Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 (Teil I)

GesetzgebungSteuerrechtBleyerSeptember 2024

Erleichterte Anwendung des Verkürzungszuschlages; Verschärfung der Strafbarkeit iZm Schein- und Deckungsrechnungen; vereinfachte Strafverfügung iZm Zollvergehen – kein Widerruf des Einspruchsverzichts; Finanzstrafbehörden – keine Berichtspflicht ohne Anfangsverdacht; Ausweitung der Aufgaben der Finanzpolizei 

Inkrafttreten

1.9.2024

Stand des Gesetzgebungsverfahrens

Gesetz

Letzte Änderung

19.7.2024

Betroffene Normen

FinStrG

Betroffene Rechtsgebiete

Finanzstrafrecht

Quelle

BGBl I 2024/107

Bundesgesetz, mit dem das Finanzstrafgesetz, das Bundesgesetz über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung, das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz und das Gemeinsamer Meldestandard-Gesetz geändert werden (Betrugsbekämpfungsgesetz 2024 Teil I – BBKG 2024 Teil I); BGBl I 2024/107, ausgegeben am 19. 7. 2024
 (NR 3. 7. 2024, 990/BNR 27. GP AB 27. 6. 2024, 2674 BlgNR 27. GP RV 12. 6. 2024, 2598 BlgNR 27. GP ; ME 7. 5. 2024, 341/ME 27. GP )

1. Änderung des FinStrG

1.1. Erleichterte Anwendung des Verkürzungszuschlages

Durch die Bestimmungen des § 30a FinStrG werden die Abgabenbehörden berechtigt, bei sich im Zuge einer abgabenrechtlichen Überprüfungsmaßnahme ergebenden Nachforderungen unter bestimmten Voraussetzungen eine Abgabenerhöhung iHv 10 % festzusetzen (Verkürzungszuschlag). Dadurch wird die Möglichkeit geschaffen, durch Bezahlung der Abgabennachforderung und Abgabenerhöhung binnen Monatsfrist eine finanzstrafrechtliche Verfolgung abzuwenden. Die Festsetzung eines Verkürzungszuschlags steht – bei Erfüllung aller Voraussetzungen – im Ermessen der Abgabenbehörde.

Die Nachforderung darf dabei € 33 000,- nicht übersteigen; die Voraussetzung, dass der Betrag für ein Jahr (einen Veranlagungszeitraum) insgesamt € 10.000,- nicht übersteigen darf, soll hingegen entfallen. Der Wegfall der bisherigen strikten jährlichen Betragsgrenzen von € 10.000,- sowie die Schaffung der Möglichkeit, auch im Falle der Gewährung von Zahlungserleichterungen im Ausmaß von höchstens sechs Monaten für die betroffenen Abgabennachforderungen die Festsetzung einer Abgabenerhöhung zuzulassen, sollen die Anwendung der Bestimmung erleichtern. 

In § 30a Abs 5 FinStrG soll klargestellt werden, dass die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nur bei jenen Finanzvergehen unzulässig sein soll, bei denen im Tatbestand eine Mindeststrafdrohung vorgesehen ist. Dies ist derzeit jedoch nur bei § 11 Abs 3 MinStG 2022 der Fall. (§ 30a Abs 1 und Abs 5, § 265 Abs 7 FinStrG; tritt am 20. 7. 2024 in Kraft)

1.2. Verschärfung der Strafbarkeit iZm Schein- und Deckungsrechnungen

Scheinunternehmen stellen Scheinrechnungen aus, die von sogenannten Durchleiterfirmen bezahlt werden. Sobald das Geld am Konto eingeht, wird es behoben und in Folge als Schwarzgeld an das tatsächlich die Arbeiten ausführende Unternehmen übergeben (sog. „Kick-back-Zahlungen“). Ebenso werden Scheinrechnungen für zu Unrecht geltend gemachte Vorsteuern verwendet.

