Beschlagnahme von Bargeld durch die Finanzpolizei anlässlich einer Kontrolle nach dem GSpG
European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2016:RM.7100038.2015
Entscheidungstext
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Bundesfinanzgericht hat durch den Richter Dr. Richard Tannert in der Beschwerdesache der A-GmbH, xxxx, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Rechtsanwalt, Kapuzinergasse 8/4, 6020 Innsbruck, wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt in Form der Beschlagnahme eines Bargeldbetrages von € 100,00, welcher zuvor den Geldladen der von der Beschwerdeführerin betriebenen Glücksspielautomaten entnommen worden war, im Zuge einer Kontrolle nach § 50 Abs. 3 Glücksspielgesetz (GSpG) am 1. Februar 2012 im Lokal "B", yyyy, durch Organe des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart (Finanzpolizei)
zu Recht erkannt:
I. Die Beschlagnahme des Bargeldbetrages von € 100,00 ist rechtswidrig gewesen und wird daher aufgehoben; der Geldbetrag ist an die Beschwerdeführerin zu retournieren.
II. Der Bund (der Bundesminister für Finanzen) hat gemäß § 35 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) iVm § 1 Z 1 der VwG-Aufwandsersatzverordnung (VwG-AufwandsErsV) der Beschwerdeführerin den geltend gemachten Schriftsatzaufwand in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
III. Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe
Laut Aktenlage hat am 1. Februar 2012 im Geschäftslokal der B in der yyyy, durch Beamte der Finanzpolizei des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart eine Kontrolle zur Einhaltung der Bestimmungen des Glücksspielgesetzes stattgefunden, wobei unter anderem vier Glücksspielgeräte, darunter zwei Geräte der Type G1, SerienNr. zzz1 und zzz2, GX, Versiegelungsplaketten Nr. 20148 bis 20154, 20156 bzw. 20164 bis 20171 (FA-Geräte-Nr. 2 und 4), im Eigentum der A-GmbH, und ein Gerät der Type G2, ProduktionsNr. zzz3, GY, Versiegelungsplaketten Nr. 20157 bis 20163 (FA-Geräte-Nr. 3), im Eigentum der B-s.r.o. gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig beschlagnahmt wurden (diesbezügliche Bescheinigung, Kopie, Verwaltungsakt).
Anlässlich der Beschlagnahme der Glücksspielgeräte wurden auch die Geldladen aller vier Geräte von den Finanzpolizisten im Beisein des Tankstellenpächters C geöffnet und insgesamt ein Kasseninhalt von € 266,00 entnommen (siehe obgenannte Bescheinigung).
Die oben konkret bezeichneten drei Geräte waren von der A-GmbH zur Tankstelle an der genannten Anschrift geliefert worden. Die A-GmbH hatte dort vom Tankstellenpächter einen separaten Raum zur Aufstellung der Geräte angemietet (Aussagen des D, Geschäftsführer der A-GmbH, und des C, Tankstellenpächter, vom 1. Februar 2012, Niederschriften; Verwaltungsakt).
In weiterer Folge wurden die Glücksspielgeräte auch von der A-GmbH als Veranstalterin der Glücksspiele auf ihre Rechnung betrieben (Aussagen des D, Geschäftsführer der A-GmbH, und des C, Tankstellenpächter, vom 1. Februar 2012, Niederschriften; Verwaltungsakt).
Das Geld aus den diesbezüglichen Gerätekassen wurde üblicherweise von D entnommen, welcher in unregelmäßigen Abständen vorbeigekommen ist und mit dem Tankstellenpächter C abgerechnet hat. Letzterer hat allenfalls bei Bedarf als Erfüllungsgehilfen der A-GmbH mit Hilfe von Kassaschlüsseln, welche er von D erhalten hatte, die Kassenladen, wohl wenn sie gefüllt waren, entleert (obgenannte Aussagen von D und C).
Das in den Kassenläden der drei von der A-GmbH betriebenen Geräte befindliche Bargeld hat sich daher vor seiner Entnahme durch die Organe der Finanzpolizei am 1. Februar 2012 in der Gewahrsame der A-GmbH befunden, nicht aber der der B-s.r.o., welche lediglich ein Glücksspielgerät an den Veranstalter vermietet hatte.
Mit einem gemeinsamen Schriftsatz vom 12. März 2012 haben die A-GmbH gegen die Wegnahme von € 100,00 und die B-s.r.o. - hier nicht relevant - gegen die Wegnahme von € 5,00 aus den insgesamt € 266,00, welche den Geldladen aller vier vorläufig beschlagnahmten Automaten von den Beamten entnommen worden waren, fristgerecht eine Maßnahmenbeschwerde an den damals zuständigen UVS im Land Niederösterreich erhoben und dabei vorgebracht, dass das weggenommene Geld weder als Glücksspielautomat, noch als sonstiger Eingriffsgegenstand noch als technisches Hilfsmittel gemäß § 53 Abs. 1 GSpG qualifiziert werden könne.
§ 55 GSpG unterscheide zwischen "beschlagnahmten Gegenständen" und "Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet". Schon die grammatikalische Auslegung gebiete daher die Annahme, dass es sich bei Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet, keinesfalls um einen beschlagnahmten Gegenstand handeln könne.
§ 53 und § 55 Abs. 1 GSpG bringen deutlich zum Ausdruck, dass eine Beschlagnahme von Gegenständen nur zulässig sei, wenn diese Gegenstände denkmöglich gemäß § 54 GSpG eingezogen oder gemäß § 17 Abs. 1 und 2 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) für verfallen erklärt werden können. Die Beschlagnahme des Geldes durch Beamte des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart als Organe der Behörden gemäß § 50 Abs. 1 [gemeint wohl: 2] GSpG sei daher rechtswidrig gewesen.
Als Schriftsatzaufwand werden € 737,60 verzeichnet.
