UFS RV/0631-W/03

UFSRV/0631-W/0321.12.2004

1) Leistungen des Käufers an den Verkäufer zur Bestandfreimachung einer Liegenschaft 2) Verjährungsunterbrechung durch eine elektronische Firmenbuchabfrage

 

Anmerkungen:
abweichend RV/0063-S/02-RS1 zur Einhebungsverjährung durch EDV-Anfrage über Versicherungsträger und Dienstgeber

Entscheidungstext

Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufungen der P-GmbH, R., X-Str, vertreten durch Dr.X, xxx, gegen die Bescheide des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 5. März 2003 betreffend Wiederaufnahme des Grunderwerbsteuerverfahrens und Festsetzung von Grunderwerbsteuer zu ERfNr.xxx/92, St.Nr.xxx entschieden:

Die Berufungen werden als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungsgründe

Mit Kaufvertrag vom 12. März 1992 erwarb die nunmehrige Berufungswerberin (kurz Bw.) P-GmbH die Liegenschaft EZx samt dem auf dieser Liegenschaft errichteten Miethaus in W von Frau V und Herrn Dr.V. Als Kaufpreis wurde im Vertrag ein Betrag von S 7.000.000,00 ausgewiesen.

Im Punkt IV. des Kaufvertrages verpflichteten sich die Verkäufer die Bestandobjekte im veräußerten Hause, mit Ausnahme der noch gemäß XIV. dieses Vertrages vermieteten Objekte, sämtliche bestandfrei an die Käuferin zu übergeben.

Punkt XIV. des Vertrages hat folgenden Inhalt:

"Zwischen den Vertragsteilen herrscht Einigkeit, dass sämtliche bis auf die von der Firma V-GmbH im gegenständlichen Haus benutzten Bestandobjekte, welche laut gerichtlichem Räumungsvergleich zu xxCxx/92 zum 30.11.1992 unter Verzicht auf jeglichen Räumungsaufschub zu räumen sind, derzeit noch die Top 5, welche an Frau Ö und Top 10, welche an Frau L vermietet sind, bestandfrei sind."

Im Punkt IX. bzw. XIII. des Kaufvertrages wurde festgehalten, dass keinerlei mündliche oder auch nur konkludent abgeschlossenen Nebenabreden zu diesem Kaufvertrag bestehen und dass im Kaufpreis ein Entgelt für die von den Verkäufern bei den Baubehörden die Umgestaltung des Bauprojektes betreffenden zur Bewilligung eingereichten Einreichpläne beinhaltet ist.

Dieser Kaufvertrag wurde am 24. März 1992 beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien angezeigt. In der Grunderwerbsteuererklärung ist eine Gegenleistung von insgesamt S 7.000.000,00 ausgewiesen. Unterschrieben ist diese Abgabenerklärung (durch die ausdrücklich bestätigt wird, dass außer den angeführten Leistungen keine Bar- und Sachleistungen, die mit dem Erwerb des Grundstücks in Zusammenhang stehen, übernommen oder erbracht wurden und dass insbesondere die Angaben über den Kaufpreis der Wahrheit entsprechen) von den beiden damaligen Geschäftsführerinnen der Bw., Frau C und Frau Rechtsanwältin Dr.X.

Mit Bescheid vom 25. Mai 1992 wurde die Grunderwerbsteuer gegenüber der Bw. mit S 245.000,00 von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von S 7.000.000,00 festgesetzt. Die Zustellung dieses Bescheides erfolgte zu Handen der damaligen Geschäftsführerin der Bw, Frau Dr.X.

Am 9. November 1994 erhielt das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom Finanzamt-X eine Kontrollmitteilung betreffend den gegenständlichen Kaufvertrag. Angeschlossen war ein Konvolut von Unterlagen, in dem sich ua. folgende Schreiben in Kopie befanden:

Eine an das Finanzamt-x gerichtete anonyme Anzeige (dort eingelangt am 27. Juni 1994) in der zum gegenständlichen Kaufvertrag angegeben wird:

"öS 7 Millionen im Kaufvertrag enthalten und öS 3 Millionen per Scheck bei der X-Bank, Filiale-x, bar abgehoben, wegen Spekulationsfrist nicht im Vertrag enthalten."

Schreiben vom 6. Februar 1992 von Frau Dr.X an die I-GmbH mit auszugsweise folgendem Inhalt:

"Namens der von mir vertretenen Firma P-GmbH gebe ich hiemit das Anbot ab, dass dieses von mir vertretene Unternehmen die gegenständliche Liegenschaft um einen Kaufpreis von S 7.000.000,00 zuzüglich S 3.000.000,00 Freimachungskosten käuflich zu erwerben gedenkt, wobei selbstverständlich die Lastenfreiheit der Liegenschaft gewährleistet sein muss und auch die Liegenschaft bestandfrei ist mit Ausnahme der 2 je ca. 50 m2 großen Wohnungen, welche von 2 alten Damen bewohnt werden. Inkludiert im gegenständlichen Kaufpreis ist auch die Erstellung der Einreichpläne. Ich halte auch fest, dass die Einreichpläne auch bereits bei der Baubehörde zum Zwecke der Genehmigung eingereicht wurden. Dieses Angebot erstatte ich Ihnen allerdings unter dem Vorbehalt der Finanzierung durch das von mir involvierte Bankinstitut, wobei ich Ihnen sofort nach Vorliegen der Finanzierung Bescheid geben werde."

Schreiben vom 31. August 1994 von Frau Dr.X an das Finanzamt-X mit auszugsweise folgendem Inhalt:

"Anlässlich der über die I-GmbH geführten Vorverhandlungen, an welchen ich in keiner wie immer gearteten Weise beteiligt war, sondern die weitere Geschäftsführerin des von mir vertretenen Unternehmens, wurde vereinbart, dass das von der P-GmbH zu erwerbende Haus nicht wie im Punkt IV. des Kaufvertrages bedungen, mit Ausnahme der top 10 und top 5, sondern zur Gänze bestandfrei sei. Tatsächlich hat sich aber herausgestellt, dass sowohl das gesamte Erdgeschoß, als auch der darüberliegende 1. Stock, von einer Firma V-GmbH zur Ausübung deren Gewerbebetriebes genutzt wurde. Weiters wurde offensichtlich, dass die im Punkt XIII. des Kaufvertrages als Entgelt im Kaufpreis beinhalteten Einreichpläne, gar nicht vorhanden waren bzw. nicht vorlagefähig und die das Bauprojekt betreibende Architektin noch zusätzliche Geldmittel von der P-GmbH begehrte. Letztlich wurde, nunmehr mit Wissen obgenannter Tatsachen, mit den Verkäufern weiterverhandelt und vereinbart, dass der von den Verkäufern für die Bestandfreimachung der Firma V-GmbH und für die Erwirkung der Einreichpläne bei der Architektin aufgewendeten Geldbeträge in der Summe von insgesamt S 3 Mio., gesondert zu ersetzen wären. Anlässlich dieser Vereinbarung und der Behändigung des Geldbetrages von S 3 Mio., wurde der in Kopie diesem Schreiben beigeschlossenen Räumungsvergleich des BG Innere Stadt Wien vom 28.01.1992 übergeben. Der Betrag von S 3 Mio versteht sich daher als Gegenleitung für den Erwerb des Räumungstitels vom 28.01.1992. In diesem Betrag sind noch ca. S 98.000,00 als zusätzliche Kosten für die Erwirkung der vorlagefähigen Einreichpläne beinhaltet. Sowohl der Kaufpreis in der Höhe von S 7 Mio., als auch der Betrag von S 3 Mio., wurden durch Kreditaufnahme bei der X-Bank finanziert und an die Verkäufer ausgehändigt. Beide Beträge wurden von der P-GmbH buchhalterisch ordnungsgemäß verbucht."

