BFG RV/7102312/2018

BFGRV/7102312/20187.11.2019

Spekulationsverlust

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.7102312.2018

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin R. in der Beschwerdesache Bf., vertreten durch Stb., über die Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde FA betreffend Einkommensteuer für das Jahr 2006, zu Recht erkannt: 

Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.

Die Bemessungsgrundlage und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.

Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe

Der Beschwerdeführer (Bf.) veräußerte mit Kaufverträgen vom 16.11.2005 und 18.05.2006 insgesamt neun Liegenschaften an die A. (idF A.). Der Kaufpreis für die am 16.11.2005 veräußerten acht Liegenschaften war laut Kaufvertrag in zwei Teilbeträgen zu entrichten, von denen der erste treuhändig sichergestellt und der zweite bis längstens 31.07.2006 zur Zahlung fällig war. Tatsächlich wurde der zweite Teilbetrag lediglich für eine Liegenschaft (X*gasse) entrichtet, mit deren Veräußerung der Bf. trotz Vollzahlung einen Spekulationsverlust von € 9.325,53 erlitt.

Der Kaufpreis für die am 18.05.2006 veräußerte Liegenschaft war teilweise 2006 und teilweise 2007 zur Zahlung fällig. Mit Kaufvertrag vom 17.03.2006 veräußerte der Revisionswerber zudem eine Liegenschaft (Y*straße) an die B. GmbH. Aus der Veräußerung dieser Liegenschaft erwuchs dem Bf. ein Spekulationsverlust von € 2.475,35.

Über das Vermögen der A. wurde am TT.MM.2008 der Konkurs eröffnet, welcher im Juni 2009 zur Schließung des Unternehmens führte.

Im Hinblick darauf, dass der Bf. von der A. nach 2006 keine Zahlungen mehr erhielt, wies er in der Einkommensteuererklärung 2006 negative Einkünfte in Höhe von € 183.917,45 aus Spekulationsgeschäften aus.

Das Finanzamt setzte mit dem Einkommensteuerbescheid 2006 - abweichend von der Erklärung - positive Einkünfte aus Spekulationsgeschäften fest, wogegen Berufung erhoben wurde.

Mit Erkenntnis vom 07.01.2016 wies das Bundesfinanzgericht die Berufung (nunmehr Beschwerde) gegen den Einkommensteuerbescheid 2006 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass Anschaffungs- und Werbungskosten im Rahmen eines Spekulationsgeschäftes nur insoweit zu berücksichtigen seien, als der Veräußerungserlös bereits zugeflossen sei. Daher könne bis zur letzten Teilzahlung kein Verlust aus dem Spekulationsgeschäft entstehen.

Der Bf. habe 2005 und 2006 mehrere Liegenschaften veräußert, die der Spekulationsbesteuerung unterlegen seien. In den Kaufverträgen mit der A. vom 16.11.2005 und 18.05.2006 sei vereinbart worden, dass der Veräußerungspreis in Tranchen zufließen solle. Mit Ausnahme zweier Liegenschaften seien jedoch hinsichtlich aller Grundstücke im Jahr 2006 noch Restbeträge ausständig gewesen. Trotz eines noch ausstehenden Restbetrages habe der Bf. im Zusammenhang mit der am 18.05.2006 an die A. veräußerten Liegenschaft einen Spekulationsgewinn von € 482.527,65 erzielt. Dieser Gewinn könne mit den Spekulationsverlusten ausgeglichen werden, die dem Revisionswerber aus der Veräußerung der im Jahr 2006 voll ausbezahlten Liegenschaften X*gasse (€ 9.325,53) und Y*straße (€ 2.475,35) erwachsen seien (als Einkünfte aus Spekulationsgeschäften seien daher € 470.726,77 anzusetzen). Die Berücksichtigung der Verluste aus der Veräußerung aller weiteren - noch nicht voll ausbezahlten - Liegenschaften habe nicht schon im Jahr 2006 sondern erst in den Jahren der tatsächlichen Uneinbringlichkeit (ab 2009) zu erfolgen.

Dagegen wurde eine außerordentlichen Revision erhoben und das Erkenntnis des BFG mit Erkenntnis des VwGH vom 25.04.2018, Ra 2016/13/0012, als mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, aufgehoben.