In ihrer Gegenschrift vom 13. April 2012 hat die belangte Behörde im Wesentlichen ausgeführt:
Am 1. Februar 2012 sei tatsächlich durch Organe des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart als Organe der öffentlichen Aufsicht im Sinne des GSpG eine Kontrolle des Lokales "B" in der yyyy, erfolgt. Dabei wären durch die einschreitenden Organe vier Glücksspielgeräte kontrolliert, probegespielt und, nach umfassender Dokumentation und Niederschrift mit dem Pächter C, gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig beschlagnahmt worden. Nach dem Ausspruch der Beschlagnahme wären die Geräte durch C auf Ersuchen der Kontrollorgane geöffnet und das in den Geräten befindliche Geld in amtliche Verwahrung genommen worden. Dem Lokalbetreiber sei daraufhin eine Bescheinigung über die vorläufige Beschlagnahme gemäß § 53 Abs. 2 GSpG ... übergeben worden. Aus dieser Beschlagnahmebescheinigung sei klar zu entnehmen, dass das Geld - anders als die Glücksspielgeräte - nur entnommen, nicht aber beschlagnahmt worden sei.
Es sei zweifelhaft, ob das amtliche Handeln in Form der Wegnahme von Geldbeträgen bereits jene Eingriffsintensität erreicht habe, der auch tatsächlich als Akt einer Zwangsgewalt qualifizierbar sei. Eine bloß freiwillig ermöglichte Entfernung von Geld aus einem bereits beschlagnahmten Glücksspielgerät sei unter dieser Schwelle.
Selbst die gewaltsame Eröffnung einer versperrten Handkasse stelle laut Judikatur keinen Akt einer Befehls- und Zwangsgewalt dar, wenn die Handkasse bereits beschlagnahmt worden sei. Auch die unvollständige Zurückstellung beschlagnahmter Gegenstände sei eine bloße behördliche Untätigkeit.
Mit dem Ausspruch der vorläufigen Beschlagnahme der gegenständlichen Glücksspielgeräte sei die Verfügungsgewalt über die Geräte und damit naturgemäß auch über deren Inhalt, etwa die Spielprogramme oder das Geld, auf die für die bescheidmäßige Anordnung der Beschlagnahme zuständige Behörde übergegangen. Niemand, auch nicht der Eigentümer, konnte daher ab diesem Zeitpunkt gerechtfertigt über die Gegenstände und deren Inhalt verfügen. Ein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt konnte nach diesem Zeitpunkt schlicht nicht mehr gesetzt werden.
Die Entnahme des Geldes aus den vier Eingriffsgegenständen [den vier vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgeräten] sei nötig gewesen, um das Geld der amtlichen Verwahrung und später einem widmungsgemäßen Gebrauch nach § 55 Abs. 3 GSpG zuzuführen.
Die Behauptung der Beschwerdeführerin, sie wäre Eigentümerin und Veranstalterin des "Gerätes 3" sei nicht glaubwürdig, weil einem Veranstalter bewusst wäre, dass man nur die mit diesem Gerät ermöglichten Glücksspiele veranstalten könne, nicht aber das Gerät.
Worin nun der vermeintliche Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin auf den genannten Geldbetrag tatsächlich gelegen sei, könne der Beschwerde jedenfalls nicht entnommen werden. Eine Legitimation der Beschwerdeführerin als zivilrechtliche Eigentümerin [wohl: des Geldes] könne mangels Konkretisierung nicht einmal im Ansatz erkannt werden.
Tatsächlich seien zwei [wohl gemeint: vier?] Glücksspielgeräte vorläufig beschlagnahmt worden. Im Zuge der Kontrolle seien Feststellungen im Hinblick auf das in den Geräten vorgefundene Geld bezüglich allenfalls anspruchsberechtigter Firmen oder Personen weder angestrebt noch tatsächlich getroffen worden. Eine Klärung dieser Frage vor Ort wäre nicht möglich gewesen.
Die Berufungswerberin [Beschwerdeführerin] führe schließlich einen Gesamtbetrag an, welcher sich jedoch aus zwei Beträgen errechne, nämlich als Summe aus den jeweiligen Geldbeträgen in den Gerätegeldkassen der vier gegenständlichen Glücksspielgeräte. Nachdem durchaus die Möglichkeit bestehe, dass die vier Glücksspielgeräte auch von verschiedenen Veranstaltern betrieben worden wären, erscheine ein geeigneter Nachweis jedenfalls unumgänglich.
Mangels Verfügungsgewalt des [vormaligen] Inhabers [des Geldbetrages] zum Zeitpunkt [der Entnahme] nach Ausspruch der vorläufigen Beschlagnahme [der Glücksspielgeräte] liege daher kein Akt unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor, weshalb die Beschwerde zurückzuweisen sei.
In eventu werde beantragt, die Beschwerdeführerin zunächst aufzufordern, die Rechtmäßigkeit ihres geltend gemachten Anspruches auf den amtlich verwahrten Geldbetrag in Höhe von € 266,00 durch Vorlage geeigneter Dokumente und Belege schlüssig nachvollziehbar nachzuweisen. Sollte dieser Nachweis nicht gelingen, wäre die Beschwerde mangels Legitimation zurückzuweisen.
Im Übrigen werde beantragt, die Beschwerde als unbegründet anzuweisen, da das amtliche Handeln der Organe durch die Bestimmungen des § 53 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 3 GSpG gerechtfertigt gewesen sei.
Ebenso wird von Seite der belangten Behörde ein Ersatz von Schriftsatz- und Vorlageaufwand geltend gemacht.
