Sicherheitszuschlag: Schätzungsberechtigung, Annahme einer verdeckten Ausschüttung
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RV.2101275.2016
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Einzelrichter über die als Beschwerden zu erledigenden Berufungen der X-GmbH, vertreten durch SBT Steuerberatungs GmbH & Co KG, Metahofgasse 30, 8020 Graz, vom 07.02.2013 gegen die Bescheide des Finanzamtes Oststeiermark vom 19.12.2012 betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer für 2008, 2009 und 2010 zu Recht erkannt:
Die angefochtenen Bescheide werden aufgehoben.
Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerdeführerin ist eine mit Erklärung vom 20.04.2005 errichtete Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Gesellschafter und Geschäftsführer ist Y X. Betriebsgegenstand ist der Einzelhandel mit Fahrzeugen.
Aufgrund der Bescheide über einen Prüfungsauftrag vom 19.04.2012 und vom 09.07.2012 führte die belangte Behörde bei der Beschwerdeführerin eine Außenprüfung betreffend Umsatzsteuer, Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer sowie Normverbrauchsabgabe für die Jahre 2008 bis 2010 durch. Dabei traf der Prüfer ua. die hier strittige Feststellung, dass die Beschwerdeführerin nicht sämtliche Belege (Kassaquittungen) aufbewahrt habe. Weiters sei es wiederholt zur Verbuchung von Scheinrechnungen bzw. fingierten Kaufverträgen gekommen. Es sei auch zur "Verbuchung des Einkaufes differenzbesteuerter (gebrauchter) Fahrzeuge bzw. des Verkaufes differenzbesteuerter Fahrzeuge" gekommen. Aufgrund der formellen und materiellen Mängel, die die Schätzungsberechtigung begründeten, sei ein Sicherheitszuschlag von 1% des erklärten Umsatzes hinzuzurechnen. Es liege in diesem Zusammenhang auch eine "verdeckte Gewinnausschüttung" vor.
Aufgrund dieser Feststellung zog die belangte Behörde die Beschwerdeführerin mit den hier angefochtenen Bescheiden vom 19.12.2012 zur Haftung für Kapitalertragsteuer wie folgt heran: 13.809 Euro (2008), 14.292 Euro (2009) und 18.969 Euro (2010).
Gegen diese Bescheide erhob die Beschwerdeführerin durch ihren steuerlichen Vertreter mit Schreiben vom 07.02.2013 die hier entscheidungsgegenständlichen Berufungen und beantragte die Bescheidaufhebung.
Die belangte Behörde wies die (nun als Beschwerden zu erledigenden) Berufungen mit Beschwerdevorentscheidungen vom 13.04.2016 als unbegründet ab.
Mit Schreiben vom 17.05.2016 beantragte die Beschwerdeführerin durch ihren zusätzlich beauftragten steuerlichen Vertreter die Vorlage der Berufungen an das Verwaltungsgericht. Der Sicherheitszuschlag setze - so die nunmehrige Begründung - bereits entdeckte unversteuert gebliebene Einnahmen voraus, die Außenprüfung sei jedoch "rein ausgabenseitig" gewesen, die Erlösseite komme dort so gut wie nicht vor, "Schwarzgeschäfte sowieso nicht" (Seite 4). Bei besagten Kassaquittungen handle es sich um jene für geleistete Anzahlungen. Dass sie vernichtet worden seien, habe einen einfachen Grund. Die Bezahlung des vollen Kaufpreises sei ohnehin gesondert quittiert worden (Seite 19).
Die belangte Behörde legte die Berufungen dem Bundesfinanzgericht am 12.08.2016 zur Entscheidung vor. Im Vorlagebericht gab sie zu dem Vorbringen keine Stellungnahme ab.
Die Beschwerdeführerin hat den Antrag auf mündliche Verhandlung zurückgenommen.
