UFS RV/1186-W/02

UFSRV/1186-W/0227.11.2003

Wird eine betriebliche Forderung im Laufe der Jahre zu einer Privatforderung, ist sie einer Teilwertabschreibung nicht mehr zugänglich.

 

Beachte:
VwGH-Beschwerde zur Zl. 2004/13/0019 eingebracht. Mit Erk. v. 28.2.2007 als unbegründet abgewiesen.

Entscheidungstext

 

Der unabhängige Finanzsenat hat durch den Vorsitzenden Hofrat Dr. Thomas Neuber und die weiteren Mitglieder Hofrat Mag. Franz Anderl, Robert Hauser und Christian Franz im Beisein der Schriftführerin Gerlinde Zehetmayer am 26. November 2003 über die Berufung des Bw., vertreten durch Hübner & Hübner OHG,, gegen die Bescheide des Finanzamtes für den 6., 7. und 15. Bezirk, vertreten durch HR Dr. Monika Piffl, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998 nach in Wien durchgeführter mündlicher Berufungsverhandlung entschieden:

Die angefochtenen Bescheide werden abgeändert.

Der Einkommensteuerbescheid und der Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 1998 ergehen endgültig.

Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der Abgaben sind dem Ende der folgenden Entscheidungsgründe und den als Beilage angeschlossenen Berechnungsblättern zu entnehmen und bilden einen Bestandteil dieses Bescheidspruches.

Die Fälligkeit des mit dieser Entscheidung festgesetzten Mehrbetrages der Abgaben ist aus der Buchungsmitteilung zu ersehen.

Rechtsbelehrung

Gegen diese Entscheidung ist gemäß § 291 der Bundesabgabenordnung (BAO) ein ordentliches Rechtsmittel nicht zulässig. Es steht Ihnen jedoch das Recht zu, innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung dieser Entscheidung eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt unterschrieben sein. Die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof muss - abgesehen von den gesetzlich bestimmten Ausnahmen - von einem Rechtsanwalt oder einem Wirtschaftsprüfer unterschrieben sein.

Gemäß § 292 BAO steht der Amtspartei (§ 276 Abs. 7 BAO) das Recht zu, gegen diese Entscheidung innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung (Kenntnisnahme) Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zu erheben.

Entscheidungsgründe

1. Veranlagung

Mangels Abgabe von Steuererklärungen für das Jahr 1997 schätzte das Finanzamt im Zuge der Veranlagung zur Umsatzsteuer und zur Einkommensteuer die Bemessungsgrundlagen (HA 7 - 15/97).

Die Abgabenfestsetzung für das Jahr 1998 erfolgte erklärungsgemäß (Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG). Die Veranlagungsbescheide ergingen vorläufig (HA 37 - 40/98).

2. Gewinnermittlung

Am 30. Juli 1999 brachte der steuerliche Vertreter der Bw. einen Antrag auf Fristverlängerung betreffend Abgabe der Steuererklärungen für 1997 und 1998 ein (HA 4/97) und verweist auf seine Anfrage vom 29.7.1999. Der dort beschriebene Sachverhalt könnte Einfluss auf beide Veranlagungsjahre haben.

In der angesprochenen Anfrage in Bezug auf die Veranlagung des Jahres 1998 wird im dargestellten Sachverhalt offensichtlich von einer Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG ausgegangen (HA 86 ff/98).

Im Zuge der Abgabenerklärungen für das Jahr 1998 beantragt der steuerliche Vertreter in seinem Schreiben vom 8. September 1999 wegen eines möglichen Überganges der Gewinnermittlung auf § 4 Abs. 1 EStG die vorläufige Veranlagung des Jahres 1998 aufgrund der abgegebenen Einnahmen-Ausgaben Rechnung (HA 1/98).

Mit der Begründung, es sei ein Übergang der Gewinnermittlung auf § 4 Abs 1 EStG per 1.1.1997 vorgenommen worden, beantragt der Bw. in der Berufung die erklärungskonforme Veranlagung unter Berücksichtigung der für die beiden Streitjahre beiliegend abgegebenen Jahresabschlüsse (HA 42/98 und 46/98). Im Schriftsatz vom 10.9.2003 erläutert der steuerliche Vertreter des Bw. die laufende Führung von Büchern und Aufzeichnungen (UFS-Akt). Demzufolge seien sämtliche Konten, der Gewinnermittlungsbestimmung des § 4 Abs 1 EStG entsprechend, laufend geführt, im Jahr 1996 aber nicht abgeschlossen worden.

