BFG RV/7102722/2015

BFGRV/7102722/201521.7.2015

Zurechnung eines Zuschusses in wirtschaftlicher Betrachtungsweise an die Großmutter als Leistende (fortgesetztes Verfahren zu RV/1890-W/06 ua.)

European Case Law Identifier: ECLI:AT:BFG:2015:RV.7102722.2015

 

Entscheidungstext

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesfinanzgericht hat durch die Richterin Mag. Ilse Rauhofer in der Beschwerdesache der BF, ADR, vertreten durch "CURA" Treuhand- und RevisionsgesmbH, Gumpendorferstraße 26, 1060 Wien, gegen folgende Bescheide des Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Wien zu StNr*** betreffend Gesellschaftsteuer zu Recht erkannt: 

1. Bescheide betreffend Festsetzung von Gesellschaftsteuer :

 

Datum angefochtene Gesellschaftsteuerbescheide

ErfNr. Finanzamt

GZ BFG

1.1

21.03.2006

1

RV/7102709/2015

1.2

21.03.2006

2

RV/7102711/2015

1.3

21.03.2006

3

RV/7102712/2015

1.4

15.03.2006

4

RV/7102713/2015

1.5

21.03.2006

5

RV/7102714/2015

1.6

21.03.2006

6

RV/7102715/2015

1.7

14.03.2006

7

RV/7102716/2015

1.8

15.03.2006

8

RV/7102717/2015

1.9

27.06.2006

9

RV/7102718/2015

1.10

20.09.2006

10

RV/7102719/2015

1.11

06.03.2008

11

RV/7102720/2015

1.12

09.02.2009

12

RV/7102721/2015

Den Bescheidbeschwerden wird Folge gegeben und die oben angeführten 12 Gesellschaftsteuerbescheide werden aufgehoben.

2. Bescheide betreffend Abweisung von Anträgen auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO

 

Datum angefochtene Bescheide § 299 BAO

Datum Gesellschaft-steuerbescheide

ErfNr Finanzamt

GZ BFG

2.1

12.02.2009

11.12.2000

21

RV/7102724/2015

2.2

06.02.2009

30.01.2001

22

RV/7102734/2015

2.3

04.02.2009

10.05.2001

23

RV/7102733/2015

2.4

12.02.2009

10.07.2001

24

RV/7102732/2015

2.5

16.02.2009

22.10.2001

25

RV/7102728/2015

2.6

05.02.2009

11.12.2001

26

RV/7102731/2015

2.7

06.02.2009

13.12.2001

27

RV/7102730/2015

2.8

05.02.2009

23.01.2002

28

RV/7102729/2015

2.9

16.02.2009

24.01.2002

29

RV/7102726/2015

2.10

12.02.2009

11.04.2002

210

RV/7102727/2015

2.11

05.02.2009

12.06.2002

211

RV/7102737/2015

2.12

06.02.2009

02.09.2002

212

RV/7102736/2015

2.13

05.02.2009

31.10.2002

213

RV/7102735/2015

2.14

04.02.2009

08.01.2002

214

RV/7102722/2015

2.15

16.02.2009

16.01.2003

215

RV/7102723/2015

2.16

16.02.2009

12.02.2003

216

RV/7102725/2015

Den Bescheidbeschwerden wird Folge gegeben. Die oben angeführten 16 Bescheide nach § 299 BAO werden jeweils insofern abgeändert, als in Entsprechung des Antrages vom 29. Dezember 2005 der jeweils nebenstehend angeführte Gesellschaftsteuerbescheid aufgehoben wird.

Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) unzulässig.

Entscheidungsgründe

1. Verfahrensgang und Sachverhalt

Dieses Erkenntnis ergeht in fortgesetzten Verfahren, nachdem vom Verwaltungsgerichtshof die (Sammel-)Berufungsentscheidung des Unabhängigen Finanzsenats (UFS 26.9.2011, RV/1890-W/06 ua. betreffend Gesellschaftsteuer) mit Erkenntnis vom 22. April 2015 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben wurde (VwGH 22.04.2015, 2011/16/0233). Damit gelten die Berufungen wiederum als unerledigt. Zum bisherigen Verfahrensablauf wir auf die genannte Entscheidung verwiesen.

Gemäß Art. 151 Abs. 51 Z 9 B-VG tritt das Bundesfinanzgericht an die Stelle des Unabhängigen Finanzsenates und ist es daher für die neuerliche Entscheidung zuständig. Gemäß § 323 Abs. 38 BAO sind die anhängigen Berufungen vom Bundesfinanzgericht als Bescheidbeschwerden iSd Art 130 Abs. 1 B-VG zu erledigen.

