Rückerstattung von in der Vergangenheit als Sonderausgaben geltend gemachten Beiträgen zu einer freiwilligen Weiterversicherung als rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO
Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2006/15/0219 eingebracht. Mit Erk. v. 15.1.2008 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren nicht durch BE erledigt.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung des Bw, vertreten durch Dr. Franz Klein, 1080 Wien, Pfeilgasse 16/23-24, gegen die Bescheide des Finanzamtes Hollabrunn Korneuburg Tulln, vertreten durch Mag. Wolfgang Hölzl, vom 22. November 2004 betreffend Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 2000 (Änderung gemäß § 295a BAO) im Beisein der Schriftführerin Romana Schuster nach der am 27. April 2006 in 1030 Wien, Vordere Zollamtsstraße 7, durchgeführten Berufungsverhandlung entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Die angefochtenen Bescheide bleiben unverändert.
Entscheidungsgründe
Der Berufungswerber (Bw), der bis Ende des Jahres 1975 einer nichtselbständigen Tätigkeit nachgegangen war, übte seit Jänner 1976 die Tätigkeit eines selbständigen Wirtschaftsjournalisten aus, und zwar zunächst als Redakteur und danach als Herausgeber einer Fachzeitschrift.
Beginnend mit dem Jahr 1976 leistete der Bw Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung bei der Pensionsversicherung der Angestellten (PVAng). Diese Beiträge machte er bis einschließlich 2000 als Sonderausgaben geltend.
Im Jahr 2001 stellte die Sozialversicherungsanstalt der gewerblichen Wirtschaft (SVA) fest, dass der Bw seit 1. Jänner 1976 nach dem Gewerblichen Sozialversicherungsgesetz (GSVG) pflichtversichert gewesen wäre. Der Bw wurde daraufhin rückwirkend ab 1. Jänner 1976 in die Pflichtversicherung nach dem GSVG einbezogen. Die freiwillige Weiterversicherung wurde, wie einem Schreiben der SVA vom 20. Oktober 2003 zu entnehmen ist, durch die PVAng storniert.
Die PVAng teilte dazu dem Bw mit Schreiben vom 18. Mai 2001 mit, dass die von Jänner 1976 bis Oktober 2000 entrichteten Beiträge zur Weiterversicherung im Gesamtbetrag von 1.787.650,90 S dem bei der PVAng für den Bw geführten Verrechnungskonto gutgeschrieben werden.
Dieses Guthaben wurde in der Folge an die SVA überwiesen und nach Abzug der die Jahre 1976 bis 2001 umfassenden Beitragsvorschreibung durch die SVA in Höhe von 1.108.618,92 S mit dem übersteigenden Betrag von 679.031,98 S (im Juni 2001) an den Bw ausbezahlt.
Einer gegen die im Einkommensteuerbescheid 2001 vorgenommene Versteuerung des rückgezahlten Betrages im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erhobenen Berufung gab der unabhängige Finanzsenat (UFS) mit Berufungsentscheidung vom 6. September 2004, RV/0095-W/04, Folge. Dies mit der Begründung, dass das Einkommensteuergesetz für den vorliegenden Fall einer Rückzahlung von Beiträgen zu einer freiwilligen Weiterversicherung keinen Nachversteuerungstatbestand kenne und eine Rückerstattung von Sonderausgaben auch nicht einkommensteuerbar sei. Die Berufungsentscheidung schied daher den rückgezahlten Betrag aus der Steuerbemessungsgrundlage aus und berücksichtigte gleichzeitig die Beitragsnachzahlung an die SVA in Höhe von 1.108.618,92 S als Betriebsausgabe im Rahmen der gemäß § 4 Abs. 3 EStG ermittelten Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Gleichzeitig verwies der UFS darauf, dass nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten die Veranlagung des Jahres, in dem die Zahlung der Weiterversicherungsbeiträge erfolgte, zu korrigieren bzw. zu ändern sei, wobei sich hier insbesondere eine Änderung gemäß § 295a BAO anbiete.
Das Finanzamt änderte in der Folge die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1989 bis 2000 gemäß § 295a BAO und ließ die in diesen Jahren geltend gemachten Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung nicht mehr zum Sonderausgabenabzug zu. Diese Bescheide ergingen am 22. November 2004.