Für das Jahr 1997 ergibt sich demzufolge ein Verlust von S 836.217,81 (HA 43/98) und errechnet sich wie nachfolgend dargestellt: Beträge in Schilling.

Jahresverlust zum 31.12.1997

lt. Bilanz zum 31.12.97

-1.161.997,25

Übergangsgewinn zum 1.1.1997

343.583,44

MWR (Auflösung IFB)

-17.804,00

steuerpflichtiges Ergebnis 1997

-836.217,81

 

In der Bilanz zum 31.12.1997 wird unter der Position 7680 Teilwertabschreibung Umlaufvermögen ein Betrag von S°2.892.765,20 als Aufwand geltend gemacht (HA 24/97).

3. Vorgeschichte

Dem bereits angesprochenen Auskunftsersuchen vom 29.7.1999 (HA 86 ff/98) zufolge führten der Bw. und Rechtsanwalt Dr. D. bis zum 31.12.1987 eine Rechtsanwaltskanzlei. Wegen Entzuges der Berufsbefugnis des Kanzleipartners führte der Bw. die Kanzlei alleine weiter. Sohin wurde die Kanzlei Ende 1987 aufgelöst bzw. mit 1.1.1988 eine Realteilung vorgenommen.

Beide Mitgesellschafter hätten zum 31.12.1987 ein durch angelaufene Verluste und Entnahmen negatives Kapitalkonto gehabt.

Es sei vereinbart worden, das negative Kapitalkonto des Dr. D. in eine eigene Bilanz zu übernehmen und eine Gegenposition "Verbindlichkeiten an Kanzlei Dr. J." in Höhe von S°3.045.017,03 passivisch einzustellen.

Sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten seien zum Stichtag der Kanlei Dr. J. zugeordnet und von dieser fortgeführt worden.

Der auf Dr. D. entfallende Firmenwert sei im negativen Kapitalkonto repräsentiert und die auf ihn entfallenden Schuldenteile seien auf dem vorher erwähnten Verbindlichkeitskonto ausgewiesen.

Da in den nächsten Jahren die zu erwartenden Einkünfte des Dr. D. aus unselbständiger Tätigkeit keinen ausreichenden Beitrag zur Rückführung der Verbindlichkeiten leisten konnten und der Bw. durch ein rechtlich mögliches Insolvenzverfahren seinem Kollegen die Wiederaufnahme seiner Rechtsanwaltstätigkeit nicht verhindern wollte, wurde vereinbart, dass bei Wiedererhalt der Berufsbefugnis des Dr. D. dieser sich verpflichtet, seine Verbindlichkeit an die Kanzlei des Bw. zurückzuzahlen.

Dies zerschlug sich wegen der geringen Einkünfte des Dr. D. Auf eine gerichtliche Klage hätte der Bw. wegen der Gefährdung der Wiedererlangung der Berufsbefugnis des Dr. D. und der Unwirtschaftlichkeit (die Kosten seien weit höher als der zu erwartende Erfolg gelegen) verzichtet.

In seinem ergänzenden Schriftsatz teilt der steuerliche Vertreter (HA 89/98) seine Ansicht mit, es handle sich um eine dem Betrieb zuzurechnende Forderung in Höhe von S°3.045.017,03, die wegen Uneinbringlichkeit zur Gänze zu berichtigen sei.

In Ergänzung eines telefonischen Fragenvorhaltes legte der steuerliche Vertreter die Positionen Teilwertabschreibung und Schadensfälle, sowie die Zusammensetzung des Übergangsgewinnes dar (HA 94/98).

Die im Jahr 1997 geltend gemachte Teilwertabschreibung errechne sich demnach mit 95 % von S°3.045.016,00; sohin mit S°2.892.765,20.

Im am 20.6.1988 ausgefüllten Fragebogen wird die Umwandlung der Dr. D & Dr. J. GnBR per 1.1.1988 in eine Einzelfirma angezeigt (Feststellungsakt, 3/DB).

