Kein Vorsteuerabzug bei Rechnungsmangel trotz Gutgläubigkeit des Leistungsempfängers
Beachte:
VfGH-Beschwerde zur Zl. B 1004/04 eingebracht. Mit Beschluss vom 28.9.2004 an den VwGH abgetreten. VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/13/0133 eingebracht. Mit Erk. v. 21.11.2007 als unbegründet abgewiesen.
Entscheidungstext
Der unabhängige Finanzsenat hat über die Berufung der Bw. gegen den Bescheid des Finanzamtes für den 2. und 20. Bezirk betreffend Umsatzsteuer für 2001 entschieden:
Die Berufung wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2001 bleibt unverändert.
Rechtsbelehrung
Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.
Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.
Entscheidungsgründe
Einem Aktenvermerk des Erhebungsdienstes der Betriebsprüfungsabteilung (BPA) des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg vom 22. Jänner 2002 sind u.a. folgende Feststellungen zu entnehmen:
"Die SB war an mehreren Baustellen als Subunternehmer tätig (z.B. 1030 ST 2 a, 1190 Großbaustelle M und 1170 LE 14). Die Auftraggeber konnten jedoch nicht ausfindig gemacht werden, es wurden über einen längeren Zeitraum 22 Arbeitnehmer beschäftigt.
Als Geschäftsanschrift scheinen 5. G 18/13 und ausschließend 1090 GR 29/6 auf. An beiden Adressen konnte niemand erreicht werden! Die GR 29/6 wurde vom GF als Wohnung gemietet, lt. Vermieter wurde diese jedoch nie benutzt und es wurde auch keine Miete bezahlt.. Der Geschäftsführer selbst, Herr KB ist mit 6.11.2001 unbekannt abgemeldet!
Zwischenzeitig wurde gegen obige Firma ein Konkursantrag seitens der Krankenkasse gestellt, das Finanzamt schloss sich diesem nicht an, da es offensichtlich kein Vermögen gibt und niemand erreicht werden konnte....".
Die VG legte am 29. Juli 2002 eine Erklärung gem. § 6 Abs. 3 Umsatzsteuergesetz (UStG) 1994 vor, mit der auf die Steuerbefreiung gem. § 6 Abs. 1 Z 27 UStG 1994 (Kleinunternehmerregelung) ab dem Kalenderjahr 2001 verzichtet wurde.
In der gleichfalls am 29. Juli 2002 vorgelegten Umsatzsteuererklärung für 2001 wurden u.a. Vorsteuern in Höhe von 142.166,66 S geltend gemacht, die das Finanzamt mit Schreiben vom 17. Oktober 2002 ersuchte aufzugliedern und durch geeignete Belege nachzuweisen.
In Entsprechung dieses Ersuchens übermittelte die VG dem Finanzamt für den 2. und 20. Bezirk eine berichtigte Umsatzsteuererklärung für 2001, worin Vorsteuern in Höhe von 160.696,61 S ausgewiesen waren. Dieser Erklärung waren u.a. auch die Schlussrechnung der SB vom 30. November 2001, betreffend das Bauvorhaben 1200 Wien, R 9/2 (Umbauarbeiten), beigelegt, in der für eine Gesamtleistungssumme von netto 710.833,33 S Umsatzsteuer (20 %) in Höhe von 142.166,67 S in Rechnung gestellt worden war.
Das Finanzamt erließ am 9. Jänner 2003 den Umsatzsteuerbescheid für 2001, worin Vorsteuern nur im Ausmaß von 18.529,94 S Berücksichtigung fanden. Begründend wurde ausgeführt, dass die SB an der Adresse Wien 5., G 18/13 nicht existent gewesen sei, weshalb entsprechende Vorsteuern nicht anerkannt werden hätten können. Vorsteuern aus den laufenden Ausgaben in Höhe von 18.529,94 S seien aber anerkannt worden.
Die VG erhob gegen den Umsatzsteuerbescheid für 2001 am 28. Jänner 2003 das Rechtsmittel der Berufung und wies darauf hin, dass die in den einzelnen Teilrechnungen ausgewiesenen Beträge, bezahlt worden seien. Man habe sich Geld ausgeborgt um das Bauvorhaben im Geschäftslokal durchführen zu können. Es sei auch nicht die Schuld der VG, wenn nunmehr die Nichtexistenz der Adresse behauptet werde. Zudem sei die SB lt. Firmenbuchauszug vom 23. Jänner 2003 eine existente Firma mit der Geschäftsanschrift 1090 Wien, GT 29/6 A.
