Ersatzlose Aufhebung einer Beschwerdevorentscheidung, der keine Beschwerde zugrunde liegt
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2020:RV.6100360.2020
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Mag. Albert Salzmann in der Beschwerdesache ***Bf1***, ***Bf1-Adr***, über die Beschwerde vom 25.11.2019 gegen den Zurückweisungsbescheid des Finanzamtes Salzburg-Stadt vom 20.11.2019 (Wiederaufnahme des Verfahrens betreffen Einkommensteuer 2015) zu Recht erkannt:
I. Die Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2020 wird gemäß § 279 Abs 1 BAO infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde ersatzlos aufgehoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art 133 Abs 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Bisheriger Verfahrensgang
Mit Bescheid vom 29.2.2016 hat das Finanzamt Salzburg-Stadt (FA) die beschwerdeführende Partei (bP) zur Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2015 veranlagt.
Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom 13.11.2019 hat die bP ua die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Arbeitnehmerveranlagung 2015 beantragt.
Mit Bescheid vom 20.11.2019 hat das FA diesen Antrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass von der bP bereits am 25.10.2017 ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt und dieser mit Bescheid vom 18.6.2018 als unbegründet abgewiesen worden sei. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen.
Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom 25.11.2019 hat die bP Beschwerde "innerhalb offener Frist gegen den Einkommensteuerbescheid" erhoben.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2020 hat das FA diese Beschwerde als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2015 am 29.2.2016 ergangen, dieser ein Monat später in Rechtskraft erwachsen und sohin die Beschwerde außerhalb der gesetzlichen Rechtsmittelfrist eingebracht worden sei.
Mit über FinanzOnline eingebrachtem Anbringen vom 13.1.2020 hat die bP die Entscheidung über die Beschwerde durch das Bundesfinanzgericht (BFG) beantragt und darin im Wesentlichen ausgeführt, dass die gegenständliche Beschwerde vom 25.11.2019 gegen den "Einkommensteuerbescheid 2015 vom 20.11.2020" - entgegen der Begründung in der Beschwerdevorentscheidung - fristgerecht eingebracht worden sei.
Mit Vorlagebericht vom 19.8.2020 hat das FA die Beschwerde vom 25.11.2019 dem BFG elektronisch zur Entscheidung vorgelegt und deren Zurückweisung beantragt.
Das Bundesfinanzgericht hat erwogen:
Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Die bP hat am 25.11.2020 eine Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 20.11.2020 eingebracht, welcher vom FA als gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 29.2.2016 gerichtet gewürdigt und in der Folge als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen wurde.
Beweiswürdigung
Aus den vorgelegten Akten geht hervor, dass die bP am 13.11.2019 einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Einkommensteuer für 2015 gestellt hat, welcher 7 Tage später am 20.11.2019 zurückgewiesen wurde. Begründend führt darin das FA aus, dass bereits am 25.10.2017 ein Antrag auf Wiederaufnahme gestellt und dieser mit Bescheid vom 18.6.2018 als unbegründet abgewiesen worden sei. Bereits am 25.11.2019 hat die bP "innerhalb offener Frist Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid" erhoben und darin im Wesentlichen wortident den Inhalt des og Antrages wiederholt.
Bei diesem zeitlichen Ablauf und dem Inhalt der Beschwerde konnte das FA nicht davon ausgehen, dass die Textierung "Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid" gegen einen Bescheid gerichtet ist, der vor nahezu 4 Jahren erlassen wurde. Vielmehr hätte sich das FA vergewissern müssen, gegen welchen Bescheid sich die gegenständliche Beschwerde tatsächlich richtet.
Anstatt dessen hat das FA die Beschwerde als gegen den Einkommensteuerbescheid für 2015 vom 29.2.2016 gerichtet gewürdigt und mit Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2020 als nicht fristgerecht eingebracht zurückgewiesen.
Spätestens mit dem 4 Tage später eingebrachten Vorlageantrag vom 13.1.2020 ist offenkundig, dass die gegenständliche Beschwerde gegen den Zurückweisungsbescheid vom 20.11.2019 gerichtet ist.
