeentgelt vergebührt, sondern Gegenstand der Gebühr ist Bestandvertrag, worüber eine schriftliche Urkunde ausgefertigt wurde. Die Gebühr nach § 33 TP 5 GebG beeinträchtigt nicht das Funktionieren des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems, in dem sie den Waren- und Dienstleitungsverkehr sowie kommerzielle Umsätze so belastet, wie es für die Mehrwertsteuer kennzeichnend ist. Da die Überwälzung der Umsatzsteuer nicht beurkundet ist, ist das Nettoentgelt (€ 1,015.323,99) die Bemessungsgrundlage."
Im Antrag auf Vorlage der Berufung an die Abgabenbehörde 2. Instanz wurde von der Bw. kein weiteres Vorbringen erstattet.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gemäß § 33 TP 5 Z. 1 GebG unterliegen Bestandverträge (§§ 1090ff. ABGB) und sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält, im Allgemeinen einer Gebühr nach dem Wert in Höhe von 1 v.H.
Gemäß § 33 TP 9 GebG 1957 unterliegen Dienstbarkeiten, wenn jemandem der Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit entgeltlich eingeräumt oder die entgeltliche Erwerbung von dem Verpflichteten bestätigt wird, einer Rechtsgebühr in Höhe von 2 v.H. von dem Wert des bedungenen Entgeltes.
Gemäß § 17 Abs. 1 GebG ist für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über das Rechtsgeschäft errichteten Schrift (Urkunde) maßgebend. Zum Urkundeninhalt zählt auch der Inhalt von Schriften, der durch Bezugnahme zum rechtsgeschäftlichen Inhalt gemacht wird.
Ein Bestandvertrag besteht in der Überlassung des Gebrauchs einer unverbrauchbaren Sache oder deren Teile gegen Entgelt auf "gewisse Zeit" (Würth in Rummel, ABGB, Rz 1 zu § 1092). Aus der in § 33 TP 5 Abs. 1 GebG enthaltene Erweiterung des gebührenpflichtigen Tatbestandes auf "sonstige Verträge, wodurch jemand den Gebrauch einer unverbrauchbaren Sache auf eine gewisse Zeit und gegen einen bestimmten Preis erhält" folgt, dass auch gemischte Verträge, die nach der zivilrechtlichen Begriffsbestimmung nicht zu den Bestandverträgen zählen, bei denen aber die Überlassung einer Bestandsache für eine bestimmte oder bestimmbare Zeit gegen Entgelt den Vertragsgegenstand darstellen, der Gebühr nach § 33 TP 5 GebG unterliegen.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes umfasst § 33 TP 5 Abs. 1 GebG die "lupenreinen" Bestandverträge im Sinne der §§ 1090 ff ABGB und Verträge, die sich ihrem Wesen nach "als eine Art Bestandvertrag" darstellen, d.h. Verträge, die zwar von den Regeln der §§ 1090 ff ABGB abweichen, aber auf Grund für Bestandverträge charakteristischen Merkmalen noch als "Bestandverträge" im weiteren Sinn anzusprechen sind. Weder als Bestandverträge im Sinne der §§ 1090 ff ABGB noch als "sonstige Verträge" im Sinn des § 33 TP 5 Abs. 1 GebG können Vereinbarungen gewertet werden, die ihrem Wesen nach einer anderen Art von Rechtsgeschäft entsprechen, das entweder einer anderen Tarifpost des § 33 GebG unterliegt oder das von dem auf bestimmte Rechtsgeschäftstypen abgestellten Tarif des § 33 GebG überhaupt nicht erfasst wird. Ob ein Bestandvertrag oder ein sonstiger Vertrag im Sinne des § 33 TP 5 GebG vorliegt, ist nach zivilrechtlichen Grundsätzen zu prüfen (vgl. ua. VwGH 24.3.1994, 92/16/0129).
