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Anlage3 GATT - Entwicklungsländer - differenzierte Regelungen

Aktuelle FassungIn Kraft seit 28.11.1979

(Übersetzung)

VEREINBARUNG ÜBER NOTIFIKATIONEN, KONSULTATIONEN, STREITBEILEGUNG UND ÜBERWACHUNG

Beschluß vom 28. November 1979

Anlage3

1. Die VERTRAGSPARTEIEN bekräftigen ihr Festhalten an der grundlegenden GATT-Regelung für die Behandlung von Streitfällen auf der Basis der Artikel XXII und XXIII 1). Zur Verbesserung und Verfeinerung der GATT-Regelung kommen die VERTRAGSPARTEIEN wie folgt überein:

Notifikation

2. Die Vertragsparteien bekräftigen, daß sie zu den Verpflichtungen aus dem Allgemeinen Abkommen 2) betreffend Bekanntmachungen und Notifikationen stehen 3).

3. Die Vertragsparteien werden des weiteren in größtmöglichem Ausmaß den VERTRAGSPARTEIEN die Einführung von Handelsmaßnahmen, die sich auf die Durchführung des Allgemeinen Abkommens auswirken, notifizieren, wobei die Notifikation als solche die Standpunkte bezüglich der Vereinbarkeit oder des Zusammenhangs dieser Maßnahmen mit den Rechten und Pflichten aus dem Allgemeinen Abkommen in keiner Weise präjudiziert. Die Vertragsparteien sollten solche Maßnahmen nach Möglichkeit vor ihrer Anwendung notifizieren. Ist eine vorherige Notifikation nicht möglich, so sollten die Maßnahmen innerhalb kürzester Frist nachträglich notifiziert werden. Vertragsparteien, die Grund zu der Annahme haben, daß eine andere Vertragspartei derartige Handelsmaßnahmen getroffen hat, können bei der betreffenden Vertragspartei auf bilateraler Ebene Auskünfte über diese Maßnahmen einholen.

Konsultationen

4. Die Vertragsparteien bekräftigen ihre Entschlossenheit, die Wirksamkeit der von den Vertragsparteien eingeschlagenen Konsultationsverfahren zu stärken und zu verbessern. In diesem Zusammenhang werden sie Konsultationsersuchen innerhalb kürzester Frist stattgeben und sich bemühen, diese Konsultationen rasch zu einem Abschluß zu bringen, um zu gegenseitig zufrieden stellenden Schlußfolgerungen zu gelangen. Jedes Konsultationsersuchen sollte begründet werden.

5. Bei den Konsultationen sollten die Vertragsparteien den besonderen Problemen und Interessen der weniger entwikkelten Vertragsparteien besondere Aufmerksamkeit schenken.

6. Die Vertragsparteien sollten sich bemühen, zu einer befriedigenden Regelung der Angelegenheit gemäß Artikel XXIII Abs. 1 zu gelangen, bevor sie die Bestimmungen von Abs. % des gleichen Artikels in Anspruch nehmen.

Streitbeilegung

7. Die VERTRAGSPARTEIEN kommen überein, dass die im Anhang definierte übliche GATT-Praxis der Streitbeilegung in Zukunft mit den nachstehend dargelegten Verbesserungen beibehalten werden sollte. Sie erkennen an, daß ein wirksames Funktionieren des Systems von ihrem Willen abhängt, sich an diese Vereinbarung zu halten. Die VERTRAGSPARTEIEN bekräftigen, daß die übliche Praxis auch die von den VERTRAGSPARTEIEN 1966 beschlossenen Verfahren für die Beilegung von Streitfällen zwischen entwickelten und weniger entwickelten Ländern [BISD, 14. Ergänzungsband, Seite 18 der englischen Fassung *4) umfaßt und dass diese Verfahren den weniger entwickelten Vertragsparteien, die sie anzuwenden wünschen, weiterhin offenstehen.