Im April 2012 hat die Bezirkshauptmannschaft (BH) Baden mit Bescheiden gegenüber den deklarierten Geräteeigentümern die Beschlagnahme der zuvor von der Finanzpolizei vorläufig beschlagnahmten verfahrensgegenständlichen Glücksspielgeräte ausgesprochen, bspw. erging gegenüber der A-GmbH betreffend den Apparat mit der FA-Geräte-Nr. 3 ein entsprechender Beschlagnahmebescheid zur GZ. BNS2-V-1221036/1/3, wobei keinerlei Feststellung oder Anordnung zu den aus den Geldladen der Geräte entnommenen Bargeldbeträgen getroffen worden ist (Kopie genannter Bescheid).
Mit Schreiben vom 27. Jänner 2014, LVwG-MB-12-0010, hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die gegenständliche Maßnahmenbeschwerde der A-GmbH (und wohl auch - wenn nicht ausdrücklich angeführt - die der B-s.r.o.) an das Bundesverwaltungsgericht abgetreten.
Mit Schreiben vom 31. Juli 2014, W139 2000849-1/2E, hat nun das Bundesverwaltungsgericht die Rechtssachen zuständigkeitshalber an das Bundesfinanzgericht gemäß § 6 AVG iVm § 17 VwGVG weitergeleitet.
Laut Bericht des Juristischen Dienstes der Finanzpolizei (E-Mail vom 21. September 2015) sind die diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahren der BH Baden in Zusammenhang mit den vier beschlagnahmten Glücksspielgeräten wegen angenommener Unzuständigkeit der Behörde in Anbetracht des gerichtlichen Tatbestandes nach § 168 Strafgesetzbuch (StGB) eingestellt worden (Anmerkung: unter Anwendung der alten Rechtslage vor der Novellierung des § 52 Abs. 3 GSpG durch das AbÄG 2014, BGBl I 2014/13 mit Wirkung ab dem 1. März 2014) und die Beschlagnahme der Geräte wieder aufgehoben worden. Die am 1. Februar 2012 sichergestellten Geldmittel hingegen wurden nicht retourniert und befinden sich derzeit in Verwahrung des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel.
Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat am 2. Juli 2016 zu den GZ. E 945/2016-15, E 947/2016-14, E 1054/2016-10, in den Beschwerdesachen 1. des ****, vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt, Dominikanerbastei 17/11, 1010 Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 29. März 2016, Zl. LVwG-411184/7/KLE, 2. des ****, der **** und der ****, alle vertreten durch Dr. Fabian Alexander Maschke, Rechtsanwalt, Dominikanerbastei 17/11, 1010 Wien, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 25. März 2016, Zl. LVwG-411124/9/Wei/BZ-411126/2, sowie 3. der ****, vertreten durch Dr. Patrick Ruth, Kapuzinergasse 8/4, 6020 Innsbruck, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Oberösterreich vom 14. April 2016, Zl. LVwG-410954/7/Zo, folgenden Beschluss gefasst:
"I. Beim Verfassungsgerichtshof ist eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden im Sinne des § 86a Abs. 1 Verfassungsgerichtshofgesetz [VfGG] 1953 anhängig, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind. Es geht um die Frage, ob die Rechtsgrundlagen i) für die Bestrafung wegen Übertretung der Verwaltungsstraftatbestände gemäß § 52 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. l Nr. 105/2014, ii) für die Beschlagnahme von Glücksspielautomaten, von sonstigen Eingriffsgegenständen oder von technischen Hilfsmitteln gemäß § 53 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 111/2010, und iii) für die Einziehung von Gegenständen, mit denen gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 Glücksspielgesetz verstoßen wird, gemäß § 54 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. l Nr. 70/2013, (offenkundig) gegen Unionsrecht (insbesondere Art. 56-62 AEUV) verstoßen und die vor dem Verfassungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte wegen der daraus folgenden Unanwendbarkeit ohne gesetzliche Grundlage ergangen sind oder ob gegen die Rechtsgrundlagen für die genannten Bestrafungen und Anordnungen verfassungsrechtliche Bedenken bestehen und ob es allenfalls nach Aufhebung der zugrunde liegenden Rechtsvorschriften letztlich zur Aufhebung der vor dem Verfassungsgerichtshof in Beschwerde gezogenen Entscheidungen der Verwaltungsgerichte kommt.
II. Zur Beantwortung der in Spruchpunkt I. genannten Rechtsfragen hat der Verfassungsgerichtshof § 52 Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 105/2014, § 53 Glücksspielgesetz, BGBI. Nr. 620/1989, idF BGBl. I Nr. 111/2010, und § 54 Glücksspielgesetz, BGBI. Nr. 620/1989, idF BGBI. I Nr. 70/2013, anzuwenden.
III. Der Verfassungsgerichtshof wird die Rechtsfragen in den zu E 945/2016, E 947/2016 oder E 1054/2016 protokollierten Beschwerdeverfahren behandeln.
IV. Der Bundeskanzler ist gemäß § 86a Abs. 2 VfGG zur unverzüglichen Kundmachung des Spruches dieses Beschlusses verpflichtet. Auf die mit der Kundmachung eintretenden, in § 86a Abs. 3 VfGG genannten Rechtsfolgen wird verwiesen."
Die im Beschluss des VfGH zitierte Bestimmung des § 86a VfGG lautet wie folgt:
§ 86a [VfGG]. (1) Ist beim Verfassungsgerichtshof eine erhebliche Anzahl von Verfahren über Beschwerden anhängig, in denen gleichartige Rechtsfragen zu lösen sind, oder besteht Grund zur Annahme, dass eine erhebliche Anzahl solcher Beschwerden eingebracht werden wird, so kann der Verfassungsgerichtshof dies mit Beschluss aussprechen. Ein solcher Beschluss hat zu enthalten:
1. die in diesen Verfahren anzuwendenden Rechtsvorschriften;
2. die auf Grund dieser Rechtsvorschriften zu lösenden Rechtsfragen;
3. die Angabe, welche der Beschwerden der Verfassungsgerichtshof behandeln wird.
