Investitionszuwachsprämie - "Behaltefrist" für prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw., vertreten durch E.GmbH, vom 12. Jänner 2005 gegen den Bescheid des Finanzamtes Wien 23 vom 9. Dezember 2004 betreffend Investitionszuwachsprämie gemäß § 108e EStG 1988 für das Jahr 2002 entschieden:
Der Berufung wird Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Investitonszuwachsprämie wird für das Jahr 2002 entsprechend der berichtigten Erklärung vom 15. Dezember 2003 festgesetzt mit Euro 66.163,34.
Entscheidungsgründe
Die Berufungswerberin (Bw.) bildet als Organträger mit der XLG als Organgesellschaft eine körperschaft- und umsatzsteuerliche Organschaft. Die XLG kauft von der Bw. Wirtschaftsgüter (insbesondere Büromaschinen) und verleast diese an Endkunden. Die Bw. als Organträger hat im Jahr 2002 eine Investitionszuwachsprämie gem. § 108e EStG 1988 vom Investitionszuwachs der Organgesellschaft iHv € 66.163,34 geltend gemacht.
Im Zuge der bei der Bw. gem. § 144 Abs. 1 BAO durchgeführten Nachschau zur Überprüfung der Berechnungsgrundlagen der für das Jahr 2002 geltend gemachten Prämie wurde folgende Feststellung getroffen. Da ein Teil der Wirtschaftsgüter, die der Berechnung zugrunde gelegt worden seien, noch im Jahr der Anschaffung aus dem Betriebsvermögen wieder ausgeschieden worden seien, weil sie an die Muttergesellschaft zurückgegeben worden seien, stellen diese Wirtschaftsgüter nach Ansicht der Betriebsprüfung (Bp) kein Anlagevermögen dar. Gem. § 108e EStG seien nur Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens prämienbegünstigt. Aufgrund des Ausscheidens noch im Jahr der Anschaffung seien die Voraussetzungen des § 108e EStG nicht erfüllt, sodass die geltend gemachte Investitionszuwachsprämie nicht zu gewähren sei.
Das zuständige Finanzamt folgte der Feststellung der Bp und setzte die Prämie für das Jahr 2002 mit Null fest. Der Bescheid erging mit Datum 9. Dezember 2004.
Mit Schreiben vom 12. Jänner 2005 erhob die Bw. gegen diesen Bescheid das Rechtsmittel der Berufung.
In der Begründung führte die Bw. zur Vertriebsstruktur des Konzerns aus. Die Bw. verkaufe als Kommissionär der ALtd ua A-Produkte an die XLG. In weiterer Folge verlease die Organgesellschaft die angekauften Produkte an Endkunden, wobei sie wirtschaftlicher Eigentümer der Produkte bleibe und diese daher in ihrem Anlagevermögen aktiviere. Da aus Marketinggründen die XLG am Markt nicht selbst nach außen in Erscheinung trete, erfolge das Verleasen durch die Bw. im eigenen Namen aber auf Rechnung der Organgesellschaft, der XLG. Dieses Geschäftsmodell stelle eine seit vielen Jahren bewährte, den Markterfordernissen entsprechende und lange vor Einführung der Investitionszuwachsprämie implementierte und betriebsgeprüfte Vertriebsstruktur des Konzerns dar. Unter Bezug auf die gesetzlichen Voraussetzungen für die Geltendmachung der Prämie führte die Bw. u. a. zum Begriff Anlagevermögen im Einkommensteuerrecht aus, dass die handelsrechtlichen Vorschriften auch für Zwecke des Einkommensteuergesetzes heranzuziehen seien. Im Handelsrecht zählten diejenigen Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen, die dazu bestimmt seien, dem Geschäftsbetrieb zu dienen (§ 198 Abs. 2 HGB). Entscheidend sei somit die Zweckbestimmung. Es sei zu prüfen, welche Funktion der Gegenstand für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens ausübe. Übe er eine mehrfach erfüll- und damit wiederholbare bzw. eine als Dauerleistung anzusehende Funktion aus, liege Anlagevermögen vor. Diese Zweckbestimmung könne anhand objektiver und subjektiver Kriterien ermittelt werden (Bertl/Hirschler, RWZ 2001, 70). Die zeitliche Komponente könne im Handelsrecht allenfalls ein Indiz für die Zuordnung darstellen. Eine schematische Zuordnung bei einer voraussichtlichen Betriebszugehörigkeit von mehr als einem Jahr sei jedoch abzulehnen. Nach Zitierung verschiedenster, vor allem deutscher, Judikatur zum Thema kommt die Bw. zum Schluss, dass weder in der Judikatur noch im Schrifttum die Ansicht der Bp geteilt werde, dass für die Qualifizierung als Anlagevermögen nur auf eine einjährige Zugehörigkeit abzustellen sei.