Im Veranlagungsjahr 1993 wurde die Forderung gegenüber Dr. D mit S°761.254,00 (teilweise) versuchtermaßen berichtigt. Diese Abwertung wurde vom Finanzamt und zuletzt vom VwGH (Zl 96/13/0007) nicht anerkannt, weil eine Gewinnermittlung nach den Vorschriften des § 4 Absatz 3 EStG dies nicht vorsieht (Feststellungsakt, 64/93). Auf Seite 5 des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 16.12.1998, Zl 96/13/0007 wird ein im Rahmen des Beschwerdeverfahrens erstmals eingewandter (teilweiser) Forderungsverzicht in Höhe von S°750.000,00 im Jahre 1992 erwähnt.

Im Feststellungsakt 11 ff/93 erliegt ein weiteres Auskunftsersuchen vom 15.11.1989 an das BMF, das von einer Lösung ausgeht, Dr. D weder insolvenzrechtlich zu gefährden, noch im Falle einer nachgelassenen Verbindlichkeit einkommensteuerpflichtig werden zu lassen (wegen Sanierung). Die Dauer des Wegfalls der Berufsbefugnis wird mit 3 Jahren angegeben. Mit Schreiben vom 16.3.1995 führt der steuerliche Vertreter die bereits wiedererlangte Berufsbefugnis des Dr. D. an (Feststellungsakt 6/93).

Dem BMF-Auskunftsansuchen beigelegt war eine Aufstellung der Aktiven und Passiven zum 31.12.1987 (Feststellungsakt 14/93), die ein negatives Kapital in der Höhe von S°5.969.423,02 (hievon entfallen auf Dr. D. S 2.903.895,13 und auf den Bw. S 3.065.527,89), Verbindlichkeiten (im wesentlichen Treuhandgelder in Höhe von S°4.648.443,78) und Verbindlichkeiten gegenüber Banken (in Höhe von S°2.297.405,00, insgesamt an Verbindlichkeiten S°7.285.246,84) auswiesen.

Auf den von der Akteneinsicht ausgeschlossenen Vorgang (Schreiben vom 21.2.1997, Feststellungsakt, lose) wird hingewiesen.

Im Schreiben vom 22.9.1989 (Umsatzsteuerakt der GnBR, lose DB) wird vom ehemaligen steuerlichen Vertreter die Form der Auflösung der Kanzleigemeinschaft dargelegt. Demnach sei eine Realteilung vorgenommen worden und sämtliche Forderungen und Verbindlichkeiten Dr. J. zugerechnet worden. Die selbständige Tätigkeit des Dr. D. ruhe wegen Entzuges der Berufsbefugnis auf Zeit und das für ihn erstellte Bilanzbündel wird sich bei Wiederaufnahme seiner selbständigen Tätigkeit als Eröffnungsbilanz ergeben.

Der Gesellschaftsvertrag (Umsatzsteuerakat, 7 ff/DB) legt für den Fall der Auflösung die Beteiligung der Gesellschafter zu gleichen Teilen am Firmenwert und den stillen Reserven fest (Punkt X. des Vertrages, Umsatzsteuerakt, 10/DB).

Sollten an der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Auflösung nur zwei Gesellschafter beteiligt sein, so wird im Falle des Austrittes des (vorletzten) Gesellschafters, welcher die Auflösung der Gesellschaft zur Folge hat, auf eine Realteilung im Sinne des § 1215 ABGB verzichtet und treten an die Stelle dieser Bestimmung die Bestimmungen des HGB, wonach der Vermögensanteil des ausgeschiedenen Gesellschafters dem verbleibenden Gesellschafter zuwächst. Änderungen dieses Vertrages und Nebenabreden sind nur dann wirksam, wenn sie schriftlich getroffen werden (Pkt XII des Vertrages). Das Datum der Unterfertigung lautet auf den 30.10.1979.