(2) Beschlüsse gemäß Abs. 1 verpflichten, soweit es sich bei den darin genannten Rechtsvorschriften zumindest auch um Gesetze, politische, gesetzändernde oder gesetzesergänzende Staatsverträge oder Staatsverträge, durch die die vertraglichen Grundlagen der Europäischen Union geändert werden, handelt, den Bundeskanzler oder den zuständigen Landeshauptmann, ansonsten die zuständige oberste Behörde des Bundes oder des Landes zu ihrer unverzüglichen Kundmachung.
(3) Mit Ablauf des Tages der Kundmachung des Beschlusses gemäß Abs. 1 treten folgende Wirkungen ein:
1. in Rechtssachen, in denen ein Verwaltungsgericht die im Beschluss genannten Rechtsvorschriften anzuwenden und eine darin genannte Rechtsfrage zu beurteilen hat:
a) Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
b) Die Beschwerdefrist beginnt nicht zu laufen; eine laufende Beschwerdefrist wird unterbrochen.
2. in allen beim Verfassungsgerichtshof anhängigen Verfahren gemäß Abs. 1, die im Beschluss gemäß Abs. 1 nicht genannt sind:
Es dürfen nur solche Handlungen vorgenommen oder Anordnungen und Entscheidungen getroffen werden, die durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes nicht beeinflusst werden können oder die die Frage nicht abschließend regeln und keinen Aufschub gestatten.
(4) In seinem Erkenntnis fasst der Verfassungsgerichtshof seine Rechtsanschauung in einem oder mehreren Rechtssätzen zusammen, die nach Maßgabe des Abs. 2 unverzüglich kundzumachen sind. Mit Ablauf des Tages der Kundmachung beginnt eine unterbrochene Beschwerdefrist neu zu laufen und enden die sonstigen Wirkungen des Abs. 3."
Zur Entscheidung wurde erwogen:
Es liegt also im gegenständlichen Verfahren vor eine noch unerledigte Maßnahmenbeschwerde der A-GmbH betreffend eine behauptete Ausübung einer verwaltungsbehördlichen unmittelbaren Befehls- und Zwangsgewalt von Organen des Finanzamtes Bruck Eisenstadt Oberwart in Form einer Entziehung eines Geldbetrages von € 100,00 aus der Gewahrsame des vormaligen Inhabers anlässlich der vorläufigen Beschlagnahme von Glücksspielgeräten am 1. Februar 2012, bezüglich welcher bis dato auch keine Entscheidung der BH Baden, beispielsweise in Form eines Beschlagnahmebescheides, ergangen ist und wohl in Anbetracht der Aktenlage und des Zeitablaufes auch nicht mehr zu erwarten ist. Eine Verfahrenseinstellung infolge einer ergangenen Entscheidung in einem etwaigen Hauptverfahren kommt daher nicht in Betracht.
Zur Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes zur Entscheidung über derartige Maßnahmenbeschwerden hat sich folgende Entwicklung ergeben:
Gemäß Art. 131 Abs. 3 B-VG erkennt das Verwaltungsgericht des Bundes für Finanzen (das Bundesfinanzgericht) u.a. (3. Alternative) über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z. 2 B-VG, also über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit, in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgabenbehörden oder (hier nicht relevant:) den Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
Dazu führt bereits § 1 Abs. 1 Bundesfinanzgerichtsgesetz (BFGG) mit Wirkung ab dem 1. Jänner 2014 hinsichtlich der Zuständigkeit des Bundesfinanzgerichtes (BFG) aus, dass dem BFG die Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 bis 3 B-VG (also auch über die Maßnahmenbeschwerden nach Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) in Rechtssachen in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und Gemeinden) und des Finanzstrafrechts sowie in sonstigen gesetzlich festgelegten Angelegenheiten obliegen, soweit die genannten Angelegenheiten unmittelbar von den Abgaben- oder Finanzstrafbehörden des Bundes besorgt werden.
Zumal in Anbetracht des Umstandes, dass die Organe der Finanzpolizei bei Durchführung der ihnen übertragenen allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen - in Unterstützung für die Finanzämter als Abgabenbehörden (§ 10b der Verordnung des Bundesministers für Finanzen zur Durchführung des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 - AVOG 2010-DV) - als Organe des jeweils zuständigen Finanzamtes tätig werden (§ 12 Abs. 4 letzter Satz des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes 2010 - AVOG 2010) und sich die Zurechnung des Handelns der Organe der Finanzpolizei gemäß § 10b Abs. 3 Satz 1 AVOG 2010-DV) nach § 9 Abs. 4 AVOG 2010 richtet (wonach die von Organen der besonderen Organisationseinheiten, wie der Finanzpolizei, gesetzten Amtshandlungen, sofern keine unmittelbare Beauftragung für den Einzelfall durch eine Abgaben- oder Finanzstrafbehörde erfolgt ist, jener Abgabenbehörde zuzurechnen ist, in deren Amtsbereich die Dienststelle des Organes eingerichtet ist), wurde die Ansicht vertreten, dass dann, wenn die Finanzpolizei bei Durchführung ihrer allgemeinen Aufsichtsmaßnahmen gemäß §§ 143 f BAO (beispielsweise in Entsprechung des § 50 Abs. 2 Satz 2 GSpG) in eine Situation gebracht wird, eine unmittelbare Befehls- und Zwangsgewalt auszuüben, beispielsweise Glücksspielautomaten gemäß § 53 Abs. 2 GSpG vorläufig in Beschlag zu nehmen, die dagegen mögliche Maßnahmenbeschwerde nach den Bestimmungen des § 283 Bundesabgabenordnung (BAO) auszuführen ist und als Rechtssache in einer Angelegenheit der öffentlichen Abgaben in die Zuständigkeit des BFG fällt. Dagegen konnte eingewendet werden, dass möglicherweise gerade eine Angelegenheit der öffentlichen Abgaben nicht vorgelegen hat, wenn diese eine ordnungspolitische Maßnahme nach dem Glücksspielgesetz betroffen hat.
