UFS RV/0384-K/02

UFSRV/0384-K/0231.3.2005

Haftung des Geschäftsführers einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung für uneinbringliche Abgabenschuldigkeiten.

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2008/15/0085 (früher 2005/14/0060) eingebracht. Mit Erk. v. 29.4.2010 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben. Fortgesetztes Verfahren mit BE zur Zl. RV/0147-K/10 erledigt.

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der B.A., Geschäftsführerin, vertreten durch Dr.S., vom 6. November 2001 gegen den Bescheid des Finanzamtes K., vertreten durch Sch.L., vom 27. September 2001 betreffend Haftung gemäß § 9 iVm § 80 BAO entschieden:

Der Berufung wird teilweise stattgegeben. Der Haftungsbetrag wird auf € 45.525,51 eingeschränkt.

Entscheidungsgründe

Mit Bescheid vom 27. September 2001 zog das Finanzamt die Bw. als Geschäftsführerin der Firma H. Gesellschaft m.b.H., über welche am 3. Oktober 2001 das Konkursverfahren eröffnet wurde, zur Haftung für aushaftende Abgabenschuldigkeiten in Höhe von insgesamt ATS 739.091,40 heran. Die Abgabenschuldigkeiten setzten sich wie folgt zusammen:

2000 bis 2001

Umsatzsteuer

ATS 641.441,40

2000 bis 2001

Körperschaftsteuer

ATS 47.695,--

2000 bis 2001

Säumniszuschläge

ATS 14.298,--

2001

Lohnabgaben

ATS 14.879,--

2001

Pfändungsgebühren

ATS 5.186,--

2001

Stundungszinsen

ATS 15.592,--

 

SUMME

ATS 739.091,40

Begründend wurde auf die Gesetzeslage verwiesen.

In der am 6.11.2001 eingebrachten Berufung führt die Bw. aus, dass das Unternehmen infolge des Konkurses eines Großgläubigers (gemeint: Großauftraggebers) in eine schwierige finanzielle Situation geraten sei und aus der laufenden Geschäftstätigkeit ihre Zinsen für hohe Kredite nicht mehr abdecken habe können. Als Folge eines Schadens auf einer Großbaustelle sei trotz einer Betriebshaftpflichtversicherung ein hoher Selbstbehalt angefallen. Durch den hohen Mitarbeiterstand im Jahr 2000 wegen eines Großprojektes sei man in eine Schuldenspirale geraten, welche zur Konkurseröffnung geführt habe. Die Zahlungsunfähigkeit sei durch Zahlungsstockungen von Auftraggebern ausgelöst worden. Eine Saldenliste (38 Blätter), in welcher Kreditoren im Zeitraum 1999 bis 2001 aufscheinen wurde vorgelegt. Das Finanzamt ersuchte die Bw. mit Schriftsatz vom 4. Dezember 2001 um Bekanntgabe der zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel im Jahr 2001 und Nachweis deren Verwendung. Mit Eingabe vom 29. Jänner 2002 (Schriftsatz vom 25.01.2002) teilte die Bw. mit, dass die Firma zum Ende des Jahres 2000 aufgrund des Konkurses der Firma S.T. einen Forderungsausfall in Höhe von ATS 1,8 Mio. verkraften habe müssen. Zahlungen von Rechnungen wären bis zu 12 Monate verspätet erfolgt. Ein Wasserschaden auf einer Baustelle habe infolge des Selbstbehaltes zu weiteren Belastungen neben zusätzlichen Kraftfahrzeug- und Lohnkosten geführt, da laufend weitere Wasserschäden mit diesem Schadensfall in Zusammenhang gebracht worden wären und zu beseitigen waren. Schließlich sei ein Großprojekt, welches im Jahr 1997 zur Ausschreibung gelangte erst im Jahr 2000 realisiert worden. Der inzwischen geänderte Baukostenindex sei zu Lasten der Gesellschaft gegangen. Diese wirtschaftlich negative Entwicklung habe dazu geführt, dass die Primärschuldnerin seitens der Lieferanten gesperrt wurde und Lieferanten nur mehr gegen Barzahlung geliefert haben. Materialbestellungen wären jedoch notwendig gewesen, da die Gesellschaft ansonsten vertragsbrüchig und schadenersatzpflichtig geworden wäre. Ab März 2001 konnten Löhne und Verbindlichkeiten nicht mehr bezahlt werden. Folgende Unterlagen wurden vorgelegt: Kontoaufstellung Umsatzsteuer und Lohnsteuer; 2 Kassabücher; Saldenlisten von Jänner 2001 bis August 2001; Liste Debitoren - Kundenforderungen aus den Jahren 1999 bis 2001; Kreditorenliste; Zusammenstellung der Wertberichtigung Umsatzsteuer in Höhe von ATS 505.741,99; Bilanz des Jahres 1999 (für das Jahr 2000 wurde eine Bilanz nicht mehr erstellt); Kopien von Kreditverträgen und des Globalzessionsvertrages mit der Hausbank über insgesamt ATS 4,650.000,--; Kopie des Grundbuchsauszuges einer Eigentumswohnung der Bw. (Höchstbetragshypothek).