Sowohl im Infrastrukturvertrag vom 13. Dezember 2003 als auch in den (integrierende Bestandteile bildenden) Zugtrassenvereinbarungen vom 19. Dezember 2002 und vom 12. Juni 2003 ist ausdrücklich davon die Rede, dass die ÖBB der Bw. die Nutzung ihrer Schieneninfrastruktur gestattet. Die Bw. bringt selber vor, das es sich bei der Schieninfrastruktur um ein sonderrechtsfähiges Gut handelt. Für die Gebührenpflicht ist nicht entscheidend, wer der Eigentümer der Grundstücke ist. Auch die entgeltliche Überlassung von Maschinen, Betriebsanlagen, Rechten etc. zur Nutzung löst bei Vorliegen einer entsprechenden Urkunde Gebührenpflicht nach § 33 TP 5 GebG aus.
Zum Vorbringen in der Berufung, wonach es sich um ein Servituts- oder Wegerecht handle, ist außerdem zu bemerken, dass die entgeltliche Einräumung einer Dienstbarkeit nicht gebührenfrei wäre, sondern auf Grund des in § 33 TP 9 GebG vorgesehen Steuersatzes von 2 % sogar einer höhere Gebühr zur Folge hätte.
Auf Grund des maßgeblichen Urkundeninhaltes schließt sich der unabhängige Finanzsenat jedoch der Auffassung des Finanzamtes an, dass hier ein Bestandvertrag iSd § 33 TP 5 GebG vorliegt. Auf Grund des Infrastrukturnutzungsvertrages vom 13. Dezember 2002 samt den integrierende Bestandteile bildenden Zugtrassenvereinbarungen vom 19. Dezember 2002 und vom 12. Juni 2003 ist die Bw. berechtigt, bestimmte Bereiche der Schieneninfrastruktur der ÖBB für einen bestimmten Zeitraum und gegen einen bestimmbaren Preis zu nutzen, weshalb alle Tatbestandsmerkmale eines Bestandvertrag iSd § 33 TP 5 GebG vorliegen. Hinsichtlich der Höhe der Bemessungsgrundlage ist der Ansicht des Finanzamtes in der Berufungsvorentscheidung zu folgen und ist daher der angefochtene Bescheid - wie in der Berufungsvorentscheidung - insofern abzuändern, als die Gebühr auf 1 % des Gesamtentgeltes ohne Umsatzsteuer in Höhe von € 1.015.323,99 = € 10.153,24 reduziert wird.
Zum Einwand, dass die Vergebührung der Richtlinie 2001/14/EG widerspreche, ist zu bemerken, dass nach Artikel 1 Gegenstand dieser Richtlinie die Grundsätze und Verfahren für die Festlegung und Berechnung von Wegeentgelten im Eisenbahnverkehr und die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn sind. Die Richtlinie enthält in Kapitel II, Artikel 4 bis 12 grundsätzliche Regelungen über das Entgelt der Eisenbahnunternehmen an die Betreiber der Infrastruktur. Die Richtlinie enthält jedoch keine Bestimmungen über die steuerliche Behandlung des Entgelts oder die steuerliche Behandlung bestimmter Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Nutzung von Schieneninfrastruktur.
Zur Ansicht der Bw., wonach durch die Vergebührung der Wettbewerb im innereuropäischen Bereich der Schieneninfrastruktur beeinträchtig werde, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes die Harmonisierung der indirekten Steuern einen Prozess darstellt, der durch die Gemeinschaft zwar in Angriff genommen, jedoch bislang noch nicht abgeschlossen wurde. Art. 93 EG nimmt es ganz offenkundig in Kauf, dass in dem noch nicht von der Harmonisierung erfassten Bereich der Abgaben in den Mitgliedstaaten auch (indirekte) Steuern in unterschiedlicher Höhe existieren. Dadurch bedingte Wettbewerbsnachteile sind daher als Folge unterschiedlicher Standortbedingungen infolge unterbliebener Harmonisierung der Abgaben auf diesem Gebiet aus der Sicht des Gemeinschaftsrechtes offenkundig hinzunehmen (vgl. ua. VwGH 5.11.2003, 2002/17/0343).