Zur ausdrücklichen Klarstellung wurde daher mit dem 2. AbgÄG 2014, BGBl I 2014/105, mit Wirkung ab dem 30. Dezember 2014, in § 1 Abs. 3 BFGG eine Z. 2 angefügt, wonach zu den sonstigen Angelegenheiten im Sinne des Abs. 1 auch die Entscheidungen über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG (also die gegenständlichen Maßnahmenbeschwerden) gegen Abgabenbehörden des Bundes gehören, soweit Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (Abs. 1) oder Beiträge (Abs. 3 Z 1) nicht betroffen sind. - Woraus sich wohl der Umkehrschluss ergibt, dass in Abweichung einer vormaligen Rechtsansicht (vgl. diesbezügliche Erlässe des Bundesministeriums für Finanzen) jedenfalls nach Ansicht des Gesetzgebers eine Zuständigkeit des BFG zur Behandlung derartiger Beschwerden vor dem 30. Dezember 2014 nicht bestanden hätte.
Diese Unsicherheit ist aber jetzt infolge des Zeitablaufes ausgeräumt, wobei aber nunmehr in Abänderung der vormaligen Rechtslage gemäß § 24 Abs. 1 letzter Satz BFGG mit Wirkung ab dem 30. Dezember 2014 das Verfahrensrecht des Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetzes (VwGVG) zur Anwendung gelangt.
Zur Sache selbst ist auszuführen:
Es existiert zu einem im Verhältnis zum oben dargestellten Lebenssachverhalt praktisch identen Fall - der Beschwerdeführerin bzw ihrem Vertreter als damalige Einschreiter wohl bekannt - eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes, welcher wie folgt ausführt (VwGH 26.5.2014, 2012/17/0468):
"1.1. Im Zuge einer am 1. Februar 2012 von den Organen des Finanzamtes Graz Stadt durchgeführten Kontrolle wurde unter anderem ein im Eigentum der Beschwerdeführerin stehendes Glücksspielgerät vorläufig beschlagnahmt. Anlässlich dieser Amtshandlung wurde dem Gerät ein Geldbetrag entnommen und von den einschreitenden Beamten in Verwahrung übernommen.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2012 sprach die Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt die Beschlagnahme des Glücksspielgerätes gemäß § 53 Abs. 3 iVm § 53 Abs. 2 und 1 des Glücksspielgesetzes (GSpG) aus. In diesem Bescheid wird der in Verwahrung genommene Geldbetrag nicht erwähnt.
1.2. Die Beschwerdeführerin erhob am 12. März 2012 eine Maßnahmenbeschwerde mit dem Antrag auf Feststellung, dass sie dadurch, dass am 1. Februar 2012 ein in ihrem Eigentum stehender Geldbetrag von EUR 300,00, der sich in einem näher bezeichneten - im Eigentum der Beschwerdeführerin stehenden - Glücksspielgerät befunden habe, vorläufig beschlagnahmt worden sei, in ihrem Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden sei. Der vorläufig beschlagnahmte Geldbetrag sei weder im Spruch noch in der Begründung des der vorläufigen Beschlagnahme folgenden Beschlagnahmebescheides erwähnt, weshalb die Beschlagnahme den Kasseninhalt nicht umfasse.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Beschwerde ab, weil die inkriminierte Maßnahme rechtlich gedeckt sei, obwohl der betreffende Geldbetrag nicht vom Beschlagnahmebescheid der Bezirkshauptmannschaft erfasst sei. Das in den Glücksspielautomaten enthaltene Geld sei nämlich lediglich anlässlich der vorläufigen Beschlagnahme von den einschreitenden Organen der Finanzbehörde im Sinne des § 55 Abs. 3 GSpG gegen Bestätigung in Verwahrung genommen worden. Da das Einschreiten auf Grundlage dieser Bestimmung erfolgt sei, liege eine Verletzung der Eigentumsrechte im Sinne des Vorbringens in der Maßnahmebeschwerde nicht vor.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
3. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
3.1. Gemäß § 79 Abs. 11 letzter Satz VwGG idF BGBl. I Nr. 122/2013 sind, soweit durch das Verwaltungsgerichtsbarkeits-Übergangsgesetz (VwGbk-ÜG) nicht anderes bestimmt ist, in den mit Ablauf des 31. Dezember 2013 beim Verwaltungsgerichtshof anhängigen Beschwerdeverfahren die bis zum Ablauf des 31. Dezember 2013 geltenden Bestimmungen weiter anzuwenden. Dies trifft auf den vorliegenden Fall zu.
3.2. § 53 Abs. 1, 2 und 3 Glücksspielgesetz (GSpG), BGBl. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010, sowie § 55 Abs. 3 (GSpG), BGBl. 620/1989, in der Fassung BGBl. I Nr. 54/2010, lauten:
'Beschlagnahmen
§ 53 (1) Die Behörde kann die Beschlagnahme der Glücksspielautomaten, der sonstigen Eingriffsgegenstände und der technischen Hilfsmittel anordnen, und zwar sowohl wenn der Verfall als auch wenn die Einziehung vorgesehen ist, wenn
1. der Verdacht besteht, dass
a) mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen, mit denen in das Glücksspielmonopol des Bundes eingegriffen wird, fortgesetzt gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird, oder
b) durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird oder
2. fortgesetzt oder wiederholt mit Glücksspielautomaten oder sonstigen Eingriffsgegenständen gemäß Z 1 lit. a gegen eine oder mehrere Bestimmungen des § 52 Abs. 1 verstoßen wird oder
3. fortgesetzt oder wiederholt durch die Verwendung technischer Hilfsmittel gegen § 52 Abs. 1 Z 7 verstoßen wird.
