Normen
§ 6 Abs. 1 S. 2 KStG
Tatbestand:
Revisionskläger ist der Konkursverwalter über das Vermögen einer GmbH mit dem Sitz im Inland, die eine Produktionsgesellschaft war. Sämtliche Gesellschaftsanteile befanden sich in Händen von Frau R F. Deren Ehemann, W F, war im Streitjahr 1967 Geschäftsführer der GmbH.
Zur Ermöglichung des Warenverkehrs mit Frankreich wurde dort im Jahre 1954 die Fa. F -- eine Kapitalgesellschaft nach französischem Recht -- gegründet. Gesellschafter dieses Unternehmens war W F zu 80 v. H. sowie ein französischer Staatsangehöriger, der die restlichen Geschäftsanteile von 20 v. H. übernommen hatte. Nach dem wirtschaftlichen Anschluß des Saarlandes an die Bundesrepublik Deutschland wurden für die eingeführte Ware keine Lizenzen erteilt, was zur Folge hatte, daß die Einfuhr nach Frankreich der Verzollung unterlag. Dadurch war das bisherige Betätigungsfeld des französischen Unternehmens als Vertriebsgesellschaft der GmbH eingeengt. Schließlich wurde es der Fa. F unmöglich, sich gegen die stärkere französische Konkurrenz auf dem französischen Markt zu behaupten. Bei dem Bemühen, eine andere Erwerbsgrundlage zu finden, schloß die Fa. F im Jahre 1962 einen Pachtvertrag mit einem in Frankreich gelegenen Unternehmen. Die Kosten der Umstrukturierung der Fa. F (Gehälter, Mieten, Zinsen und Notargebühren) trug die GmbH. Deren Forderungen an die Fa. F entwickelten sich von 17 760 DM am 31. Dezember 1960 auf 122 092 DM am 31. Dezember 1965. Auf den 31. Dezember 1966 hat die GmbH Forderungen an die Fa. F in Höhe von 90 000 DM wertberichtigt. Im Veranlagungszeitraum 1966 verzichtete die GmbH außerdem gegenüber dieser Firma auf Zinsansprüche in Höhe von 7 144 DM.
Im vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid für das Streitjahr hat der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) den von der GmbH begehrten Verlustabzug aus 1966 um den Betrag von 97 144 DM verringert, weil es sowohl in der Wertberichtigung wie auch in dem Verzicht auf Zinsansprüche eine verdeckte Gewinnausschüttung an den Ehemann der Alleingesellschafterin der GmbH erblickte.
Nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhob die GmbH Klage, die das FG in seiner in den EFG 1973, 90, veröffentlichten Entscheidung abwies. Zur Begründung führt das FG aus:
Eine verdeckte Gewinnausschüttung liege sowohl in der Wertberichtigung der Darlehensforderung als auch im Zinsverzicht. Die Darlehen an die Fa. F seien unter Bedingungen gewährt worden, wie sie im Geschäftsverkehr nicht üblich seien. Die GmbH habe bereits im Jahre 1964 Forderungen gegen die Fa. F in Höhe von 100 000 DM wertberichtigt. Es sei deshalb zweifelhaft, ob die GmbH zur Zeit der Darlehnshingabe in den Jahren 1964 und 1965 (Aufstockung der Darlehnssumme von 43 513 DM auf 122 092 DM) überhaupt noch ernsthaft mit einer Rückzahlung des Betrages habe rechnen können. Dies allein reiche schon aus, eine verdeckte Gewinnausschüttung anzunehmen. Eigenwirtschaftliche Gründe der GmbH für die zinslose Hingabe der Darlehen hätten nicht vorgelegen; denn die ursprünglichen Geschäftsbeziehungen der GmH zu der Fa. F hätten im wesentlichen nicht mehr bestanden; zukünftig neue wirtschaftlich sinnvolle Beziehungen seien nicht absehbar gewesen.