Die unter Beachtung der Vorschriften des § 4 Abs. 1 EStG ermittelten Ergebnisse der Jahre 1978 bis 1987 und der Saldo der Einlagen und Entnahmen betragen wie folgt (Beträge in öS):

 

Gewinne

Saldo Entnahmen und Einlagen

1978

41.274,00

290.951,37

1979

105.278,00

589.878,00

1980

-244.357,00

1.806.721,53

1981

-401.612,00

1.194.309,84

1982

-591.104,00

513.713,80

1983

955.859,00

644.286,40

1984 (BP-Bericht)

210.392,00

379.892,13

1985

8.566,00

691 .456,78

1986

423.854,00

692.656,56

1987

587.354,00

817.166,28

Summe

1.095.504,00

7.621.032,69

Differenz

 

6.525.528,69

 

Im Zuge der Vorhaltsbeantwortung vom 27.6.2002 gibt der Bw. an, es sei eine Auseinandersetzungsbilanz erstellt worden. Dr. D. habe sein KFZ entnommen. Die Entnahmen seien aus den laufenden Einnahmen erfolgt. Nähere Details über die Gründe für den Entzug der Berufsbefugnis bzw Angaben über die Dauer des Entzuges dürfe der Bw. (infolge seiner Verschwiegenheitsverpflichtung) nicht machen. Stille Reserven seien im Unternehmen nicht vorhanden gewesen. Praktisch gesehen sei durch das lang andauernde Disziplinarverfahren von Dr. D der Firmenwert der Kanzleigemeinschaft ruiniert bzw der Ruf der Kanzlei in Misskredit gezogen worden. Noch nicht abgerechnete Leistungen sind von einem von der Rechtsanwaltskammer bestellten Stellvertreter weiter bearbeitet worden.

Schriftliche Vereinbarungen über die Berechtigung zur Kapitalentnahme lägen nicht vor.

Von seiten des Bw. gäbe es eine Haftentlastungserklärung für Dr. D.

Zur Frage des Zeitpunktes der Uneinbringlichkeit der Forderung bzw des Nachweises der Uneinbringlichkeit wiederholt der Bw. seine bisherigen Vorbringen, wonach gerichtliche Schritte die berufliche Existenz des Dr. D. gefährden würden und die Kosten hierfür weit höher lägen als der Erfolg einer solchen Klage.

Dem Schriftsatz waren u.a. der auf beide Gesellschafter lautende Mietvertrag, sowie der in Bezug auf die Auseinandersetzung bzw Geltendmachung der Forderung bezughabende Schriftverkehr beigelegt (Schreiben des Wirtschaftstreuhänders vom 22.9.1989; dieses und alle weiteren Schriftsätze befinden sich im UFS-Akt).

Demzufolge war vereinbart das negative Kapitalkonto von Dr. D. in eine eigene Bilanz zu übernehmen und eine entsprechende Gegenpost "Verbindlichkeiten an die Kanzlei Dr. J." passivisch einzustellen.

Im Schreiben des Bw. vom 1.12.1992 wird ein teilweiser Schulderlass in Höhe von S°750.000,00 festgehalten und eine Teilzahlung für das Jahr 1993 gefordert. Mit Schreiben vom 14.12.1995 wird die aushaftende Forderung mit S°3.000.000,00 angeführt und an zugesagte Teilzahlungen des laufenden Jahres erinnert. Am 3.1.1996 teilt Dr. D. mit, er habe vor nicht allzu langer Zeit die Berufsbefugnis wieder erlangt, sei aber nicht liquide. Nach einer weiteren schriftlichen Kontaktaufnahme mit Dr. D. im Jahre 1997 stellt dieser seinen schlechten Gesundheitszustand und seine Einkommensverhältnisse dar. Demnach erziele er im Jahr 1995 Einkünfte in Höhe von S°530.000,00. Die Berufsbefugnis halte er nur aufrecht, um in den Genuss der Versorgungseinrichtung der Kammer zu gelangen. In einem weiteren Schreiben vom 18.11.1997 informiert Dr. D. über die aus gesundheitlichen Gründen erzwungene Aufnahme einer Teilzeitbeschäftigung. Gefertigt war dieses Schreiben mit "Dei Alter, Micky". Ein Bescheid des Bundessozialamtes weist Dr. D. als zum Kreis der begünstigten Behinderten gem. § 2 Abs. 1 BEinstG gehörend aus.

Im Firmenbuch war D in den Jahren 1992 und 1993 als Prokurist einer namhaften Unternehmungsberatungsgesellschaft eingetragen.