(2) Die Organe der öffentlichen Aufsicht können die in Abs. 1 genannten Gegenstände auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, daß die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Sie haben darüber außer im Falle des § 52 Abs. 1 Z 7 dem Betroffenen sofort eine Bescheinigung auszustellen oder, wenn ein solcher am Aufstellungsort nicht anwesend ist, dort zu hinterlassen und der Behörde die Anzeige zu erstatten. In der Bescheinigung sind der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter und der Inhaber aufzufordern, sich binnen vier Wochen bei der Behörde zu melden; außerdem ist auf die Möglichkeit einer selbständigen Beschlagnahme (Abs. 3) hinzuweisen. Tritt bei dieser Amtshandlung der Eigentümer der Gegenstände, der Veranstalter oder der Inhaber auf, so sind ihm die Gründe der Beschlagnahme bekanntzugeben.
(3) Die Behörde hat in den Fällen des Abs. 2 unverzüglich das Verfahren zur Erlassung des Beschlagnahmebescheides einzuleiten und Ermittlungen zur Feststellung von Identität und Aufenthalt des Eigentümers der Gegenstände, des Veranstalters und des Inhabers zu führen. Soweit nach der vorläufigen Beschlagnahme keine dieser Personen binnen vier Wochen ermittelt werden kann oder sich keine von diesen binnen vier Wochen meldet oder die genannten Personen zwar bekannt, aber unbekannten Aufenthaltes sind, so kann auf die Beschlagnahme selbständig erkannt werden, wenn im übrigen die Voraussetzungen dafür vorliegen. Die Zustellung des Bescheides kann in einem solchen Fall durch öffentliche Bekanntmachung erfolgen. ...
Herausgabe beschlagnahmter Gegenstände
§ 55 (...)
(3) Geld, das sich in beschlagnahmten Gegenständen befindet, ist zunächst zur Tilgung von allfälligen Abgabenforderungen des Bundes und sodann von offenen Geldstrafen des wirtschaftlichen Eigentümers der beschlagnahmten Gegenstände zu verwenden, ansonsten auszufolgen.'
3.3. Eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt liegt dann vor, wenn Verwaltungsorgane im Rahmen der Hoheitsverwaltung einseitig gegen individuell bestimmte Adressaten einen Befehl erteilen oder Zwang ausüben und damit unmittelbar - dh ohne vorangegangenen Bescheid - in subjektive Rechte des Betroffenen eingreifen (vgl. VwGH 27.2.2013, 2012/17/0430, 0435, mwN).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt bei einer vorläufigen Beschlagnahme, solange die Behörde die Beschlagnahme weder durch Bescheid bestätigt noch die beschlagnahmten Gegenstände tatsächlich zurückgestellt hat, eine die gesamte Dauer der Beschlagnahme umfassende Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt vor (vgl. zu § 53 GSpG das hg. Erkenntnis VwGH 27.2.2013, 2012/17/0531, 0603, mwN).
3.4. Den insofern unstrittigen Feststellungen zufolge wurden durch die Beamten des Finanzamtes Graz im Zuge der Kontrolle insgesamt drei Glücksspielgeräte beschlagnahmt. Es wurden den Automaten insgesamt EUR 518,00 entnommen, wobei sich in dem Gerät Nr. 1, welches im Eigentum der Beschwerdeführerin steht, ein Geldbetrag von EUR 295,00 (laut Beschwerdeführerin EUR 300,00) befand. Auch wenn nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Beschlagnahme des Glücksspielapparates nach § 53 GSpG den Automat samt seinem Inhalt und somit auch das darin befindliche Geld erfasst (vgl. das hg. Erkenntnis VwGH 27.4.2012, 2011/17/0315), ist jedenfalls im Falle der - wie hier - separierten Inverwahrnahme des insgesamt den Apparaten entnommenen Geldbetrages davon auszugehen, dass dieser vom Beschlagnahmebescheid nicht umfasst ist. Zu Recht verwies die belangte Behörde darauf, dass mit dem Bezug habenden Beschlagnahmebescheid lediglich die Beschlagnahme des Glücksspielgerätes, nicht jedoch - schon mangels Erwähnung - die des Geldbetrages bestätigt wurde.
Entgegen der Ansicht der belangten Behörde beinhaltet § 55 Abs. 3 GSpG schon seinem Wortlaut nach keine eigene gesetzliche Ermächtigung, den einem Glückspielgerät entnommenen Geldbetrag separat 'in Verwahrung' zu nehmen und bietet daher keine Rechtsgrundlage für den von der vorliegenden Maßnahmenbeschwerde inkriminierten Sachverhalt.
Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben."
Das Bundesfinanzgericht folgt den in dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes geäußerten Rechtsansichten. Diese - nur auf den ersten Blick vielleicht überraschende - Entscheidung steht in Übereinstimmung mit der gegebenen Rechtslage und den in Bezug auf in die Rechte der Betroffenen eingreifenden Maßnahmen aus den diesbezüglichen Normen ableitbaren und ein Abbild der Verfassungsnormen darstellenden grundsätzlichen Prinzipien, dass - siehe beispielsweise § 57 Abs. 5 FinStrG zur Eingriffsintensität von Maßnahmen in verwaltungsbehördlichen Finanzstrafsachen - eine Verwaltungsbehörde bei der Ausübung von Befugnissen nur insoweit in die Rechte von Personen eingreifen darf, als dies gesetzlich ausdrücklich vorgesehen und zur Aufgabenerfüllung erforderlich ist. Jede dadurch bewirkte Rechtsgutbeeinträchtigung muss in einem angemessenen Verhältnis zum Gewicht (dort:) des Finanzvergehens, (dort:) zum Grad des Verdachts und (allgemein:) zum angestrebten Erfolg stehen.