Der Primärschuldnerin wurden in der Zeit vom 14.8.1996 bis 31.1.2001 mittels Kreditverträgen und Aufstockungen Abstattungs-, Haftungs-, und Kontokorrentkredite in Höhe von insgesamt ATS 4,500.000,-- eingeräumt. Mit Schreiben der Bank vom 31.1.2001 wurde die Kreditsumme auf ATS 4,650.000,-- erhöht. Die Primärschuldnerin hat diese Kredite mit einem Zessionsvertrag vom 14.8.1996 und einer Pfandurkunde vom 6. März 2001 über die Einräumung einer Höchstbetragshypothek über ATS 2,000.000,-- an ihrer Eigentumswohnung, der Verpfändung einer fondsgebundenen Lebensversicherung und Bürgschaftserklärungen besichert.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 3. Juni 2002 hat das Finanzamt die Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründet wurde dies damit, dass aus den vorliegenden Unterlagen eine Ungleichbehandlung der Gläubiger abzuleiten sei. Daher sei die Bw. zur Haftung heranzuziehen. Am 17. Juni 2002 brachte die Bw. den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz ein.

Im Zuge des anhängigen Verfahrens brachte die Bw. mit Eingaben vom 8.1. und 12.3.2003 Schriftsätze ein, welche va die Wertberichtigung bei den Debitoren, Zahlungen an das Finanzamt und die Feststellung, dass zum Zeitpunkt der Nichtentrichtung der Lohnabgaben Löhne nicht mehr bezahlt wurden beweisen sollen. Im Schriftsatzvom 12. März 2003 führt die Bw. aus, dass die Verbindlichkeiten beim Finanzamt zum Stichtag 31.12.2000 ATS 500.000,-- und zum 31.08.2001 ATS 539.000,-- betragen hätten. In der aushaftenden Umsatzsteuerzahllast in Höhe von ATS 739.000,-- sei nicht berücksichtigt worden, dass bestehende Kundenforderungen in Höhe von ATS 302.555,69 nicht einbringlich waren und daher diese Zahllast auf ATS 436.445,-- zu reduzieren wäre. Die Bw. sei nach der Konkurseröffnung nicht mehr verpflichtet gewesen, Bilanzen zu erstellen. Dies sei Aufgabe des Masseverwalters gewesen. Der gesamte aushaftende Betrag iHv € 155.415,-- sei erst aufgrund der Vorsteuerberichtigungen im Zuge des Konkursverfahrens entstanden und eine Haftungsinanspruchnahme nicht möglich. Die Gesamtverbindlichkeiten zum 31.12.2000 und zum 30.8.2001 hätten sich von ATS 12,836.607,60 auf ATS 13,435.626,66 um ATS 599.018,92 nicht wesentlich verändert. Andererseits würden vom Masseverwalter nicht erklärte Berichtigungen die Finanzamtsverbindlichkeiten iHv ATS 500.000,-- auf ATS 239.000,-- reduzieren. Die Lohnabgaben für August bestünden nicht zu Recht, weil Löhne nicht mehr gezahlt wurden. In der diesem Schriftsatz beigefügten Stellungnahme führt die Bw. aus, dass infolge des Konkurses der Firma S.T. im Oktober 2000 Wertberichtigungen in Höhe von ATS 1,314.141,70 vorgenommen werden mussten und ein Jahresverlust iHv ATS 900.000,-- entstanden sei. Dementsprechend wäre die Körperschaftsteuervorauszahlung im Jahre 2001 mit "0" (Null) anzusetzen gewesen. Die Lohnabgaben bestünden nicht zu Recht, weil im Juni 2001 Löhne nicht mehr bezahlt wurden. Die Umsatzsteuerzahlungen für die Monate Dezember 2000 bis Juni 2001 wären um die