gesetzlich verpflichtete Beitragszahlungen an den WWF der Ärztekammer für Tirol sind gem. § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 abzugsfähig
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2019:RV.3100534.2019
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. A in der Beschwerdesache Dr. Claudia B, Swarovskistraße Adr.1, vertreten durch Dkfm. C, Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Adr.2, über die Beschwerde vom 4.3.2019 gegen den Bescheid des Finanzamtes D betreffend Einkommensteuer 2017 mit Ausfertigungsdatum 05.02.2019
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird gemäß § 279 BAO Folge gegeben. Der angefochtene Bescheid wird abgeändert.
Die Bemessungsgrundlagen und die Höhe der festgesetzten Abgabe sind dem Ende der Entscheidungsgründe dem als Beilage angeschlossenen Berechnungsblatt zu entnehmen und bilden einen Bestandteil des Spruches dieses Erkenntnisses.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang
1. Die Beschwerdeführerin (kurz: Bf.) ist Ärztin und begehrte in der gegen den Einkommensteuerbescheid 2017 vom 5.2.2019 erhobenen Beschwerde vom 4.3.2019 die Berücksichtigung des geleisteten Kirchenbeitrages und des an den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer entrichteten Betrages für den "Teilnachkauf fehlender Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente" als Sonderausgaben gemäß § 18 Abs. 1 Z 5 und § 18 Abs. 3 EStG 1988. Dazu wurde die Zahlungsbestätigung der Diözese vom 11.2.2019 über die Entrichtung der Kirchensteuer 2017 im Betrag von € 205,02 und die Bestätigung der Ärztekammer Abteilung Wohlfahrtsfonds vom 11.1.2019 über die Entrichtung des Teilnachzahlungsbetrages zur Ergänzungsrente in Höhe von € 11.135,00 mit Überweisungsbeleg vom 19.12.2017 übermittelt.
2. Mit der am 7.5.2019 ausgefertigten Beschwerdevorentscheidung berücksichtigte die Abgabenbehörde den Kirchenbeitrag als Sonderausgaben nicht hingegen die Kosten für den Nachkauf der Versicherungszeiten, mit der Begründung, dass diese Daten von der empfangenden Organisation nicht über den automatischen Datenaustausch an die Finanzverwaltung übermittelt worden seien und diese Kosten in der Steuererklärung 2017 nicht mehr beantragt werden könnten.
3. Mit Schreiben vom 3.6.2019 stellte der steuerliche Vertreter der Bf. den Antrag auf Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht zur Entscheidung. Vorgebracht wurde, dass der Nachkauf von Versicherungszeiten bei der Ärztekammer bis 2016 immer als Sonderausgaben ohne Beschränkung habe geltend gemacht werden können. Nunmehr vertrete die Ärztekammer den Standpunkt, dass es sich beim Nachkauf von Versicherungszeiten um Pflichtbeiträge handle, weshalb auch eine Meldung an das Finanzamt als Sonderausgabe nicht zu erfolgen habe.
Unter Hinweis auf § 18 Abs. 3 Z 2 EStG 1988 und der Information der Oberösterreichischen Ärztekammer auf deren Website zum freiwilligen Nachkauf von Versicherungszeiten wurde der Standpunkt vertreten, dass auch im gegenständlichen Beschwerdefall ein freiwilliger Nachkauf von Versicherungszeiten vorliege. In eventu wurde jedoch die Berücksichtigung des Beitrages als Betriebsausgabe beantragt.
4. Die Beschwerde wurde dem Bundesfinanzgericht mit Vorlagebericht am 22.7.2019 zur Entscheidung vorgelegt.
II. Sachverhalt
1. Über Ersuchen des Bundesfinanzgerichtes übermittelte der steuerliche Vertreter am 30.7.2019 eine Bestätigung der Ärztekammer für Tirol vom 20.2.2018 über die im Jahr 2017 geleisteten Umlagen und Beiträge von insgesamt € 29.270,00 sowie über die Prämienvorschreibung für Basiskrankenversicherungen und eine Zusammenstellung über die in der KZ 9225 der Einkommensteuererklärung 2017 geltend gemachten Pflichtbeiträge in Summe von € 30.321,68 (ÄK ohne Nachkauf € 18.135,00, ÖGPP+Sonst. € 260,00, GSVG € 9.737,88 und BasisKV Merkur € 2.188,80). Diese Unterlagen wurden der Abgabenbehörde am 1.8.2019 auf elektronischem Wege zur Kenntnis gebracht.
2. Nach dieser Aufstellung leistete die Beschwerdeführerin an die Ärztekammer für Tirol für das Jahr 2017 einen Gesamtbetrag von € 29.270,00 umfassend den Beitrag an den Wohlfahrtsfonds von € 28.353,20 sowie Umlagen an die Tiroler Ärztekammer und an die Österreichische Ärztekammer von € 543,60 und € 373,20. Der Betrag an den Wohlfahrtsfonds enthielt einen Teilbetrag von € 11.135,00 für den Teilnachkauf fehlender Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente.
