§ 138 Abs 2 und § 139 Abs 2 BVergG sehen jene Gründe vor, die den Auftraggeber ermächtigen, das Vergabeverfahren durch Widerruf zu beenden (zur Relevanz der diesbezüglichen Regelungen des klassischen Bereichs auch für den Sektorenbereich siehe Rz 1836). Ein Widerruf ist demnach jedenfalls zulässig, wenn sachliche Gründe dies rechtfertigen (§ 138 Abs 2 und § 139 Abs 2 Z 3 BVergG). Auch für den Widerruf aus sachlichen Gründen gilt, dass die Bestandsfestigkeit der Ausschreibung einem solchen Widerruf nicht entgegensteht.3534 Ausweislich der Materialien ist an die fakultativen Widerrufsgründe „kein strenger Maßstab anzulegen“.3535 Die Materialien3536 führen als Beispiele für einen fakultativen Widerruf an, dass der Auftraggeber die Leistung generell oder in der ausgeschriebenen Form nicht mehr benötigt, Änderungen in den Ausschreibungsunterlagen etwa aufgrund neuer Technologien notwendig werden, die budgetäre Bedeckung nachträglich wegfällt, die Bieteranzahl bzw Bieterstruktur sich während der Angebotsfrist wesentlich verändert, kein oder nur ein Teilnahmeantrag einlangt oder generell überhöhte Preise vorliegen, wenn der Auftraggeber Preisabsprachen vermutet oder Grund zur Annahme hat, dass die Preise aus anderen Gründen nicht die korrekten Marktpreise widerspiegeln. Nach der Judikatur liegen einen Widerruf sachlich rechtfertigende Gründe unter anderem dann vor, wenn die Angebotspreise die marktüblichen Preise um 20 % überschreiten,3537 generell überhöhte Preise vorliegen,3538 mit der angebotenen Leistung die angestrebte Projektförderung, obgleich in der Ausschreibung nicht als zwingendes Kriterium festgelegt, nicht realisierbar ist3539 oder die Angebotspreise den geschätzten Auftragswert3540 beträchtlich überschreiten. Auch zu eng gesteckte Eignungsanforderungen, die lediglich ein Bieter erfüllen konnte,3541 widersprüchliche Ausschreibungsunterlagen, die geeignet sind, die Bieter in die Irre zu führen,3542 die Erforderlichkeit technisch notwendiger Zusatzarbeiten, wobei – auch wenn diese gesondert ausgeschrieben werden könnten – bei einer gemeinsamen Ausschreibung Synergieeffekte erzielt werden können,3543 wenn in der Ausschreibung das Mengengerüst fehlt und folglich auch die Gewichtung der einzelnen Positionen zueinander nicht gegeben ist3544 oder wenn in den Ausschreibungsunterlagen ein nicht erfüllbares Leistungserfordernis festgelegt ist,3545 werden von der Rsp als sachliche Widerrufsgründe anerkannt.
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