Mit Schriftsatz vom 13. Juli 2015, eingebracht beim BFG am 15. Juli 2015, nahm die Bf. die Anträge auf Entscheidung durch den gesamten Senat und auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung zurück.

Ein weiteres Vorbringen wurde weder von der Bf. noch vom Finanzamt erstattet.

Die Sachverhaltsfeststellungen der oben genannten Berufungsentscheidung werden daher übernommen und diese insoweit zum integrierten Bestandteil dieses Erkenntnisses erklärt.

2. Entscheidung über die Bescheidbeschwerden

Der Verwaltungsgerichtshof begründete seine aufhebende Entscheidung wie folgt:

§ 2 des Kapitalverkehrsteuergesetzes (KVG) lautet:

"§ 2. Der Gesellschaftsteuer unterliegen:
1. ...
2. Leistungen, die von den Gesellschaftern einer inländischen Kapitalgesellschaft auf Grund einer im Gesellschaftsverhältnis begründeten Verpflichtung bewirkt werden (Beispiele: weitere Einzahlungen, Nachschüsse). Der Leistung eines Gesellschafters steht es gleich, wenn die Gesellschaft mit eigenen Mitteln die Verpflichtung des Gesellschafters abdeckt;
3. ...
4. folgende freiwillige Leistungen eines Gesellschafters an eine inländische Kapitalgesellschaft, wenn die Leistung geeignet ist, den Wert der Gesellschaftsrechte zu erhöhen:
a)        Zuschüsse,
..."           

Nach § 5 Abs. 2 KVG gelten als Gesellschafter jene Personen, denen die in § 5 Abs. 1 leg. cit. genannten Gesellschaftsrechte zukommen. Nach § 5 Abs. 1 KVG gelten als Gesellschaftsrechte an Kapitalgesellschaften:

"1. Aktien und sonstige Anteile, ausgenommen die Anteile der persönlich haftenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft oder einer Kommandit-Erwerbsgesellschaft,
2.        Genussrechte,
3.        Forderungen, die eine Beteiligung am Gewinn oder Liquidationserlös der Gesellschaft gewähren."

Nach § 9 Abs. 1 KVG ist die Kapitalgesellschaft Steuerschuldner.

Als Gesellschafter iSd KVG kommt daher in Betracht, wer im Zeitpunkt der Leistung des Zuschusses an der Kapitalgesellschaft beteiligt ist (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2013, 2012/16/0104, und vom 21. November 2012, 2010/16/0136).

Die Frage der Freiwilligkeit einer Leistung ist danach zu beurteilen, ob die Leistung auf gesetzlichem oder gesellschaftsvertraglichem Zwang beruht oder auf einem anderen Rechtsgrund (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2011, 2009/16/0073).

Eine dem Tatbestand des § 2 Z 4 KVG entsprechende "freiwillige Leistung eines Gesellschafters" liegt etwa dann nicht vor, wenn der Leistungsempfänger einen Rechtsanspruch auf diese Leistung gegenüber dem leistenden Gesellschafter hat.

Eine dem Tatbestand des § 2 Z 4 KVG entsprechende "freiwillige Leistung eines Gesellschafters" liegt auch dann nicht vor, wenn der leistende Gesellschafter selbst eine Gesellschaft ist und aufgrund einer Verpflichtung gegenüber einem Dritten, etwa aufgrund einer gesellschaftsrechtlichen Verpflichtung handelt, welche eine Zurechnung der Leistung an den Dritten als Leistenden bewirkt.

Denn nach der Rechtsprechung des EuGH und des Verwaltungsgerichtshofes ist anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft des Zuschusses abstellenden Betrachtungsweise zu beurteilen, wem die Zahlung von - der Gesellschaftsteuer unterliegenden - Zuschüssen tatsächlich zuzurechnen ist (vgl. die Urteile des EuGH vom 17. Oktober 2002 in den Rs. C-339/99 , Energie Steiermark Holding AG, Rn 37 und 38, und C-71/00 , Develop Baudurchführungs- und Stadtentwicklungs GmbH, Rn 25, sowie die erwähnten hg. Erkenntnisse vom 24. Jänner 2013 und vom 21. November 2012).

Ein beherrschender Einfluss einer Obergesellschaft auf die Willensbildung einer Zwischengesellschaft vermag noch keine gesellschaftsrechtlich maßgebliche Weiterleitungsverpflichtung zu begründen (vgl. das Urteil des EuGH vom 17. Oktober 2002 in der Rs. C-71/00 , Develop Baudurchführungs- und Stadtentwicklungs GmbH, sowie das erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2013, mwN).