Auch hat - im Judikat des Verwaltungsgerichtshofes zwar nicht ausdrücklich angesprochen, aber ihm zu unterlegen - die Verwaltungsbehörde unter mehreren zielführenden Ermittlungshandlungen und Zwangsmaßnahmen jene zu ergreifen, welche die Rechte der Betroffenen am Geringsten beeinträchtigen. Das Behördenhandeln muss daher - so die Schlussfolgerung - angemessen und - unter Bedachtnahme auf die konkreten Umstände und Möglichkeiten des Behördeneinsatzes - bei mehreren möglichen Handlungsvarianten so gewählt werden, dass es zur geringsten Beeinträchtigung des Betroffenen kommt.
Gemäß § 53 Abs. 2 GSpG können Organe der öffentlichen Aufsicht die in § 53 Abs. 1 GSpG genannten Gegenstände (Glücksspielautomaten, sonstige Eingriffsgegenstände wie z.B. ein "Viewer" [siehe dazu VwGH 14.12.2011, 2011/17/0155] und technische Hilfsmittel wie z.B. eine entsprechend geeignete Fernbedienung, § 52 Abs. 1 Z 7 GSpG) auch aus eigener Macht vorläufig in Beschlag nehmen, um unverzüglich sicherzustellen, dass die Verwaltungsübertretungen gemäß einer oder mehrerer Bestimmungen des § 52 Abs. 1 GSpG nicht fortgesetzt begangen oder wiederholt werden. Diese gesetzliche Bestimmung geht somit von der Beschlagnahme des Glücksspielautomaten aus. Davon erfasst ist der Automat samt seinem Inhalt, somit auch das darin befindliche Geld (vgl. die zitierte Entscheidung VwGH 27.4.2012, 2011/17/0315).
Ein Bargeld ist aber kein Glücksspielgerät, kein sonstiger Eingriffsgegenstand oder ein technisches Hilfsmittel.
Eine gesetzliche Bestimmung etwa des Inhaltes, dass in Geldladen von Glücksspielgeräten, hinsichtlich welcher die rechtlichen Voraussetzungen für eine vorläufige Beschlagnahme nach § 53 Abs. 2 GSpG vorliegen, aufgefundenes Bargeld vorläufig (durch Organe der öffentlichen Aufsicht) oder auch endgültig (durch die Bezirksverwaltungsbehörde) zu beschlagnahmen wäre, weil etwa deren Verfall nach § 52 Abs. 4 Satz 2 GSpG oder deren Einziehung nach § 54 GSpG drohe, besteht nicht.
Wohl aber könnte das Geld allenfalls durch die Abgabenbehörde mittels Sicherstellungsauftrag zur Abdeckung von Abgabenschulden gepfändet werden, was nicht geschehen ist.
Eine Beschlagnahme als Beweismittel zur Sicherung der Beweisführung ist in einem Verwaltungsstrafverfahren - anders als in der StPO und im FinStrG - nicht vorgesehen (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 § 39 Anm 6; Thienel/Zeleny, Verwaltungsverfahren19 § 39 VStG Anm 3; Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 39 Anm 1) - wobei ohnehin noch zusätzlich wohl schwer zu begründen wäre, warum denn bestimmte Geldmünzen oder Geldscheine konkret als beschlagnahmefähige Beweismittel in Betracht kämen.
Im Ergebnis besteht daher - wie vom Verwaltungsgerichtshof festgehalten - im verwaltungsbehördlichen Verfahren keine gesetzliche Grundlage für eine Beschlagnahme von in der Gewahrsame eines Betreibers verbotener Glücksspiele befindlichem Bargeld, welches den Geldladen der Glücksspielgeräte im Zuge deren vorläufigen Beschlagnahme entnommen wird.
Es erschließt sich daher folgendes Ergebnis:
Kann vorläufig zu beschlagnahmenden Glücksspielgeräten im Zuge der Amtshandlung vor Ort ohne Vereitelung, Beeinträchtigung dieser Amtshandlung oder deren zeitlichen Verzug das in den Geldladen befindliche Bargeld entnommen werden, beispielsweise weil die Geldladen mittels Kassaschlüssel aufgesperrt werden können und derjenige, in dessen vorheriger Gewahrsame sich das Geld befunden hat, oder ein geeigneter Erfüllungsgehilfe des Inhabers, beispielsweise der dazu bevollmächtigte Lokalbetreiber, dieses in seine Verfügung (wieder) übernehmen kann, so ist dieses Bargeld von der vorläufigen Beschlagnahme nicht mit zu umfassen, weil eine für den Betroffenen gelindere Variante des behördlichen Handelns möglich ist. Eine wie im gegenständlichen Fall dennoch erfolgte Wegnahme des Bargeldes ist rechtswidrig.
Kann vorläufig zu beschlagnahmenden Glücksspielgeräten das in den Geldladen vorhandene Bargeld nicht (beispielsweise weil vor Ort die Geldladen mangels zur Verfügung gestellter Kassenschlüssel nicht aufgesperrt werden können) oder nicht ohne unverhältnismäßige Beeinträchtigung der Amtshandlung entnommen und berechtigten Personen ausgefolgt werden (beispielsweise weil gar keine zum Empfang des Geldes befugte Person vor Ort befindlich ist oder keine sichere und rasche Klärung hinsichtlich deren Berechtigungsumfang herbeigeführt werden kann), so sollen die gebotenen Amtshandlungen, eben die erforderlichen vorläufigen Beschlagnahmungen der Glücksspielgeräte oder sonstigen Eingriffsgeräte, durch diesen Umstand nicht beeinträchtigt werden: Die vorläufige Beschlagnahme der Geräte hat dennoch zu erfolgen, womit auch das in den Geldladen befindliche Bargeld in die Gewahrsame der Abgabenbehörde (als deren Organe die Beamten der Finanzpolizei eingeschritten sind) gelangt. Selbstredend wird dabei das in den Geldladen befindliche Geld (dessen betragliche Höhe vorerst unbekannt bleiben muss) bei einer solchen Maßnahme ebenfalls der Gewahrsame des bisherigen Inhabers zwangsweise entzogen, weil es solcherart nach dem Willen der Behörde in amtliche Verwahrung gelangt (zum Begriff der Beschlagnahme siehe z.B. Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG (2013) § 39 Anm 3).