Am 8. September 1995 richtete das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Finanzstrafbehörde 1. Instanz Vorladungen an Frau V und Herrn Dr.V zur Auskunftserteilung gemäß § 82 Abs. 1 des Finanzstrafgesetzes (FinStrG) als Verdächtige. Zum Gegenstand der Vernehmung wurde angeführt "Verdacht der falschen Kaufpreisangabe". Weiters erging am 20. Oktober 1995 ein Auskunftsersuchen gemäß § 99 Abs. 1 FinStrG an die I-GmbH, in der dieses aufgefordert wurde, den gesamten Schriftverkehr bezüglich der Vermittlung, insbesondere den Vermittlungsauftrag und die Honorarnoten vorzulegen.

Am 2. April 1996 forderte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien den Akt xxCgxx und vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt xxCxx/92 an.

Im Verfahren zu xxCgxx (vormals xxCgxx/92) vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien war die strittig, ob der I-GmbH ein Anspruch auf Maklerprovision aus dem gegenständlichen Kaufvertrag gegenüber Frau V und Herrn Dr.V zustand. Vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien hat Frau D-G (als Geschäftsführerin der I-GmbH) ua. Folgendes ausgesagt:

"Ich machte mit der P die Besichtigungen, stellte die Unterlagen zur Verfügung. Ich teilte dem Zweitbeklagten (Anm: Herrn Dr.V) telefonisch mit, dass ich einen Kaufinteressenten habe, der S 10 Mio. bezahlt. Zuerst sagte der Zweitbeklagte, er würde das nicht akzeptieren, weil er hätte jemanden, der ihm ein besseres Angebot gemacht hätte, aber dass das Haus noch nicht verkauft war. Ich sagte dem Zweitbeklagten, dass meine Käufer S 7 Mio. + S 3 Mio. schwarz bezahlen würden (wegen der Spekulationssteuer). Der Zweitbeklagte meinte dann, die Sache sehe dann anders aus und gab mir den Auftrag, dass der Kaufvertrag rasch abgeschlossen werden soll."

Herr Dr.V tätigte ua. folgende Aussage:

"Ich nehme an, Frau D hat die Verhandlungen mit der P geführt. Ich nehme an, weil Frau D im Auftrag der P gehandelt hat. Frau D ist mir gegenüber als Vertreterin der P aufgetreten. Es war so, wenn die Partei P mit mir etwas ausmachen wollte, konnte sie das nur über das Sprachrohr der Frau D machen."

Im Verfahren zu xxCxx/92 beim Bezirksgericht Innere Stadt Wien wurde am 28. Jänner 1992 zwischen Frau V und Herrn Dr.V einerseits und der V-GmbH ein Räumungsvergleich abgeschlossen, in dem sich die V-GmbH verpflichtete sämtliche von ihr angemieteten Geschäftsräumlichkeiten im Hause W , geräumt von den nicht in Bestand gegebenen Fahrnissen unter Verzicht auf jedweden Räumungsaufschub bis spätestens 30.11.1992 zu übergeben.

Am 23. Juli 1996 wurde der Geschäftsführer der V-GmbH, Herr H vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Auskunftsperson befragt. Dieser gab dabei ua. Folgendes an:

"Nachdem mir HerrV versprochen hatte, dass er mir mit seinen Beziehungen zu einer Werkstätte verhelfen würde, willigte ich schließlich in die Räumung ein. Zum vereinbarten Zeitpunkt trafen wir uns beim BG Innere Stadt, wo der Vergleich unterfertigt wurde. Für die Räumung, noch aus sonst einem Titel, habe ich von HerrnV oder seiner Frau Geld erhalten, das heißt der Vergleich wurde unentgeltlich abgeschlossen."

Am 21. Oktober 1996 wurde Herr Dr.V vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Verdächtiger gemäß § 82 Abs. 1 FinStrG vernommen. Die darüber aufgenommene Niederschrift hat auszugsweise folgenden Inhalt:

"Es stimmt dass ich und meine Gattin für die Freimachung des Objektes in der X-Gasse insgesamt S 3.000.000,00 erhalten haben. Wenn mir vorgehalten wird, dass nach Aussage der Zeugin Frau D--G ich ihr gegenüber erwähnt haben soll, dass ich S 3.000.000,00 schwarz bekommen möchte, so gebe ich an, dass dies nicht der Wahrheit entspricht. Frau D hatte scheinbar persönliches Interesse mir zu schaden, weil sie ungerechtfertigterweise Provision für die Vermittlung des Objektes gefordert hatte. Was die Kosten für die Ausmietungen betrifft, so gebe ich an, dass die Kosten von S 3.000.000,00 tatsächlich angefallen sind, doch kann ich diese leider nicht mehr beweisen. Die Ausmietungskosten stellten sich für mich als Durchlaufposten dar, weil die Fa. P nur unter der Bedingung der bestandsfreien Übergabe zu kaufen bereit war. Die S 3.000.000,00 an Ausmietungskosten wurden mir und meiner Ehegattin von der Fa. P ersetzt.

Die Vertragsverhandlungen mit der Fa. P führte ich sowohl für mich selbst als auch für meine Ehegattin V. Verhandlungspartner für mich war Frau Dr.X als Vertreterin der Fa. P, mit der ich auch die obgenannte Vereinbarung mündlich abgeschlossen habe.

Meine große Sorge war, dass die Fa. V-GmbH das Objekt tatsächlich räumt, hinsichtlich der Vereinbarung mit der Fa. P hatte ich keine rechtlichen Bedenken. Dies ist der Grund, warum ich weder meinen Steuerberater noch meinen Rechtsanwalt über den von mir als "Durchlaufposten" angesehenen Betrag informierte.

Ich sehe ein, dass ich der mir zumutbaren Sorgfaltspflicht nicht nachgekommen bin, mich nämlich entsprechend danach zu erkundigen, ob die Entgegennahme der S 3.000.000,00 von der Käuferseite Grunderwerbsteuerpflicht auslösen könnte."

Am 24. Oktober 1996 erließ das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien als Finanzstrafbehörde 1. Instanz eine Strafverfügung gegenüber Herrn Dr.V . Darin wurde ua. ausgesprochen, dass Herr Dr. V das Finanzvergehen der fahrlässigen Abgabenverkürzung nach § 34 Abs. 1 FinStrG begangen hat und wurde über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 50.000,00 verhängt.

Am 21. Juli 1997 erging vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien eine Vorladung an Frau Dr.X zur Auskunftserteilung als Verdächtige. Diese Vorladung wurde am 23. Juli 1997 von einem Postbevollmächtigten für Rsa-Briefe übernommen.

Mit Bescheiden vom 29. September 1997 wurde sowohl gegen Frau C als auch gegenüber Frau Dr.X ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes auf Begehung eines Finanzvergehens nach § 33 Abs. 1 FinStrG eingeleitet. Der Bescheid gegenüber Frau C erwuchs mit Ablauf der Rechtsmittelfrist in Rechtskraft.

Frau Dr.X erhob Beschwerde gegen den Einleitungsbescheid. Darin führte sie ua. aus, dass es keinen zusätzlichen Kaufpreis in Höhe von S 3.000.000,00 gegeben habe, sondern es sich dabei um einen rechtlich gesondert zu beurteilenden Betrag handle, der nicht zur Gegenleistung im steuerlichen Sinne gerechnet werden dürfe: Der Betrag von S 3.000.000,00 unterliege nicht der Grunderwerbsteuer und müsse daher auch nicht im Rahmen der Grunderwerbsteuererklärung deklariert werden. Will der Erwerber des Grundstückes die Mietrechte selbst beseitigen, so sei die Entschädigung auch dann nicht Gegenleistung, wenn er den Verkäufer mit der Freimachung beauftragt. Ein solcher Fall liege hier vor. Die erforderlichen Feststellungen, die notwendig seien, um die gegenständliche Rechtssache dahingehend abschließend rechtlich zu beurteilen, seien seitens der erstinstanzlichen Behörde jedoch nicht getroffen worden.