Es wurde erwogen:

Im oben angeführten Erkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen:

§ 30 EStG 1988 in der im Streitjahr 2006 geltenden Fassung (BGBl. I Nr. 59/2001) lautet (auszugsweise):
"§ 30. (1) Spekulationsgeschäfte sind:
1. Veräußerungsgeschäfte, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung beträgt:
a) Bei Grundstücken und anderen Rechten, die den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, nicht mehr als zehn Jahre. Für Grundstücke, bei denen innerhalb von zehn Jahren nach ihrer Anschaffung Herstellungsaufwendungen in Teilbeträgen gemäß § 28 Abs. 3 abgesetzt wurden, verlängert sich die Frist auf 15 Jahre.
[...]
(4) Als Einkünfte sind der Unterschiedsbetrag zwischen dem Veräußerungserlös einerseits und den Anschaffungskosten und den Werbungskosten andererseits anzusetzen. [...]"

Mit der Bestimmung des § 30 Abs. 4 EStG 1988 wurde vom Gesetzgeber eine gewisse Angleichung der Ermittlung der Einkünfte aus Spekulationsgeschäften an die Regelung im betrieblichen Bereich herbeigeführt. Das Abflussprinzip des § 19 Abs. 2 EStG 1988 wird durch diese Bestimmung insoweit durchbrochen, als alle Aufwendungen, die dem Steuerpflichtigen aus der Anschaffung des Spekulationsobjektes und seiner Erhaltung bis zur Veräußerung erwachsen, in einer Art Vermögensvergleich dem Veräußerungserlös gegenübergestellt und solcherart der Überschuss bzw. Verlust aus dem Spekulationsgeschäft ermittelt wird (vgl. VwGH 16.11.1993, 93/14/0125, VwSlg 6838/F).

Durch § 30 Abs. 4 EStG 1988 wird das Zu- und Abflussprinzip jedoch nur ausgabenseitig - und selbst hier nicht in tatsächlicher, sondern nur in zeitlicher Hinsicht - modifiziert. Das Erzielen des Veräußerungserlöses orientiert sich nach Zuflusskriterien. Ein Überschuss fällt nur insoweit und erst dann an, als die zugeflossenen Einnahmen die Anschaffungskosten, Herstellungskosten und Instandsetzungskosten sowie die Werbungskosten übersteigen, was für den Zufluss in Form von Raten ebenso wie für den Zufluss in Form von Renten gilt (vgl. Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuer-Handbuch, § 30 Tz 4). Umgekehrt wird ein allfälliger Fehlbetrag aus dem Spekulationsgeschäft erst in dem Jahr als Spekulationsverlust wirksam, in dem erstmals feststeht, dass die Einnahmen die Anschaffungs- und Werbungskosten nicht überschreiten werden (vgl. Stoll, Rentenbesteuerung4, Rz 1002; ebenso Büsser in Hofstätter/Reichel, Die Einkommensteuer - Kommentar, 55. Lfg., 2013, § 19 EStG 1988 Tz 72; sowie Kirchmayr/Perl in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG17, § 31 Tz 162, zur mit dem 1. StabG 2012, BGBl. I Nr. 22/2012, eingeführten gleichlautenden Bestimmung des § 31 Abs. 2 EStG 1988).

Dem angefochtenen Erkenntnis liegt zwar offensichtlich auch zu Grunde, dass allfällige Fehlbeträge aus Spekulationsgeschäften erst in dem Jahr als Spekulationsverlust wirksam werden, in dem erstmals feststeht, dass die Einnahmen die Anschaffungs- und Werbungskosten nicht überschreiten werden. Feststellungen dahingehend, ob im Jahr 2006 vom Zufluss weiterer - die Anschaffungs- und Werbungskosten jedenfalls überschreitender Einnahmen auszugehen war, traf das Bundesfinanzgericht indessen nicht. Solche Feststellungen wären aber erforderlich gewesen, zumal sich die A GmbH schon 2006 in Zahlungsverzug befunden hat. Ende 2006 hafteten laut angefochtenem Erkenntnis rund 1,434.300 EUR unberichtigt aus, die laut dem in den Verwaltungsakten einliegenden Kaufvertrag vom 16. November 2005 bis längstens 31. Juli 2006 zur Zahlung fällig waren (worauf auch die Revision in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zutreffend hinweist). Es kann nicht von vornherein ausgeschlossenen werden, dass die 2006 bereits überfälligen Kaufpreisteile - ganz oder teilweise - uneinbringlich waren. Bejahendenfalls könnte schon im Jahr 2006 ein zu berücksichtigender Spekulationsverlust festgestanden sein.“

Gemäß § 66 Abs. 2 KO ist Zahlungsunfähigkeit insbesondere anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen einstellt. Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn auch ein nicht überschuldeter Schuldner mangels bereiter Zahlungsmittel seine fälligen Verbindlichkeiten nicht zu zahlen vermag und sich die erforderlichen Zahlungsmittel voraussichtlich auch nicht alsbald beschaffen kann.