Wertberichtigungen aus dem Konkurs dieser Firma zu bereinigen. Weiters wurden Lieferantenrechnungen nicht mehr verbucht und Kreditorenbelastungen nicht anerkannt. Dies würde zu Vorsteueransprüchen führen. Im Jahr 2000 hätten Lieferverbindlichkeiten iHv. ATS 4,247.948,70 ausgehaftet, welche nicht bezahlt wurden. Im Gegensatz dazu wären Zahlungen iHv. ATS 2,551.931,-- an das Finanzamt geleistet worden. Anhand der Darstellung der Gesamtverbindlichkeiten, Bankverbindlichkeiten und Verbindlichkeiten gegenüber der GKK ergäbe sich insgesamt, dass eine Gläubigerbevorzugung nicht stattgefunden habe. Bezüglich der Verbindlichkeiten bei der GKK weist die Bw. darauf hin, dass sie als haftungsrelevante Person freigesprochen worden sei.

Über die Berufung wurde erwogen:

Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff. bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese betreffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Gemäß § 80 Abs. 1 BAO haben die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben dafür zu sorgen, dass Abgaben aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden. Aus dem Firmenbuch ist ersichtlich, dass die Bw. im Haftungszeitraum (nämlich seit 30.1.1997) handelsrechtliche Geschäftsführerin der Primärschuldnerin war. Sie zählt damit zum Kreis der im § 80 BAO genannten Vertreter und kann daher zur Haftung gemäß § 9 BAO herangezogen werden. Die Uneinbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben steht aufgrund des Beschlusses des Handelsgerichtes Klagenfurt über die Aufhebung des Konkurses nach erfolgter Schlussverteilung fest. Die Verminderung der Haftungsschuld um € 772,77 ergibt sich aus der Quotenzahlung im Konkurs aufgrund des Verteilungsbeschlusses vom 28. Mai 2002 (Quote 0,69%). Die Nachtragsquote iHv. 0,0477% gelangte mit Rücksicht auf die Geringfügigkeit des Betrages nicht mehr zur Verteilung.

Im Haftungsverfahren ist es Aufgabe des Geschäftsführers darzutun, weshalb er nicht dafür Sorge tragen konnte, dass die Gesellschaft die angefallenen Abgaben entrichtet hat, widrigenfalls von der Abgabenbehörde eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden darf. Hat der Geschäftsführer schuldhaft seine Pflicht verletzt, für die Abgabenentrichtung aus den Mitteln der Gesellschaft zu sorgen, so darf die Abgabenbehörde auch davon ausgehen, dass die Pflichtverletzung Ursache für die Uneinbringlichkeit war. Nicht die Abgabenbehörde hat das Ausreichen der Mittel zur Abgabenentrichtung nachzuweisen, sondern der zur Haftung herangezogene Geschäftsführer das Fehlen ausreichender Mittel. Der Geschäftsführer haftet für nicht entrichtete Abgaben der Gesellschaft auch dann, wenn die zur Verfügung stehenden Mittel auch zur Entrichtung aller Verbindlichkeiten der Gesellschaft nicht ausreichen, es sei denn, er weist nach, dass diese Mittel anteilig für die Begleichung aller Verbindlichkeiten verwendet wurden. Widrigenfalls haftet der Geschäftsführer für die in Haftung gezogenen Abgaben zur Gänze (VwGH 24.09.2003, 2001/13/0286).