8. Wird ein Streitfall nicht im Wege von Konsultationen beigelegt, so können die betreffenden Vertragsparteien eine geeignete Einrichtung oder Person um ihre guten Dienste bei der Schlichtung der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien ersuchen. Handelt es sich bei dem nicht beigelegten Streitfall um eine Angelegenheit, deretwegen eine weniger entwickelte Vertragspartei Beschwerde gegen eine entwickelte Vertragspartei geführt hat, so kann die weniger entwickelte Vertragspartei die guten Dienste des Generaldirektors in Anspruch nehmen, der bei Wahrnehmung seiner Aufgaben den Vorsitzenden der VERTRAGSPARTEIEN und den Vorsitzenden des Rates konsultieren kann.

9. Die Schlichtungsersuchen und die Inanspruchnahme der im Artikel XXIII Abs. 2 vorgesehenen Verfahren zur Streitbeilegung dürfen nicht als streitiger Akt beabsichtigt oder gewertet werden; entstehen Streitfälle, so leiten alle Vertragsparteien diese Verfahren in gutem Glauben und in dem Bemühen um ihre Beilegung ein. Außerdem besteht Einvernehmen darüber, daß Beschwerden und Gegenbeschwerden betreffend gesonderte Angelegenheiten nicht verbunden werden sollten.

10. Es besteht Einigung darüber, daß die VERTRAGSPARTEIEN für den Fall, dass eine Vertragspartei, die Artikel XXIII Abs. 2 in Anspruch nimmt, die Einsetzung einer Sondergruppe (panel), die die VERTRAGSPARTEIEN bei der Prüfung der Angelegenheit zu unterstützen hat, beantragt, über deren Einsetzung nach der üblichen Praxis beschließen. Ebenso besteht Einigung darüber, daß die VERTRAGSPARTEIEN in gleicher Weise über die Einsetzung einer Arbeitsgruppe beschließen, wenn eine Vertragspartei, die die Bestimmungen dieses Artikels in Anspruch nimmt, dies beantragt. Ferner besteht Einigung darüber, daß diesen Anträgen erst stattgegeben wird, nachdem die betroffene Vertragspartei Gelegenheit erhalten hat, die Beschwerde zu prüfen und hierzu vor den VERTRAGSPARTEIEN Stellung zu nehmen.

11. Wird eine Sondergruppe eingesetzt, so sollte der Generaldirektor nach Einholung der Zustimmung der beteiligten Vertragsparteien die Zusammensetzung der je nach Fall drei- oder fünfköpfigen Gruppe den VERTRAGSPARTEIEN zur Genehmigung vorlegen. Die Mitglieder einer Sondergruppe sollten vorzugsweise Staatsbeamte sein. Dabei gilt, dass Angehörige von Ländern, deren Regierungen *5) Streitparteien sind, nicht Mitglieder der Sondergruppe sein dürfen, die sich mit dem betreffenden Streitfall zu befassen hat. Die Sondergruppe wird innerhalb kürzester Frist und normalerweise binnen dreißig Tagen nach der Entscheidung der VERTRAGSPARTEIEN gebildet.

12. Die Streitparteien nehmen zu den vom Generaldirektor vorgenommenen Nominierungen der Mitglieder der Sondergruppe innerhalb kurzer Zeit, das ist binnen sieben Arbeitstagen, Stellung und lehnen diese Nominierungen außer bei zwingenden Gründen nicht ab.

13. Um die Bildung von Sondergruppen zu erleichtern, sollte der Generaldirektor eine informelle Auswahlliste von Staatsbeamten und sonstigen Personen führen, die besondere Qualifikationen auf dem Gebiet der Handelsbeziehungen, der Wirtschaftsentwicklung und der sonstigen unter das Allgemeine Abkommen fallenden Fragen besitzen und für eine Mitwirkung in Sondergruppen bereitstehen könnten. Zu diesem Zweck würde jede Vertragspartei aufgefordert, dem Generaldirektor zu Beginn eines jeden Jahres eine oder zwei Personen zu bezeichnen, die für diese Aufgaben verfügbar wären 6).

14. Die Mitglieder der Sondergruppen werden in ihrer persönlichen Eigenschaft und nicht als Regierungsvertreter oder Vertreter einer Organisation handeln. Die Regierungen würden ihnen daher keine Weisungen erteilen und nicht versuchen, sie als Einzelpersonen im Hinblick auf die in einer Sondergruppe zu behandelnden Fragen zu beeinflussen. Bei der Auswahl der Mitglieder einer Sondergruppe sollte darauf geachtet werden, daß die Unabhängigkeit der Mitglieder, die Mitwirkung von Personen, eine ausreichend vielfältige Fachorientierung und Ausbildung sowie ein breites Erfahrungsspektrum gewährleistet sind 7).