Im Zuge der mündlichen Berufungsverhandlung wurde ergänzend ausgeführt, die strittige Forderung sei bei vernünftiger kaufmännischer Beurteilung infolge Uneinbringlichkeit abzuschreiben. Eine Zwangsvollstreckung sei hierfür nicht Voraussetzung. Allein die Gerichtsgebühren für eine Klage würden laut den Erfahrungen des Bw. als Korrenzienanwalt € 4.332,00 betragen. Das negative Kapitalkonto sei auf Bankverbindlichkeiten zurückzuführen, die - infolge Spezialisation auf Inkassotätigkeiten - (auch) aus hohen vorzufinanzierenden Barauslagen resultierten. Nach Entzug der Berufsbefugnis des Kanzleipartners und Bestellung eines Vertreters seien viele Klienten abgewandert. Dem erwarteten neuerlichen Einstieg ins Berufsleben des Partners bzw dessen Möglichkeit zur Rückzahlung stand dessen Gesundheitszustand und eine zwischenzeitig aufgenommene Teilzeitbeschäftigung entgegen. Bis lang sei keine (einzige) Zahlung eingegangen. Vermögen war keines vorhanden. Bei einer allfälligen Prozessführung wäre im Falle des Obsiegens das der Kammer mitzuteilende Verfahrensergebnis einem künftigen Pensionsanspruch entgegengestanden.

Im Zeitraum 1998 bis 2001 erzielte der (ehemalige) Partner Verluste bzw geringfügige Einkünfte. Derzeit weile der Expartner im Spital, was die Uneinbringlichkeit verdeutlicht. Nach dem Erkenntnis des VwGH 31.3.1998, 96/13/0002 stehe der aufwandswirksamen Forderungsabschreibung der Verzicht auf Einbringungsmaßnahmen nicht entgegen.

Die Teilwertberichtigung sei im Ausmaß von 95 % der Forderung erfolgt, weil für den verbleibenden Betrag von S 150.000,00 allenfalls noch Einbringungschancen möglich sind.

Der Senat hat erwogen:

1.) Betriebliche Forderung für Zeiträume vor dem 31.12.1987

Bereits aus der oben wiedergegebenen Aufstellung der während des Bestehens der Gesellschaft erzielten Gewinne und Verluste ist zweifelsfrei ersichtlich, dass die Gewinne die Verluste weitaus überstiegen haben. Das zum 31.12.1987 vom Bw. bzw der Gesellschaft dargestellte Kapitalkonto des D ist daher auch wegen der laufend getätigten Privatentnahmen negativ geworden.

Im Gesellschaftsvertrag sind keine Regelungen betreffend die Berechtigung zur Vornahme von Privatentnahmen enthalten. Auch nach dem ABGB, welches für die hier vorliegende Gesellschaft nach bürgerlichem Recht anzuwenden ist, sind solche nicht vorgesehen. Da beim gegenständlichen Sachverhalt ein Entzug von Gesellschaftskapital im Wege von Privatentnahmen unzulässig ist, verringert sich das Kapitalkonto nicht. Vielmehr entsteht eine sofort fällige und einklagbare Verbindlichkeit gegenüber der Gesellschaft. Diese ist - bei wie im gegenständlichen Fall angewandter Gewinnermittlung nach § 4 Abs 1 EStG - bilanziell zu berücksichtigen (vgl. Bertl, Fraberger, Privatkonten-Verrechnungskonten in RWZ 1997, 205).

Eine Aufnahme der Forderung gegenüber D in die Bilanz der Gesellschaft bzw eine Aufnahme einer Verbindlichkeit in der Ergänzungsbilanz des D ist nicht erfolgt.

Wenngleich über den Zeitraum 1978 bis 1987 hinweg keine erkennbaren Maßnahmen zur Geltendmachung der Forderung gesetzt wurden, ist dennoch von keiner (mit Zustimmung des Bw.) erlaubten Reduktion des Kapitalanteiles des D auszugehen. Insoweit liegt auch keine Änderung des Gesellschaftsvertrages vor, weil eine solche einer schriftlichen Vereinbarung bedurft hätte. Dies ist nach den Ausführungen des Bw. selbst nicht geschehen (vgl. Vorhaltsbeantwortung vom 27. Juni 2002, Punkt XII).