Welches Schicksal dieses ausnahmsweise mitbeschlagnahmte Geld erleidet, bestimmt § 55 Abs. 3 GSpG: Es ist zunächst zur Tilgung von allfälligen Abgabenforderungen des Bundes und sodann von offenen Geldstrafen des wirtschaftlichen Eigentümers der beschlagnahmten Gegenstände (gemeint damit z.B. der beschlagnahmten Glücksspielgeräte) zu verwenden, ansonsten auszufolgen - und zwar an denjenigen, in dessen Gewahrsame sich das Geld vor seiner (vorläufigen) Beschlagnahme befunden hat.
Wenn von Seite der belangten Behörde eine fehlende Eingriffsintensität des Behördenhandelns bezüglich der Wegnahme des Bargeldes eingewendet wird, ist anzumerken, dass die diesbezügliche Amtshandlung in Bezug auf die vorläufige Beschlagnahme der Glücksspielgeräte und des darin befindlichen Bargeldes in ihrer Gesamtheit zu beurteilen ist und solcherart bei der Öffnung der Geldladen, Entnahme des darin befindlichen Bargeldes und dessen Zählung vor Ort noch nicht abgeschlossen gewesen ist - anders als im zitierten Beispiel bei der gewaltsamen Eröffnung beschlagnahmter versperrter Handkassen, welche beschlagnahmt und nachträglich von Amts wegen gemäß § 94 Abs. 5 FinStrG gewaltsam aufgeschlossen worden waren (VfGH 3.3.1982, B 170/81).
Soweit weiters in der Gegenschrift erkennbar im Ergebnis bemängelt wird, dass eine genaue Zuordnung der allen vier vorläufig beschlagnahmten Glücksspielgeräten entnommenen Bargeldbeträge von insgesamt € 266,00 zu den einzelnen Geräten und damit allenfalls verschiedenen Personen, welche unterschiedliche Beträge in ihrem Gewahrsame hatten, noch nicht stattgefunden hat, weil solches vor Ort nicht möglich gewesen wäre, ist dem entgegen zu halten, dass wohl eine Dokumentation der Höhe der einzelnen Geldbeträge, welche jeweils den einzelnen Geräten entnommen worden sind, durchaus möglich gewesen ist (immerhin wurde die entnommenen Beträgen ja notwendigerweise zur Ermittlung der Gesamtsumme vor Ort ohnehin gezählt) und auch zweckmäßig gewesen wäre.
Die Beschwerdeführerin, welche nach den vorgelegten Akten als Veranstalterin der Glücksspiele mittels der beschlagnahmten Apparaten mit den FA-Geräte-Nrn. 2 bis 4 aufgetreten ist und wohl - siehe oben - über den Inhalt der Geldladen dieser Geräte verfügungsberechtigt gewesen ist, begehrt lediglich die Feststellung, dass die Beschlagnahme eines Bargeldbetrages von € 100,00 rechtswidrig gewesen ist. Dieses Begehren bewegt sich in einem sicheren Rahmen (eine in freier Beweiswürdigung vorgenommene Aufteilung zu gleichen Teilen ergäbe einen Anspruch von € 199,50), sodass eine spruchgemäße Entscheidung ohne weitere Beweisaufnahme möglich gewesen ist.
Diese Entscheidung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung bereits aufgrund der gegebenen Aktenlage getroffen werden.
Zur Frage, ob das gegenständliche Beschwerdeverfahren vor dem Bundesfinanzgericht vom oben dargelegten Beschluss des Verfassungsgerichtes vom 2. Juli 2016 betroffen sein könnte:
Würden die §§ 52 und 53 GSpG in der nunmehrigen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes nicht zur Anwendung gelangen, ließe dies die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Beschlagnahme des verfahrensgegenständlichen Bargeldbetrages unverändert, weshalb die Entscheidung des Verfassungsgerichtes nicht abgewartet werden muss.
Hinsichtlich des Kostenzuspruches ist auszuführen:
Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt die obsiegende Partei Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Dabei gilt gemäß § 35 Abs. 2 leg.cit. im Falle dass die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, die Beschwerdeführerin als die obsiegende und die Behörde als die unterlegene Partei.
Gemäß § 1 Z 1 der Verordnung über die Pauschalierung der Aufwandersätze im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze (VwG-Aufwandersatzverordnung - AufwErsV), BGBl II 2013/517, gleichlautend § 1 Z 1 UVS-Aufwandsentschädigungsverordnung 2008, hat die obsiegende Partei einen Anspruch auf Ersatz des begehrten Schriftsatzaufwandes von € 737,60.
Zur Fälligkeit des Kostenersatzes ordnet § 52 Abs. 6 VwGVG die sinngemäße Anwendung des § 54b Abs. 1 Verwaltungsstrafgesetz (VStG) an, woraus sich für die Bezahlung eine Frist von zwei Wochen ab Eintritt der Rechtskraft (hier: ab Zustellung des Erkenntnisses) ergibt.
Zulässigkeit einer Revision
Gegen ein Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Da sich die gegenständliche Entscheidung auf eine entsprechende Judikatur des Ve rwaltungsgerichtshofes in Übereinstimmung mit einer im Ergebnis eindeutigen Rechtslage stützt, ist eine ordentliche Revision nicht zuzulassen.
Linz, am 1. September 2016
Zusatzinformationen | |
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Materie: | Steuer, Glücksspiel |
betroffene Normen: | § 50 Abs. 3 GSpG, Glücksspielgesetz, BGBl. Nr. 620/1989 |
Schlagworte: | Glücksspielgeräte, Beschlagnahme von Geld, Finanzpolizei, vorläufige Beschlagnahme |
Verweise: | VwGH 26.05.2014, 2012/17/0468 |