Im gegenständlichen Berufungsverfahren brachte die Bw. vor, sie habe den Abgabengläubiger nicht schlechter als die anderen Gläubiger behandelt. Zum Nachweis darüber wurden eine Offene Postenliste Kreditoren, Saldenlisten, die Kontoaufstellung Umsatzsteuer vom 11.12.2000 bis 30.09.2001, die Kontoaufstellung Lohnabgaben ab März 2001; Kreditverträge des Zeitraumes August 1996 bis Jänner 2001 mitsamt besichernden Zessions- und Verpfändungsurkunden; ein Kontoblatt betreffend das Bankkonto Nr. 1.146.422 und eine ausführliche Stellungnahme der Bw. vorgelegt.

Zusätzlich wurde die Liste über die Wertberichtigungen von Kundenforderungen und teilweise nicht gebuchter Lieferantenrechnungen, aufgrund derer eine Vorsteuerberichtigung (lt. Kreditorenliste) und Mehrwertsteuerberichtigung (lt. Debitorenliste) in Höhe von insgesamt ATS 505.741,99 vorzunehmen wäre, vorgelegt.

Mit den Wertberichtigungen versucht die Bw. darzulegen, dass Umsatzsteuerzahllasten in den Jahren 1999 bis 2001 dem Grunde und der Höhe nach nicht zu Recht bestehen. Vielmehr wären diese Zahllasten nunmehr nachträglich mit Vorsteuern aus erfolgten Wertberichtigungen und nicht gebuchten Lieferantenrechnungen aufzurechnen, sodass ein Abgabenanspruch in dieser Höhe nicht bestehe.

Dieses Vorbringen ist jedoch nicht geeignet, die Haftungsinanspuchnahme für nicht mehr entrichtete Umsatzsteuerzahllasten mit Fälligkeiten im Jahr 2001 zu entkräften und bezieht sich auf das Abgabenfestsetzungsverfahren. Dieses Vorbringen wäre bei der Festsetzung der monatlichen Umsatzsteuerzahllasten zeitraumbezogen zu berücksichtigen. Es ist nicht nachvollziehbar, warum die Bw. als verantwortliche Geschäftsführerin nicht zeitgerecht und somit zeitraumbezogen dafür gesorgt hat, dass erforderliche Vorsteuerberichtigungen erfolgten. Die Bw. wurde bereits mit Schreiben der Finanzlandesdirektion vom 2. Dezember 2002 darauf hingewiesen und angeleitet, dass derartige Korrekturen im Abgabenfestsetzungsverfahren mit Folgewirkung für das Einhebungsverfahren vorzunehmen sind.

Dem Vorbringen, der Bw. sei nicht anzulasten, dass für das Jahr 2000 keine Bilanz mehr erstellt worden ist zu entgegnen, dass die Bw. bis 3.10.2001 (Zeitpunkt der Konkurseröffnung) verpflichtet gewesen wäre eine solche zu erstellen. In der Bilanz für das Jahr 1999 sind unter der Position Passiva Lieferverbindlichkeiten iHv ATS 5,754.021.37 angegeben und ein Verlust ausgewiesen. Zum Vorbringen hinsichtlich der Höhe des Haftungsbetrages ist zu entgegnen, dass die Bw. ohnehin nicht für den gesamt aushaftenden Abgabenrückstand in Höhe von € 155.415,-- zur Haftung herangezogen wurde.