Bei den vom Finanzamt im Rahmen der Nachschau als Umlaufvermögen gewerteten Wirtschaftsgütern der XLG handle es sich ausschließlich um solche, bei denen es im Zeitpunkt der Aktivierung im Anlagevermögen am Willen zur sofortigen Bereitstellung zum Verkauf gefehlt habe. Bei all diesen Wirtschaftsgütern sei daher im Sinne der oben dargestellten Definition von Anlagevermögen auszugehen. Dies entspräche ganz dem betriebswirtschaftlichen Konzept der XLG, die ihren Ertrag erst aus der Gebrauchsüberlassung dieser Wirtschaftsgüter über einen bestimmten Zeitraum generiere. Dieser betriebswirtschaftliche Wille sei auch eindeutig nach außen hin zum Ausdruck gebracht worden, seien doch über alle in Frage stehenden Wirtschaftsgüter Leasingverträge mit Dritten abgeschlossen worden. Auch wenn es im Leasinggeschäft immer wieder vorkäme, so auch im gegenständlichen Fall, dass Wirtschaftsgüter vor der geplanten Beendigung des Leasingvertrages, mithin uU auch innerhalb eines Jahres nach Anschaffung des Wirtschaftsgutes, aus dem Anlagevermögen wieder ausscheiden, etwa weil die Leasingnehmer das geleaste Wirtschaftsgut vorzeitig ankaufen oder aber auch das Leasinggut dem Leasinggeber aus unterschiedlichsten Gründen vorzeitig zurückgeben wollen, sodass sie den Vertrag mit dem Leasinggeber stornieren, seien diese vorzeitigen Beendigungen des Leasingvertrages im Zeitpunkt der Aktivierung weder gewollt noch beabsichtigt. Sowohl aus der Natur des Leasinggeschäftes als solchem (objektive Komponente), wie auch aufgrund des tatsächlichen Willens der XLG auf länger dauernde Gebrauchsüberlassung ihrer Leasinggüter an Leasingnehmer (subjektive Komponente) ergebe sich die klare Zweckbestimmung, dass diese Leasinggüter dem Geschäftsbetrieb länger zu dienen bestimmt seien und damit ihre klare Zuordnung zum Anlagevermögen. Indem die Behörde erster Instanz mit dem bloßen Argument, ein Investitionszuwachs sei deshalb zu versagen, weil Wirtschaftsgüter als prämienbegünstigt berücksichtigt wurden, die innerhalb eines Jahres wieder verkauft worden seien - somit nicht abnutzbares Anlagevermögen darstellten - belaste sie den Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Die Bw. beantragt der Berufung stattzugeben und die Investitionszuwachsprämie für das Wirtschaftsjahr 2002 iHv € 66.163,64 festzusetzen.
Die Bp verwies in ihrer diesbezüglichen Stellungnahme vom 10. Februar 2005 auf die im Bp-Bericht getroffene Feststellung samt Begründung.