Eine andere Interpretation erlauben die übrigen Bestimmungen des Gesellschaftsvertrages nicht. Einen Verrechnungsanspruch bei Ausscheiden des D. verbieten die Regelungen betreffend die Auflösung der Gesellschaft bei Ausscheiden des vorletzten Gesellschafters. Diesfalls findet keine Realteilung statt, sondern wächst der Anteil dem verbleibenden Gesellschafter zu, der dann zur Fortführung der Kanzlei berechtigt ist.

Dass die Gesellschaft niemals einen Forderungsanspruch gegenüber D (hinsichtlich seiner über die Gewinnanteile getätigten, unzulässigen Kapitalentnahmen) gestellt und ausgewiesen hat, mag für die damaligen Beteiligungszeiträume von steuerlicher Relevanz gewesen sein. Dieser Umstand kann aber nicht dazu führen, nunmehr eine betriebliche Forderung des Bw. in Bezug auf die Auffüllungsverpflichtung negativen Kapitalkontos anzunehmen (vgl. VwGH 22.3.1993, 91/13/0091 in ÖStZB 1993, 565); dem steht der Grundsatz der Periodenbesteuerung, des bereits entstandenen, nicht mehr korrigierbaren Abgabenanspruches und das Nachholverbot entgegen (hiezu grundlegend Doralt/Ruppe, Grundriß des österr. Steuerrechtes Bd I 7. Aufl. S 130 und Bd. II 4. Aufl. S 239).

Im vorliegenden Fall sind den Vereinbarungen zufolge sämtliche betriebliche Forderungen und Verbindlichkeiten auf den Bw. übergegangen. Insoweit hat auch keine Realteilung stattgefunden. Sofern dem D. dennoch (unwesentliche) Wirtschaftsgüter überlassen wurden (zB ein Kraftfahrzeug ), zeigt dies deutlich, dass nicht einmal der Versuch eines Verrechnungsanspruches erfolgt ist.

Im gegenständlichen Fall hätte eine Realteilung (bei negativem Firmenwert, fehlenden stillen Reserven) vielmehr die "Wirkung" einer Auffüllungsverpflichtung gehabt.

Gerade auf eine solche Vorgangsweise ist aber vertraglich verzichtet worden.

2.) Betriebliche Forderung zum 31.12.1987

Abgesehen davon, dass eine erfolgte Auseinandersetzung nach § 142 HGB iSd Pkt X des Gesellschaftsvertrages anhand der Aktenlage nicht ersichtlich ist, kann mit der vom Bw. eingewandten Schuldentlastung für Gesellschaftsschulden einerseits und dem (auf unbestimmte Zeit) zum Ausdruck gebrachten Verzicht, die Forderung in Bezug auf die unzulässigen, weil die Gewinne übersteigenden Kapitalentnahmen, sofort geltend zu machen, ein Band zur betrieblichen Sphäre nicht mehr als bestehend angesehen werden.

Es gehört in Bezug auf die Befreiung von Verbindlichkeiten bei Ausscheiden eines Gesellschafters zu den Voraussetzungen eines derartigen Befreiungsanspruches, dass der Anspruchsprätendent (vorliegend Dr. D.) nicht seinerseits Schuldner des Anspruchs gem. Art 7 Nr 15 Abs 5 EVHGB (= negatives Kapitalkonto) ist (vgl. Straube HGB Kommentar, 3. Aufl., Art 7 Nr 15, 16 Tz 29, S 628). Sohin ist eine Befreiung von Gesellschaftsschulden nur möglich, wenn der Ausscheidende kein negatives Kapitalkonto hat bzw. ein derartiges auffüllt.

Betriebliche Gründe für die vom Bw. behauptete, im Jahr 1987 erfolgte Stundung der Forderung sind nicht erkennbar, wenn er selbst ausführt, der Verlust der Berufsbefugnis habe den Ruf der Kanzlei ruiniert. Nicht nachvollziehbar ist sohin, worin das betriebliche Interesse an einem beruflichen Wiedereinstieg des D. bestanden haben mag.

3.) Betriebliche Forderung nach dem 31.12.1987

Eine Stundung der Forderung erweist sich auch nicht im betrieblichen Interesse gelegen, weil 1987 die Wahrscheinlichkeit vorhandener liquider Mittel oder verwertbarer Wirtschaftsgüter ungleich höher sein musste, als in Zeiträumen (durch den Verlust der Berufsbefugnis bedingt) verminderter Erwerbschancen. Zudem war das laufende Disziplinarverfahren bereits bei aufrechter Gesellschaft bekannt und der Zeitpunkt der Wiedererlangung der Berufsbefugnis nicht exakt absehbar, weil die Antragstellung hierfür einzig und allein von D und die Erteilung von den Gremien der Standesvertretung abhängig war.