In der dagegen am 6. Dezember 2004 erhobenen Berufung wendet der Bw ein, dass eine Änderung gemäß § 295a BAO nach Eintritt der Verjährung nicht mehr zulässig sei. Die Verjährungsfrist betrage fünf Jahre und beginne mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden bzw. eine Unterbrechung eingetreten sei. Hinsichtlich Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 1996 sei bereits Verjährung eingetreten.
Ferner seien unter einem Ereignis im Sinne des § 295a BAO nur sachverhaltsändernde Geschehnisse zu verstehen. Es müsse sich um tatsächliche, ein anderes tatsächliches Ereignis verändernde Ereignisse handeln. Der Bw habe fälschlicherweise Beiträge für die freiwillige Weiterversicherung entrichtet. Die Tatsache, dass ein Pflichtversicherung besteht, welche die freiwillige Weiterversicherung ex lege verdrängt, sei immer gegeben gewesen. Geändert habe sich lediglich die rechtliche Beurteilung der vom Bw bezahlten Beträge. Die Berichtigung einer bisher falschen rechtlichen Beurteilung ein und derselben Tatsache stelle kein sachverhaltsänderndes Ereignis im Sinne des § 295a BAO dar.
Der Bw führt weiter aus, dass es eine Frage der Auslegung der Abgabenvorschriften sei, welchen Ereignissen Rückwirkung zukomme. Gesetzliche Grundlage für die Geltendmachung von Versicherungsbeiträgen sei § 18 EStG. Dieser Vorschrift müsse entnommen werden, ob ein Ereignis den Abgabenanspruch rückwirkend verändern darf oder nicht. Eine rückwirkende Berücksichtigung von Ereignissen sei in § 18 EStG jedoch nicht vorgesehen.
Die Vorschrift des § 295a BAO sei daher nicht anwendbar.
In der die Berufung abweisenden Berufungsvorentscheidung verweist das Finanzamt bezüglich Verjährung auf die Bestimmung des § 208 Abs. 1 lit. e BAO, wonach die Verjährung mit Ablauf des Jahres beginnt, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist. Dies sei konkret das Jahr 2001, in dem die Versicherung entschieden habe, dass der Bw seit 1976 pflichtversichert und deshalb die freiwillige Weiterversicherung bei der PVAng zu stornieren sei. Für die angefochtenen Bescheide sei daher noch keine Verjährung eingetreten. In der Stornierung der freiwilligen Weiterversicherung liege ein sachverhaltsänderndes Geschehen. Die Auflösung eines bestehenden Vertrages sei ein rechtlich relevanter Sachverhalt. Durch dieses rückwirkende Ereignis seien die Voraussetzungen des § 18 EStG nicht mehr gegeben gewesen.
Im Vorlageantrag hält der Bw dem entgegen, dass aus § 208 Abs. 1 lit. e BAO nicht herausgelesen werden könne, dass das durch Zeitablauf bereits erloschene Abgabenfestsetzungsrecht wieder aufleben solle. Diese Bestimmung beziehe sich nur auf jenen Fristenlauf, innerhalb dessen die Behörde tätig werden müsse, damit eine Bescheidänderung gemäß § 295a BAO grundsätzlich rechtswirksam durchgeführt werden könne. Die Anwendung der Bescheidänderung gemäß § 295a BAO ohne Unterscheidung sowohl auf verjährte als auch auf nicht verjährte Bescheide könne nicht ohne gesetzliche Grundlage erfolgen. Gemäß § 302 BAO seien Abänderungen von Bescheiden, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig. Bezüglich § 295a BAO werde nichts anderes bestimmt. Mit Ablauf des Jahres 2003 sei für die Einkommensteuerbescheide 1989 bis 1996 Verjährung eingetreten, eine Änderung gemäß § 295a BAO daher nicht mehr zulässig.
Zur Frage des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses bringt der Bw im Vorlageantrag u.a. vor, dass die Finanzbehörde die Zahlungen für eine Versicherung gemäß § 17 ASVG irrtümlich als Sonderausgaben gemäß § 18 EStG betrachtet habe. Der ursprüngliche Sachverhalt, nämlich die Zahlungen des Bw an die PVAng, habe sich bis dato nicht geändert. Geändert habe sich nur die rechtliche Beurteilung dieser Zahlungen im Jahr 2001. Es sei erkannt worden, dass der Bw gemäß GSVG pflichtversichert sei. Daraus habe sich ergeben, dass die Zahlungen des Bw nicht unter § 17 ASVG fallen. Hätte das Finanzamt den ursprünglichen Sachverhalt richtig beurteilt, so wäre überhaupt keine Rückabwicklung erforderlich gewesen, d.h. das von der Behörde behauptete neue Ereignis wäre überhaupt nicht eingetreten. Dass sich die Finanzbehörde auf die rechtliche Beurteilung einer anderen Behörde verlassen habe, enthebe sie nicht von ihrer Verantwortung der richtigen rechtlichen Beurteilung.
