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Zur Mitwirkung der Sozialpartner an der staatlichen Vollziehung (Zußner)

Zußner1. AuflAugust 2022

I. Einleitung

Die als Sozialpartnerschaft bezeichnete Zusammenarbeit zwischen den großen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberinteressensverbänden ist ein über Jahrzehnte gewachsener Garant des sozialen Friedens in Österreich und aus diesem Grund ganz zweifellos ein tragendes Fundament des politischen Systems unserer demokratischen Republik.11 Rill, Die Verankerung der Sozialpartner und ihres Dialogs in Art 120a Abs 2 B-VG, ZfV 2008, 736 ff; Rill/Stolzlechner in Kneihs/Lienbacher (Hrsg), Rill-Schäffer-Kommentar Bundesverfassungsrecht Art 120a B-VG Rz 51 (6. Lfg 2010); Adamovich ea, Österreichisches Staatsrecht I3 (2020) Rz 10.027. Dort wo die Politik gefordert ist, gegenläufige Inte

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ressen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern auszugleichen, arbeiten die betroffenen Interessensverbände häufig bereits informell im Stadium der Vorbereitung von Gesetzen oder sonstigen staatlichen Maßnahmen mit entscheidendem Gewicht an der Findung konsensfähiger Lösungsvorschläge mit.22Vgl Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts11 (2015) Rz 437; Grabenwarter/Holoubek, Verfassungsrecht – Allgemeines Verwaltungsrecht4 (2019) Rz 291 (auch zur systemprägenden gewordenen Rolle der Sozialpartner in der Zweiten Republik). Zuweilen werden berufliche Interessensverbände aber auch ganz formell in den staatlichen Vollzug miteinbezogen.33Siehe nochmals die Nachweise in Fn 1. Für sozialpartnerschaftliche Verbände, die als nicht-territoriale Selbstverwaltungskörper44Zur sonstigen Selbstverwaltung siehe Art 120a Abs 1, Art 120b und Art 120c B-VG; anstatt vieler nur Eberhard, Nichtterritoriale Selbstverwaltung (2014). und damit als „gesetzliche berufliche Interessensverbände“55 Adamovich ea, Staatsrecht I3 Rz 10.027, II3 Rz 32.009. eingerichtet sind, ergibt sich die grundsätzliche Zulässigkeit einer Mitwirkung an der staatlichen Vollziehung inzwischen ausdrücklich aus Art 120b Abs 3 B-VG.66BVG-N, BGBl I 2/2008. Für privatrechtlich organisierte berufliche Interessensverbände lässt sich die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer entsprechenden Mitwirkung an der staatlichen Vollziehung weiterhin damit begründen, dass sie vom Verfassungsgesetzgeber vorausgesetzt worden ist.77Art 120a Abs 2 B-VG ist zumindest ein Bezugspunkt für diese These. Doch auch wenn die Anerkennung der Rolle der Sozialpartner in Art 120a Abs 2 B-VG insb im Hinblick auf die Begutachtungsrechte und die Kollektivvertragsfähigkeit der Sozialpartner von Bedeutung ist ( Mayer/Kucsko-Stadlmayer/Stöger, Bundesverfassungsrecht11 Rz 920/6), fehlt eine dezidierte verfassungsrechtliche Regelung der Mitwirkung der privaten beruflichen Interessensverbände an der staatlichen Vollziehung, wie sie in Art 120b Abs 3 B-VG ausdrücklich für das nicht mit der Sozialpartnerschaft deckungsgleiche Phänomen der sonstigen Selbstverwaltung besteht.

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