Mit Beschwerdeentscheidung vom 4. September 2001 zu RV/xxx wies die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland die Beschwerde als unbegründet ab. Darin wurde die Grunderwerbsteuerpflicht des Betrages in Höhe von S 3.000.000,00 bejaht. Zum Tatverdacht betreffend die subjektive Tatseite wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin seit Jahrzehnten auf die Vertretung bei Grundstückstransaktionen spezialisiert sei und als Vertragserrichterin und Parteienvertreterin am Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien bestens bekannt sei. Es sei ihr daher sicherlich bewusst, dass zur Ermöglichung der Erfüllung der gesetzlichen Aufgaben durch die Behörde, seitens der Parteien bzw. ihrer Vertreter eine wahrheitsgemäße und vollständige Offenlegung aller Zahlungen erfolgen müsse und nur so die Behörde in die Lage versetzt werde, eine rechtlich richtige und zutreffende Entscheidung zu fällen.

Mit Beschluss vom 27. November 2001 zu Bxxxx/01 lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen die Beschwerdeentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland eingebrachte Beschwerde ab. Nach Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof stellte dieser mit Beschluss vom 21. März 2002 zur Zl. 2002/xx/xxxx das Verfahren ein, da die Beschwerdeführerin einem Mängelbehebungsauftrag nicht vollständig nachgekommen ist.

Am 1. Oktober 2002 erging vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien eine Ladung an Frau Dr.X als Beschuldigte gemäß § 116 FinStrG für den 4. November 2002. Frau Dr.X kam dieser Vorladung nicht nach.

Weiters tätigte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien am 18. November 2002 eine Firmenbuchabfrage betreffend die Bw. und erstellte einen Firmenbuchauszug. Danach ist Herr W. der nunmehrige alleinige Geschäftsführer der Bw. und lautet die Geschäftsanschrift der Bw.: "R., X-Str"

Weiters erging vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien am 26. November 2002 eine Ladung an Frau C als Beschuldigte gemäß § 116 FinStrG. Am 23. Jänner 2003 wurde Frau C als Beschuldigte vernommen.

Am 27. Jänner 2003 tätigte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien eine neuerliche Firmenbuchabfrage betreffend die Bw. und nachdem keine Änderungen gegenüber der Abfrage zum 18. November 2002 eingetreten sind, adressierte es am 5. Februar 2003 einen an die Bw. gerichteten Wiederaufnahmebescheid in der gegenständlichen Grunderwerbsteuerangelegenheit "zu Handen Herrn W., X-Str, R.". Diese Bescheidausfertigung wurde dem Finanzamt von der Post mit dem Vermerk "Nachsendeauftrag abgelaufen" retourniert.

Daraufhin ermittelte das Finanzamt am 19. Februar 2003 durch eine elektronische Zentralmeldeauskunft die Adresse des Geschäftsführers der Bw. mit F. und adressierte den an die Bw. gerichteten Wiederaufnahmebescheid am 5. März 2003 zu Handen Herrn W. an dessen Privatadresse. Dort wurde der Bescheid am 7. März 2003 von der Mutter des Geschäftsführers übernommen.

Mit diesem (kombinierten) Bescheid wurde einerseits das gegenständliche Grunderwerbsteuerverfahren gemäß § 303 Abs. 4 im Sinne des § 303 Abs. 1 lit. b BAO wieder aufgenommen und der Grunderwerbsteuerbescheid vom 25. Mai 1992 aufgehoben. Anderseits erging eine neue Sachentscheidung und wurde die Grunderwerbsteuer mit € 25.435,49 (3,5 % von S 10.000.000,00, entspricht € 726.728,34) festgesetzt.

Zur Begründung wurde ua. ausgeführt, dass bei hinterzogenen Abgaben die Frist für die Festsetzungsverjährung 10 Jahre betrage und dargelegt, weshalb im gegenständlichen Fall von einer hinterzogenen Abgabe auszugehen sei. Verwiesen wurde dabei ua. auf das Schreiben von Frau Dr.X an die I-GmbH vom 6. Februar 1992 und auf eine Frau Dr.X bekannte Entscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Oktober 1983, Zl. GA11-xxx).

Mit Schreiben vom 12. März 2003 teilte Frau Dr.X dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mit, dass sie eine Buchungsmitteilung bezüglich der Vorschreibung eines Betrages von € 7.630,65 erhalten habe, tituliert mit Wiederaufnahme des Verfahrens Grunderwerbsteuer 1992. Da ein diesbezüglicher Bescheid weder der Bw. noch ihrer Kanzlei zugestellt worden sei, ersuche sie um Zustellung eines derartigen Bescheides. Mit weiterem Schreiben vom 13. März 2003, eingelangt beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien am 14. März 2003, übermittelte Frau Dr.X eine Vollmacht der Bw. vom 4. März 2001.

In der von der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern Wien vom 5. März 2003 eingebrachten Berufung wird zunächst gerügt, dass der Bescheid "der Antragstellerin am 7. März 2003 an den Geschäftsführer der Antragstellerin an dessen Wohnanschrift, welche nicht die Firmenbuchanschrift des Unternehmens ist", zugestellt worden sei. Faktisch sei der angefochtene Bescheid nicht ordnungsgemäß zugestellt und laufe daher die Berufungsfrist noch gar nicht. Vorsichtshalber werde aber Berufung erhoben. Als Berufungsgründe wurden geltend gemacht, dass a) der Bescheid materiell rechtswidrig sei, b) dass der der Entscheidung zugrundeliegenden Sachverhalt ergänzungsbedürftig sei und c) sonstige wesentliche Verfahrensverstöße. Ausgeführt wurde dazu ua., dass es sich bei dem aufgewendeten Betrag von € 218.018,50 nicht um einen Teil des Kaufpreises, sondern um eine gesonderte Entschädigungsleistung des Käufers an den Verkäufer, damit dieser die Bestandrechte ablösen kann, handle. Diese Entschädigungsleistung sei nicht der Grunderwebsteuer zu unterziehen, die Bw. habe daher keine Steuern hinterzogen. Der der Entscheidung zugrunde liegende Sachverhalt sei ergänzungsbedürftig, weil es unrichtig sei, dass Frau Rechtsanwältin Dr.X mit Herrn Dr.V verhandelt und mündlich vereinbart habe, dass € 218.018,50 "schwarz" zu bezahlen wären. Frau Dr.X sei in keine wie immer gearteten Verhandlungen über den Kaufpreis eingebunden gewesen. Ihre Informationen hätten immer gelautet, dass für die Bestandfreimachung zusätzlich zu zahlen sei. Zum Beweis wurde die Gegenüberstellung der Zeugen Dr.V, Frau D-G und Frau Dr.X sowie die zeugenschaftliche Einvernahme von Frau C und Frau T beantragt. Außerdem wurde noch geltend gemacht, dass zwischen dem ersten und dem zweiten Bescheid eine Zeitspanne von mehr als 10 Jahren liege und eine etwaige Nachforderung daher verjährt sei.

Am 30. April 2003 legte das Finanzamt die gegenständliche Berufung dem unabhängigen Finanzsenat zur Entscheidung vor. Angeschlossen waren der Bemessungsakt ERfNr.xxx/92 und der Strafakt EVxx.

Mit Schreiben vom 8. Mai 2003 beantragte die Bw. die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und die Einvernahme der Zeugen T, C, D-G.

Beweis wurde vom unabhängigen Finanzsenat noch erhoben durch eine Firmenbuchabfrage mit historischen Daten der Bw. und Einsicht in den Akt der Finanzlandesdirektion GA 10 RV/xxx.

Über die Berufungen wurde erwogen:

1) Zur Zulässigkeit der Berufungen gegen den Wiederaufnahmebescheid und den neuen Sachbescheid:

Nach § 79 BAO gelten für die Rechts- und Handlungsfähigkeit die Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes. Die zur Vertretung juristischer Personen berufenen Personen haben nach § 80 Abs. 1 BAO alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen.

