BFG RV/4100256/2018

BFGRV/4100256/201821.6.2021

Ansässigkeit einer seit 1997 bei der gleichen Dienstgeberin in der Schweiz (saisonal) arbeitenden Angestellten

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2021:RV.4100256.2018

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die RichterinI. in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, vertreten durch Vogelsberger Hoffmann Wacker & Partner Steuerberatungs GmbH & Co KG, Olympiastraße 17, 6020 Innsbruck, über die Beschwerde vom 16. Februar 2018 gegen den Bescheid
a. vom 17. Jänner 2018 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2013 sowie
b. vom 18. Jänner 2018 betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) 2015, beide erlassen vom Finanzamt Spittal Villach, Steuernummer ***BF1StNr1***, zu Recht erkannt:

Entscheidungsgründe

BISHERIGER VERFAHRENSGANG

Vorweg darf festgehalten werden, dass mit heutigem Tag das BFG über die Beschwerden der Bf. betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 im Erkenntnis GZ. RV/4100429/2017 abgesprochen hat. Es darf daher auf die dort festgehaltenen Ausführungen zum bisherigen Gang des Verfahrens, zur Beweiswürdigung sowie die unter der "Rechtlichen Beurteilung" festgehaltenen rechtlichen Grundlagen verwiesen werden, die auch für das vorliegende Verfahren heranzuziehen sind. Die Streitpunkte sind im gegenständlichen Verfahren betreffend Einkommensteuer 2013 und 2015 die gleichen wie im Verfahren RV/4100429/2017, letztendlich, ob der Mittelpunkt der Lebensinteressen in diesen Jahren in Ort A-1 ("Ort A-1") in Österreich oder in Ort CH-1 ("Ort CH-1") in der Schweiz gelegen war.

Die Bf. begehrt die Stattgabe und das Finanzamt die Abweisung der Beschwerde betreffend Einkommensteuer 2013 und 2015. Das Finanzamt beantragt, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit laut Darstellung der Bemessungsgrundlagen in seiner Stellungnahme vom 11.12.2020 festzusetzen. Gegen die Ermittlung der Bemessungsgrundlagen hat die Bf. keine Einwendungen erhoben.

ÜBER DIE BESCHWERDE WURDE ERWOGEN:

1. SACHVERHALT

Einkommensteuer 2013

Der Sachverhalt des Jahres 2013 entspricht jenem aus 2012. Hinzu kommt noch, dass die Bf. 2013 in der Schweiz ärztliche Leistungen in Anspruch genommen und mit der ÖKK abgerechnet hat.

Die Bf. hat in Österreich Arbeitslosengeld für den Zeitraum 04.11.2013 bis 17.11.2013 (14 Tage) in Höhe von € 660,66 und für den Zeitraum 14.06.2013 bis 30.06.2013 (17 Tage) in Höhe von € 802,23, zusammen somit € 1.462,89, erhalten.

Einkommensteuer 2015

Im Jahr 2015 hat die Bf. in Österreich kein Arbeitslosen- oder Krankengeld bezogen.

Seit 18.11.2014 ist bei der Bf. kein Austritt aus dem Dienstverhältnis mehr zu verzeichnen. Seit 01.06.2015 hat die Bf. in der Schweiz eine auf fünf Jahre befristete B-Bewilligung und ist sie seit diesem Tag in einem unbefristeten Dienstverhältnis zu ihrer bisherigen Dienstgeberin. Die vereinbarte Kündigungsfrist beträgt 6 Monate. Ab 01.06.2015 hat die Bf. am Ort A-1 ihren Nebenwohnsitz gemeldet. Ende Juli 2015 schaffte sie in der Schweiz eine Wohnlandschaft für ihre Wohnung im Ort CH-1 an. Am 15.10.2015 meldete sie ihr Kfz in Österreich ab. In diesem Jahr hat die Bf. ärztliche Leistungen in der Schweiz in Anspruch genommen und mit der ÖKK abgerechnet.

Mangels konkreter (zeitlicher) Angaben können zum Vorbringen einer länger dauernden Beziehung und des Aufbaues eines Freundeskreises keine konkreten Feststellungen getroffen werden.

Den im Vorlageantrag zu den beiden Beschwerden gestellten Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat die Bf. im Schreiben vom 07.06.2021 zurückgezogen.

2. BEWEISWÜRDIGUNG

Diesbezüglich darf auf die Ausführungen unter Pkt. 2, Beweiswürdigung, des Erkenntnisses GZ. RV/4100429/2017, verwiesen werden.

3. RECHTLICHE BEURTEILUNG

3.1. ANTRAG auf MÜNDLICHE VERHANDLUNG

Zumal der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurückgezogen wurde und die Richterin keinen Anlass für einen Antrag gemäß § 274 Abs. 1 Z. 2 BAO sieht, wird die Beschwerde durch die Einzelrichterin entschieden.

3.2.Einkommensteuer 2013 und 2015

Einkommensteuer 2013

Die Inanspruchnahme ärztlicher Leistungen hat nach Ansicht des BFG keinen maßgeblichen Einfluss auf die getroffenen Feststellungen zu den engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen, weil sie mit der Versicherung durch die Arbeit verknüpft sind. Daher sieht das BFG keinen Anlass, eine andere Entscheidung als jene für 2011 und 2012 zu treffen. Auf die im Erkenntnis des BFG betreffend Einkommensteuer 2011 und 2012 festgehaltenen Gründe für diese Ansicht darf verwiesen werden.