Maßgeblich für die Frage, ob die Primärschuldnerin alle Gläubiger anteilig gleich behandelt habe ist va die Beantwortung der Frage, ob die Abgaben bis zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung gleich mit anderen Verbindlichkeiten behandelt wurden. Hiezu ist festzuhalten, dass laut Kassabuch bis September 2001 durchaus jene Zahlungen (KFZ-Aufwand, Leasingraten, Nächtigungen, Telefone) geleistet wurden, welche notwendig waren um den Geschäftsbetrieb noch aufrecht zu erhalten. Die Primärschuldnerin hat bis anfangs September 2001 Bankbehebungen vom Kontokorrentkreditkonto getätigt. Sie war sohin durchaus in der Lage über das Kontokorrentkreditkonto bei der Bank noch zu verfügen.

Die Bw. hält diesbezüglich fest, dass Lieferanten nur mehr gegen Barzahlung geliefert hätten. Man habe nämlich Verträge einhalten müssen, um nicht schadenersatzpflichtig zu werden. Damit räumt die Bw. selbst ein, dass man gewisse Zahlungen - um eben den Geschäftsbetrieb aufrecht zu erhalten - geleistet hat. Durch diese Vorgangsweise hat die Bw. jedoch nachweislich eine Benachteiligung anderer Gläubiger soweit in Kauf genommen, als sie die unbedingt notwendigen Zahlungen geleistet hat, Abgabenschulden jedoch nicht mehr entrichtet hat. Am Abgabenverrechnungskonto der Primärschuldnerin wurden ab Mai 2001 keine Zahlungen mehr geleistet.

Die Bw. konnte bis September 2001 über Geldmittel von Kunden und der Hausbank verfügen, weil die Primärschuldnerin mit Globalzessionsvereinbarung vom 14.8.1996 sämtliche Forderungen aus dem Geschäftsbetrieb an die Hausbank abgetreten hat und diese Kredite durch Einräumung einer weiteren Höchstbetragshypothek am 6.3.2001 (etwa 7 Monate vor Konkurseröffnung) über ATS 2,000.000,-- sowie Verpfändung von Lebensversicherungen und Bürgschaften bevorzugt besichert hat. Bei sämtlichen Kreditaufstockungen hat die Bw. auch Vereinbarungen über Besicherungen getroffen. Diese Besicherungen bewirkten, dass sämtliche Debitorenforderungen aus dem Geschäftsbetrieb zu Gunsten der Hausbank abgetreten waren. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt in der Abtretung sämtlicher Kundenforderungen an einen Gläubiger bei Fehlen sonstiger Mittel für die Befriedigung der anderen Gläubiger eine haftungsbegründende Verletzung der Verpflichtung, die Benachteiligung bestehender und in Zukunft entstehender Abgabenforderungen zu vermeiden. Durch die Abtretung sämtlicher Forderungen an einen Gläubiger bei Fehlen liquider Mittel für die Befriedigung der anderen Gläubiger und des Abgabengläubigers liegt eine Gläubigerbenachteiligung. Die Bw. hat eine globale Zessionsvereinbarung abgeschlossen und diese bei Kreditaufstockungen zwischen 1996 und Jänner 2001 laufend erweitert. Darüber hinaus hat die Bw. der Hausbank zur Besicherung der Bankverbindlichkeiten mit einer weiteren Pfandurkunde vom 6. März 2001 an ihrer Eigentumswohnung eine Höchstbetragshypothek eingeräumt. Die Bw. hat daher dafür gesorgt, dass dieser Gläubiger gegenüber allen anderen deutlich bevorzugt besichert wurde. Schließlich ist zu berücksichtigen, dass nach dem Vorbringen der Bw. selbst im Zeitpunkt der Errichtung der weiteren Pfandurkunde dieser Zeit im März letztmalig Löhne entrichtet wurden.