Das Bundesfinanzgericht hat über die gemäß § 323 Abs. 38 BAO als Beschwerden zu erledigenden Berufungen erwogen:
Gewinnanteile (Dividenden), Zinsen und sonstige Bezüge aus Aktien oder Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen (§ 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung). Solche Einkünfte unterliegen, wenn der Schuldner der Kapitalerträge Wohnsitz, Geschäftsleitung oder Sitz im Inland hat (inländische Kapitalerträge), der Kapitalertragsteuer (§ 93 Abs. 2 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung).
Zu den Bezügen nach § 27 Abs. 1 Z 1 lit. a EStG 1988 in der für die Streitjahre geltenden Fassung gehören auch verdeckte Ausschüttungen (VwGH 28.05.2015, Ro 2014/15/0046).
Soweit die Abgabenbehörde die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, hat sie diese zu schätzen. Dabei sind alle Umstände zu berücksichtigen, die für die Schätzung von Bedeutung sind (§ 184 Abs. 1 BAO).
Zu schätzen ist ua., wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnungen in Zweifel zu ziehen (§ 184 Abs. 3 BAO).
Mehrgewinne einer Kapitalgesellschaft, die in ihrem Betriebsvermögen keinen Niederschlag gefunden haben, sind nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes regelmäßig als den Gesellschaftern verdeckt zugeflossene Ausschüttungen anzusehen (VwGH 28.05.2015, Ro 2014/15/0046, mwA).
Das Finanzamt kann eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung im Hinblick auf dem Gesellschafter (...) aus dem Vermögen der Gesellschaft zugewendete Vorteile, die u.a. aus im Wege von Sicherheitszuschlägen festgestellten Mehrgewinnen resultierten, zur Haftung für Kapitalertragsteuer heranziehen (VwGH 28.05.2015, Ro 2014/15/0046).
Im Beschwerdefall leitete die belangte Behörde die Schätzungsberechtigung bezüglich der umsatz- und körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlagen im Wege des Sicherheitszuschlages (auf den sich in der Folge die Annahme einer verdeckten Ausschüttung stützt) zum einen aus dem Umstand ab, dass die Beschwerdeführerin nicht sämtliche "Kassa-Quittungen" aufbewahrt habe.
Von Seiten der Beschwerdeführerin wurde dem im Vorlageantrag entgegengehalten, dass diese "Kassa-Quittungen" die Kassaausgänge im Zusammenhang mit Anzahlungen für Fahrzeuge (also keine Einnahmen) betroffen hätten und die Kaufpreiszahlungen bei "Bezahlung des vollen Kaufpreises" ohnehin gesondert quittiert worden seien. Im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung wurde vom Prüfer dazu festgehalten, dass der Kassastand - wenn auch nachträglich - durch die Verbuchung der Fahrzeugrechnung richtig gestellt worden sei (Tz. 1). Auch hat der Prüfer im Bericht über das Ergebnis der Außenprüfung - wie von Seiten des steuerlichen Vertreters der Beschwerdeführerin im Zuge der Erörterung der Sach- und Rechtslage hingewiesen wurde - ausdrücklich erwähnt, dass sämtliche Fahrzeuge anhand der Fahrgestellnummern eindeutig identifizierbar gewesen und einem Umsatz der Beschwerdeführerin zurechenbar gewesen seien (Tz. 2). Vor diesem Hintergrund war dieser von der belangten Behörde herangezogene formale Mangel nicht geeignet, die Schätzungsberechtigung zu begründen und eine verdeckte Ausschüttung im Sinne der obigen Rechtsprechung anzunehmen.