Die Einführung des § 51b FinStrG soll die finanzstrafrechtliche Sanktionslücke im Zusammenhang mit verfälschten, falschen und unrichtigen Belegen, insbesondere Schein- und Deckungsrechnungen, welche für abgaben- oder monopolrechtlich zu führende Bücher oder Aufzeichnungen hergestellt oder verwendet werden, schließen. Unter solchen Belegen sind jene zu verstehen, welche einen Geschäftsvorgang vortäuschen oder dessen wahren Gehalt verschleiern sollen. Einen echten Beleg verfälscht, wer dessen Inhalt unbefugt abändert und zugleich den Anschein erweckt, als stamme sein jetziger Inhalt vom Aussteller (vgl Kienapfel/Schroll in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 223 Rz 196). Ein Beleg ist falsch, wenn scheinbarer und wirklicher Aussteller nicht identisch sind (vgl Kienapfel/Schroll in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 223 Rz 170). Ein Beleg ist unrichtig, wenn eine inhaltlich unrichtige Tatsache als richtig dargestellt wird („Lugurkunde“, vgl Plöchl in Höpfel/Ratz, WK2 StGB § 293 Rz 19). Unter den Begriff „verwendet“ fällt auch das Aushändigen oder Überlassen solcher Belege an dritte Personen. Mit der Einführung der vorgeschlagenen Finanzordnungswidrigkeit soll zum einen ein zeitnahes und wirksames Vorgehen gegen Scheinunternehmen gewährleistet werden. Durch Vorverlegung des strafbaren Deliktsbereichs in das bisher finanzstrafrechtlich straflose Vorbereitungsstadium soll der gängigen Kurzlebigkeit solcher Scheinunternehmen und der damit einhergehenden fehlenden Greifbarkeit von Verantwortlichen und Vermögenswerten wirksam entgegengewirkt werden. 

Den von § 51b FinStrG umfassten Manipulationen ist eine hohe kriminelle Energie inhärent, sodass eine Höchststrafe von € 100.000,- vorgesehen werden soll.

Die Finanzordnungswidrigkeit soll nur bei vorsätzlicher Begehung strafbar sein.

Die Verjährungsfrist soll wie für die Finanzordnungswidrigkeiten nach §§ 49 bis 49e FinStrG drei Jahre betragen. (§ 31 Abs 2, § 51b und § 265 Abs 7 FinStrG FinStrG; tritt am 20. 7. 2024 in Kraft)

1.3. Klarstellung des strafbestimmenden Wertbetrages beim Schmuggel

Durch die Ergänzung in § 35 Abs 5 FinStrG sollen allfällige Bedenken ausgeräumt werden, die hinsichtlich der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages beim Schmuggel durch die Rechtsprechung des EuGH und des BFG zur Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer bei Verstößen gegen das Zollrecht entstanden sind. Es soll festgelegt werden, dass für die Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages in den Fällen des Abs 1 (Schmuggel) sämtliche Eingangsabgaben als im Inland entstanden gelten und daher als rechnerische Größe für den Strafrahmen heranzuziehen sind.

Abgabenrechtlich gilt die Einfuhrumsatzsteuer nach der Rechtsprechung des EuGH erst bei Verlassen des Amtsplatzes und Eingang in den Wirtschaftskreislauf der Union als entstanden (vgl EuGH vom 29.4.2010, C-230/08  Dansk und BFG vom 29. 6. 2021, RV/1200008/2021). Wird der Amtsplatz nicht verlassen, entsteht die Einfuhrumsatzsteuer nicht und wäre somit auch nicht bei der Sanktionierung von Schmuggel iSd § 35 Abs 1 FinStrG in den strafbestimmenden Wertbetrag miteinzuberechnen. Um eine effektive Sanktionierung des Schmuggels zu gewährleisten, ist es erforderlich, dass die Einfuhrumsatzsteuer auch dann in den strafbestimmenden Wertbetrag miteinzubeziehen ist, wenn sie mangels Verlassens des Amtsplatzes nicht entstanden ist.