Die Bw. stellt in ihrer Eingabe vom 12.3.2003 und ihrer Stellungnahme die Entwicklung der Gesamtverbindlichkeiten 2000/2001 (2000: ATS 12,836.607,74/2001: ATS 13,435.626,66) dar. Demnach haben sich die Lieferantenverbindlichkeiten im Jahr 2001 nicht verringert. Man habe im Jahr 2000 ATS 2,551.931,-- Umsatzsteuern gezahlt, obwohl die Primärschuldnerin ATS 4,247.984,07 an Lieferantenverbindlichkeiten nicht entrichtet habe. Löhne seien spätestens ab April 2001 nicht mehr entrichtet worden. Die Bankverbindlichkeiten hätten sich von ATS 5,164.552,96 zum 31.12.2000 auf insgesamt ATS 6,084,552,96 zum 30.08.2001 erhöht. Ebenso die Verbindlichkeiten bei der Gebietskrankenkasse von ATS 391.370,43 auf ATS 582.307,05. Damit macht die Bw. deutlich, dass im Jahr 2001 Zahlungen auch an andere Gläubiger nicht mehr im erforderlichen Ausmaß geleistet werden konnten.

Das Vorbringen, dass sich Bankverbindlichkeiten zwischen 31.12.2000 und 31.08.2001 erhöht hätten ist jedoch unter dem Blickwinkel der massiv bevorzugten Besicherung der Bankverbindlichkeiten zu beurteilen. Ausschließlich diese Verbindlichkeiten wurden von der Bw. entsprechend besichert. Damit kann die Abgabenbehörde zu Recht annehmen, dass die Bw. eine Schlechterstellung der Abgabenverbindlichkeiten im Jahr 2001 in Kauf genommen habe. Der Bw. ist daher anzulasten, dass der Abgabengläubiger und andere Gläubiger im Vergleich zur Hausbank der Primärschuldnerin nachteilig behandelt wurde.

Die Bw. hat im gesamten Verfahren anschaulich und nachvollziehbar jene Ursachen, welche zur Insolvenz des Unternehmens geführt haben, dargelegt. Das gesamte Vorbringen ist insoweit schlüssig und nachvollziehbar. Es ist jedoch nicht geeignet, den Vorwurf, einzelne Gläubiger (Bank, Lieferanten gegen Barzahlung) bevorzugt behandelt zu haben, zu entkräften. Der Hinweis, man hätte sich ansonsten mit Schadenersatzforderungen von Auftraggebern auseinandersetzen müssen ist zwar als Begründung, dass Lieferanten bar bezahlt wurden verständlich, vermag jedoch die Ungleichbehandlung einzelner Gläubiger nicht zu rechtfertigen. Dieses Handeln war auch ursächlich dafür, dass die nunmehr zur Haftung herangezogenen Abgaben zur Gänze nicht entrichtet wurden. Aufgrund dieser vorliegenden klaren Sachlage war es im vorliegenden Fall auch nicht mehr notwendig, die Bw. einzuvernehmen.

Aufgrund der Stellungnahme und den vorgebrachten Beweismitteln geht hervor, dass ab August 2001 Zahlungen nur mehr sporadisch erfolgten (vgl. Kassabuch, Kontoblatt). Es kann daher für Zwecke der Ermittlung des Eintritts der Zahlungsunfähigkeit davon ausgegangen werden, dass dieser Zeitpunkt vor der Konkurseröffnung liegt. Daher werden jene Abgaben, welche ab August 2001 fällig waren zu Gunsten der Bw. in der Haftungssumme nicht mehr berücksichtigt. Dem Vorbringen, dass Finanzamt hätte die Zahlungen am 23.02.2001 iHv ATS 30.000,--, am 23.03.2001 iHv ATS 60.000,-- und am 25.04.2001 iHv ATS 60.000,-- der Umsatzsteuerzahllast Dezember 2000 in Höhe von ATS 310.408,-- nicht angerechnet, ist nicht zutreffend, weil diese Zahlungen den zu diesem Zeitpunkten ältesten aushaftenden Abgabenschuldigkeiten anzurechnen waren. Aus dem vorliegenden Haftungsakt mitsamt den zugehörigen Unterlagen ergibt sich, dass die Bw. die betreffenden Umsatzsteuerzahllasten auch nicht teilweise entrichtet hat. Hinsichtlich der Umsatzsteuerzahllast Dezember 2000 ist festzuhalten, dass im Zeitpunkt der Fälligkeit Feber 2001 durchaus Löhne noch entrichtet und Lieferanten bar bezahlt wurden, sodass auch insoweit eine Ungleichbehandlung verschiedener Gläubiger vorliegt. Dies war auch ursächlich dafür, dass Abgabenschuldigkeiten nicht mehr einbringlich waren.