Da Gesellschaften mit beschränkter Haftung durch ihre Geschäftsführer vertreten werden (§ 18 Abs. 1 GmbHG) und Zustellungen an die Gesellschaft mit rechtlicher Wirkung an jede Person, die zu zeichnen oder mitzeichnen befugt ist, geschehen (§18 Abs. 4 GmbHG), gilt ein an die GmbH gerichteter Bescheid durch das tatsächliche Zukommen an deren Geschäftsführer als an die GmbH zugestellt.

In der Berufung wurde festgehalten, dass der an die Bw. gerichtete Bescheid deren Geschäftsführer tatsächlich zugekommen ist. Da ein allfälliger Zustellmangel durch das tatsächliche Zukommen des Schriftstückes geheilt wäre (siehe § 7 ZustellG), kann dahingestellt bleiben, ob die Privatadresse des Geschäftsführers eine Abgabestelle für die Bw. darstellt. Der mit 5. März 2003 datierte Bescheid wurde der Bw. wirksam zugestellt, weshalb sich die dagegen eingebrachte Berufung als zulässig erweist.

Eine juristische Person bzw. deren Vertreter kann sich zwar eines gewillkürten Vertreters bedienen (siehe § 83 Abs. 1 BAO), der Willensentschluss der Partei, sich vertreten zu lassen, erlangt allerdings erst durch Erklärung der Partei gegenüber der Behörde Bedeutung. Diese Erklärung umgrenzt die Ausübung des Rechtes der Partei, sich vertreten zu lassen. Die Behörde ist daher nicht berechtigt, außerhalb der von der Partei geübten Disposition mit Wirksamkeit für die Partei gegenüber einem Machthaber der Partei Verfahrenshandlungen zu setzen, der der Behörde von der Partei nicht für das betreffende Verfahren als Machthaber bezeichnet wurde. Ausgenommen sind dabei lediglich Fälle, in denen die Partei ihren Willen, sich auch in allen weiteren Rechtssachen eben dieses Vertreters zu bedienen, unmißverständlich zu erkennen gegeben hat (vgl. VwGH 18.8.1994, 93/16/0131).

Da im gegenständlichen Grunderwerbsteuerverfahren erst nach der Zustellung des Wiederaufnahmebescheides geltend gemacht wurde, dass die Bw. Frau Dr.X eine Vollmacht erteilt hat (die auch eine Zustellvollmacht umfasst), ändert dieses Vollmachtsverhältnis nichts daran, dass der Bescheid vom 5. März 2003 mit dem Zukommen an den Geschäftsführer der Bw. wirksam zugestellt wurde. Die Zustellung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. Mai 1992 erfolgte offensichtlich deshalb an Frau Dr.X , weil sie zum damaligen Zeitpunkt Geschäftsführerin der Bw. war.

2) Zum Antrag auf mündliche Verhandlung und zu den Beweisanträgen:

Gemäß § 284 Abs. 1 Z. 1 BAO hat über die Berufung eine mündliche Verhandlung stattzufinden, wenn es in der Berufung (§ 250 BAO), im Vorlageantrag (§ 276 Abs. 2 BAO) oder in der Beitrittserklärung (§ 258 Abs. 1 BAO) beantragt wird. Daraus ergibt sich, dass Anträge auf mündliche Verhandlung, die erst in einem die Berufung ergänzenden Schreiben gestellt werden, keinen Rechtsanspruch der Partei auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung vermitteln. Deshalb war dem im Schreiben vom 8. Mai 2003 enthaltenen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht zu entsprechen.

Gemäß § 119 Abs. 1 BAO ist es Aufgabe des Abgabepflichtigen, die für Bestand und Umfang der Abgabepflicht bedeutsamen Umstände vollständig und wahrheitsgemäß offenzulegen. Die entsprechenden Grundlagen sind daher vom Abgabepflichtigen der Behörde beizubringen. Die Abgabepflichtige darf sich dieser Pflicht nicht durch Anträge auf Vernehmung von Zeugen entledigen. Von Parteien beantragte Beweise sind gemäß § 183 Abs. 3 BAO aufzunehmen, soweit nicht eine Beweiserhebung gemäß § 167 Abs. 1 zu entfallen hat. Von der Aufnahme beantragter Beweise ist abzusehen, wenn die unter Beweis zu stellenden Tatsachen als richtig anerkannt werden oder unerheblich sind, wenn die Beweisaufnahme mit unverhältnismäßigem Kostenaufwand verbunden wäre, es sei denn, dass die Partei sich zur Tragung der Kosten bereit erklärt und für diese Sicherheit leistet, oder wenn aus den Umständen erhellt, dass die Beweise in der offenbaren Absicht, das Verfahren zu verschleppen, angeboten worden sind. Gemäß § 161 Abs. 2 BAO sind erforderliche Beweise aufzunehmen. Um überhaupt von einem tauglichen Beweisantrag sprechen zu können, muss dieser nicht nur das Beweismittel, sondern auch das Beweisthema nennen. Dieses kann nur Tatsachenfragen zum Inhalt haben (vgl. VwGH 2.3.1993, 92/14/0182).

Im Schreiben vom 8. Mai 2003 wurde die Einvernahme der Zeugen T, C und D-G beantragt, ohne ein Beweisthema zu nennen, weshalb kein tauglicher Beweisantrag vorliegt.

Zum dem in der Berufung gestellten Beweisantrag auf Gegenüberstellung der Zeugen Dr.V, Frau D--G, Frau Dr.X bzw. auf Einvernahme von Frau C und Frau T als Zeugen, weil es unrichtig sei, dass Frau Dr.X mit Herrn Dr.V verhandelt und mündlich vereinbart habe, dass € 218.015,50 "schwarz" zu bezahlen gewesen seien, wird Folgendes bemerkt:

Da sich das Vorbringen der Bw., dass Frau Dr.X Herrn Dr.V nur ca. 10 Minuten anlässlich der Fertigung des Kaufvertrages gesehen habe, mit der Aussage von Herrn Dr.V vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen deckt, wonach Frau D ihm gegenüber als Vertreterin der Bw. aufgetreten sei und er, wenn er etwas mit der Bw. ausmachen wollte, dies nur "über das Sprachrohr der Frau D" machen konnte, folgt der unabhängige Finanzsenat dem Vorbringen der Bw., dass Frau Rechtsanwältin Dr.X und Herr Dr.V erst anlässlich der Kaufvertragsunterzeichnung einander erstmals begegnet sind und dass Frau Rechtsanwältin Dr.X nicht in die Verhandlungen über die Kaufpreismodalitäten eingebunden war. Da die Bw. die Geldflüsse in ihrer Buchhaltung erfasste, geht der unabhängige Finanzsenat bei seiner Entscheidung auch nicht davon aus, dass die Bw. die neben dem Kaufpreis zusätzlich erbrachten Leistungen in Höhe von S 3.000.000,00 "schwarz" (im Sinne von Schwarzgeld) erbringen wollte. Die Erfassung des Betrages von S 300.000,00 in der Buchhaltung der Bw. und die Offenlegung gegenüber dem für die Besteuerung der Bw. hinsichtlich Umsatzsteuer und Körperschaftssteuer zuständigem Finanzamt schließt allerdings nicht aus, dass hinsichtlich der Grunderwerbsteuer eine Hinterziehung vorliegt (siehe dazu die Ausführungen zu Punkt 5. dieser Berufungsentscheidung). Da Herr Dr.V auch gegenüber dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien und der Finanzlandesdirektion im Verfahren GA 10 RV/xxx immer beteuerte, dass der Gesamtbetrag von S 3.000.000,00 für die Bestandfreimachung verwendet worden sei (auch wenn im Verfahren vor der Finanzlandesdirektion zu GA 10 RV/xxx nur die Bezahlung eines Betrages von S 500.000,00 an die V-GmbH belegt wurde), folgt der unabhängige Finanzsenat dem Vorbringen der Bw., dass die Informationen von Frau Dr.X immer lauteten, dass für die Bestandfreimachung der Betrag von S 3.000.000,00 zusätzlich zum Kaufpreis zu zahlen ist. Es war daher von der Einvernahme der beantragten Zeugen abzusehen.