Die Stundung erfolgte nach den Ausführungen des Bw. lediglich deshalb, um eine neuerliche Erteilung der Berufsbefugnis nicht zu verhindern, um damit die Möglichkeit zur Rückzahlung der Verbindlichkeiten nicht zu vereiteln.

Umgekehrt hätte aber der "Schuldner" ein gleichwertiges Interesse daran haben müssen, drohende Klagen (beispws. durch Aufnahme von Fremdmitteln) abzuwenden.

Dem vorgelegten Schriftverkehr (zwischen D und dem Bw.) lässt sich demgegenüber entnehmen, dass trotz erzielter Einkünfte von D und zugegebener Vermögenswerte (Ansprüche aus einer Lebensversicherung und Versorgungsansprüche gegenüber der Rechtsanwaltskammer) der Bw. diesbezüglich auf Einbringungsmaßnahmen (etwa Durchsetzung einer Vinkulierung oder Zedierung der Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag) verzichtet hat.

Dies steht auch in Einklang mit der gewählten Formulierung der diversen Auskunftsersuchen, die jedwede Steuerbelastung von D ausschließen wollten (z.B. vom 15.11.1989 in Bezug auf die Steuerfreiheit allfällig nachgelassener Schulden des D).

Mit dem (neben der steuerlichen Geltendmachung des Forderungsverlustes) nahezu ausschließlich auf die persönlichen (Wiedererlangung der Berufsbefugnis) und wirtschaftlichen Verhältnisse (Vermeidung jedweder Steuerbelastung) Rücksicht nehmenden Verhaltens des Bw. (keine Androhung von Klagen, Unverzinslichkeit der Forderung, Stundung auf unbestimmte Zeit) mögen private Gründe maßgeblich gewesen sein (vgl. hiezu den über 10 Jahre amikal gehaltenen Schriftverkehr). Eine betriebliche Veranlassung für die Stundung der "Forderung" ist jedoch nicht erkennbar.

Das Gesamtbild der Verhältnisse ist von einer amikalen Unterstützung des ehemaligen Kanzleipartners geprägt, mit dem der Bw. als noch Rechtsanwaltsanwärter eine Kanzleigemeinschaft gegründet hat. Diese zeigt sich in den sanktionslos gebliebenen unverhältnismäßigen Kapitalentnahmen, der unterbliebenen Auseinandersetzung nach § 142 HGB, der Stundung der "Forderung" ohne irgendeine schriftliche Vereinbarung hierüber zu treffen und das auf größtmögliche Schonung des Schuldners bedachte Vorgehen in Bezug auf die "Einbringung" der Forderung in Form von Erinnerungsschreiben. Ein derartiges Verhalten ist nicht fremdüblich (VwGH 2.2.2000, 97/13/0199, ÖStZB 2000, 335; demgemäß sind die Regeln von Verträgen zwischen nahen Angehörigen auch unter Gesellschaftern von Personengesellschaften anzuwenden).

Von einer ernsthaften Geltendmachung der Forderung kann keine Rede sein, wenn ein im Jahr 1992 ausgesprochener Forderungsverzicht im Zuge der weiteren Erinnerungsschreiben (z.B. des Jahres 1995) wiederum unberücksichtigt bleibt und der volle Betrag erinnert wird.

Der Zeitpunkt der Uneinbringlichkeit der Forderung ist willkürlich (als Replik auf das ergangene Erkenntnis des VwGH vom 16.12.1998) gewählt, weil der Umstand unverhältnismäßiger hoher Kosten der Eintreibung bereits jahrelang ebenso bestand, wie der Grund der Uneinbringlichkeit ("geringe Einkünfte") und die Forderung über 10 Jahre lang nicht "durchsetzbar" war. Innerhalb dieses Zeitraumes hat der Bw. nicht einmal durch Androhung einer Klage den Versuch unternommen, die Ungewissheit über realisierbare Vermögenswerte von D zu beseitigen bzw zu vermindern.