Eine solche Weiterleitungsverpflichtung auf Grund eines Anweisungsverhältnisses (mit dem Ergebnis der Zurechnung der Leistung an den Anweisenden als Leistenden) setzt einen diesbezüglichen Gesellschafterbeschluss voraus, weshalb die "Anweisung" durch einen Gesellschafter, der nicht Alleingesellschafter ist, gesellschaftsrechtlich nicht bindet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 2007, 2007/16/0027, VwSlg 8.248/F).

Ob im Beschwerdefall der Beschluss des Gemeinderates der Stadt W (als Alleingesellschafterin der W Holding GmbH) vom 17. März 1978 allein eine solche Weiterleitungspflicht begründen könnte (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 2010, 2009/16/0018 und 0019, dem allerdings ein Gemeinderatsbeschluss zu Grunde lag, der lediglich eine Ermächtigung zur Zuschussleistung aussprach) oder ob es einer Anweisung an die W Holding GmbH bedurfte, kann im Beschwerdefall dahin gestellt bleiben.

Die belangte Behörde stellt zur Freiwilligkeit der Leistung darauf ab, ob die Beschwerdeführerin als empfangende Gesellschaft einen Rechtsanspruch auf die Leistung habe. Nach den Feststellungen der belangten Behörde sei die Stadt W bei Fassung des betreffenden Gemeinderatsbeschlusses im Jahr 1978 zwar zweifelsfrei berechtigt gewesen, Weisungen an die W Holding GmbH zu erteilen. Eine Weisung sei dabei betreffend die zweckgebundene Verwendung der Mittel erteilt worden, jedoch sei keine vertragliche Verpflichtung der Verlustabdeckung übernommen worden, weshalb die Hingabe der Geldmittel von der Stadt an die W Holding GmbH für einen bestimmten Verwendungszweck der Beschwerdeführerin noch keinen unmittelbaren Leistungsanspruch vermittle.

Damit bietet die belangte Behörde keine Begründung, welche den Spruch des angefochtenen Bescheides tragen könnte. Denn die belangte Behörde verkennt dabei, dass auf die Freiwilligkeit der Leistung der W Holding GmbH an die Beschwerdeführerin abzustellen ist. Maßgebend ist dabei ausschließlich, ob die Leistung auf gesetzlichem oder gesellschaftsvertraglichem Zwang beruht oder auf einem anderen Rechtsgrund (vgl. nochmals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 24. Februar 2011). Ein Rechtsanspruch der Beschwerdeführerin als Leistungsempfängerin kann zwar die Freiwilligkeit der Zuschussleistung ausschließen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. September 2007, 2006/16/0154); das Fehlen eines solchen Rechtsanspruches bedeutet allerdings für sich noch nicht die Freiwilligkeit einer solchen Leistung.

Den bereits im Verwaltungsverfahren vertretenen Standpunkt der Beschwerdeführerin, dass die Mitteilung des Inhaltes des Gemeinderatsbeschlusses vom 17. März 1978 durch das erwähnte Schreiben an die W Holding GmbH vom 2. Mai 1978 eine Weisung darstelle, welche die Freiwilligkeit der W Holding GmbH ausschließe, weshalb die Leistung an die Beschwerdeführerin nicht der W Holding GmbH, sondern der Stadt als Leistender zuzurechnen sei, hat die belangte Behörde nicht entkräftet."

Wenn der VwGH - wie hier - einer Beschwerde gemäß Art 131 B-VG stattgegeben hat, sind die Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden gemäß § 63 Abs. 1 VwGG verpflichtet, mit den ihnen zu Gebote stehenden rechtlichen Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des VwGH entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Da im fortgesetzten Verfahren vom Bundesfinanzgericht vom selben Sachverhalt ausgegangen wird wie in der seinerzeitigen Entscheidung des Bundesfinanzgerichtes besteht eine Bindung an die im aufhebenden Erkenntnis geäußerte Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. dazu VwGH 11.9.2014, 2013/16/0018).

Im Hinblick auf die Bindungswirkung sind die gegenständlichen Zuschüsse wirtschaftlich der Stadt und nicht der Holding GmbH als Leistende zuzurechnen. Die Stadt ist nicht Gesellschafterin der Leistungsempfängerin, weshalb die Tatbestandvoraussetzungen des § 2 KVG nicht erfüllt werden.

