UFS RV/0550-I/05

UFSRV/0550-I/0527.3.2006

Differenzbetrag bei Anspruchsverzinsung (Abgabenbetrag minus Vorsoll oder minus Vorauszahlung)

 

Entscheidungstext

 

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vom 4. Oktober 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Landeck Reutte vom 28. September 2005 über die Festsetzung von Anspruchzinsen 2003 entschieden:

Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.

Der angefochtene Bescheid bleibt unverändert.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 28. September 2003 wurden der Abgabepflichtigen Anspruchszinsen in Höhe von 589,36 € für eine mit Bescheid vom selben Tag festgesetzte Körperschaftsteuernachforderung für 2003 in Höhe von 17.351,42 € für den Verzinsungszeitraum 1.10.2004 bis 28.9.2005 vorgeschrieben.

Die Nachforderung an Körperschaftsteuer 2003 ergab sich im Zuge einer abgabenbehördlichen Nachschau bzw. aufgrund einer berichtigten Körperschaftsteuererklärung der Bw. In einem gemäß § 303 Abs. 4 BAO wiederaufgenommenen Verfahren wurde durch einen neuen Sachbescheid (§ 307 BAO) die Körperschaftsteuer mit 26.340,89 € statt mit 8.989,47 € laut Erstbescheid festgesetzt.

Gegen den Bescheid über die Festsetzung von Anspruchzinsen 2003 wurde rechtzeitig Berufung erhoben. Darin wird ausgeführt, dass im Laufe des Jahres 2003 Körperschaftsteuervorauszahlungen von 10.013,84 € geleistet worden seien. Die Bemessungsgrundlage für die Anspruchsverzinsung betrage daher 16.327,05 €, die daraus resultierenden Zinsen würden lediglich 563,05 betragen, was insgesamt zu einer Gutschrift von 35,31 € führen müsse.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 5.10.2005 wurde die Berufung mit der Begründung abgewiesen, dass gemäß § 205 Abs. 1 BAO der sich im wiederaufgenommenen Körperschaftsteuerverfahren 2003 ergebende Nachforderungsbetrag von 17.351,42 € der Anspruchszinsenberechnung zu Grunde zu legen sei. Frühere Anspruchszinsenbescheide würden wegen neu ergangener Bescheide nicht abgeändert oder durch neue ersetzt.

Daraufhin stelle die Bw. einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde II. Instanz mit folgender Begründung: "Gemäß § 205 Abs. 6 BAO hat der Steuerpflichtige das Recht, einen Antrag auf Herabsetzung der Anspruchszinsen zu stellen, soweit die Zinsen die Zeit vor Eintritt des rückwirkenden Ereignisses betreffen. § 205 Abs. 6 BAO ist anwendbar, wenn die Berücksichtigung in einem neuen Sachbescheid nach § 307 Abs. 1 BAO erfolgt. Deshalb beträgt die Bemessung für die Anspruchsverzinsung entsprechend der Berufung 16.327,05 €. Im Übrigen wird auf die Begründung der Berufung hingewiesen."

Über die Berufung wurde erwogen:

Die für den Berufungsfall wesentlichen Bestimmungen des § 205 BAO betreffend die Verzinsung für Einkommen- bzw. Körperschaftsteuernachforderungen und -gutschriften lauten wie folgt:

(1) Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, die sich aus Abgabenbescheiden unter Außerachtlassung von Anzahlungen (Abs. 3), nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe ergeben, sind für den Zeitraum ab 1. Oktober des dem Jahr des Entstehens des Abgabenanspruchs folgenden Jahres bis zum Zeitpunkt der Bekanntgabe dieser Bescheide zu verzinsen (Anspruchszinsen). Dies gilt sinngemäß für Differenzbeträge aus

a) Aufhebungen von Abgabenbescheiden,

b) Bescheiden, die aussprechen, dass eine Veranlagung unterbleibt,

c) auf Grund völkerrechtlicher Verträge oder gemäß § 240 Abs. 3 erlassenen Rückzahlungsbescheiden.

(2) Die Anspruchszinsen betragen pro Jahr 2% über dem Basiszinssatz. Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, sind nicht festzusetzen. Anspruchszinsen sind für einen Zeitraum von höchstens 42 Monaten festzusetzen.