Bei einer solchen Sachlage ist das Vorliegen einer betrieblichen "Forderung" zu verneinen und von einer im Privatvermögen befindlichen "Forderung" auszugehen, deren Wertverlust bzw deren Uneinbringlichkeit steuerlich unbeachtlich ist (so auch der VwGH, wenn bei Verzicht auf eine betriebliche Forderung aus privaten Gründen eine Entnahme angenommen wird; Erk. 3.11.1970, 122/69).

Die durch die Art des Ausscheidens des Partners bedingte Abwanderung von Kanzleiakten hat keinen Einfluss auf die Qualifizierung der aus der Verpflichtung zur Auffüllung des negativen Kapitalkontos resultierenden Forderung. Zahlungen für etwaige Ablösen von bereits getätigten Barauslagen in Bezug auf durch den von der Kammer bestellten Stellvertreter übernommene Akten hat der Bw. nicht vorgebracht.

Der im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingewandten Vermögenslosigkeit steht der vom Bw. selbst vorgelegte Schriftverkehr entgegen, wonach Lebensversicherungs- und Pensionsansprüche gegeben waren.

Der Einwand des Bw., Zwangsvollstreckungsmaßnahmen seien nicht Voraussetzung für eine Abschreibung nicht mehr werthaltiger Forderungen geht ins Leere, weil eine solche Maßnahme im gegenständlichen Fall nicht einmal angedroht wurde und das Unterlassen derartiger Maßnahmen nur ein Indiz von vielen war, welches zur Beurteilung der Forderung als eine nicht betriebliche führte.

Das vom Bw. in der mündlichen Berufungsverhandlung zitierte VwGH Erk. v. 31.3.1998, 96/13/0002 trifft auf den vorliegenden Fall nicht zu, zumal es bei diesem Anlassfall nicht um eine Forderungsabschreibung eines Mitgesellschafters, sondern um eine Forderungsabschreibung eines Steuerberaters gegenüber Klienten ging und sohin die Fremdüblichkeitskriterien (oa Erk 97/13/0199) nicht anwendbar waren.

Mangels Vorliegen einer Ungewissheit im Sinne des § 200 BAO ergeht die Berufungsentscheidung in Bezug auf die Abgabenfestsetzung betreffend Umsatz- und Einkommensteuer für das Jahr 1998 endgültig.

In Hinblick auf die bereits in den Vorjahren laufend geführten Bücher und Aufzeichnungen (insbesondere Bank-, Treuhand- und Verrechnungskonten) waren für die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen die Bilanzdaten heranzuziehen.

Für das Jahr 1997 errechnen sich die Einkünfte aus selbständiger Arbeit wie folgt (Beträge in Schilling):

Einkünfte aus selbständiger Arbeit lt. Berufungsbegehren

-836.217,81

+ Teilwertabschreibung

+2.892.765,20

Einkünfte aus selbst. Arbeit

+2.056.547,39

Hinsichtlich der übrigen Bescheiddaten der Einkommensteuer 1997, der angefochtenen Einkommensteuer 1998 und der auch angefochtenen Umsatzsteuer 1997 und 1998 erfolgt mit dieser Berufungsentscheidung eine erklärungskonforme Abgabenfestsetzung. Dem 1998 geltend gemachten Verlustabzug in Zusammenhang mit dem begehrten Verlust 1997 konnte jedoch nicht entsprochen werden, da mit dieser Entscheidung für dieses Jahr ein Gewinn festzusetzen war.

Beilage: 8 Berechnungsblätter

Wien, 27. November 2003

Der Vorsitzende:

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer, Finanzstrafrecht Verfahrensrecht

betroffene Normen:

§ 4 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
§ 6 Z 2 lit. a EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

Schlagworte:

Übergang von § 4 Abs 3 auf § 4 Abs 1 EStG, Wechsel der Gewinnermittlungsart, Kanzleigemeinschaft von Rechtsanwälten, Gesellschaft nach bürgerlichem Recht, keine Entnahmebefugnis, negatives Kapitalkonto, Ausscheiden eines Gesellschafters, betrieblich oder privat motivierter Forderungsverzicht

Verweise:

VwGH 22.03.1993, 91/13/0091
VwGH 02.02.2000, 97/13/0199

Stichworte