Die Statuten eines Vereins sind ein Vertrag, den einerseits die Gründer miteinander schließen, und dem andererseits die weiteren Mitglieder beitreten. Die Gründer haben zwecks Errichtung des Vereins gem § 2 Abs 1 Statuten zu vereinbaren. In der Regel gehören aber einem Verein <i>Höhne/Jöchl</i> in <i>Höhne/Jöchl/Lummerstorfer</i> (Hrsg), Das Recht der Vereine<sup>Aufl. 6</sup> (2019) Rechtsnatur der Statuten, Seite 67 Seite 67
mehr als die geforderten zwei Personen (§ 1 Abs 1) an, weswegen die Statuten zu Recht als multilateraler Vertrag bezeichnet werden. Die später dem Verein beitretenden Mitglieder werden durch ihren Beitritt Vertragspartner dieses multilateralen Vertrags. Durch die Statuten geregelt werden die privatrechtlichen Beziehungen der Vereinsmitglieder untereinander und die Beziehungen der Vereinsmitglieder zum Verein. Verschiedentlich wird vertreten, es handle sich bei Vereinsstatuten (sowie auch sonstigen Gesellschaftsverträgen) um Normen eigener Art (sogenannte „Normentheorie“). Da es in Lehre und Judikatur aber weitgehend anerkannt ist, dass die Gestalt von Vereinsstatuten, der Beitritt zu Vereinen und die Beziehungen der einzelnen Vereinsmitglieder zum Verein der Privatautonomie unterliegen, ist die Postulierung eigener „Verbandsnormen“ entbehrlich und dient nur der Begriffsbildung, weil hinsichtlich der Lösung konkreter Rechtsprobleme auf das Instrumentarium des allgemeinen Privatrechts zurückgegriffen wird (mag auch konzediert werden, dass etwa hinsichtlich der Auslegung – s Kapitel 6.6 „Die Auslegung von Vereinsstatuten“ – der Denkansatz, es handle sich bei Statuten nicht nur um privatrechtliche Verträge ohne vereinsrechtliche Spezifika, Eingang gefunden hat, also in einem Teilbereich die „Normentheorie“ doch verwirklicht ist). Die Vereinsstatuten beruhen also auf dem Prinzip der Privatautonomie, welche als die grundsätzliche Freiheit der Person definiert ist, ihre rechtlichen Beziehungen zu anderen (im Rahmen des zwingenden Rechts und der guten Sitten) durch Rechtsgeschäfte zu regeln. Das Prinzip der Privatautonomie genießt nach herrschender Ansicht Verfassungsrang. Sofern man nicht zum Kreis der Gründer gehört, wird in der Regel bei einem Vereinsbeitritt die bestehende Vereinssatzung nur hingenommen werden können – die Privatautonomie umfasst aber auch die Freiheit, „sich dem Willen anderer zu unterwerfen“. Ähnlich wie bei allgemeinen Geschäftsbedingungen kommt es bei einem Vereinsbeitritt auch nicht darauf an, ob der Beitrittswerber im Zeitpunkt des Beitritts den Inhalt der Statuten kennt oder nicht; während aber bei allgemeinen Geschäftsbedingungen gefordert wird, dass der Verwender von AGB deutlich darauf hinweist, nur zu (seinen) AGB abzuschließen, wird dies für den Vereinsbeitritt nicht gelten: Da das VerG die Vereinbarung von Statuten bereits für die Gründung des Vereins erfordert, ist jedem Beitrittswerber zu unterstellen, dass ihm die Existenz einer Vereinsverfassung (Satzung), der er sich mit dem Beitritt unterwirft, bekannt ist. Anzufügen ist, dass nach allgemeinen zivilrechtlichen Regeln auch die Kenntnis des Inhalts eines Vertrages bzw von allgemeinen Geschäftsbedingungen nicht erforderlich ist, um sie wirksam akzeptieren zu können. Es genügt der Hinweis etwa darauf, dass ein Vertragspartner nur zu seinen AGB abschließt und der andere Teil wenigstens die Möglichkeit hat, den Inhalt der AGB zur Kenntnis zu nehmen. Aus<i>Höhne/Jöchl</i> in <i>Höhne/Jöchl/Lummerstorfer</i> (Hrsg), Das Recht der Vereine<sup>Aufl. 6</sup> (2019) Rechtsnatur der Statuten, Seite 68 Seite 68
drücklich gesetzlich geregelt ist aber, dass das Leitungsorgan eines Vereins verpflichtet ist, jedem Vereinsmitglied auf Verlangen die Statuten auszufolgen (§ 3 Abs 3). Dies entspricht auch der Judikatur zu Vertragsformblättern und allgemeinen Geschäftsbedingungen.