Im weiteren Verfahren vor dem unabhängigen Finanzsenat wurde in Besprechungen zwischen der Referentin und der Betriebsprüferin sowie deren Gruppenleiter durch die Prüferin ergänzend festgestellt, dass die Wirtschaftsgüter grundsätzlich für das Leasing gedacht gewesen seien. Wie den der Bp vorgelegten Listen zu entnehmen gewesen sei, seien die aktivierten Aufwendungen für die noch im Anschaffungsjahr ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter nur für einen Teil der Wirtschaftsgüter im Wege der Absetzung für Abnutzung (Afa) abgesetzt worden. Des weiteren sei für einen Teil dieser Wirtschaftsgüter in den Listen zwar der Abgang jedoch kein Anschaffungswert verzeichnet gewesen. Das für die Anerkennung der Investitionszuwachsprämie seitens der Bp als schädlich beurteilte Ausscheiden der Wirtschaftsgüter im Jahr der Anschaffung resultiere daraus, dass Kunden Leasinggüter retourniert hatten.
In der Folge wurde die Bw. durch die Referentin ersucht, beispielhaft für die seitens der Bp nicht als Anlagevermögen anerkannten Wirtschaftsgüter des Jahres 2000 darzulegen, dass vor dem gelisteten Abgang der Wirtschaftsgüter tatsächlich eine Aufnahme in das Anlagevormögen erfolgt ist und aus welchem Grund für einen Teil der Wirtschaftsgüter keine Afa geltend gemacht worden ist.
Telefonisch teilte der steuerliche Vertreter der Bw. der Referentin mit, dass sämtliche Wirtschaftsgüter im Anlageverzeichnis erfasst worden seien. Mit Schreiben vom 7. Dezember 2005 wurden zur Glaubhaftmachung der Angaben hinsichtlich der Aktivierung und der Afa der in Rede stehenden Wirtschaftsgüter die entsprechenden Buchhaltungsausdrucke für das Jahr 2000 vorgelegt. Daraus sei ersichtlich, dass die bereits im Anschaffungsjahr wieder abgegangenen Wirtschaftsgüter sowohl Gegenstand einer Aktivierung als auch einer Abschreibung gewesen seien.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gem. § 108e Abs. 1 EStG 1988 kann für den Investitionszuwachs bei prämienbegünstigten Wirtschaftsgütern eine Investitionszuwachsprämie von 10% geltend gemacht werden. Voraussetzung ist, dass die Aufwendungen für die Anschaffung oder Herstellung im Wege der Absetzung für Abnutzung (§§ 7 und 8) abgesetzt werden. Gem. Abs. 2 sind prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter ungebrauchte körperliche Wirtschaftsgüter des abnutzbaren Anlagevermögens. Die Zugehörigkeit zum Anlagevermögen bestimmt sich auch für steuerliche Belange primär aus § 198 Abs. 2 HGB, worin es heisst: "Als Anlagevermögen sind die Gegenstände auszuweisen, die bestimmt sind, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen".
Die Bw. macht als Organträgerin der XLG für deren Investitionszuwächse im Jahr 2002 die Investitionszuwachsprämie geltend. Strittig ist, ob für Wirtschaftsgüter, die noch im Jahr der Anschaffung aus dem Betriebsvermögen ausscheiden und die dadurch nach Ansicht der Abgabenbehörde erster Instanz nicht zum Anlagevermögen gehören, die Investitionszuwachsprämie zusteht.
Den dem unabhängigen Finanzsenat vorliegenden Unterlagen ist zu entnehmen, dass die Organgesellschaft im fraglichen Zeitraum keine andere Tätigkeit als die des Leasings entfaltet hat. Die im Rahmen der Geschäftstätigkeit der XLG angeschafften und aktivierten Wirtschaftsgüter waren, wie die Bw. in der Berufungsschrift ausführt und seitens der Bp nicht in Abrede gestellt wird, von Beginn an nicht für den Verkauf sondern für die Gebrauchsüberlassung in Form des Leasings vorgesehen. Die Wirtschaftsgüter waren somit als Leasinggüter grundsätzlich dafür bestimmt dem Geschäftsbetrieb dauerhaft, d. h. zumindest für den Leasingzeitraum, zu dienen.