Den Bescheidbeschwerden geben die nachstehend angefochtenen 12 Bescheide, mit denen jeweils Gesellschaftsteuer festgesetzt wurde, war daher Folge zu geben und die angefochtenen Bescheide waren jeweils aufzuheben:

 

Datum angefochteneGesellschaftsteuerbescheide

ErfNr. Finanzamt

GZ BFG

1.1

21.03.2006

1

RV/7102709/2015

1.2

21.03.2006

2

RV/7102711/2015

1.3

21.03.2006

3

RV/7102712/2015

1.4

15.03.2006

4

RV/7102713/2015

1.5

21.03.2006

5

RV/7102714/2015

1.6

21.03.2006

6

RV/7102715/2015

1.7

14.03.2006

7

RV/7102716/2015

1.8

15.03.2006

8

RV/7102717/2015

1.9

27.06.2006

9

RV/7102718/2015

1.10

20.09.2006

10

RV/7102719/2015

1.11

06.03.2008

11

RV/7102720/2015

1.12

09.02.2009

12

RV/7102721/2015

Zu den Bescheidbeschwerden gegen die insgesamt 16 Bescheide, mit denen jeweils Anträge der Bf. vom 29. Dezember 2005 auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO abgewiesen wurde, ist noch zusätzlich auszuführen:

§ 299 BAO lautete im Zeitpunkt der Antragstellung durch die Bf. am 29. Dezember 2005 wie Folgt:

"(1) Die Abgabenbehörde erster Instanz kann auf Antrag der Partei oder von Amts wegen einen Bescheid der Abgabenbehörde erster Instanz aufheben, wenn der Spruch des Bescheides sich als nicht richtig erweist.

(2) Mit dem aufhebenden Bescheid ist der den aufgehobenen Bescheid ersetzende Bescheid zu verbinden.

(3) Durch die Aufhebung des aufhebenden Bescheides (Abs. 1) tritt das Verfahren in die Lage zurück, in der es sich vor der Aufhebung (Abs. 1) befunden hat."

§ 302 BAO bestimmte in der bis 31. Oktober 2009 gültigen Fassung BGBl. I Nr. 97/2002 Folgendes:

"(1) Abänderungen, Zurücknahmen und Aufhebungen von Bescheiden sind, soweit nicht anderes bestimmt ist, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist, Aufhebungen gemäß § 299 jedoch bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe (§ 97) des Bescheides zulässig.

(2) Darüber hinaus sind zulässig:

a) Berichtigungen nach § 293 innerhalb eines Jahres ab Rechtskraft des zu berichtigenden Bescheides oder wenn der Antrag auf Berichtigung innerhalb dieses Jahres eingebracht ist, auch nach Ablauf dieses Jahres;

b) Aufhebungen nach § 299 auch dann, wenn der Antrag auf Aufhebung vor Ablauf der sich aus Abs. 1 ergebenden Jahresfrist eingebracht ist;

c) Aufhebungen nach § 299, die wegen Widerspruches mit zwischenstaatlichen abgabenrechtlichen Vereinbarungen oder mit Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union erfolgen, bis zum Ablauf der Verjährungsfrist oder wenn der Antrag auf Aufhebung innerhalb dieser Frist eingebracht ist, auch nach Ablauf dieser Frist;

d) Aufhebungen nach § 300 bis zum Ablauf von fünf Jahren ab Rechtskraft des angefochtenen Bescheides."

Die gegenständlichen Anträge der Bf. stützen sich ausdrücklich darauf, dass die angeführten Gesellschaftsteuerbescheide dem Gemeinschaftsrecht widersprechen würden. Nach § 302 Abs. 2 lit. c BAO in der oben angeführten Fassung endet im Falle des Widerspruches eines Bescheides zum Gemeinschaftsrecht die Frist zur Einbringung des Antrages auf Bescheidaufhebung mit Ablauf der Verjährungsfrist.

Auf Grund der Bestimmungen des § 207 Abs. 2 BAO und des § 208 Abs. 1 lit. a BAO endet die Verjährungsfrist bei der Gesellschaftsteuer mit Ablauf des 5. Jahres nach dem Entstehen des Abgabenanspruches. Da die Gesellschaftsteuer keine speziellen Bestimmungen zum Entstehen der Steuerschuld enthält, ist hierfür die allgemeine Bestimmung des § 4 BAO anzuwenden, wonach der Abgabenanspruch entsteht, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Abgabepflicht knüpft. Mit den angeführten Gesellschaftsteuerbescheiden wurden Zuschüsse besteuert, die in den Jahren 2000 bis 2003 geleistet wurden, sodass für keiner dieser Leistungen die Verjährungsfrist vor dem 31. Dezember 2005 geendet hat.