Die Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 5 GebG hat aus folgenden Gründen auch nicht Charakter einer Umsatzsteuer im Sinn von Art 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie 77/388/EWG . Wie der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (siehe das Urteil des EuGH vom 8.6.1999 in den verbundenen Rechtssachen C-338/97 , C-344/97 und C-390/97 , Pelzl ua) ausgeführt hat, sind wesentliche Merkmale der Mehrwertsteuer iSd Art 33 der 6. Mehrwertsteuer-Richtlinie:
- allgemeine Geltung der Steuer für alle sich auf Gegenstände und Dienstleistungen beziehenden Geschäfte;
- Festsetzung ihrer Höhe proportional zum Preis, den der Steuerpflichtige als Gegenleistung für die Gegenstände und Dienstleistungen erhält;
- Erhebung der Steuer auf jeder Produktionsstufe und Vertriebsstufe einschließlich der Einzelhandelsstufe, ungeachtet der Zahl der vorher bewirkten Umsätze;
- Abzug der auf den vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beiträge von der vom Steuerpflichtigen geschuldeten Steuer, so dass sich die Steuer auf einer bestimmten Stufe nur auf den auf dieser Stufe vorhandenen Mehrwert bezieht und die Belastung letztlich vom Verbraucher getragen wird (vgl. ua. VwGH 17.10.2002, 2002/17/0284). Da Rechtsgeschäfte nach § 15 Abs. 1 GebG grundsätzlich nur dann gebührenpflichtig sind, wenn über sie eine Urkunde errichtet wird und außerdem nur die in den einzelnen Tarifposten des § 33 GebG aufgezählten Rechtsgeschäfte gebührenpflichtig sind, handelt es sich bei der Rechtsgebühr nach § 33 TP 5 GebG nicht um eine allgemeine Steuer auf Dienstleistungen. Auch ist die Höhe der Gebühr nicht proportional zum Preis, den Jemand tatsächlich als Gegenleistung für eine bestimmte Dienstleistung erhält, da auf Grund der Bestimmung des § 17 Abs. 1 iVm Abs. 5 GebG für die Festsetzung der Gebühren der Inhalt der über den Bestandvertrag errichteten Urkunde maßgebend ist und somit weder eine vorzeitige Auflösung des Bestandvertrages noch der Erhalt eines niedrigeren Entgeltes als beurkundet, Auswirkung auf die Höhe der Gebühr hat. Außerdem sieht das Gebührengesetz auch keinen Abzug von auf vorhergehenden Stufen bereits entrichteten Beiträgen vor.
Weiters hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in seinem Urteil vom 14. Oktober 1999, Rs-C 439/97, Sandoz GmbH, entschieden, dass Artikel 73b Absatz 1 und Artikel 73d Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG-Vertrag (jetzt Artikel 56 Absatz 1 EG und 58 Absatz 1 Buchstabe b und Absatz 3 EG) so auszulegen sind, dass sie der Besteuerung von in einem anderen Mitgliedstaat aufgenommenen Darlehen nach einer nationalen Bestimmung wie § 33 TP 8 Abs. 1 GebG nicht entgegenstehen. Anders als beim sog. Ersatzurkundentatbestand für Darlehen ausländischer Darlehensgeber nach § 33 TP 8 Abs. 4 GebG idF BGBl. Nr. 818/1993 ist die Gebührenpflicht bei Bestandverträgen auch nicht davon abhängig, wo die Vertragspartner ansässig sind, weshalb beim Tatbestand des § 33 TP 5 Abs. 1 GebG auch keine Diskriminierung von Vertragspartnern aus anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft (hier haben allerdings ohnehin beide Vertragspartner ihren Sitz im Inland) gegeben ist. Aus all diesen Erwägungen geht der unabhängige Finanzsenat davon aus, dass das Gemeinschaftsrecht der Erhebung einer Rechtsgebühr für Bestandverträge nach § 33 TP 5 Abs. 1 GebG nicht entgegensteht.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 28. Juni 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 33 TP 5 GebG, Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 |
Schlagworte: | Bestandvertrag, Charakter einer Umsatzsteuer, Wettbewerbsverzerrungen |
Verweise: | VwGH 05.11.2003, 2002/17/0343 |