3) Zur Wiederaufnahme des Grunderwerbsteuerverfahrens:

Gemäß § 303 Abs. 4 BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Abs. 1 lit. a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

Im Zeitpunkt der Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. Mai 1992 hatte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien keine Kenntnis davon, dass die Bw. neben dem Kaufpreis in Höhe von S 7.000.000,00 noch einen weiteren Betrag in Höhe von S 3.000.000,00 an die Verkäufer geleistet hat. Da auch diese Leistung einen Teil der grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung darstellt (siehe dazu die Ausführungen zu Punkt 4. dieser Berufungsentscheidung), hätte die Kenntnis von dieser zusätzlichen Zahlung zu einem im Spruch anderslautenden Bescheid geführt.

Liegt - wie im gegenständlichen Fall - ein Wiederaufnahmsgrund vor, so hat die Abgabenbehörde in Ausübung des Ermessens zu entscheiden, ob die amtliche Wiederaufnahme zu verfügen ist. Die Rechtmäßigkeit dieser Ermessensentscheidung ist unter Bedachtnahme auf § 20 BAO zu beurteilen (vgl. ua. VwGH 21.12.1989, 86/14/0180).

Gemäß § 20 BAO sind Ermessensentscheidungen innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen des Ermessens nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Dabei ist dem Gesetzesbegriff "Billigkeit" die Bedeutung von Angemessenheit in Bezug auf berechtigte Interessen der Partei und dem Begriff "Zweckmäßigkeit" das öffentliche Interesse, insbesondere an der Einhebung der Abgaben, beizumessen. (vgl. ua. VwGH 12.4.1994, 90/14/0044).

Zweckmäßigkeitserwägungen ergeben sich im gegenständlichen Fall dadurch, dass das Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorrang vor dem Prinzip der aus der Rechtskraft fließenden Rechtsbeständigkeit und Rechtssicherheit hat und zudem die Wiederaufnahme der Sicherung des öffentlichen Interesses an der Gleichmäßigkeit der Verwaltung dient.

Hinsichtlich der Billigkeit ist zu bemerken, dass die Bw. der in § 119 BAO normierten Offenlegungspflicht nicht vollständig nachgekommen ist. Vollständig und wahrheitsgemäß offen legen bedeutet, der Abgabenbehörde nicht nur ein richtiges und vollständiges, sondern auch ein klares Bild von der für die Abgabenerhebung maßgeblichen Umstände zu verschaffen (vgl. VwGH 20.9.1989, 88/13/0072). Ohne Darlegung der Tatsache, dass neben dem Kaufpreis eine weitere Zahlung an die Verkäufer erfolgt ist, konnte sich die Abgabenbehörde kein klares Bild verschaffen und war es ihr nicht möglich bereits im Zeitpunkt der Erlassung des Grunderwerbsteuerbescheides vom 25. Mai 1992 zu beurteilen, ob diese Zahlung einen Teil der Gegenleistung darstellt. Gerade in einem Fall wie dem gegenständlichen, bei dem die abgabenrechtliche Offenlegungs- und Wahrheitspflicht verletzt wurde und gegen die Geschäftsführerinnen rechtskräftig ein Finanzstrafverfahren wegen des Verdachtes der Grunderwerbsteuerhinterziehung eingeleitet wurde, überwiegt das öffentliche Interesse an der Gleichmäßigkeit der Besteuerung gegenüber dem Interesse der Bw. an der Wahrung des ursprünglichen Grunderwerbsteuerbescheides.

Im Übrigen wird bemerkt, dass die Bw. gegen die erfolgte Wiederaufnahme lediglich Verjährung eingewandt hat. Nach Ansicht des unabhängigen Finanzsenates war im Zeitpunkt der Erlassung des Wiederaufnahmebescheides jedoch noch keine Festsetzungsverjährung eingetreten (siehe dazu die Ausführungen zu Punkt 5. dieser Berufungsentscheidung), weshalb sich die Berufung gegen den Wiederaufnahmebescheid als unbegründet erweist.

4) Zur Grunderwerbsteuerpflicht der Leistung in Höhe von S 3.000.000,00:

Auf Grund der im Bemessungsakt ERfNr.xxx/92, im Strafakt EVxxx und der im Akt der Finanzlandesdirektion GA 10 RV/xxx enthaltenen Unterlagen, der Firmenbuchabfrage mit historischen Daten sowie dem Vorbringen der Bw. geht der unabhängige Finanzsenat von folgendem, entscheidungsrelevantem Sachverhalt aus:

Die Kaufvertragsverhandlungen über die Liegenschaft EZx erfolgten für die Verkäufer Frau V und Herrn Dr.V durch Herrn Dr.V und für die Bw. durch die Geschäftsführerin der I-GmbH, Frau D-G. Herr Dr.V und die Geschäftsführerinnen der Bw., Frau C und Frau Rechtsanwältin Dr.X, lernten einander erst anlässlich der Kaufvertragsunterzeichnung durch Herrn Dr.V in der Kanzlei von Frau Dr.X am 27. Februar 1992 kennen. Für die Bw. wurde der Kaufvertrag am 12. März 1992 von den beiden damaligen Geschäftsführerinnen der Bw., Frau C und Frau Rechtsanwältin Dr.X, unterzeichnet. Frau C und Frau Dr.X waren bis Juli 1997 Geschäftsführerinnen der Bw.

Vor Abschluss des Kaufvertrages hatte Frau Dr.X am 6. Februar 1992 namens der Bw. gegenüber der Maklerin I-GmbH ein Anbot abgegeben, wonach die Bw. die gegenständliche Liegenschaft um einen Kaufpreis von S 7.000.000,00 zuzüglich S 3.000.000,00 Freimachungskosten käuflich zu erwerben gedenkt. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Liegenschaft lastenfrei und bestandfrei ist mit Ausnahme von 2 je ca. 50 m2 großen Wohnungen (Top 5 - vermietet an Frau Ö und Top 10 - vermietet an Frau L).

Mit einem weiteren Mieter der gegenständlichen Liegenschaft, der V-GmbH, hatten die Verkäufer bereits zuvor, nämlich am 28. Jänner 1992 vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien ein Räumungsvergleich abgeschlossen, in dem sich die V-GmbH verpflichtete sämtliche von ihr angemieteten Geschäftsräumlichkeiten bis spätestens 30.11.1992 zu übergeben. Der Räumungsvergleich selber enthält keine Entgeltsvereinbarung. Am 30. Jänner 1992 schlossen die V-GmbH und Herr Dr.V und Frau V eine Vereinbarung, wonach die V-GmbH eine "einmalige freiwillige Übersiedlungshilfe" von S 500.000,00 erhält. Dieser Betrag ging der V-GmbH mittels eines von Herrn Dr.V ausgestellten Verrechnungsscheckes zu. Es kann nicht festgestellt werden, ob die V-GmbH für die Räumung der von ihr gemieteten Geschäftsräumlichkeiten noch einen weiteren Betrag als jenen in Höhe von S 500.000,00 erhalten hat. Sowohl die Verhandlungen über die Räumung der Geschäftsräumlichkeiten durch die V-GmbH als auch der Abschluss des Räumungsvergleiches vor dem Bezirksgericht Wien Innere Stadt als auch die Zahlung an die V-GmbH waren durch Herrn Dr.V in seinem Namen und dem seiner Gattin erfolgt. Sowohl im Zeitpunkt des Abschlusses des Räumungsvergleiches als auch der Zahlung an die V-GmbH war noch keine verbindliche Einigung zwischen den Verkäufern und der Bw. über den Verkauf der gegenständlichen Liegenschaft erfolgt. Es liegt kein Auftrag der Bw. an die Verkäufer zum Abschluss der Vereinbarungen mit der V-GmbH vor, sondern wurden diese Vereinbarungen durch die Verkäufer noch vor Abschluss des Kaufvertrages im eigenen Namen und auf eigene Rechung getroffen. Bei Abschluss des Kaufvertrages wurde von der Bw. vorausgesetzt, dass sie die gegenständliche Liegenschaft frei von den Bestandrechten der V-GmbH erhält.