Das Finanzamt wies die Berufung mit Berufungsvorentscheidung vom 5. Februar 2003 als unbegründet ab. Begründend wurde ausgeführt, dass eine für den Vorsteuerabzug erforderliche Rechnung dann nicht vorliege, wenn der leistende Unternehmer nicht an der auf der Rechnung angegebenen Anschrift existiert. Diesfalls stehe der Vorsteuerabzug auch dann nicht zu, wenn der Abgabepflichtige die Unternehmereigenschaft des Geschäftspartners überprüft hat und somit im guten Glauben die Rechtsbeziehung eingegangen ist.
Die VG stellte am 12. März 2003 den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
G U, Komplementär der VG wurde am 7. Mai 2004 durch das Finanzamt für den 2. und 20. Bezirk zum vorliegenden Sachverhalt als Auskunftsperson befragt, wobei er angab, dass das Lokal in der R 9/2 vor ca. 2 bis 3 Jahren erweitert und umgebaut worden sei. Die Leistungen seien von der Fa. SB erbracht worden. Der Chef, Herr S sei ca. drei bis viermal im Lokal gewesen, wo ihm vier Raten bar ausbezahlt worden seien. Die Arbeiten hätten aus Durchbruch und Verfliesung bestanden, wobei Sitzeinrichtung und Kücheneinrichtung geliefert, eingebaut bzw. umgebaut, die WC-Anlage erneuert und eine Holzvertäfelung angebracht worden seien.
Aus dem vom Finanzamt vorgelegten Mietvertrag betreffend die Wohnung in 1050 Wien, G 18/1/13, abgeschlossen zwischen der A und AA, geht hervor, dass dieses Mietverhältnis seit dem 1. Juli 1996 besteht.
Das Finanzamt für den 2. und 20. Bezirk führte zu den über Ersuchen der Berufungsbehörde durchgeführten Erhebungen mit Schreiben vom 28. Mai 2004 aus, dass Kontaktperson für die Umbauarbeiten im Lokal, die augenscheinlich auch durchgeführt wurden, S gewesen sei. Lt. Firmenbuch war aber SH zum Zeitpunkt der Leistungserbringung und Rechnungslegung nicht mehr Geschäftsführer der SB gewesen. Die Erhebungen hätten auch ergeben, dass an der Anschrift 1050 Wien, G 18/13 seit dem 1. Juli 1996 AA wohne.
Über die Berufung wurde erwogen:
Gem. § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 kann der Unternehmer die von anderen Unternehmern in einer Rechnung (§ 11) an ihn gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die im Inland für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen.
Gem. § 11 Abs. 1 UStG 1994 müssen Rechnungen die folgenden Angaben enthalten:
1. Den Namen und die Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers;
2. den Namen und die Anschrift des Abnehmers der Lieferung oder des Empfängers der
sonstigen Leistung;
3. die Menge und die handelsübliche Bezeichnung der gelieferten Gegenstände oder die Art
und den Umfang der sonstigen Leistung;
4. den Tag der Lieferung oder der sonstigen Leistung oder den Zeitraum, über den sich die
sonstige Leistung erstreckt;
5. das Entgelt für die Lieferung oder sonstige Leistung und
6. den auf das Entgelt (Z 5) entfallenden Steuerbetrag.
Voraussetzung für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 12 Abs. 1 Z 1 iVm § 11 Abs. 1 UStG 1994 ist daher auch u.a., dass sich Name und Anschrift des tatsächlich liefernden oder leistenden Unternehmers eindeutig aus der Rechnungsurkunde selbst ergeben (vgl. beispielsweise das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. Februar 2000, 97/15/0151). Dem Sinn des Gesetzes entsprechend begnügt sich das Gesetz nicht mit Angaben, aus denen im Zusammenhalt mit dem übrigen Sachverhalt hervorgeht, dass ein Unternehmer die in Rechnung gestellten Lieferungen oder Leistungen erbracht hat. Auch die Angabe "nur" einer falschen Adresse kann nicht als "kleiner", dem Vorsteuerabzug nicht hinderlicher Formalfehler angesehen werden.