15. Jede Vertragspartei, die ein wesentliches Interesse an der einer Sondergruppe vorgelegten Frage hat und dies dem Rat notifiziert hat, sollte Gelegenheit erhalten, ihren Standpunkt in der Sondergruppe vorzutragen. Jede Sondergruppe sollte das Recht haben, von jeder von ihr als geeignet erachteten Person oder Einrichtung Auskünfte oder Gutachten anzufordern. Bevor die Sondergruppe von einer unter die Rechtsprechung eines Staates fallenden Privatperson oder Einrichtung derartige Auskünfte oder Gutachten anfordert, unterrichtet sie die Regierung dieses Staates. Die Vertragsparteien sollten jedem Ersuchen einer Sondergruppe um Mitteilung der für notwendig und zweckdienlich erachteten Auskünfte innerhalb kürzester Frist und vorbehaltlos stattgeben. Vertrauliche Auskünfte sollten nicht ohne formelle Zustimmung der Vertragspartei, die sie erteilt hat, preisgegeben werden.

16. Aufgabe der Sondergruppen ist es, die VERTRAGSPARTEIEN bei der Erfüllung ihrer Pflichten nach Artikel XXIII Abs. 2 zu unterstützen. Folglich sollten die Sondergruppen die ihnen vorgelegten Fragen einschließlich aller Fakten der Angelegenheit, der Frage der Anwendbarkeit des Allgemeinen Abkommens und der Übereinstimmung mit dessen Bestimmungen objektiv beurteilen und auf Antrag der VERTRAGSPARTEIEN alle anderen Feststellungen treffen, die es den VERTRAGSPARTEIEN erleichtern, gemäß Artikel XXIII Abs. 2 an die Parteien Empfehlungen oder Entscheidungen zu richten. Dabei sollten die Sondergruppen mit den Streitparteien regelmäßig Konsultationen abhalten und ihnen angemessene Möglichkeiten bieten, eine allseitig zufrieden stellende Lösung zu erarbeiten.

17. Gelingt es den Parteien nicht, eine allseitig zufrieden stellende Lösung auszuarbeiten, so sollte die Sondergruppe ihre Feststellungen schriftlich vorlegen. Normalerweise sollte die Sondergruppe die in ihrem Bericht ausgesprochenen Feststellungen und Empfehlungen begründen. Ist eine bilaterale Regelung zustande gekommen, so kann sich die Sondergruppe in ihrem Bericht darauf beschränken, die Angelegenheit kurz darzulegen und anzugeben, daß eine Lösung gefunden worden ist.

18. Um die Erarbeitung allseitig zufriedenstellender Lösungen zwischen den Parteien zu fördern und Bemerkungen der Parteien einzuholen, sollte jede Sondergruppe den beteiligten Parteien zunächst den beschreibenden Teil ihres Berichts vorlegen und anschließend den Streitparteien ihre Schlussfolgerungen oder eine Zusammenfassung davon übermitteln, wobei eine angemessene Zeitspanne vorzusehen ist, bevor diese den VERTRAGSPARTEIEN übermittelt werden.

19. Erarbeiten die Parteien eines Streits, mit dem eine Sondergruppe befaßt ist, eine allseitig zufriedenstellende Lösung, so hat jede an der Frage interessierte Vertragspartei das Recht, sich über diese Lösung zu informieren und in angemessener Weise unterrichtet zu werden, soweit diese Lösung Handelsfragen betrifft.

20. Die von den Sondergruppen aufgewendete Zeit richtet sich nach dem jeweiligen Fall 8). Die Sondergruppen sollten sich indes bemühen, ihre Feststellungen ohne ungebührlichen Verzug vorzulegen, wobei sie die den VERTRAGSPARTEIEN auferlegte Verpflichtung, für eine rasche Beilegung von Streitfällen Sorge zu tragen, berücksichtigen. In Dringlichkeitsfällen sollte die Sondergruppe ihre Feststellungen innerhalb einer Frist von normalerweise drei Monaten vom Zeitpunkt ihrer Einsetzung an vorlegen.