Die XLG ist gegenüber ihren Kunden wirtschaftliche Eigentümerin der Produkte verblieben, sodass grundsätzlich die Afa zusteht. In den der Bp vorgelegenen Unterlagen waren zu den nicht anerkannten Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens nicht sämtliche Details enthalten. Zum Teil fehlten Angaben über die Anschaffung, den Anschaffungswert oder die Afa. Der Nachweis, dass sämtliche für die Bemessung der Investitionsprämie zu berücksichtigenden Wirtschaftsgüter des Jahres 2000 sowohl aktiviert als auch die Aufwendungen im Wege der Afa abgeschrieben worden sind, wurde durch die Bw. im Rechtsmittelverfahren lückenlos durch Vorlage der entsprechenden ergänzenden Buchhaltungsunterlagen erbracht. Aufgrund der für das Jahr 2000 vorgelegten Unterlagen war mit hoher Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die für die Jahre 1999, 2001 und 2002 vorliegenden Daten ebenso ermittelt worden waren. Demzufolge wird in freier Beweiswürdigung für sämtliche für den Prüfungszeitraum maßgeblichen Jahre als erwiesen angenommen, dass die für die Bemessung der Investitionszuwachsprämie zu berücksichtigenden Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens ordnungsgemäß aktiviert und die Aufwendungen für die Anschaffung im Wege der Afa abgesetzt worden sind.
Des weiteren ist die Tatsache, dass ein Teil der Wirtschaftsgüter, die der Bemessung der Investitionszuwachsprämie für das Jahr 2002 zugrunde gelegt worden sind, mitunter bereits vor Ablauf eines Jahres aus dem Anlagevermögen ausgeschieden sind, der Zuordnung dieser Wirtschaftsgüter zum Anlagevermögen nicht abträglich. Der gesetzlichen Bestimmung ist keine Anordnung zu entnehmen, dass zur Gewährung der Investitonszuwachsprämie die Wirtschaftsgüter im Sinne einer Behaltefrist für eine bestimmte Dauer im Anlagevermögen gehalten werden müssen. Vielmehr ist, wie auch aus der Formulierung im § 7 Abs. 1 EStG abzuleiten ist, auf eine "erfahrungsgemäße" Dauer der Nutzung des Wirtschaftsgutes abzustellen. Dies führt jedoch, wie der VwGH in seiner ständigen Rechtsprechung erkennt, für die Frage der Zuordnung eines Wirtschaftsgutes zum Anlagevermögen zur Zweckbestimmung des Wirtschaftsgutes. Es kommt entscheidend darauf an, ob das Wirtschaftsgut dazu bestimmt ist, dauernd dem Geschäftsbetrieb zu dienen. Diese Zweckbestimmung wird u. a. bereits aus der tatsächlichen Nutzung und aus dem Geschäftszweig des Unternehmens abzuleiten sein (s. VwGH 22.9.2000, 96/15/0207; 13.4.2005, 2001/13/0028).
Im vorliegenden Fall waren die im Prüfungszeitraum zur Bemessung der Investitionszuwachsprämie maßgeblichen, aber bereits im Jahr der Anschaffung wieder ausgeschiedenen, Wirtschaftsgüter infolge des Geschäftszweiges der Organgesellschaft nur für das Leasinggeschäft und nicht für den Handel vorgesehen. Es liegen somit Wirtschaftsgüter vor die dem Geschäftsbetrieb auf Dauer dienen sollten. Der Grund für deren Ausscheiden im Jahr der Anschaffung lag nicht im Willen der Organgesellschaft der Bw. sondern darin, dass die Leasingnehmer das geleaste Wirtschaftsgut vorzeitig ankaufen oder aus verschiedenen Gründen vorzeitig zurückgeben wollten. Die Wirtschaftsgüter stellen somit jedenfalls abnutzbares Anlagevermögen dar.
Unter Bezug auf die o. a. Ausführungen erfüllen auch die im Jahr der Anschaffung wieder ausgeschiedenen Wirtschaftsgüter die Voraussetzungen des § 108e Abs. 1 EStG und sind als prämienbegünstigte Wirtschaftsgüter zu beurteilen.
Es war somit spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, am 10. Jänner 2006
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 108e EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Schlagworte: | Zuordnung, Anlagevermögen, Zweckbestimmung, Wirtschaftsgut, Nutzung |
Verweise: |