Mit seiner Revision beantragt der Revisionskläger, unter Abänderung des Urteils des FG und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung des FA den vorläufigen Körperschaftsteuerbescheid 1967 dahin zu ändern, daß die Körperschaftsteuer um 49 543 DM niedriger festgesetzt werde. Er rügt unrichtge Anwendung der Grundsätze über die verdeckte Gewinnausschüttung. Es habe sich weder eine Vermögensverschiebung zwischen Gesellschaft und Gesellschafter vollzogen, noch könne davon ausgegangen werden, daß die "Zuwendung" unmittelbar an den Gesellschafter der GmbH geleistet worden sei. Durch die Kreditgewährung an die Fa. F seien allein wirtschaftliche Interessen der GmbH verfolgt worden, nicht hingegen solche des Geschäftsführers W. F. Hierzu werde auf die Klagebegründung der GmbH vom 13. Juni 1970 Bezug genommen. Was die Wertberichtigung der Forderungen anbelange, so bedeute diese keinen rechtsverbindlichen Forderungsverzicht.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Das FG ist bei der Beurteilung des Streitfalles von zutreffenden rechtlichen Grundsätzen ausgegangen.
a) Eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 6 Abs. 1 Satz 2 KStG) liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde (Urteile des BFH vom 3. Februar 1971 I R 51/66, BFHE 101, 501, BStBl II 1971, 408; vom 22. April 1971 I R 114/70, BFHE 102, 268, BStBl II 1971, 600, seitdem ständige Rechtsprechung). Eine verdeckte Gewinnausschüttung kann auch dann in Betracht kommen, wenn die Zuwendung nicht unmittelbar an den Gesellschafter, sondern an eine ihm nahestehende Person bewirkt wird. Voraussetzung ist zwar, daß die unmittelbare Zuwendung an die nahestehende Person einen Vorteil für den Gesellschafter selbst zur Folge hat. Hierfür spricht aber bei einer unangemessenen Leistung der GmbH an eine dem Gesellschafter nahestehende Person der Beweis des ersten Anscheins (BFH-Urteil vom 27. Januar 1972 I R 28/69, BFHE 104, 353, BStBl II 1972, 320).
b) Personen, die dem Gesellschafter nahestehen, können auch juristische Personen sein, an denen Verwandte des Gesellschafters beteiligt sind (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 6 KStG, Anm. 73, Stichwort "Nahestehende Personen", Abs. 2). Der Vorteil, welcher der dem Gesellschafter nahestehenden Person in diesem Falle gewährt wird, besteht darin, daß deren Beteiligung an der durch die Leistung begünstigten Kapitalgesellschaft in ihrem Wert erhöht wird; dabei kommt es nicht darauf an, ob unter Berücksichtigung der gesamten betrieblichen Verhältnisse dieser unmittelbar begünstigten Kapitalgesellschaft der Zweck der Vorteilsgewährung letzten Endes erreicht worden ist. Der Gesellschafter der begünstigenden Kapitalgesellschaft selbst erhält einen Vorteil dadurch, daß die Leistung an die ihm nahestehende Person statt aus privaten Mitteln des Gesellschafters aus Mitteln der Kapitalgesellschaft gewährt wurde.
2. Es kann auch nicht beanstandet werden, wenn das FG unter Anwendung der dargelegten Grundsätze im Streitfall zu dem Ergebnis gelangt ist, es habe im Jahre 1966 eine verdeckte Gewinnausschüttung der GmbH vorgelegen, die zu einer Minderung des im Streitjahr 1967 nach § 6 KStG, § 10d EStG berücksichtigungsfähigen Verlustes geführt hat.