§ 205 BAO gilt somit nur für Differenzbeträge an Einkommensteuer und Körperschaftsteuer. Differenzbeträge sind im wesentlichen Nochforderungen und Gutschriften, die sich u.a. insbesondere aus erstmaligen Steuerfestsetzungen, Änderungen und Berichtigungen von Bescheiden (§§ 295, 293, 293b BAO) oder neuen Sachentscheidungen (§ 307 BAO) ergeben. Die Differenzbeträge ergeben sich durch Gegenüberstellung der Abgabenschuld mit dem Vorsoll, also mit der Vorauszahlung oder mit der bisher festgesetzten Abgabe. Wenn kein Vorsoll besteht, ist der Differenzbetrag mit der festgesetzten Abgabe identisch.

Im vorliegenden Fall wurde bei der Veranlagung der Körperschaftsteuer 2003 die Abgabe mit 8.989,47 € festgesetzt. Da die Vorauszahlungen 10.013,84 € betrugen, ergab dies eine Abgabengutschrift in Höhe von 1.024,37 €. Eine Verzinsung der Abgabengutschrift (somit zugunsten der Bw.) unterblieb aber aufgrund der Bestimmung des § 205 Abs. 2 BAO, wonach Anspruchszinsen, die den Betrag von 50 Euro nicht erreichen, nicht festzusetzen sind.

Die Bw. vermeint nunmehr, dass diese unterbliebene Anspruchsverzinsung, die zu ihrem Vorteil gewesen wäre, mit dem nunmehr bekämpften Bescheid nachgeholt hätte werden müssen. Dies, indem der der Anspruchsverzinsung zugrunde liegende Differenzbetrag nicht durch Gegenüberstellung des Abgabenbetrages des neuen Sachbescheides mit dem Abgabenbetrag des Erstbescheides ( 26.340,89 - 8.989,47 = 17.351,42), sondern durch Gegenüberstellung des Abgabenbetrages des neuen Sachbescheides mit den Vorauszahlungen (26.340,89 - 10.013,84 = 16.327,05 €) zu ermitteln gewesen wäre.

Die Ansicht der Bw. findet im Gesetz keine Deckung. Wie bereits ausgeführt, ist Bemessungsgrundlage die jeweilige Nachforderung oder Gutschrift. Jede Nachforderung bzw. Gutschrift löst (sofern nicht § 205 Abs. 2 BAO zur Anwendung kommt) einen Anspruchszinsenbescheid aus. Der Zinsenbescheid ist an die im Spruch des zur Nachforderung oder Gutschrift führenden Bescheides ausgewiesene Nachforderung bzw. Gutschrift gebunden (vgl. Ritz , BAO-Kommentar, § 205, Tz 32). Die Wortfolge des § 205 "nach Gegenüberstellung mit Vorauszahlungen oder mit der bisher festgesetzt gewesenen Abgabe" kann keinesfalls so interpretiert werden, dass der Finanzbehörde hier ein Wahlrecht eingeräumt wäre, auf die Vorauszahlungen oder ein beliebiges Vorsoll zurückzugehen. Wie das Finanzamt in seiner Berufungsvorentscheidung richtig ausführt, werden frühere Anspruchszinsenbescheide wegen neu ergangener Bescheide nicht abgeändert oder durch neue ersetzt. Dies gilt auch für nicht ergangene Anspruchszinsenbescheide. Diese werden nicht durch Einbeziehen in den neuen Anspruchszinsenbescheid nachgeholt, was sich in den Fällen des § 205 Abs. 2 BAO sowohl zum Vorteil als auch - wie im Berufungsfall - zum Nachteil des Pflichtigen auswirken kann.

Die von der Bw. begehrte Durch- bzw. Anrechnung würde zudem zu einer Gutschrift von 35,31 € führen, während die aufgrund der Bestimmung in § 205 Abs. 2 BAO unterbliebene Festsetzung von Anspruchszinsen zu einer Gutschrift von 29,38 € geführt hätte. Ausgehend vom 1.10.2004 bis zur Abgabenfestsetzung am 29.7.2005 betrug der zinsrelevante Zeitraum nämlich nur 302 Tage. Die Bw. hat bei ihren Überlegungen außer Acht gelassen, dass sie in der Zeit zwischen der Erstfestsetzung und dem neuen Sachbescheid über ihre Abgabengutschrift (und damit einem Teil der geleisteten Vorauszahlungen) wieder verfügen konnte und daher die Anspruchsverzinsung für einen Betrag in Höhe von 1.024,37 € in der Zeit 29.7.2005 bis 28.9.2005 hinfällig gewesen wäre. Eine Gegenüberstellung mit den Vorauszahlungen würde daher auch zu einem unrichtigen Ergebnis führen.