Die Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2013 wird folglich als unbegründet abgewiesen. Die Bemessungsgrundlagen werden laut Berechnung des Finanzamtes in der Stellungnahme vom 11.12.2020 festgesetzt. Der Einkommensteuerbescheid 2013 ist daher zum Nachteil der Bf. abzuändern.

Festgehalten werden darf, dass beim Progressionsvorbehalt die Kontrollrechnung ergeben hat, dass sich bei Hinzurechnung der Bezüge gemäß § 3 Abs. 2 EStG 1988 gegenüber der Umrechnungsvariante eine niedrigere Steuer ergeben hat. Daher ist der Tarif auf das Einkommen von € 41.533,89 anzuwenden.

Durch das vorliegende Erkenntnis ergibt sich für 2013 folgende Bemessungsgrundlage und festgesetzte Einkommensteuer:

Einkünfte ohne inländischen Steuerabzug

44.148,00

 

Aufgrund der Kontrollrechnung nach § 3 Abs. 2 EStG 1988 anzusetzende Einkünfte

1.462,89

 

Sonstige Werbungskosten ohne Anrechnungauf den Pauschbetrag

- 3.885,00

 

Pauschbetrag für Werbungskosten

- 132,00

41.593,89

Gesamtbetrag der Einkünfte

 

41.593,89

 

 

 

Sonderausgaben (§18 EStG 1988):

 

 

Pauschbetrag für Sonderausgaben

 

- 60,00

Einkommen

 

41.533,89

 

 

 

Die Einkommensteuer gem. § 33 Abs. 1 EStG 1988 beträgt:

 

 

(41.533,89 - 25.000,00) x 15.125,00/35.000,00 + 5.110

 

12.255,00

Steuer vor Abzug der Absetzbeträge

 

12.255,00

Verkehrsabsetzbetrag

 

- 291,00

Arbeitnehmerabsetzbetrag

 

- 54,00

Steuer nach Abzug der Absetzbeträge

 

11.910,00

Die Steuer für die sonstigen Bezüge beträgt:

 

 

0% für die ersten 620,00

 

0

0,00

6% für die restlichen 2.857,00

 

171,42

Einkommensteuer

 

12.081,42

Ausländische Steuer

 

- 4.738,00

Rundung gem. § 39 Abs. 3 EStG 1988

 

- 0,42

Festgesetzte Einkommensteuer

 

7.343,00

Einkommensteuer 2015

Im Jahr 2015 hatte die Bf. sowohl in Österreich als auch in der Schweiz einen Wohnsitz. Ebenso bestanden die familiären Beziehungen zu Österreich. Eine länger dauernde Beziehung in der Schweiz bzw. der Aufbau eines Freundeskreises sind nicht erwiesen.

Dennoch vermag das BFG bei dem für 2015 vorliegenden Sachverhalt - auch wenn noch für einen Teil des Jahres eine Hauptwohnsitzmeldung im Ort-A-1 bestand und das Kfz für einen Teil des Jahres in Österreich angemeldet war - nicht mehr von den engsten persönlichen und wirtschaftlichen Beziehungen der Bf. zu Österreich auszugehen. Die Bf. setzte deutliche Schritte, ihren Mittelpunkt der Lebensinteressen in die Schweiz zu verlegen. Dafür spricht, dass mit der B-Bewilligung und dem unbefristeten, mit einer langen Kündigungsfrist vereinbarten Dienstverhältnis eine Basis zu einem dauerhaften Niederlassen in der Schweiz geschaffen waren. Der Erwerb von eigenen Einrichtungsgegenständen ist auch ein Anhaltspunkt in diese Richtung. Es fehlte in diesem Jahr auch das für die Ansässigkeit in Österreich relevante Kriterium der Inanspruchnahme eines österreichischen Arbeitslosen- und/oder Krankengeldes.

Eine Verlegung des Mittelpunktes der Lebensinteressen wird nicht von einem Tag auf den anderen vollzogen sein, sondern in Anbetracht der Behördenwege auch einige Zeit benötigen. Der erste Anhaltspunkt ist bereits im Jahr 2014 darin gelegen, dass nach dem 18.11.2014 keine Abmeldung des Dienstverhältnisses mehr erfolgte. Daher geht das BFG davon aus, dass angesichts der von der Bf. gesetzten Schritte im Jahr 2015 der Mittelpunkt der Lebensinteressen in der Schweiz gelegen war.

Der Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 2015 wird Folge gegeben und wird der Einkommensteuerbescheid 2015 aufgehoben.

3.3. UN/ZULÄSSIGKEIT EINER REVISION

Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Hier gilt das zu diesem Punkt im Erkenntnis BFG vom 21.06.2021, RV/4100256/2018, Gesagte. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

 

 

Klagenfurt am Wörthersee, am 21. Juni 2021

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 1 Abs. 1 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988
Art. 4 Abs. 2 lit. d DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 2 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 15 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975
Art. 23 Abs. 1 DBA CH (E, V), Doppelbesteuerungsabkommen Schweiz (Einkommen- u. Vermögenssteuern), BGBl. Nr. 64/1975

Verweise:

BFG 21.06.2021, RV/4100256/2018

Stichworte