Beispiel

Eine Person schmuggelt einen Laptop (Zollwert € 5.000,-) und wird bei der Zollkontrolle am Amtsplatz des Zollamtes erwischt. Die Ware wird beschlagnahmt und für verfallen erklärt.

Lösung 

Die Einfuhrumsatzsteuer ist aus umsatzsteuerlicher Sicht nicht entstanden, gilt jedoch für Zwecke der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages als entstanden. Hätte die Ware den Amtsplatz verlassen, wäre Einfuhrumsatzsteuer bei einem Steuersatz von 20 % iHv € 1.000,- entstanden. Dieser Betrag ist gemäß § 35 Abs 5 zweiter Satz FinStrG bei der Berechnung des strafbestimmenden Wertbetrages zu berücksichtigen.

(§ 35 Abs 5 und § 265 Abs 7 FinStrG; tritt am 20. 7. 2024 in Kraft)

1.4. Vereinfachte Strafverfügung  iZm Zollvergehen – kein Widerruf des Einspruchsverzichts

Durch das Abgabenänderungsgesetz 2022 – AbgÄG 2022, wurde der Anwendungsbereich des § 146 Abs 1 FinStrG dahingehend erweitert, dass das mögliche Strafmaß und damit auch die Grenzen der strafbestimmenden Wertbeträge angehoben sowie die Deliktsgruppen ausgeweitet wurden. Dies sollte einerseits verfahrensbeschleunigend wirken und andererseits das Zollamt Österreich entlasten. Da das Zollamt Österreich als Finanzstrafbehörde bei einem Überschreiten der in dieser Bestimmung angeführten Betragsgrenzen ein ordentliches Finanzstrafverfahren durchzuführen hat, sollten höhere Betragsgrenzen dem Zollamt Österreich die Möglichkeit schaffen, vermehrt vereinfachte Strafverfügungen zu erlassen. Ebenso sollte für Beschuldigte die Möglichkeit eröffnet werden, den Einspruchsverzicht zu widerrufen. In diesem Fall ist ein Finanzstrafverfahren durchzuführen (siehe ErlRV 1534 BlgNR 27. GP 50). Die Möglichkeit des Widerrufs des Einspruchsverzichts führt in der Praxis jedoch nicht zu der gewünschten Verfahrensbeschleunigung und Entlastung des Zollamtes Österreich, sondern im Gegenteil zu Verfahrensverzögerungen und erhöhtem Verwaltungsaufwand, was der Intention des vereinfachten Verfahrens zuwiderläuft. Diese Widerrufsmöglichkeit soll daher entfallen, wobei damit kein Rechtsschutzverlust für den Beschuldigten verbunden ist, da dieser sich ohnehin mit dem vereinfachten Verfahren einverstanden erklären muss. Andernfalls ist von vornherein ein Finanzstrafverfahren durchzuführen. (§ 146 Abs 1 und § 265 Abs 7 FinStrG; tritt am 20. 7. 2024 in Kraft)

1.5. Finanzstrafbehörden – keine Berichtspflicht ohne Anfangsverdacht 

§ 100 Abs 3a StPO wurde mit dem Strafprozessrechtsänderungsgesetz 2014, BGBl I 2014/71, in Kraft getreten mit 1. 1. 2015, eingeführt. Diese Bestimmung sieht eine Berichtspflicht der Kriminalpolizei auch bei Nichtvorliegen eines Anfangsverdachtes vor. Ziel des Strafprozessrechtsänderungsgesetzes war unter anderem die eindeutige Abgrenzung des Begriffs des Beschuldigten von Personen, die ohne hinreichendes Tatsachensubstrat angezeigt werden, und damit der Definition des zur Führung eines Ermittlungsverfahrens hinreichenden Anfangsverdachts nicht entsprechen (ErlRV 181 BlgNR 25. GP . 1). § 1 Abs 3 StPO bestimmt daher seitdem, dass ein Anfangsverdacht vorliegt, wenn auf Grund bestimmter Anhaltspunkte angenommen werden kann, dass eine Straftat begangen worden ist. Gemäß § 196 Abs 1 FinStrG werden die Finanzstrafbehörden bei der Aufklärung und Verfolgung gerichtlich strafbarer Finanzvergehen im Dienste der Strafrechtspflege tätig. 