In der am 27. April 2006 abgehaltenen Berufungsverhandlung legte der steuerliche Vertreter des Bw erneut seinen Standpunkt zur Frage des Vorliegens eines rückwirkenden Ereignisses sowie zum Eintritt der Verjährung dar. Ferner betonte der steuerliche Vertreter, dass die Weiterversicherung nicht "storniert", sondern ohne Zutun des Bw ex lege weggefallen sei. Der vorliegende Fall sei auch nicht vergleichbar mit der im Schrifttum als Beispiel eines rückwirkenden Ereignisses genannten späteren Vergütung von als außergewöhnliche Belastung geltend gemachten Kosten.
Der Vertreter des Finanzamtes führte u.a. aus, dass es gleichgültig sei, ob es sich um eine Stornierung der Weiterversicherung handle oder ob diese ex lege weggefallen sei. Für das Finanzamt habe sich durch eine abweichende Vorfragenbeurteilung eine konstitutiv andere Rechtslage ergeben. Durch die Änderung der gegenständlichen Bescheide sei die materiell richtige Rechtslage hergestellt worden.
Über die Berufung wurde erwogen:
1. Gemäß § 295a BAO kann ein Bescheid auf Antrag der Partei oder von Amts wegen insoweit abgeändert werden, als ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruchs hat.
Welchen Ereignissen bezogen auf den Zeitpunkt des Entstehens des Abgabenanspruches Rückwirkung zukommt, ist eine Frage des Inhaltes bzw. der Auslegung der Abgabenvorschriften (Ritz, Bundesabgabenordnung Kommentar³, § 295a Tz 4).
Gemäß § 18 Abs. 1 EStG 1988 können bestimmte Ausgaben bei der Ermittlung des Einkommens als Sonderausgaben abgezogen werden. Gemäß Abs. 1 Z 2 leg.cit. sind dies u.a. Beiträge zu einer freiwilligen Pensionsversicherung; dazu zählt auch die freiwillige Weiterversicherung in der gesetzlichen Pensionsversicherung (vgl. Doralt, EStG4, § 18 Tz 80).
Sonderausgaben sind private Ausgaben, die das Gesetz aus sozialen, wirtschafts- oder kulturpolitischen Motiven zum Abzug zulässt (Doralt, EStG4, § 18 Tz 1). Daraus folgt, dass die wirtschaftliche Belastung des Einkommens mit Beiträgen im Sinne des § 18 EStG Anlass für die steuerliche Berücksichtigung war (Taucher, Das Zufluss - Abfluss - Prinzip, S. 59). Ausgaben können daher nur mit jenem Betrag als Sonderausgaben geltend gemacht werden, der den Steuerpflichtigen tatsächlich und endgültig wirtschaftlich belastet (vgl. VwGH 28.10.1981, 3698/80). Stehen den verausgabten Beträgen im Sinne des § 18 EStG Rückerstattungen (Rückzahlungen) gegenüber, kann insofern von einer wirtschaftlichen Belastung nicht mehr gesprochen werden (Taucher, a.a.O.).
Erhält der Steuerpflichtige die Sonderausgaben in einem späteren Veranlagungszeitraum zurück, weil die Zahlung irrtümlich oder zu Unrecht erfolgt ist, dann hat bereits die Zahlung nicht die Voraussetzungen der entsprechenden Sonderausgabe erfüllt. Die Sonderausgabe wurde zu Unrecht geltend gemacht. Nach Maßgabe der verfahrensrechtlichen Möglichkeiten ist daher die Veranlagung des Jahres, in dem die Zahlung erfolgt ist, zu korrigieren bzw. zu ändern. Eine solche verfahrensrechtliche Möglichkeit bietet § 295a BAO (vgl. Doralt, EStG4, § 18 Tz 21; Wiesner - Atzmüller - Grabner - Leitner - Wanke, EStG, § 18 Anm 160).