Im vorliegenden Fall hat nun aber das seitens des Finanzamtes und des Unabhängigen Finanzsenates angestrengte Beweisverfahren ergeben, dass die in den vorliegenden Rechnungen der SB vom 30. Juli, 30. August, 28. September und 30. November 2001 angegebene Anschrift G. nicht die Geschäftsanschrift dieser Gesellschaft ist, da Mieter dieser Wohnung seit dem 1. Juli 1996 AA ist (Mietvertrag vom 13. Juni 1996) und auch die am 22. Jänner 2002 durch die BPA des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk erfolgte Erhebung an Ort und Stelle keinen Hinweis dafür ergab, dass diese Anschrift die Geschäftsanschrift des besagten Unternehmens ist.
Wenn nun GU im Zuge seiner am 7. Mai 2004 getroffenen Aussage angibt, der "Chef S" sei ca. dreimal im Lokal gewesen, wo ihm vier Raten bar ausbezahlt worden seien, so kann hieraus nicht abgeleitet werden, dass der Besagte für die SG einzuschreiten befugt war, ist er doch zum Zeitpunkt der Rechnungserstellungen nicht mehr Geschäftsführer gewesen (Löschung dieser Funktion im Firmenbuch per 6. Juni 2001) und ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen oder auch nur eingewendet worden, S habe über andere sein Eintreten für die Gesellschaft rechtfertigende Vollmachten verfügt.
Wenn nun aber die Bw. gutgläubig von der schlussendlich unbegründeten Annahme ausgegangen ist, S trete im Auftrag der SB auf und die in den Rechnungen enthaltenen Angaben seien vollständig und zutreffend, so kann hierauf ein Anspruch auf Vorsteuerabzug nicht gestützt werden.
Essentielle Voraussetzung des Vorsteuerabzuges nach der durch die Bestimmungen des §12 Abs. 1 Z 1 iVm § 11 Abs. 1 UStG 1994 gestalteten Rechtslage ist u.a. die eindeutige Identifizierbarkeit des Rechnungsausstellers allein anhand der in der Rechnung angeführten Identifikationsmerkmale. Da der Leistungsempfänger eines im Einklang mit den bestehenden Gesetzen abgewickelten Rechtsgeschäftes dem Leistungserbringer gegenüber einen Anspruch darauf hat, von diesem eine dem Gesetz entsprechend gestaltete Rechnung ausgestellt zu erhalten, kommt dem Hinweis auf den guten Glauben im geschäftlichen Verkehr für die hier zu lösende Rechtsfrage Bedeutung nicht zu. Das Risiko einer Enttäuschung in seinem guten Glauben hat der zu tragen, der im guten Glauben handelt.
Weshalb der gutgläubig Handelnde berechtigt sein sollte, dieses sein eigenes Risiko auf einen Dritten, nämlich den Abgabengläubiger zu überwälzen, ist nicht einsichtig. Bleibt der Leistungserbringer für den Abgabepflichtigen greifbar, werden sich unterlaufene Fehler in der Rechnungslegung im Innenverhältnis zwischen den Vertragspartnern, und sei es durch Ausstellung einer berichtigten Rechnung, beheben lassen.
Die Ungreifbarkeit eines Leistungserbringers aber ist das Risiko eines Leistungsempfängers, der sich auf eine Rechtsbeziehung mit einem solchen Partner eingelassen hat. Für eine Überwälzung dieses Risikos auf die Abgabenbehörde besteht kein rechtlicher Grund (vgl. Verwaltungsgerichtshof vom 28. Mai 1997, 94/13/0230).
Dem Finanzamt kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn es bei der gegebenen Sach- und Rechtslage die ggstl. Rechnungen als mangelhaft im Sinne des § 11 UStG 1994 angesehen hat und demgemäß die in diesen Rechnungen ausgewiesene Umsatzsteuer als nicht abzugsfähig im Sinne des § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994 beurteilt hat.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
Wien, 11. Juni 2004
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht |
betroffene Normen: | § 12 Abs. 1 Z 1 UStG 1994, Umsatzsteuergesetz 1994, BGBl. Nr. 663/1994 |
Schlagworte: | Rechnung, Vorsteuerabzug, Anschrift, Anschrift des liefernden oder leistenden Unternehmers, Leistungserbringer, im guten Glauben |
Verweise: |