Die Berichtspflicht nach § 100 Abs 3a StPO hinsichtlich Finanzvergehen, bei denen aus Sicht der mit besonderem juristischen Fachwissen ausgestatteten Finanzstrafbehörden kein Anfangsverdacht vorliegt, soll nunmehr entfallen, um eine Fülle von Erledigungen gemäß § 35c StAG (Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens) zu vermeiden. 

Weiterhin unterliegen die Finanzstrafbehörden unverändert den Berichtspflichten des § 100 Abs 2 StPO.

(§ 200b und § 265 Abs 7 FinStrGtritt am 20. 7. 2024 in Kraft)

2. Änderung des BG über die Schaffung eines Amtes für Betrugsbekämpfung

Um weiterhin zielgerichtete und erfolgreiche Kontrollen im Kampf gegen Steuer- und Abgabenhinterziehung, Sozialbetrug und organisierte Schattenwirtschaft sicherzustellen soll es zur Ausweitung der Aufgaben der Finanzpolizei kommen:

  • Aufnahme der bereits in § 28 c Abs 5 AuslBG (Ausländerbeschäftigungsgesetz) der Finanzpolizei übertragenen Aufgabe der Strafrechtspflege in den Aufgabenkatalog der Finanzpolizei. Nach dieser Bestimmung kann die Staatsanwaltschaft bei der Verfolgung von Straftaten, bei denen gleichzeitig eine größere Zahl von (minderjährigen) Ausländern ohne Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet beschäftigt werden, die Hilfe des Amtes für Betrugsbekämpfung und seiner Organe in Anspruch nehmen.
  • Erweiterung der Möglichkeiten des Amtes für Betrugsbekämpfung, damit dessen Geschäftsbereich Finanzpolizei Kontrollen der Verpflichtungen nach dem ASVG (Allgemeines Sozialversicherungsgesetz), dem AlVG 1977 (Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977), der GewO 1994 (Gewerbeordnung 1994) und dem AZG (Arbeitszeitgesetz) auch außerhalb seiner abgabenrechtlichen Tätigkeiten als Organ der Abgabenbehörde als Aufgabe wahrnehmen kann. Dieser Punkt soll auf Verfahren anzuwenden sein, für die eine Verfolgungshandlung nach dem 1. 9. 2024 vorgenommen wird.
  • Implementierung der Parteistellung der Abgabenbehörde des Bundes bzw des Amtes für Betrugsbekämpfung in Verwaltungsstrafverfahren nach § 111a ASVG
  • Die vorsätzliche Verletzung der Verpflichtung zur Verwendung eines technisch vor Manipulation gesicherten Aufzeichnungssystems (§ 131b BAO) oder der Belegerteilungsverpflichtung (§ 132a BAO) stellen jeweils eine Finanzordnungswidrigkeit dar, die mit Geldstrafe bis zu € 5.000,- bestraft werden kann. Die Befugnisse der Finanzpolizei sollen dahingehend ausgeweitet werden, dass bei Vergehen gegen diese Registrierkassen- und Belegerteilungspflichten vereinfachte Strafverfügungen ausgestellt werden können.

 (§ 3 Z 2 und § 8 Abs 5 ABBG)

3. Änderung des ASVG

Mit der Änderung des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes soll die Parteistellung des Amts für Betrugsbekämpfung abschließend im ASVG normiert werden. (§ 111a Abs 1§ 804 ASVGtritt am 1. 9. 2024 in Kraft)

4. Änderung des Gemeinsamen Meldestandard-Gesetzes

Hinsichtlich der im Gesetz enthaltenen Aufbewahrungspflichten sollen Klarstellungen vorgenommen werden, zusätzlich soll eine Strafbestimmung bei Verletzung hiervon aufgenommen werden.

 



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