3. Der Teilnachzahlungsbetrag von € 11.135,00 aus dem Nachkauf von Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente wurde in der Steuererklärung weder als Betriebsausgabe gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 noch als Sonderausgabe im Sinne des § 18 Abs. 1a EStG 1988 geltend gemacht und fand im Zuge der Veranlagung zur Einkommensteuer 2017 keine Berücksichtigung.
III. Rechtslage
1. Gemäß § 4 Abs. 4 EStG 1988 sind Betriebsausgaben die Aufwendungen oder Ausgaben, die durch den Betrieb veranlasst sind. Betriebsausgaben sind jedenfalls Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung, Beiträge zur gesetzlichen Arbeitslosenversicherung (Z 1 lit. a) sowie nach Z 1 lit. b leg. cit. unter anderem Pflichtbeiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen, soweit diese Einrichtungen der Kranken-, Unfall-, Alters-, Invaliditäts- und Hinterbliebenenversorgung dienen.
2. Entrichtete Beiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen sind nur insoweit als Betriebsausgaben zu berücksichtigen als der Steuerpflichtige zur Leistung dem Grunde und auch der Höhe nach gesetzlich verpflichtet ist (vgl. Jakom/Lenneis, EStG, 2019, § 4 Tz 294; Zorn in Doralt/Kirchmayr/Mayr/Zorn, EStG19, § 4 Tz. 281; vgl. VwGH 21.7.98, 98/14/0093).
IV. Erwägungen
1. § 109 ÄrzteG 1998 idF BGBl. I Nr. 61/2010 lautet auszugsweise:
(1) Die Kammerangehörigen sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen verpflichtet, Beiträge zum Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. ...
(2) Bei der Festsetzung der Höhe der für den Wohlfahrtsfonds bestimmten Beiträge ist auf die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sowie auf die
1. Leistungsansprüche,
2. wirtschaftliche Leistungsfähigkeit anhand der Einnahmen (Umsätze) und/oder Einkünfte sowie
3. Art der Berufsausübung
der beitragspflichtigen Kammerangehörigen Bedacht zu nehmen. die Höhe der Beiträge kann betragsmäßig oder in Relation zu einer Bemessungsgrundlage festgesetzt werden.....
(3) Die Höhe der Beiträge zum Wohlfahrtsfonds darf 18 vH der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen nicht übersteigen.
Gemäß § 27 Abs. 1 ÄrzteG 1998 hat die Österreichische Ärztekammer in Zusammenarbeit mit den Ärztekammern in den Bundesländern die Anmeldungen für die Ausübung des ärztlichen Berufes entgegenzunehmen und eine elektronische Liste der zur Berufsausübung berechtigten Ärzte und Gruppenpraxen (Ärzteliste) mit umfangreichen Daten zu führen.
Nach § 69 Abs. 1 ÄrzteG 1998 sind alle Kammerangehörigen verpflichtet, die von der Ärztekammer im Rahmen ihres gesetzlichen Wirkungskreises gefassten Beschlüsse zu befolgen sowie die in der Umlagenordnung und in der Beitragsordnung festgesetzten Umlagen und Wohlfahrtsfondsbeiträge zu leisten.
2. § 11 Abs. 2 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol bestimmt, dass die Kammerangehörigen verpflichtet sind Beiträge in den Wohlfahrtsfonds jener Ärztekammer zu leisten, in deren Bereich sie zuerst den ärztlichen oder zahnärztlichen Beruf aufgenommen haben, solange diese Tätigkeit aufrecht ist. Die Beitragspflicht wird in der Beitragsordnung des Wohlfahrtsfonds geregelt.
Die Kammerangehörigen sind gemäß § 18 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol nach Maßgabe der Bestimmungen des § 109 Abs. 1 ÄrzteG verpflichtet Beiträge an den Wohlfahrtsfonds zu leisten. Die beitragspflichtigen Kammerangehörigen sind unter anderem verhalten die festgesetzten Beträge fristgerecht zu entrichten (Abs. 4).
Gemäß § 19 Abs. 3 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol darf die Höhe der Beträge zum Wohlfahrtsfonds 18 % der jährlichen Einnahmen aus ärztlicher und/oder zahnärztlicher Tätigkeit einschließlich der Umsatzanteile an Gruppenpraxen nicht übersteigen. Gemäß Abs. 5 sind die Beiträge durch gesetzliche Sozialversicherungsträger und Krankenfürsorgeeinrichtungen für deren Vertrags(zahn)Ärzte, durch den Dienstgeber oder vom (Zahn-)Arzt selbst an die Ärztekammer für Tirol zugunsten des Wohlfahrtsfonds als zweckgebundenes Vermögen abzuführen.