Sowohl der Kaufpreis in Höhe von S 7.000.000,00 als auch der Betrag von S 3.000.000,00 wurden durch einen Kredit der Bw. bei der X-Bank finanziert. Beide Beträge wurden von der Bw. tatsächlich an Frau V und Herrn Dr.V übergeben. In den Büchern der Bw. wurde auch der Betrag von S 3.000.000,00 erfasst. Den beiden Geschäftsführerinnen der Bw. Frau C und Frau Dr.X war bekannt, dass die Verkäufer der Liegenschaft insgesamt einen Betrag von S 10.000.000,00 erhielten. Sie vertrauten den Angaben der Verkäufer, dass der Gesamtbetrag von S 3.000.000,00 von den Verkäufern tatsächlich für die Bestandfreimachung der von der V-GmbH gemieteten Geschäftsräumlichkeiten verwendet worden ist. Die tatsächliche Verwendung dieses Betrages durch die Verkäufer wurde von den Geschäftsführerinnen nicht überprüft. Die Verkäufer legten der Bw. weder Belege über die Verwendung des Betrages von S 3.000.000,00 vor, noch ist eine Abrechnung gegenüber der Bw. erfolgt. Die Verkäufer verpflichteten sich gegenüber der Bw., dass die von der V-GmbH gemieteten Geschäftsräumlichkeiten bis 30. November 1002 geräumt werden. Das Risiko der Bestandfreimachung dieser Räumlichkeiten trugen die Verkäufer.

Frau Rechtsanwältin Dr.X war die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Oktober 1983 zu GZ. GA 11-2228/81 bekannt. Dennoch wurde der Betrag von 3.000.000,00 nicht in die Abgabenerklärung aufgenommen.

Zu diesen Feststellungen gelangte der unabhängige Finanzsenat vor allem durch das in den entscheidungsrelevanten Punkten übereinstimmende Vorbringen der Bw. mit den Aussagen von Herrn Dr.V gegenüber dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien, dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien und der Geschäftsabteilung 10 der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland. Diese Aussagen stehen in der Frage, ob Gegenstand des Erwerbsvorganges die von den Bestandrechten der van Linhoudt GmbH freie Liegenschaft war, durchaus miteinander in Einklang. Aus dem namens der Bw. von Frau Rechtsanwältin Dr.X verfassten Schreiben an die I-GmbH vom 6. Februar 1992 ergibt sich deutlich, dass für die Bw. die Bestandfreimachung der gegenständlichen Liegenschaft (mit Ausnahme der 2 je ca. 50 m2 großen Wohnungen) durch die Verkäufer Voraussetzung für den Erwerb der Liegenschaft war und dass auch Frau Rechtsanwältin Frau Dr.X bekannt war, dass die Bw. die Liegenschaft nicht mit Bestandrechten belastet erwerben wollte. In der Begründung des nunmehr angefochtenen Bescheides wies das Finanzamt darauf hin, dass Frau Rechtsanwältin Dr.X durch die Berufungsentscheidung der Finanzlandesdirektion zu GA11-xxx vom 20. Oktober 1983 die ständige und unverändert gebliebene Rechtsübung und Praxis in gleichgelagerten Fällen bekannt war. Diese Kenntnis wurde von der Bw. in der Berufung nicht bestritten, sondern wird in der Berufung von der Bw. selber betont, dass es für die Frage, ob Freimachungskosten dem Kaufpreis zuzurechnen sind oder nicht, darauf ankommt, ob der Käufer das Grundstück mit Bestandrechten belastet oder lastenfrei erwerben will. Von der Bw. wird in der Berufung auch selber ausgeführt, dass es sich um eine gesonderte "Entschädigungsleistung des Käufers an den Verkäufer handelt, damit dieser die Bestandrechte ablösen kann". Das eigene Vorbringen der Bw. spricht daher ebenfalls dafür, dass die Bestandfreimachung noch durch die Verkäufer und auf deren wirtschaftliches Risiko erfolgten und dass die Bw. bloß den Verkäufern gegenüber einen (wie sie glaubte vollständigen) Kostenersatz für die Bestandfreimachung leistete. Es wird in der Berufung von der Bw. nicht einmal behauptet, dass die Bw. den Auftrag zur Bestandfreimachung erteilt hätte. Der unabhängige Finanzsenat geht daher bei seiner Entscheidung davon aus, dass die Bw. die Liegenschaft frei von den Bestandrechten der V-GmbH erwerben wollte, dass die Bestandfreimachung durch die Verkäufer erfolgte und dass die Bw. den Verkäufern zusätzlich zum Kaufpreis von S 7.000.000,00 einen Betrag in Höhe von S 3.000.000,00 für die Beseitigung der Bestandrechte der V-GmbH bezahlte. Da es für die grunderwerbsteuerrechtliche Beurteilung ohne Relevanz ist, welcher Betrag tatsächlich seitens der Verkäufer für die Beseitigung der Bestandrechte aufgewendet wurde, sind darüber keine weiteren Ermittlungen durchzuführen.

Aus dem festgestellten Sachverhalt ergibt sich rechtlich Folgendes:

Nach § 5 Abs. 1 Z. 1 GrEStG ist bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Käufer vorbehaltenen Nutzungen Gegenleistung. Bereits der Wortlaut der Bestimmung spricht somit dafür, dass nicht alleine der Kaufpreis der Grunderwerbsteuer zu unterziehen ist.

Die Bestimmung des § 5 Abs. 2 Z. 1 GrEStG sieht weiters vor, dass Leistungen, die der Erwerber des Grundstückes dem Veräußerer neben der beim Erwerbsvorgang vereinbarten Gegenleistung zusätzlich gewährt, zur Gegenleistung gehören.

Der Begriff der Gegenleistung ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht. Was Gegenleistung ist, wird im § 5 GrEStG nicht erschöpfend aufgezählt; jede nur denkbare Leistung, die für den Erwerb des Grundstückes vom Erwerber versprochen wird, ist Teil der Bemessungsgrundlage (vgl. ua. VwGH 15.04.1993, 93/16/0056).

Gegenleistung ist die Summe dessen, was der Käufer an wirtschaftlichen Werten dagegen zu leisten verspricht, dass er das Grundstück erhält; ist jede nur denkbare Leistung, die vom Käufer für den Erwerb des Grundstückes versprochen wird; oder, mit anderen Worten, alles, was der Käufer einsetzen muss, um das Grundstück zu erhalten. Gegenleistungen, die der Erwerber nicht für den Erwerb des Grundstückes, sondern für andere Leistungen des Verkäufers erbringt, gehören nicht zur Bemessungsgrundlage, dies allerdings nur dann, wenn solche Gegenleistungen mit dem Grundstück in keinem UNMITTELBAREN Zusammenhang stehen. Steht hingegen die Leistung des Erwerbers in einem unmittelbaren, tatsächlichen und wirtschaftlichen oder, wie auch gesagt wurde "inneren" Zusammenhang mit der Erwerbung des Grundstückes, dann ist sie als Gegenleistung im Sinne des Gesetzes anzusehen. Bei der Beurteilung dieses Zusammenhanges ist vom wahren wirtschaftlichen Gehalt des Erwerbsvorganges auszugehen. Leistungen, die der Erwerber dem Veräußerer erbringt, um aus der zu erwerbenden Sache eine für ihn MÖGLICHST VORTEILHAFTE NUTZUNG zu erzielen, gehören zur Gegenleistung; der Begriff der Gegenleistung im Sinne des GrEStG ist ein dem Grunderwerbsteuerrecht eigentümlicher Begriff, der über den bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung hinausgeht 25.6.1992, 91/16/0037).