Im Vorlageantrag vom 11.10.2005 hat die Bw. schließlich einen Antrag gemäß § 205 Abs. 6 BAO auf Herabsetzung der Anspruchszinsen gestellt. Gemäß § 280 BAO ist im Berufungsverfahren auf diesen Antrag Bedacht zu nehmen.

Gemäß § 205 Abs. 6 idF AbgÄG 2004, BGBl I 2004/180 sind auf Antrag des Abgabepflichtigen Anspruchszinsen insoweit herabzusetzen bzw. nicht festzusetzen, als der Differenzbetrag (Abs. 1) Folge eines rückwirkenden Ereignisses (§ 295a) ist und die Zinsen die Zeit vor Eintritt des Ereignisses betreffen.

Ein Antrag nach § 205 Abs. 6 BAO setzt u.a. voraus, dass die Nachforderung Folge eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 295a BAO ist. Ein rückwirkendes Ereignis im Sinne des § 295a BAO liegt vor, wenn ein Ereignis eintritt, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit auf den Bestand oder Umfang eines Abgabenanspruches hat. Die Rückwirkung von Ereignissen ergibt sich aus den Abgabevorschriften (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 295a, Tz 6ff und die dort angeführten Beispiele). § 295a BAO ist der Verfahrenstitel zur Durchbrechung der (materiellen) Rechtskraft von vor Eintritt des Ereignisses erlassenen Bescheiden. § 205 Abs. 6 BAO gilt aber unabhängig davon, mit welchem Verfahrenstitel die abgabenrechtliche Berücksichtigung des nach Entstehen des Abgabenanspruches eingetretenen Ereignisses, das abgabenrechtliche Wirkung für die Vergangenheit hat, erfolgt. Das Antragsrecht gilt somit nicht nur für aus Abänderungen gemäß § 295a resultierenden Nachforderungen, sondern beispielsweise auch, wenn die Berücksichtigung des rückwirkenden Ereignisses in einem neuen Sachbescheid (§ 307 Abs. 1, bei Weideraufnahme eines Verfahrens) erfolgt (vgl. Ritz, BAO-Kommentar, § 205 Tz 41).

Die Bw. begründet ihren Antrag mit der zitierten Kommentarmeinung von Ritz, ohne weitere Argumente anzuführen. Mit Vorhalt vom 16.2.2006 wurde die Bw. daher ersucht mitzuteilen, auf welches rückwirkende Ereignis im Sinne des § 295a BAO sie sich in ihrem Antrag beruft. Dieser Vorhalt blieb unbeantwortet. Wie die Einsichtnahme in den Arbeitsbogen des Betriebsprüfers ergibt, beruht der Nachforderungsbetrag allein auf der steuerlichen Nichtanerkennung der AfA des Unternehmensmehrwertes. Die Steuernachforderung aufgrund eines Mehrergebnisses bei einer abgabenbehördlichen Prüfung, die in der Regel durch einen neuen Sachbescheid gemäß § 307 Abs. 1 BAO erfolgt, ist nicht in jedem Fall auch die Folge eines rückwirkenden Ereignisses im Sinne des § 295a BAO. So stellt auch im vorliegenden Fall das im Zuge der Nachschau hervorgekommene Mehrergebnis kein nachträgliches Ereignis dar, vielmehr hat der Abgabenanspruch aufgrund der Gesetzeslage dieses Mehrergebnis von Beginn an bereits umfasst. Es hat sich somit nicht der Abgabenanspruch nachträglich erhöht, sondern lediglich die Abgabenfestsetzung, die aufgrund einer unrichtigen Erstklärung zunächst zu niedrig erfolgt ist.

Darüberhinaus ist nicht erkennbar, inwieweit dieser Antrag geeignet sein soll, die mit Bescheid vom 28.9.2005 festgesetzten Anspruchszinsen gerade um den strittigen Betrag von 35,31 € zu vermindern bzw. die seinerzeit unterbliebene Festsetzung von Gutschriftszinsen in Höhe von 35,31 € nachzuholen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Innsbruck, am 27. März 2006

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 205 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 205 Abs. 6 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 295a BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Anspruchszinsen, Anspruchsverzinsung

Stichworte