Rechtliche Beurteilung
Zu Spruchpunkt I.
Gemäß § 262 Abs 1 BAO ist über Bescheidbeschwerden nach Durchführung der etwa noch erforderlichen Ermittlungen von der Abgabenbehörde, die den angefochtenen Bescheid erlassen hat, mit als Beschwerdevorentscheidung zu bezeichnendem Bescheid abzusprechen.
Gegen eine Beschwerdevorentscheidung kann nach § 264 Abs 1 BAO innerhalb eines Monats ab Bekanntgabe (§ 97) der Antrag auf Entscheidung über die Bescheidbeschwerde durch das Verwaltungsgericht gestellt werden (Vorlageantrag). Der Vorlageantrag hat die Bezeichnung der Beschwerdevorentscheidung zu enthalten.
Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht nach § 279 Abs 1 BAO immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.
Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung hat zu erfolgen, wenn der angefochtene Bescheid von einer hiezu nicht zuständigen Behörde erlassen wurde. Eine ersatzlose (meritorische) Aufhebung im Sinne des § 279 Abs 1 BAO darf dann erfolgen, wenn in dieser Sache keine weitere Entscheidung in Betracht kommt. (VwGH vom 23.9.2010, 2010/15/0108, VwGH vom 8.9.2009, 2006/17/0357, Ritz, BAO5, Rz 6 zu § 279).
Die Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung, obwohl keine Beschwerde vorlag, bewirkt die Rechtswidrigkeit dieses Bescheides infolge Unzuständigkeit des Finanzamtes. (VwGH vom 4.4.1990, 89/13/0190).
Ein Vorlageantrag setzt zwingend eine im Rechtsbestand befindliche Beschwerde-vorentscheidung voraus. (VwGH vom 8.2.2007, 2006/15/0373).
Der Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2020, die in ihrem Spruch die mit 25.11.2019 datierte Beschwerde gegen den "Einkommensteuerbescheid 2015 vom 11.06.2018" (Anm: gemeint war wohl der 29.2.2016) anführt, lag demzufolge keine Beschwerde zugrunde.
Die Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2020 ist daher mit Rechtswidrigkeit infolge von Unzuständigkeit der belangten Behörde belastet.
Der Vorlageantrag vom 13.1.2020 ist grundsätzlich zulässig, da eine zwar rechtswidrige, aber im Rechtsbestand befindliche Beschwerdevorentscheidung vorliegt.
Daher ist die Beschwerdevorentscheidung vom 9.1.2020 durch das BFG zur Herbeiführung eines rechtsrichtigen Verfahrensstandes gemäß § 279 Abs. 1 BAO ersatzlos aufzuheben. Die Beschwerde vom 25.11.2019, welche gegen den Zurückweisungsbescheid vom 20.11.2020 gerichtet ist, ist (weiterhin) unerledigt.
Ergänzende Hinweise: Der Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Arbeitnehmerveranlagung vom 13.11.2011 betrifft die Jahre 2014 und 2015. Den vorgelegten Akten sowie den aktuellen Abfragen in den Datenbanken der Finanzverwaltung ist keine Erledigung des Antrages betreffend 2014 zu entnehmen.
Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass das FA unabhängig vom gegenständlichen Verfahren zu überprüfen hat, ob die Voraussetzungen für eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen gegeben sind.
Zu Spruchpunkt II.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im gegenständlichen Fall wird die Revision nicht zugelassen, da die ersatzlose Aufhebung nach § 279 Abs. 1 BAO bei Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Behörde und in jenen Fällen, in denen keine weitere Entscheidung in Betracht kommt durch die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes gedeckt ist und die Tatfrage, ob eine Beschwerde erhoben wurde, der Revision nicht zugänglich ist (VwGH vom 11.09.2014, Ra 2014/16/0009).
Salzburg, am 16. November 2020
Zusatzinformationen | |
|---|---|
Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 279 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 23.09.2010, 2010/15/0108 |