Bei dem vom Erwerber eines Grundstückes für die Beseitigung von Mietrechten gezahlten Leistungen handelt es sich um zusätzlich dem Verkäufer gewährte Nebenleistungen; wobei es BEDEUTUNGSLOS ist, OB DER VERÄUSSERER selbst Mieter von Räumen auf den verkauften Grundstück ist oder ob er sich Leistungen dafür versprechen lässt, dass er DRITTE PERSONEN DURCH ENTSPRECHENDE AUFWENDUNGEN DAZU BEWEGT, DIE MIETRÄUME AUFZUGEBEN (vgl. VwGH 10.1.1985, 83/16/0181).

Ein vom Käufer eines Hauses neben dem Kaufpreis für die Überlassung freier Räume durch den Käufer vereinbartes Entgelt gehört gemäß § 11 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1955 (Anm: entspricht § 5 Abs. 2 Z. 1 GrEStG 1987) zur Gegenleistung (vgl. VwGH 19.11.1964, 0527/64).

Werden im Zuge eines Grundstückserwerbes Mietablösen deswegen bezahlt, weil der Erwerber ein von Mietrechten freies Grundstück erwerben will, und sind die Verkäufer nur bereit, das Grundstück auch gegen eine Mietablöse zu veräußern, dann gehört diese Ablöse zur Gegenleistung, und zwar auch dann, wenn die Abreden in getrennten Vereinbarungen getroffen werden (vgl. VwGH 11.2.1971, 1620/69).

Zahlt der Erwerber des Grundstückes die Entschädigung für die Aufgabe der Mietrechte unmittelbar an den Mieter, ohne dass der Verkäufer des Grundstückes an dieser Vereinbarung beteiligt ist, so kann die Entschädigung dem Kaufpreis nicht hinzugerechnet werden. Ausschlaggebend ist, ob der Käufer das Grundstück belastet mit Bestandrechten oder lastenfrei erwerben will. Soll das Grundstück lastenfrei übertragen werden, so ist die Entschädigung Teil der Gegenleistung. Will der Erwerber die Mietrechte selbst beseitigen, so ist die Entschädigung auch dann nicht Gegenleistung, wenn er den Verkäufer mit der Freimachung beauftragt. In einem solchen Fall kann von einem unmittelbaren tatsächlichen und wirtschaftlichen oder inneren Zusammenhang der Leistung des Erwerbers mit der Erwerbung des Grundstückes nicht mehr gesprochen werden (vgl VwGH 10.1.1985, 83/16/0181).

Leistungen für die Bestandfreimachung zählen somit nur dann nicht zur Gegenleistung, wenn zunächst der Erwerbsvorgang verwirklicht wird und Gegenstand des Erwerbsvorganges das mit den Bestandrechten belastete Grundstück ist und anschließend vom Erwerber auf seine Kosten und auf sein Risiko die Bestandfreimachung der Liegenschaft erfolgt. Ist allerdings wie hier die Bestandfreimachung noch durch die Verkäufer auf deren Kosten und deren Risiko vor Abschluss des Kaufvertrages erfolgt und will der Erwerber die Liegenschaft bereits frei von Bestandrechten erwerben (siehe dazu das namens der Bw. verfasste Schreiben von Frau Rechtsanwältin Dr.X vom 6. Februar 1992) und ersetzt der Käufer bloß dem Verkäufer die Kosten der Bestandfreimachung, so zählen diese Kosten zur grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung. Selbst wenn man dem Vorbringen der Bw. folgt, wonach es sich bei dem aufgewendeten Betrag von S 3.000.000,00 (entspricht € 218.018,50) zur Gänze um eine gesonderte Entschädigungsleistung der Bw. an die Verkäufer handelt, damit diese die Bestandrechte ablösen können, unterliegt dieser Betrag somit der Grunderwerbsteuer. Die Bemessungsgrundlage für den gegenständlichen Kaufvertrag beträgt daher insgesamt S 10.000.000,00 (entspricht € 726.728,34), sodass sich bei Anwendung eines Steuersatzes von 3,5 % nach § 7 Z. 3 GrEStG eine Grunderwerbsteuerpflicht in Höhe von S 350.000,00 (entspricht € 25.435,49) ergibt.

5) Zur Frage der Verjährung:

Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährungsfrist grundsätzlich 5 Jahre, bei hinterzogenen Abgaben beträgt sie zehn Jahre. Nach § 208 Abs. 1 lit. a BAO beginnt die Verjährung in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit dem Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht im § 208 Abs. 2 BAO ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.

§ 208 Abs. 2 BAO idF vor dem AbgÄG 2003 (BGBl I 124/2003) lautete: "Wird ein der Erbschafts- und Schenkungssteuer oder der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang nicht ordnungsgemäß der Abgabenbehörde angezeigt, so beginnt die Verjährung des Rechtes zur Festsetzung dieser Abgaben nicht vor Ablauf des Jahres, in dem die Abgabenbehörde von dem Erwerbsvorgang Kenntnis erlangt." Seit der Novellierung der Bestimmung des § 208 Abs. 2 BAO durch das AbgÄG 2003 besteht für die Grunderwerbsteuer keine Spezialregelung mehr über den Beginn der Verjährungsfrist.

Die Neufassung des § 208 Abs. 2 BAO trat mangels ausdrücklicher In-Kraft-Tretens-Regelung mit dem Tag nach Kundmachung des AbgÄG 2003 im Bundesgesetzblatt am 20. Dezember 2003 in Kraft. Verjährungsbestimmungen sind nach der Rechtsprechung (vgl. VwGH 22.9.1989, 87/17/0271) Normen des Verfahrensrechts. Treten Änderungen solcher Normen in Kraft, so ist die Neufassung für Amtshandlungen ab In-Kraft-Treten anzuwenden. Sie gilt somit auch für vor In-Kraft-Treten verwirklichte Sachverhalte und ebenso für offene Abgabenverfahren wie z. B. Berufungsverfahren (vgl. Ritz, Verjährung und Rechtsschutz, SWK 34/2003).

Somit ist für den Beginn der Verjährung im gegenständlichen Verfahren auf die allgemeine Regel des § 208 Abs. 1 lit. a BAO abzustellen und hat die Verjährung mit Ablauf des Jahres 1992, in dem der grunderwerbsteuerliche Erwerbsvorgang verwirklicht wurde, begonnen.

Gemäß § 209 Abs. 1 BAO idgF wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabepflichtigen (§77) von der Abgabebehörde unternommene Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.

Im gegenständlichen Fall sind durch das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien mehrere Unterbrechungshandlungen iSd § 209 Abs. 1 BAO gesetzt worden.

So wurde im Jahr 1995 die I-GmbH vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien aufgefordert, den gesamten Schriftverkehr bezüglich der Vermittlung der gegenständlichen Liegenschaft vorzulegen, im Jahr 1996 forderte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien den Akt xxCgxx und vom Bezirksgericht Innere Stadt Wien den Akt xxCxx/92 an und wurde der Geschäftsführer der V-GmbH und Herr Dr.V vom Finanzamt vernommen. Im Jahr 1997 wurde Frau Dr.X nachweislich vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vorgeladen und sollte der vorliegende Kaufvertrag den Gegenstand der Vernehmung bilden. Außerdem wurde im Jahr 1997 gegenüber Frau Dr.X und Frau C ein Finanzstrafverfahren eingeleitet.