Über Ersuchen des BFG vom 14.06.2018 nahm die belangte Behörde zusätzliche Ermittlungen vor. Aus einer im Konkursakt der A. aufliegenden Stellungnahme des Masseverwalters vom TT.MM.2008 geht hervor, dass neben der Forderung der den Konkursantrag stellenden Bank C.  (idF C.) in Höhe von € 6,977.912,83, auch die Forderung des Bf. im Ausmaß von € 1.700.096,43 glaubhaft gemacht wurde. Die in den Kaufverträgen, die die A. einen Tag vor Konkurseröffnung mit der D. AG mit Sitz in Vaduz abgeschlossen hat, genannten Kaufpreise von € 6.510.000,00 würden zur vollständigen Befriedigung der Antragsteller nicht ausreichen. Abgesehen davon seien die vereinbarten Kaufpreise weder auf einem Konto des Vertragserrichters oder des in den Kaufverträgen angeführten Treuhänders vorhanden noch seien diese sichergestellt.

Dem Beschluss des OLG Wien vom TT.MM.2008 mit dem dem Rekurs der A. nicht Folge gegeben wurde, ist zu entnehmen, dass die C. der A. im November 2005 und im Mai 2006 Darlehen gewährt hat. Die A. sei aber der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten nicht nachgekommen, sodass am 23.05.2007 Forderungen der C. in Höhe von € 7.003.206,29 offen waren und von ihr fällig gestellt wurden. Einen Teilbetrag von € 2.000.000,00 habe die C. gerichtlich einzubringen versucht. Eine daraufhin eingeleitete Fahrnisexekution sei ebenso wie eine Zwangsverwaltung der Liegenschaften der A. im Wesentlichen ohne Ergebnis geblieben. Nach der rechtlichen Würdigung des OLG Wien war im Fall der A. von Zahlungsunfähigkeit auszugehen. Auch eine bloße Zahlungsstockung liege nicht vor, da diese angesichts der Regelungen des § 69 Abs. 2 KO ein Höchstmaß von 2 Monaten nicht überschreiten dürfe. Auch das Vorhandensein von Liegenschaftsbesitz vermöge am Bestehen der Zahlungsunfähigkeit nichts zu ändern, weil Liegenschaften in aller Regel – der Fall der Lastenfreiheit sei hier nicht gegeben – keine bereiten Zahlungsmittel darstellen würden. Letztlich sei auch aus den von der A. vorgelegten Verträgen über den Verkauf ihrer Liegenschaften ersichtlich, dass die Forderungen durch den darin vereinbarten Kaufpreis nicht zur Gänze befriedigt werden könnten.

Nach Dafürhalten des BFG ist angesichts des Umstandes dass die A. schon hinsichtlich ihrer Darlehensverbindlichkeiten gegenüber der C. aus den Jahren 2005 und 2006 in Höhe von € 7.003.206,29 in Zahlungsverzug geraten bzw. zahlungsunfähig war, davon auszugehen, dass auch der aufgrund des Kaufvertrages vom 16.11.2005 bis längstens 31.07.2006 an den Bf. zu entrichtende Restbetrag von € 1,5 Mio. bereits im Jahr 2006 uneinbringlich und der Spekulationsverlust daher im Jahr 2006 zu berücksichtigen war.

Zulässigkeit der Revision:

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Bei der Frage, in welchem Zeitpunkt die im Jahr 2006 bereits fälligen Kaufpreisteile uneinbringlich waren, handelt es sich um eine Sachverhaltsfrage, die in freier Beweiswürdigung zu lösen ist. Eine Revision ist daher nicht zulässig.

 

 

Wien, am 7. November 2019

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 30 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988

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