a) Die Vorinstanz hat im Streitfall in tatsächlicher Hinsicht festgestellt, daß die Fa. F "zur Ermöglichung des Warenverkehrs der GmbH mit Frankreich" gegründet worden ist. Dies schließt aber die Verpflichtung der GmbH nicht ein, ihrer früheren Vertriebsgesellschaft in der hier gewählten Form wirtschaftlich unter die Arme zu greifen, wenn diese ihr ursprüngliches Betätigungsfeld verloren und sich um eine neue Existenzgrundlage bemüht hat. Insbesondere würde kein sorgfältiger und ordentlicher Geschäftsleiter -- selbst unter Berücksichtigung der ursprünglichen Geschäftsbeziehung -- einer anderen, sich in der Umstrukturierung befindlichen Kapitalgesellschaft ungesicherte Darlehen gewähren. Dies gilt jedenfalls dann, wenn zuvor Forderungen, die der GmbH gegen das andere Unternehmen zugestanden haben, im großen Umfang wertberichtigt werden mußten. Gegen diese Überlegungen kann auch nicht eingewandt werden, daß die Teilwertabschreibung auf die Darlehen, die die GmbH auf den 31. Dezember 1966 vorgenommen hat, keinen Darlehnsverzicht bedeuteten. Auch die Wertminderung eines Darlehens, die sich aus dessen ungesicherter Hingabe ergibt, darf unter dem Gesichtspunkt der verdeckten Gewinnausschüttung das Einkommen der GmbH nicht mindern (vgl. Urteil des RFH vom 27. November 1934 I A 126/34, RStBl 1935, 616). Würde die Darlehensforderung später gleichwohl realisiert, so läge im Zufluß der zurückgezahlten Darlehnssumme eine verdeckte Einlage, die das Einkommen der GmbH nicht erhöhen dürfte.
b) Der Vortrag des Klägers, durch die Kreditgewährung an die Fa. F seien allein wirtschaftliche Interessen der GmbH verfolgt worden, steht mit dem vom FG festgestellten und für das Revisionsgericht gem. § 118 Abs. 2 FGO bindenden Sachverhalt im Widerspruch. Der Kläger beruft sich zur Stützung seines Vortrags auf die Klagebegründung der GmbH vom 13. Juni 1970. Auf Bl. 4 bis 6 dieses Schriftsatzes, auf die der Kläger ausdrücklich Bezug nimmt, werden zwar die wirtschaftlichen Motive der GmbH am Weiterbestand der FA. F betont, indes nicht schlüssig dargelegt. Die GmbH bezieht sich im Schriftsatz vom 13. Juni 1970 zunächst auf Art. 9 des Vertrags zwischen der Fa. F und ihrem Verpächter. Danach wurde W F persönlich verpflichtet, "unter Garantie der übernommenen Verpflichtungen auf Grund Verpachtung und Bezahlung von Mieten" eine Kaution zu hinterlegen, die am Ende der Pacht zurückerstattet werden sollte, nachdem W F nachgewiesen habe, "alle ihm obliegenden Verpflichtungen des gegenwärtigen Vertrags erfüllt, d. h. bezahlt zu haben". Die GmbH hatte im Verfahren vor dem FG hierzu bemerkt, daß die in dem angeführten Art. 9 erwähnte Kaution von ihr selbst erbracht worden sei. Woraus indes folgen soll, die gestellte Kaution habe "somit" in ihrem alleinigen Interesse gelegen, ist nicht erkennbar. Im Gegenteil muß daraus eher hergeleitet werden, die GmbH habe auch bei der Leistung der Kaution ihrem Geschäftsführer und Hauptgesellschafter der Fa. F einen unmittelbaren Gefallen erweisen wollen. Auch unter Berücksichtigung der Ausführungen der GmbH in der Klagebegründung konnte das FG deshalb zu dem Ergebnis gelangen, daß die GmbH einem Dritten ein Darlehen in gleicher Höhe und zu gleichen Bedingungen, wie sie der Fa. F gewährt wurde, nicht gegeben hätte. Gleiches gilt für den Verzicht der GmbH auf Zinsansprüche, die ihr gegenüber der Fa. F zugestanden haben.