Die Anträge auf Bescheidaufhebung nach § 299 BAO wurden von der Bf. daher fristgerecht beim Finanzamt eingebracht (vgl. dazu auch UFS 13.01.2009, RV/1983-W/06).

Der Verwaltungsgerichtshof stütze seine aufhebende Entscheidung ausdrücklich (auch) auf die Rechtsprechung des EuGH in der Rs C-339/99 Energie Steiermark Holding AG sowie in der Rs C-71/00 Develop Baudurchführungs- und Stadtentwicklungs GmbH und ist daher von einem Widerspruch der Festsetzung der Gesellschaftsteuer mit Unionsrecht auszugehen.

Die von der Bf. am 29. Dezember 2005 eingebrachten Anträge waren daher nicht nur zulässig, sondern werden auch inhaltlich die Tatbestandsvoraussetzungen des § 299 Abs. 1 BAO iVm § 302 Abs. 2 lit. c) BAO für eine Bescheidaufhebung erfüllt.

Die Aufhebung nach § 299 BAO liegt im Ermessen der Abgabenbehörde und ist nach den Grundsätzen von Zweckmäßigkeit und Billigkeit zu treffen. Bei der Ermessensübung kommt dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung eine zentrale Bedeutung zu. Grundsätzlich kommt dem Prinzip der Rechtmäßigkeit (Rechtsrichtigkeit) der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtssicherheit (Rechtsbeständigkeit) zu (siehe dazu Ritz, BAO 5 , § 299 Tz 54 mit zahlreichen Judikaturhinweisen).

Eine Aufhebung der Gesellschaftsteuerbescheide hat auch nicht bloß eine geringfügig Auswirkung, weshalb den Bescheidbeschwerden gegen die Bescheide, mit denen die Anträge der Bf. auf Bescheidaufhebung gemäß § 299 BAO abgewiesen wurden, Folge zu geben ist.

Nach § 279 Abs. 1 BAO hat das Verwaltungsgericht außer in den Fällen des § 278 BAO [Formalentscheidungen] immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

Die Abänderungsbefugnis des Verwaltungsgerichtes ist durch die "Sache" beschränkt. "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist jene Angelegenheit, die den Inhalt des Spruches des angefochtenen Bescheides der Abgabenbehörde erster Instanz gebildet hat (vgl. ua. VwGH 20.11.1997, 96/15/0059).

Es waren daher die nachstehend angeführten, angefochtenen Bescheide daher jeweils insofern abzuändern, als den Anträgen auf Bescheidaufhebung Folge gegeben wird und die nebenstehend angeführten Gesellschaftsteuerbescheide aufgehoben werden:

 

Datum angefochtene Bescheide § 299 BAO

Datum Gesellschaft-steuerbescheide

ErfNr Finanzamt

GZ BFG

2.1

12.02.2009

11.12.2000

21

RV/7102724/2015

2.2

06.02.2009

30.01.2001

22

RV/7102734/2015

2.3

04.02.2009

10.05.2001

23

RV/7102733/2015

2.4

12.02.2009

10.07.2001

24

RV/7102732/2015

2.5

16.02.2009

22.10.2001

25

RV/7102728/2015

2.6

05.02.2009

11.12.2001

26

RV/7102731/2015

2.7

06.02.2009

13.12.2001

27

RV/7102730/2015

2.8

05.02.2009

23.01.2002

28

RV/7102729/2015

2.9

16.02.2009

24.01.2002

29

RV/7102726/2015

2.10

12.02.2009

11.04.2002

210

RV/7102727/2015

2.11

05.02.2009

12.06.2002

211

RV/7102737/2015

2.12

06.02.2009

02.09.2002

212

RV/7102736/2015

2.13

05.02.2009

31.10.2002

213

RV/7102735/2015

2.14

04.02.2009

08.01.2002

214

RV/7102722/2015

2.15

16.02.2009

16.01.2003

215

RV/7102723/2015

2.16

16.02.2009

12.02.2003

216

RV/7102725/2015

3. Zulässigkeit einer Revision

Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist eine Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird (Art. 133 Abs. 4 B-VG).

Soweit Rechtsfragen im gegenständlichen Verfahren entscheidungserheblich sind, sind diese durch das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22.04.2015, 2011/16/0233 geklärt worden. Eine Revision an den Verwaltungsgerichthof ist somit nicht zulässig.

 

 

Wien, am 21. Juli 2015

 

Zusatzinformationen

Materie:

Steuer

betroffene Normen:

§ 2 Z 4 KVG, Kapitalverkehrsteuergesetz, dRGBl. I S 1058/1934
§ 299 BAO, Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961

Verweise:

VwGH 22.04.2015, 2011/16/0233

Stichworte