Alle diese Amtshandlungen dienten der Geltendmachung des Abgabenanspruches, da vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien erst nach Durchführung eines Ermittlungsverfahren festgestellt werden konnte, ob der neben dem Kaufpreis von der Bw. an die Verkäufer geleistete Betrag von S 3.000.000,00 einen Teil der grunderwerbsteuerlichen Gegenleistung darstellt. Auch mit einer Einleitung eines Finanzstrafverfahrens, die implizit auch auf die Geltendmachung der dort genannten Abgabenansprüche abzielt, wird eine Unterbrechungshandlung im Sinn des § 209 Abs. 1 BAO gesetzt (vgl. VwGH 25.11.1999, 98/15/0081).

Selbst wenn man davon ausginge, dass keine Hinterziehung vorliegt, so hat durch die Unterbrechungshandlungen die 5 jährige Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen und kann frühestens mit Ablauf des Jahres 2002 Verjährung eingetreten sein.

Außerdem wurde sowohl gegen Frau C als auch gegen Frau Dr.X rechtskräftig ein Finanzstrafverfahren eingeleitet.

Der Tatbestand der hinterzogenen Abgaben iSd § 207 Abs. 2 BAO ist nach § 33 FinStrG zu beurteilen. Wenn eine Verurteilung wegen Hinterziehung einer bestimmten Abgabe vorliegt, dann ist die Abgabe im Abgabenverfahren als hinterzogen zu behandeln, zumal das Tatbestandsmerkmal der Hinterziehung im Abgabenverfahren und Finanzstrafverfahren insoweit gleiche materiell-rechtliche Bedeutung hat und auch die Verfahrensgrundsätze, insbesondere die Amtswegigkeit des Verfahrens, die gleichen sind, daher eine Bindung iSd § 116 Abs. 2 BAO besteht. Wenn allerdings bis zur Erlassung des angefochtenen Abgabenbescheides eine das Vorliegen der Abgabenhinterziehung aussprechende Entscheidung der Strafbehörde nicht bereits vorliegt, hat die Abgabenbehörde die Hinterziehung als Vorfrage zu beurteilen. Die Abgabenbehörde hat diesfalls die maßgeblichen Hinterziehungskriterien des Straftatbestandes nachzuweisen (vgl. ua. VwGH 25.3.1999, 97/15/0056).

Da die Finanzstrafverfahren gegen Frau Dr.X und Frau C noch nicht beendet wurden, ist die Frage der Hinterziehung im gegenständlichen Verfahren als Vorfrage zu beurteilen.

Die Abgabenhinterziehung nach § 33 Abs. 1 FinStrG erfordert Vorsatz. Gemäß § 8 Abs. 1 FinStrG handelt vorsätzlich, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht; dazu genügt es, dass der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

Da Frau Rechtsanwältin Dr.X durch ihre berufliche Tätigkeit die Entscheidung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Oktober 1983 zu GZ. GA11-xxx kannte, hat sie es zumindest ernstlich für möglich gehalten, dass zusätzlich zum Kaufpreis für die Bestandfreimachung an die Verkäufer zu zahlende Beträge in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen sind, wenn das Grundstück frei von Bestandrechten erworben wird. Durch ihre Eigenschaft als Geschäftsführerin der Bw. und Verfasserin des Schreibens vom 6. Februar 1002 war ihr sowohl bekannt, dass die Bw. keinen Auftrag an die Verkäufer zur Bestandfreimachung erteilt hatte, als auch, dass der Erwerb der Liegenschaft frei von den Bestandrechten der V-GmbH erfolgten sollte. Dennoch wurde der Betrag von 3.000.000,00 nicht in die beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien eingereichte und von Frau Dr.X unterzeichnete Abgabenerklärung aufgenommen, woraus zu schließen ist, dass sich Frau Dr.X mit der Abgabenverkürzung abgefunden hat.

Wegen des Vorliegens einer hinterzogenen Abgabe hat die Verjährungsfrist im gegenständlichen Fall daher 10 Jahre betragen, sodass auch aus diesem Grund frühestens mit Ablauf des Jahres 2002 Verjährung eingetreten sein kann.

Im Jahr 2002 wurden Frau Rechtsanwältin Dr.X und Frau C als Beschuldigte vom Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vorgeladen. Außerdem tätigte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien am 18. November 2002 eine Firmenbuchabfrage und fertigte einen Firmenbuchauszug mit aktuellen Daten der Bw. an. Diese Firmenbuchabfrage diente offensichtlich dazu, die aktuelle Geschäftsanschrift der Bw sowie den aktuellen Geschäftsführer der Bw. festzustellen. Da die Kenntnis dieser Daten der Bescheidzustellung an die Bw. diente, handelt es sich bei dieser Firmenbuchabfrage um eine zur Geltendmachung des Abgabenanspruches unternommene Amtshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO. Auch jedermann gestattete Tätigkeiten wie die Einsichtnahme in das Firmenbuch unterbrechen die Verjährung (vgl. VwGH 5.4.2001, 2000/15/0150). Es kommt nicht darauf an, dass der Abgabepflichtige Kenntnis von einer Amtshandlung erlangt, sondern reicht es aus, dass es sich um eine nach außen erkennbare Amtshandlung handelt. So wie Anfragen des für die Erhebung der Grunderwerbsteuer zuständigen Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern bei einer anderen inländischen Abgabenbehörde eine Unterbrechungshandlung iSd § 209 Abs. 1 BAO darstellen können (vgl. VwGH 24.4.2002, 2002/16/0068), können auch Anfragen an andere Behörden oder Gerichte die Verjährung unterbrechen. Dabei kann es keinen Unterschied machen, ob die Anfrage per Post oder elektronisch durchgeführt wird, da auch auf elektronischem Weg durchgeführte Amtshandlungen eine Außenwirkung entfalten und die Sphäre der Behörde verlassen. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz hat - bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen - auch eine Abfrage in der Datenbank des Hauptverbandes des Sozialversicherungsträger, die auf eine solche Weise im Akt dokumentiert ist, dass daraus verlässlich entnommen werden kann, wann sie durchgeführt wurde, eine verjährungsunterbrechende Wirkung (vgl. VwGH 30.9.1997, 95/08/0263). Da im gegenständlichen Fall durch den im Akt des Finanzamtes befindlichen Firmenbuchauszug vom 18. November 2002 dokumentiert wird, wann die Abfrage durchgeführt wurde, kommt dieser auf elektronischem Weg durchgeführten Einsicht in das Firmenbuch eine verjährungsunterbrechende Wirkung zu und hat mit Ablauf des Jahres 2002 die Verjährungsfrist neu zu laufen begonnen.

Nach § 209 Abs. 3 BAO idgF verjährt das Recht auf Festsetzung einer Abgabe spätestens fünfzehn Jahre nach Entstehung des Abgabeanspruches (§ 4). Da der Abgabenanspruch im gegenständlichen Fall mit Abschluss des Kaufvertrages am 12.März 1992 entstanden ist, endet die absolute Verjährungsfrist nach der derzeit geltenden Rechtslage erst im Jahr 2007. Somit ist die mit dem angefochtenen Bescheid im Jahr 2003 erfolgte Grunderwerbsteuerfestsetzung auch vor Ablauf der absoluten Verjährungsfrist erfolgt.

Es waren daher die Berufungen gegen den Wiederaufnahmebescheid und gegen den Bescheid über die Festsetzung der Grunderwerbsteuer als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 21. Dezember 2004

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 5 Abs. 2 Z 1 GrEStG 1987, Grunderwerbsteuergesetz 1987, BGBl. Nr. 309/1987
§ 209 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Schlagworte:

Gegenleistung, Bestandfreimachung, Verjährung, Unterbrechungshandlung, EDV-Abfrage

Verweise:

VwGH 10.01.1985, 83/16/0181
VwGH 05.04.2001, 2000/15/0150
VwGH 30.09.1997, 95/08/0263

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