Im Jahr 2001 wurde die freiwillige Weiterversicherung des Bw bei der PVAng storniert bzw. ist diese durch die rückwirkende Einbeziehung in die Pflichtversicherung nach dem GSVG kraft Gesetzes rückwirkend erloschen und galten damit die hiefür entrichteten Beiträge als zu Ungebühr entrichtet (vgl. die Erläuterungen zu § 79 Abs. 1 ASVG in der 32. ASVG Novelle). Die von Jänner 1976 bis Oktober 2000 im Rahmen der freiwilligen Weiterversicherung entrichteten Beiträge wurden daher dem Bw gutgeschrieben bzw. rückerstattet.
Damit ist ein Ereignis eingetreten, das im Sinne des § 295a BAO abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit hat.
Es geht dabei nicht um eine Änderung der rechtlichen Beurteilung eines unverändert gebliebenen Sachverhalts. Entscheidendes Ereignis ist vielmehr die Tatsache der Rückerstattung der in den Jahren 1976 bis 2000 geleisteten Beiträge. Mit dieser im Jahr 2001 erfolgten Rückerstattung ist das in § 18 Abs. 1 EStG für die Berücksichtigung von Sonderausgaben normierte Tatbestandsmerkmal des Vorliegens von "Ausgaben" weggefallen. Dieses Ereignis hat abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit, weil sich auf Grund der Rückerstattung herausgestellt hat, dass es in den betreffenden Jahren hinsichtlich der jeweils geleisteten Beiträge an einer tatsächlichen und endgültigen wirtschaftlichen Belastung für den Bw fehlt.
Aus der Auslegung der Abgabenvorschriften, konkret des § 18 Abs. 1 EStG 1988, folgt daher, dass mit der Rückerstattung der vom Bw von 1976 bis 2000 entrichteten Beiträge zur freiwilligen Weiterversicherung ein Tatbestandsmerkmal für den Sonderausgabenabzug mit Wirkung für die Vergangenheit weggefallen ist, weshalb die Voraussetzungen für eine Änderung der vom Sonderausgabenabzug betroffenen Bescheide gemäß § 295a BAO gegeben sind (vgl. BFH 28.5.1998, X R 7/96, BStBl 1999 II S. 95 betr. Rückerstattung von als Sonderausgaben geltend gemachten Vorsorgeaufwendungen; BFH 7.7.2004, XI R 10/04, BStBl 2004 II S. 1058 betr. Erstattung von als Sonderausgaben berücksichtigter Kirchenbeiträge).
Was die Höhe der zurückbezahlten Beiträge betrifft, ist der UFS in der Entscheidung vom 6. September 2004 dem Begehren des Bw folgend davon ausgegangen, dass das bei der PVAng aus der Stornierung der Weiterversicherung entstandene Guthaben von 1.787.650,90 S und die Beitragsnachforderung der SVA von 1.108.618,92 S getrennt voneinander zu sehen sind und das Guthaben mit einem Betrag in Höhe der Beitragsnachforderung zu deren Tilgung verwendet wurde. Durch diese Verwendung des Guthabens ist es sowohl zu einem Zufluss der erstatteten Sonderausgaben als auch zu einem Abfluss der Beitragsnachzahlung gekommen. Der für die Änderung gemäß § 295a BAO maßgebende Rückerstattungsbetrag entspricht daher ungeachtet der Verrechnung mit der Beitragsnachforderung der SVA dem gesamten aus der Stornierung der Weiterversicherung resultierenden Guthaben von 1.787.650,90 S.
2. § 295a BAO ist am Tag nach Kundmachung des AbgÄG 2003 im Bundesgesetzblatt, somit am 20. Dezember 2003, in Kraft getreten. § 295a BAO ist eine Verfahrensvorschrift und ist daher ab In-Kraft-Treten auch dann anzuwenden, wenn der betroffene Bescheid vor In-Kraft-Treten ergangen ist, sowie auch dann, wenn das rückwirkende Ereignis vor In-Kraft-Treten eingetreten ist (Ritz, a.a.O., § 295a Tz 47).
Die Voraussetzungen für die Anwendung des § 295a BAO in zeitlicher Hinsicht sind daher gegeben.
3. Gemäß § 302 Abs. 1 BAO sind Abänderungen von Bescheiden grundsätzlich bis zum Ablauf der Verjährungsfrist zulässig.
3.1. Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist bei der Einkommensteuer fünf Jahre.