21. Die VERTRAGSPARTEIEN sollten sich mit den Berichten der Sondergruppen und Arbeitsgruppen innerhalb kürzester Frist befassen. Die VERTRAGSPARTEIEN sollten innerhalb einer angemessenen Zeitspanne auf Grund der Berichte von Sondergruppen und Arbeitsgruppen geeignete Maßnahmen treffen. Ist die Angelegenheit von einer weniger entwickelten Vertragspartei vorgebracht worden, so sollten diese Maßnahmen erforderlichenfalls in einer eigens einberufenen Sitzung beschlossen werden. Bei der Prüfung der geeignetsten Maßnahmen berücksichtigen die VERTRAGSPARTEIEN in solchen Fällen nicht nur den Umfang des von den beanstandeten Maßnahmen betroffenen Handels, sondern auch deren Auswirkungen auf die Wirtschaft der betroffenen weniger entwickelten Vertragsparteien.

22. Die VERTRAGSPARTEIEN überwachen die Angelegenheiten, zu denen sie Empfehlungen oder Entscheidungen ausgesprochen haben. Werden die Empfehlungen der VERTRAGSPARTEIEN nicht innerhalb einer angemessenen Zeitspanne durchgeführt, so kann die vortragende Vertragspartei von den VERTRAGSPARTEIEN verlangen, geeignete Bemühungen zu unternehmen, um eine angemessene Lösung zu finden.

23. Ist die Angelegenheit von einer weniger entwickelten Vertragspartei vorgebracht worden, so prüfen die VERTRAGSPARTEIEN, welche weiteren von ihnen zu treffenden Maßnahmen unter den gegebenen Umständen angemessen sind.

Überwachung

24. Die VERTRAGSPARTEIEN werden die Entwicklung der Handelsordnung regelmäßig und systematisch überprüfen. Besonderes Augenmerk sind dabei Entwicklungen, die die Rechte und Pflichten aus dem GATT berühren, ferner Fragen, die die Interessen von weniger entwickelten Vertragsparteien berühren, handelspolitische Maßnahmen, die auf Grund dieser Vereinbarung notifiziert wurden, und allen Maßnahmen zu schenken, die Gegenstand von in dieser Vereinbarung vorgesehenen Verfahren der Konsultation, Schlichtung oder Streitbeilegung waren.

Technische Hilfe

25. Weniger entwickelte Vertragsparteien werden auf Antrag von den Dienststellen des GATT-Sekretariats für technische Hilfe bei allen Fragen unterstützt, die unter diese Vereinbarung fallen. __________________

1) Wie von den VERTRAGSPARTEIEN unter anderem bei der Verabschiedung des Berichts der mit der Prüfung der besonderen Schwierigkeiten im Handel mit Grundstoffen beauftragten Arbeitsgruppe (L/930) anerkannt wurde, kann auch Artikel XXV eine geeignete Grundlage für Konsultationen und für die Streitbeilegung unter bestimmten Umständen bieten.

2) Kurzbezeichnung für Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT).

3) Siehe Dokument des Sekretariats „Notifications required from contracting parties“ (MTN/FR/W/ 17 vom 1. August 1978).

4) Veröffentlicht in BGBl. Nr. 180/1967.

5) In den Fällen, in denen eine Zollunion oder ein gemeinsamer Markt Streitpartei ist, gilt diese Bestimmung für die Angehörigen aller Mitgliedsländer der Zollunion oder des gemeinsamen Marktes.

6) Die Übernahme der Reisekosten sollte im Rahmen der Budgetmöglichkeiten geprüft werden.

7) Im Anhang ist eine Erklärung über die herrschende Praxis bei der Einbeziehung von Angehörigen von Entwicklungsländern in die Sondergruppen enthalten.

8) Der Anhang enthält folgende Erläuterung: „In den meisten Fällen werden die Arbeiten der Sondergruppen innerhalb einer angemessenen Zeitspanne, die von drei bis neun Monate reicht, abgeschlossen“.

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