Die zur Haftung herangezogenen Abgabenschuldigkeiten setzen sich daher wie folgt zusammen:

Abgabenart

Fälligkeit

Euro

Umsatzsteuer 12/2000

15.02.2001

22.558,--

Umsatzsteuer 2/2001

15.04.2001

5.851,18

Umsatzsteuer 3/01

15.05.2001

2.039,45

Umsatzsteuer 4/01

15.06.2001

3.052,11

Umsatzsteuer 5/01

16.07.2001

12.797,54

 

SUMME

46.298,28

Diesem Betrag ist die ausbezahlte Konkursquote in Höhe von insgesamt € 772,77 anzurechnen.

Die Voraussetzungen für eine Haftungsinanspruchnahme der Bw. gemäß § 9 BAO sind aufgrund obiger Ausführungen erfüllt, sodass seitens des unabhängigen Finanzsenates die Ausübung des freien Ermessens bei der Haftungsinanspruchnahme durch die Abgabenbehörde erster Instanz zu überprüfen war. Nach Lehre und Rechtsprechung ist die Heranziehung zur Haftung in das Ermessen der Abgabenbehörde gestellt, wobei die Ermessensentscheidung im Sinne des § 20 BAO innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen ist. Dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" ist dabei die Bedeutung "berechtigte Interessen der Partei", dem Gesetzesbegriff "Zweckmäßigkeit" die Bedeutung "öffentliches Anliegen an der Einbringung der Abgaben" beizumessen. Von einer ermessenswidrigen Inanspruchnahme zur Haftung wird nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes vor allem dann gesprochen werden können, wenn die Abgabenschuld vom Primärschuldner ohne Gefährdung und ohne Schwierigkeiten rasch eingebracht werden kann.

Im gegenständlichen Fall ist daher die Vermögenssituation der Bw. zu hinterfragen. Aus dem Grundbuch ergibt sich, dass die Bw. Eigentümerin einer Liegenschaft mitsamt darauf befindlichen Gebäuden ist. Diese wurde mit Kaufvertrag vom 28. Juli 2000 erworben. Die Liegenschaft ist mit Hypotheken in Höhe von € 138.078,38 und € 76.000,-- zu Gunsten einer Bausparkasse und Bank verpfändet.

Es mag daher sein, dass aufgrund der derzeitigen wirtschaftlichen Situation die Abgaben erschwert einbringlich wären, dies ist jedoch keineswegs ausgeschlossen. Die Bw. könnte nämlich aufgrund ihres Alters und der damit verbundenen Erwerbstätigkeit durchaus in der Lage sein, zumindest einen Teil der aushaftenden Verbindlichkeiten abzustatten. Auch ist im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigen, dass im Zeitraum der Geschäftsführertätigkeit der Bw. ein beträchtlicher Abgabenrückstand auf dem Abgabenkonto der Gesellschaft entstanden und angewachsen ist und die Bw. als Geschäftsführerin die Möglichkeit gehabt hätte, zeitnah entsprechende Maßnahmen zur Vermeidung der Haftungsfolgen zu setzen. Aus den genannten Gründen hat daher die Abgabenbehörde erster Instanz bei Ausübung des freien Ermessens zu Recht dem öffentlichen Interesse an der Einbringung der Abgaben gegenüber dem Interesse der Bw., aufgrund ihrer derzeitigen wirtschaftlichen Situation nicht zur Haftung herangezogen zu werden, den Vorzug gegeben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

 

Klagenfurt, am 31. März 2005

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 9 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961
§ 80 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Gesellschaft mit beschränkter Haftung, Geschäftsführer, Haftung, Abgabenschuldigkeiten, Uneinbringlichkeit.

Stichworte