§ 25 Abs. 1 der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol bestimmt, dass Kammerangehörige, die verpflichtet sind, den Beitrag zu Ergänzungsrente zu leisten, nach Vollendung des 57. Lebensjahres eine Nachzahlung zu leisten haben, wenn sie bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres weniger als 100 % Anwartschaft auf die Ergänzungsrente erwerben würden. Diese Nachzahlung wird nach Abs. 4 dieser Regelung am Monatsersten, der dem Monat der Vollendung des 57. Lebensjahres folgt, vorgeschrieben.
3. Nach der mit 1.1.2017 in Kraft getretenen Beitragsordnung mit Leistungskatalog Punkt 5. "Beitragsnachzahlungen" lit. a sind (Zahn-)Ärzte, die z. B. wegen einer Ermäßigung aus wirtschaftlichen Gründen auf die Vollendung des 65. Lebensjahres hochgerechnet eine Anwartschaft zur Grund- bzw. Ergänzungsrente von 100 % nicht erreichen, zur Nachzahlung mit Vollendung des 55. bzw. 57. Lebensjahres nach Vorschreibung verpflichtet.
4. Nach den angeführten Bestimmungen des ÄrzteG 1998, der Satzung des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol sowie der am 12.12.2016 kundgemachten Beitragsordnung sowie Leistungen 2017 der Ärztekammer für Tirol stellen auch die Teilzahlungsbeiträge für den "Teilnachkauf fehlender Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente" gesetzlich vorgesehene Pflichtbeiträge an den Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol dar.
3. Im gegenständlichen Beschwerdefall hat die Bf. das 57. Lebensjahr im Oktober des Beschwerdejahres vollendet. Der Verwaltungsausschuss des Wohlfahrtsfonds der Ärztekammer für Tirol gewährte der Bf. laut Schreiben vom 11.1.2018 über deren Ratenzahlungsansuchen betreffend den vorgeschriebenen Teilnachzahlungsbetrag über den "Teilnachkauf fehlender Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente" in Höhe von € 33.998,56 drei jährliche Raten, wovon am 19.12.2017 die erste Rate im Betrag von € 11.135,00 geleistet wurde.
4. Die Bf. war zum Nachkauf fehlender Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente dem Grunde und auch der Höhe nach gesetzlich verpflichtet. Diese Beitragszahlungen stellen Betriebsausgaben gemäß § 4 Abs. 4 Z 1 lit. b EStG 1988 dar. Korrespondierend dazu bestätigte die Ärztekammer für Tirol im Schreiben vom 20.2.2018 die Einhebung der Pflichtbeiträge zum Wohlfahrtsfonds für das Jahr 2017 in Höhe von € 28.353,20 im Sinne der Beitragsordnung.
5. Die Ansicht der Bf., dass die Zahlung von € 11.135,00 für den Nachkauf der Versicherungszeiten zur Ergänzungsrente bei den Sonderausgaben zu erfassen sei, ist insofern unzutreffend, als unter den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Z 1a EStG 1988 lediglich der freiwillige Nachkauf von Versicherungszeiten fällt.
Die erläuternden Bemerkungen zur Änderungen des § 18 Abs. 1 EStG 1988 mit BGBl. I 2015/118 führen aus, dass die freiwillige Weiterversicherung einschließlich des Nachkaufs von Versicherungszeiten in der gesetzlichen Pensionsversicherung und vergleichbare Beiträge an Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständigen Erwerbstätigen weiterhin durch eine Spezialnorm Z 1a als Sonderausgaben absetzbar bleiben. Die Informationen der Oberösterreichischen Ärztekammer zum freiwilligen Nachkauf von Versicherungszeiten sind für das gegenständliche Verfahren irrelevant. Zutreffend ist das im Vorlageantrag gestellte Eventualbegehren, die Zahlung als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.
6. Der Beschwerde war somit Folge zu geben.
7. Durch die Änderung der Bemessungsgrundlagen zur Einkommensteuer reduziert sich der Gewinnfreibetrag auf € 3.723,76 und entfällt der investitionsbedingte Gewinnfreibetrag für Wertpapiere (KZ 9229).
V. Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Dass aufgrund gesetzlicher Verpflichtung entrichtete Beiträge zu Versorgungs- und Unterstützungseinrichtungen der Kammern der selbständig Erwerbstätigen als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, ist durch die Rechtsprechung des VwGH gedeckt (Punkt III. 2.).
Innsbruck, am 19. August 2019
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 4 Abs. 4 EStG 1988, Einkommensteuergesetz 1988, BGBl. Nr. 400/1988 |
Verweise: | VwGH 21.07.1998, 98/14/0093 |