Gemäß § 208 Abs. 1 lit. e BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 295a BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem das Ereignis eingetreten ist.
Für Abänderungen nach § 295a BAO ist daher in § 208 BAO ein spezieller Verjährungsbeginn vorgesehen. § 208 Abs. 1 lit. e BAO stellt verjährungsmäßig den Eintritt eines rückwirkenden Ereignisses dem Wegfall der Ungewissheit im Sinne des § 208 Abs. 1 lit. d gleich. Dadurch sind Abänderungen gemäß § 295a auch dann aus Verjährungssicht zulässig, wenn die vom Jahr des Entstehens des Abgabenanspruches abgeleitete Bemessungsverjährungsfrist bereits abgelaufen ist (Ritz, a.a.O., § 208 Tz 5).
Da das konkret für eine Änderung nach § 295a BAO Anlass gebende Ereignis, nämlich die Rückerstattung der in Vorjahren als Sonderausgaben abgesetzten Beträge, im Jahr 2001 eingetreten ist, war die Verjährungsfrist bei Erlassung der angefochtenen Bescheide im November 2004 noch nicht abgelaufen.
3.2. Änderungen gemäß § 295a BAO sind ferner nur dann zulässig, wenn die sog. absolute Verjährung nach § 209 Abs. 3 BAO noch nicht eingetreten ist (Ritz, a.a.O., § 295a Tz 46).
Gemäß § 209 Abs. 3 BAO in der bei Erlassung der angefochtenen Bescheide noch geltenden Fassung verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabenanspruches (die Verkürzung der absoluten Verjährungsfrist durch das SteuerreformG 2005, BGBl. I 2004/57 ist mit 1. Jänner 2005 in Kraft getreten; Ritz, a.a.O., § 209 Tz 36).
Gemäß § 4 Abs. 2 lit. a Z 2 BAO entsteht der Abgabenanspruch bei der Einkommensteuer für die zu veranlagende Abgabe mit Ablauf des Kalenderjahres, für das die Veranlagung vorgenommen wird.
Die gegenständliche Beitragsrückvergütung betrifft Einkommensteuer für die Jahre 1976 bis 2000. Für Einkommensteuer ab 1989 ist die absolute Verjährungsfrist Ende 2004 und später bzw. noch gar nicht abgelaufen. Die angefochtenen, Einkommensteuer für die Jahre 1989 bis 2000 betreffenden Bescheide wurden im November 2004 und somit vor Eintritt der absoluten Verjährung erlassen.
4. Änderungen gemäß § 295a BAO liegen im Ermessen der Abgabenbehörde (Ritz, a.a.O., § 295a Tz 38).
Die Rechmäßigkeit von Ermessensentscheidungen ist unter Bedachtnahme auf die Bestimmung des § 20 BAO zu beurteilen. Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von "Angemessenheit" in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Betriff "Zweckmäßigkeit" das "öffentliche Interesse insbesondere an der Einhebung der Abgaben" beizumessen (zB VwGH 25.3.1992, 90/13/0238).
Wie bereits oben dargelegt, bezweckt § 18 EStG 1988 die steuerliche Berücksichtigung bestimmter, zu einer wirtschaftlichen Belastung des Einkommens führender privater Ausgaben. Es würde dem Zweck dieser Norm zuwiderlaufen, eine Steuerminderung zu gewähren, obwohl eine wirtschaftliche Belastung letztlich nicht eingetreten ist. Auch wäre dies jenen Steuerpflichtigen gegenüber nicht gerechtfertigt, die mit solchen Ausgaben endgültig belastet sind. Die aus den Bescheidänderungen resultierenden Abgabennachforderungen sind mit Beträgen zwischen 39.499,90 S (2.870,57 €) und 67.950,01 S (4.938,12 €) jährlich auch nicht als geringfügig zu bezeichnen.
Das öffentliche Interesse an der Vollziehung der Abgabengesetze sowie der Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung sind daher über die Interessen des Bw zu stellen. Damit ist dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit einzuräumen.
Da das Finanzamt aus den dargelegten Gründen die Einkommensteuerbescheide 1989 bis 2000 zu Recht gemäß § 295a BAO geändert hat, war die Berufung spruchgemäß abzuweisen.
Wien, am 28. April 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 18 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Sonderausgaben, Rückerstattung, rückwirkendes Ereignis |
Verweise: | BFH 28.05.1998, X R 7/96, BStBl II 1999, 95 |