Soweit die belangte Behörde zum anderen bei ihrer "Mängelfeststellung" darauf verweist, dass es bei der Beschwerdeführerin zur Verbuchung von Scheinrechnungen bzw. fingierten Kaufverträgen und zur "Verbuchung des Einkaufes differenzbesteuerter (gebrauchter) Fahrzeuge" gekommen sei, ist - abgesehen von der eben zitierten Erwähnung des Prüfers, dass sämtliche Fahrzeuge anhand der Fahrgestellnummern eindeutig identifizierbar gewesen und einem Umsatz der Beschwerdeführerin zurechenbar gewesen seien - darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde die Verbuchung von Scheinrechnungen bzw. fingierten Kaufverträgen durch Versagung des Vorsteuerabzuges (Tz. 2) und die "Verbuchung des Einkaufes differenzbesteuerter (gebrauchter) Fahrzeuge" durch gesonderte Hinzurechnungen zur umsatzsteuerlichen Bemessungsgrundlage (Tz. 3) berücksichtigt hat. Auch diese Umstände waren daher nicht geeignet, die Schätzungsberechtigung zu begründen und eine verdeckte Ausschüttung im Sinne der obigen Rechtsprechung anzunehmen.
Der Niederschrift über die Schlussbesprechung ist zur Rechtfertigung des Sicherheitszuschlages zusätzlich zu entnehmen, dass aufgrund des Umfanges des Geschäftsbetriebes der Beschwerdeführerin eine lückenlose Überprüfung der Fahrzeugeinkäufe und -verkäufe nicht möglich gewesen sei. Trotz mehrmaliger Aufforderung der Beschwerdeführerin durch die Finanzbehörde, keine Fahrzeuge von fragwürdigen ausländischen und inländischen Firmen zu kaufen, habe dieser die Einkäufe forciert. Immer wieder habe es sehr hohe Um- und Nachbuchungen bei Bilanzerstellung gegeben.
Auch mit diesen Ausführungen des Prüfers vermag die belangte Behörde die Schätzungsberechtigung nicht zu begründen. Zwar beruht die Befugnis zur Schätzung allein auf der objektiven Voraussetzung der Unmöglichkeit der Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen (vgl. VwGH 20.11.2014, 2013/16/0085); dies allerdings nicht aus dem Grunde des Umfanges der Geschäftstätigkeit, sondern aus dem Grunde der Verletzung abgabenrechtlicher Obliegenheiten, wie sie § 184 Abs. 2 BAO und § 184 Abs. 3 BAO beispielhaft normieren. In diesem Sinn hat der Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass " Unmöglichkeit " der Ermittlung oder Berechnung der Besteuerungsgrundlagen die Schätzungsbefugnis der Abgabenbehörde auslöst, nicht aber bloße "Schwierigkeiten" sachlicher oder rechtlicher Natur. Deren Überwindung mag Mühe kosten, die aber aufzuwenden ist (VwGH 13.09.2006, 2002/13/0105). Die aufgrund des Umfanges der Geschäftstätigkeit bestehende Unmöglichkeit der lückenlosen Überprüfbarkeit der Bücher und Aufzeichnungen allein vermag die Schätzungsberechtigung daher nicht zu begründen. Eine für den Abgabepflichtige verbindliche Aufforderung durch die Abgabenbehörde zur Unterlassung von Geschäftsabschlüssen mit bestimmten Vertragspartnern kennt das Gesetz nicht, weshalb daraus keine Schätzungsberechtigung abgeleitet werden kann. Schließlich begründet auch der Umstand, dass es "sehr hohe" Um- und Nachbuchungen bei Bilanzerstellung gegeben habe, ohne konkrete Mängelfeststellungen für sich keine Schätzungsberechtigung.
Die angefochtenen Bescheide betreffend Haftung für Kapitalertragsteuer waren daher aufzuheben.
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da diese Voraussetzung im Beschwerdefall im Hinblick auf die oben wiedergegebene Rechtsprechung nicht vorliegt, war auszusprechen, dass die Revision nicht zulässig ist.
Graz, am 19. Dezember 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer |
betroffene Normen: | § 184 Abs. 1 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961 |
Verweise: | VwGH 28.05.2015, Ro 2014/15/0046 |